© 2017 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 086/17 Der Militärstützpunkt Ramstein Statusrechtliche Fragen und mögliche Konsequenzen bei Verstößen gegen das Stationierungsrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/17 Seite 2 Der Militärstützpunkt Ramstein Statusrechtliche Fragen und mögliche Konsequenzen bei Verstößen gegen das Stationierungsrecht Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 086/17 Abschluss der Arbeit: 4. Oktober 2017 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Rechtsgrundlagen für den Aufenthalt amerikanischer Truppen in Deutschland 4 2. Anwendbarkeit deutschen Rechts auf dem Gebiet ausländischer Militärliegenschaften 5 3. Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren 5 4. Kündigung des Stationierungsrechts 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/17 Seite 4 1. Rechtsgrundlagen für den Aufenthalt amerikanischer Truppen in Deutschland Die Präsenz amerikanischer Militäreinrichtungen in Deutschland findet ihre Rechtsgrundlage im Stationierungsrecht. Grundlage für den dauernden Aufenthalt von US-Streitkräften in Deutschland (das sog. ius ad praesentiam) ist bis heute der sog. Aufenthaltsvertrag vom 23. Oktober 1954.1 Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Fortgeltung des Aufenthaltsvertrags durch die „Vereinbarung vom 25. September 1990 zu dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“2 bestätigt und ergänzt. Art. 1 des Aufenthaltsvertrages sieht vor, dass US-Streitkräfte „in gleicher Effektivstärke“ wie zur Zeit des Inkrafttretens des Vertrages in der Bundesrepublik Deutschland stationiert sein dürfen. Nach dem Wortlaut der Präambel dient die Präsenz ausländischer Truppen in Deutschland dem Zweck, „im Hinblick auf die gegenwärtige internationale Lage (…), die Verteidigung der freien Welt sicherzustellen, die weiterhin die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland erfordern.“ Der Zweck des Aufenthaltsvertrages ist dabei nicht auf die politische Situation zum Zeitpunkt seiner Entstehung beschränkt, sondern erweist sich – wie dies bei institutionellen Verträgen und Regelungsverträgen (z.B. NATO-Vertrag oder VN-Charta) regelmäßig der Fall ist – als entwicklungsoffen und damit einer dynamischen Auslegung zugänglich.3 Dies zeigt sich bereits daran, dass der Aufenthaltsvertrag, dessen Entstehungsgeschichte im Kalten Krieg begründet ist, mit der Vereinbarung aus dem Jahre 1990 – also nach der sicherheitspolitischen „Zeitenwende“ – ausdrücklich völkerrechtlich bestätigt wurde.4 Es wurde damit implizit anerkannt, dass die zulässigen Zwecke für die Stationierung ausländischer Truppen u.a. durch sicherheitspolitische Veränderungen fortgeschrieben werden können. Stationierungsrechtliche Fragen hinsichtlich des Aufenthalts ausländischer Streitkräfte in Deutschland wurden ferner im sog. Truppenvertrag5 und später im Zusatzabkommen zum 1 Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954, BGBl. II 1955, S. 253. 2 BGBl. 1990 II, S. 1390. 3 Vgl. Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht (5. Aufl., Beck, München, 2004), § 11, Rn. 21. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) u.a. in seinen Entscheidungen über den Auslandseinsatz der Bundeswehr immer wieder betont (z.B. BVerfG, Urteil vom 22. November 2001, 2 BvE 6/99). 4 Die Fortgeltung des Aufenthaltsvertrages wurde zudem später in Anlage I, Abschn. 1 Nr. 3 zum Einigungsvertrag von 1990 ausdrücklich festgeschrieben. 5 Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland“ zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. II 1955, 321 ff. Der Truppenvertrag wurde auf der Grundlage von Art. 8 des Deutschlandvertrages vom 26. Mai 1952 geschlossen. Der Truppenvertrag wurde mit dem Beitritt Deutschlands zum NATO-Truppenstatut aufgehoben. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/17 Seite 5 NATO-Truppenstatut von 19596 sowie im Abkommen zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS)7 geregelt. 2. Anwendbarkeit deutschen Rechts auf dem Gebiet ausländischer Militärliegenschaften Ausländische Militärliegenschaften in Deutschland sind kein „extraterritoriales“ Gebiet des Entsendestaates. Die Militärbasis Ramstein liegt auf deutschem Hoheitsgebiet, d.h. als Konsequenz aus dem Territorialitätsprinzip ist deutsches Recht anwendbar.8 Durch Art. 53 Abs. 1 Satz 2 ZA-NTS ist ausdrücklich sichergestellt, dass auch innerhalb der den Stationierungsstreitkräften zur Benutzung überlassenen Liegenschaften deutsches Recht gilt,9 welches ausländische Truppen in Deutschland zu beachten haben. Die amerikanischen Streitkräfte sind folglich etwa an das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz gebunden. 3. Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren Ausländische Militärbasen genießen jedoch ebenso wie diplomatische Missionen (Botschaften) gewisse Vorrechte, steuerliche Befreiungen und Immunitäten, welche die Gebietshoheit des Empfangsstaates funktional einschränken. In diesem Zusammenhang bedeutet Immunität die Freistellung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates.10 Da sowohl das Gelände als auch die Räumlichkeiten des Militärstützpunktes unverletzlich sind, ist ein Zugriff durch örtliche Behörden grundsätzlich nicht möglich. Weder Strafverfolgungs- noch sonstige Behörden können sich ohne die vorherige Zustimmung der amerikanischen Behörden Zutritt zu dem Stützpunkt verschaffen .11 Auch die Angehörigen der ausländischen Streitkräfte genießen Immunität.12 In diesem Sinne urteilte das Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil vom 27. Mai 2015 wie folgt: 6 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II 1183, 1218 ) in der durch die Änderungsabkommen vom 21. Oktober 1971 (BGBl. 1973 II 1022) und vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II 2594) geänderten Fassung. 7 Änderungsabkommen vom 18. März 1993, BGBl. II 1994, S. 2594. Fleck (Hrsg.), The Handbook of the Law of Visiting Forces (OUP, Oxford, 2001), S. 3 ff. 8 Batstone, “Respect for the Law of the Receiving State”, in Fleck (Hrsg.), The Handbook of the Law of Visiting Forces (OUP, Oxford, 2001), S. 61 (62 f.). 9 Praktisch relevant ist dies vor allem im Bereich Umweltschutz und Gesundheitsvorschriften (Art. 54 und 54A ZA-NTS). 10 Ipsen, Völkerrecht (6. Aufl., Beck, München, 2014), S. 526, Rn. 19. 11 Sachstand, „Zur Rolle des Militärstützpunktes Ramstein im Zusammenhang mit US-amerikanischen Drohneneinsätzen “ (15. Dezember 2016), WD 2 - 3000 - 149/16, S. 4. 12 Sachstand, „Ausübung militärischer Gewalt durch ausländische Staaten von Militärbasen in Deutschland“ (3. März 2014), WD 2 - 3000 - 034/14, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/17 Seite 6 „(D)as Stationierungsrecht (erlaubt) in seiner derzeitigen Fassung keine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle der Bundesrepublik der Tätigkeiten fremder Streitkräfte in der Bundesrepublik. Zwar verpflichtet Artikel II des Nato-Truppenstatuts (NTS) die in Deutschland stationierten Streitkräfte dazu, deutsches Recht zu achten. Eine allgemeine, damit korrelierende Befugnis zum ordnungsbehördlichen Einschreiten kennt das Stationierungsrecht jedoch nicht. Art. 49, 53 und 53a des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut (ZA-NTS) sehen nur sehr beschränkte Einwirkungsmöglichkeiten deutscher Behörden auf die Liegenschaftsnutzung durch fremde Truppen vor. Ein zielgerichtetes Einschreiten, das nur gegen den behauptet rechtswidrigen Teil der Nutzung der Satelliten-Relais- Station gerichtet wäre, ist damit von vorneherein ausgeschlossen.“13 Damit erscheint eine Sanktionierung von Straftaten, welche möglicherweise auf dem Stützpunkt Ramstein begangen werden könnten, durch deutsche Behörden schwierig. Nach Art. VII Abs. 1 lit. b) NATO-Truppenstatut i.V.m. Art. 19 ZA-NTS üben die Behörden des Entsendestaates (hier der USA) die Strafgerichtsbarkeit über Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges sowie deren Angehörige in Bezug auf Straftaten aus, welche im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates begangen werden (hier Deutschland). Der Bundesrepublik Deutschland steht demgegenüber nur eine subsidiäre Strafgerichtsbarkeit zu.14 4. Kündigung des Stationierungsrechts Sowohl der Aufenthaltsvertrag als auch das NATO-Truppenstatut können aufgekündigt werden. Nach Nr. 3 der Vereinbarung vom 25. September 1990 zu dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland15 kann die Bundesrepublik Deutschland den Aufenthaltsvertrag in Bezug auf eine oder mehrere Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren beenden. Nach Art. XIX Abs. 1 und 3 NATO-Truppenstatut kann jede Vertragspartei das Abkommen mit einer Frist von einem Jahr nach Eingang der Notifizierung bei der Regierung der USA kündigen. Obwohl die Möglichkeit einer Kündigung rechtlich besteht, dürfte sie politisch nicht gangbar sein. *** 13 Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27. Mai 2015, Az. 3 K 5625/14, BeckRS 2015, 46138, Abschnitt B III 3. 14 Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 19. Juli 1976, 3 Ws 9/76, (1977) NJW, S. 1019; Ausarbeitung, „Voraussetzung einer Verfolgung von Straftaten in Deutschland stationierter Angehöriger der US-amerikanischen Streitkräfte“ (2. Februar 2007), WD 2 - 016/07. 15 Siehe oben Fn. 2.