© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 – 085/19 Entwicklungspolitik Japans und der Vereinigten Staaten von Amerika Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 2 Entwicklungspolitik Japans und der Vereinigten Staaten Aktenzeichen: WD 2 - 3000 – 085/19 Abschluss der Arbeit: 19. August 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Japan 4 2.1. Historie 4 2.2. Aktueller Stand der japanischen EZ 6 2.3. JICA 7 2.4. Grundsätze japanischer EZ 8 3. Vereinigte Staaten von Amerika 13 3.1. Historie 13 3.2. Aktueller Stand der amerikanischen EZ und foreign assistance 15 3.3. USAID 18 3.4. Weitere Träger amerikanischer EZ 19 3.5. Grundsätze der amerikanischen EZ 20 4. Schlussbemerkungen 22 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 4 1. Einleitung Dieser Sachstand erläutert die Entwicklungspolitik von Japan sowie die der Vereinigten Staaten von Amerika. Zunächst wird die nationale historische Entwicklung dargestellt, sodann der Stand der jeweiligen Entwicklungspolitik, die Struktur der mit der Umsetzung der Politik betrauten Behörden bzw. deren strukturelle und institutionelle Einbettung und schließlich Grundsätze, Strategien und Richtlinien. 2. Japan Japan ist weltweit der viertgrößte Geber von Official Development Assistance (ODA). Im Jahre 2018 belief sich die Summe der von Japan geleisteten ODA auf 14,2 Mrd. USD.1 Hinzu kommen zahlreiche Infrastruktur- und andere Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern, die als EZ im weiteren Sinne betrachtet werden können. 2.1. Historie2 Im Jahre 1951 unterzeichneten Japan und die Vereinigten Staaten den Vertrag von San Francisco, mit dem beide Staaten Frieden schlossen und den Zweiten Weltkrieg offiziell beendeten. Japan selbst stand seit Ende 1945 unter amerikanischer Besatzung und war Empfängerland hoher amerikanischer Aufbauhilfen. Grundsätzlich ist die japanische Entwicklungspolitik über mehrere Jahrzehnte im Kontext des Zweiten Weltkrieges zu betrachten. Japan hatte große Teile Ost- und Südostasiens sowie des Pazifikraumes besetzt, wirtschaftlich ausgebeutet und massive Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen. Nach dem Krieg sah es sich nicht nur Ansprüchen auf Wiedergutmachung, sondern auch starker antijapanischer Ressentiments gegenüber. Gleichzeitig war es durch seine Rohstoffarmut auf gute Handelsbeziehungen zu anderen Staaten angewiesen, wobei die kommunistische und Japan aufgrund des Krieges feindselig gegenüberstehende Volksrepublik China als Handelspartner zunächst ausfiel. Dies prägte die japanische Außen- und Entwicklungspolitik über Jahre hinaus. Bis heute liegt ihr Schwerpunkt in Asien und im Pazifikraum. Im Jahr 1954 wurde das erste Reparationsabkommen (mit dem damaligen Burma) geschlossen, weitere Abkommen mit Indonesien, den Philippinen und Südvietnam folgten. Die Reparationen hatten nicht nur die Form von Geldtransfers, sondern auch von technischer Zusammenarbeit (TZ) bei Wiederaufbau und Infrastrukturprojekten. Laos und Kambodscha verzichteten gar auf Reparationszahlungen zugunsten von langfristigen TZ- und EZ-Maßnahmen Japans. Japan selbst 1 Donor Tracker, Japan Donor Profile, 2019, https://donortracker.org/country/japan (zuletzt abgerufen am 25. Juli 2019). 2 Soweit nicht durch Fußnote anderweitig vermerkt, entstammen sämtliche Information aus: Außenministerium von Japan, The Track Record of Japan’s ODA, 2019, https://www.mofa.go.jp/files/000119315.pdf (zuletzt abgerufen am 25. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 5 erhielt zwischen 1946 und 1952 insgesamt 1,8 Mrd. USD Hilfsgelder von den USA und von 1953 bis 1965 Weltbankdarlehen in Höhe von 860 Mio. USD.3 Der Beitritt Japans zum Colombo Plan for Cooperative Economic Development in South and Southeast Asia (1954) markierte den Beginn der offiziellen japanischen EZ, die formell nicht in Zusammenhang mit den Reparationspflichten Japans stand. Das erste ODA-Darlehen4 (loan) vergab Japan 1958 an Indien. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Japans und der Normalisierung seiner Beziehungen zu den meisten ost- und südasiatischen Staaten wuchsen die Erwartungen an Japans EZ. In den 1960er Jahren wurde sie ausgeweitet und diversifiziert. Im Jahre 1964 erfolgte die Gründung der japanischen Entwicklungshilfebehörde OCTA (Overseas Technical Cooperation Agency), die dem Außenministerium zugeordnet war. 1965 wurde die Freiwilligenorganisation JOVC (Japan Overseas Cooperation Volunteers) gegründet. 1969 begann Japan mit der Vergabe von Hilfsgeldern (grants) an Entwicklungsländer. In den 1970er Jahren begann Japan, seine EZ nicht mehr nur auf Asien zu konzentrieren, sondern expandierte - bei Beibehaltung des Schwerpunktes Asien – in Länder Afrikas, des Nahen Ostens und Lateinamerikas. 1972 stand Japan bereits auf Platz vier der Geberländer und setzte starke eigene Akzente, die später weltweit zur entwicklungspolitischen Standardpraxis wurden: Es entwickelte eigene Standards der Ex-post-Evaluation von EZ-Projekten und veröffentlichte die Evaluationsberichte von Anfang an. Des Weiteren verfolgte Japan das damals innovative Konzept der Dreieckskooperation, bei der ein Industrieland zusammen mit einem Entwicklungsland ein weiteres Entwicklungsland unterstützt. Im Jahre 1974 erfolgte die Gründung der Japan International Cooperation Agency (JICA). 1979 vergab Japan das erste Darlehen an die Volksrepublik China; ein Versuch in Richtung Normalisierung des bilateralen Verhältnisses.5 China hatte im Zweiten Weltkrieg besonders stark unter der japanischen Besatzung gelitten, überdies stand das kommunistische Regime dem 3 Siehe Mamoru Shinohara, Präsentation der Botschaft von Japan in Costa Rica am Inter-American Institute for Human Rights, S. 4, 6. August 2015, https://www.iidh.ed.cr/IIDH/media/2712/presentation_at_iidh-by-mshinohara .pdf (zuletzt abgerufen am 25. Juli 2019). 4 Das Konzept bzw. der Begriff ODA wurde zwar erst in den 1970er Jahren von der OECD entwickelt, doch handelte es sich bei Darlehen und Hilfsgeldern auch zuvor schon faktisch um ODA, und in aktuellen Publikationen des japanischen Außenministeriums und der japanischen Entwicklungshilfebehörde wird auch in Bezug auf die 1950er und 1960er Jahre von ODA gesprochen. 5 Yoshihisa Komori erläutert, warum das Ziel der Verbesserung der Beziehungen nicht erreicht wurde. In erster Linie lag dies an der mangelnden Öffentlichkeit in China, dessen Staatsmedien über Jahrzehnte über japanische Hilfen an China nichts berichteten. Das 1988 explizit genannte Ziel der japanischen Regierung, „die Herzen der Chinesen zu erreichen“, wurde mangels Kenntnis der Chinesen über diese Bemühungen verfehlt. Antijapanische Ausschreitungen in China in den 2010er Jahren zeigen ebenfalls, dass eine Normalisierung des Image des modernen Japan in der chinesischen Bevölkerung noch nicht vollzogen wurde. Yoshihisa Komori, Japan’s ODA to China—End of a Momentous Foreign Policy Failure, 8. November 2018, https://japan-forward.com/japansoda -to-china-end-of-a-momentous-foreign-policy-failure/ (zuletzt abgerufen am 26. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 6 marktwirtschaftlich organisierten Japan unter dem Schutz der USA in den Hochphasen des Kalten Krieges auch aus geopolitischen Gründen nicht wohlgesonnen gegenüber.6 Im Jahre 1989 löste Japan die USA als größtes Geberland ab. Während in den 1990er Jahren die ODA vieler großer Geber sank, erhöhte sich die ODA Japans stetig. Sie betrug fast 20 Prozent aller ODA der Mitgliedsstaaten des Development Assistance Committee (DAC) der OECD. Gleichzeitig diversifizierte Japan seine EZ weiter aus und EZ-Projekte in den Sektoren Landwirtschaft, Gesundheit und Bildung gewannen größere Bedeutung als z.B. klassische TZ- Infrastrukturprojekte. 1992 veröffentlichte die japanische Regierung die erste sogenannte ODA-Charta mit den Grundsätzen und Zielen japanischer Entwicklungszusammenarbeit (s.u. Abschnitt 2.3). In den 1990er und 2000er Jahren war Japan Initiator oder Mitinitiator mehrerer bis heute wichtiger Trends in der Entwicklungszusammenarbeit, bzw. nahm neuentwickelte Themen und Konzepte besonders rasch in seine sich stetig ausdifferenzierende und expandierende EZ auf, insbesondere das Thema Klimawandel. Des Weiteren wurden Schutz und Förderung der Menschenrechte, Friedenssicherung und Rüstungskontrolle zu neuen Schwerpunkten der japanischen EZ. Mit dem 1993 gestarteten TICAD-Prozess (Tokyo International Conference on African Development) rückte Japan zudem Afrika in den Fokus. Die 2000er Jahre waren ebenfalls von fortschreitender Diversifizierung und Expansion geprägt, allerdings auch von einem wirtschaftlich bedingten Absinken der japanischen ODA. Im Jahre 2008 wurde JICA neu strukturiert und mit der bis dato unabhängigen staatlichen Japanischen Bank für Internationale Zusammenarbeit (Japan Bank for International Cooperation, JBIC)7 fusioniert (Näheres s.u.). 2.2. Aktueller Stand der japanischen EZ Japan ist immer noch eines der größten Geberländer nach ODA-Summen. Im Jahre 2018 betrug die Summe aller japanischen Netto-ODA-Leistungen 9,921 Mrd. USD.8 Dies ist eine Verringerung im Vergleich zu den Vorjahren, wird aber von den für 2019 prognostizierten Leistungen in Höhe von ca. 13,3 Mrd. USD wieder deutlich übertroffen. Überdies war die 6 Im Jahre 2018 beendete Japan alle ODA-Leistungen an China, da dieses inzwischen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen war. Noch Mitte der 2000er Jahre hatte die japanische ODA an China mit ca. 1,5 Mrd. USD pro Jahr einen Höchststand erreicht. Tamiyuki Kihara und Ryo Kiyomiya, Japan to end ODA funding to China, now an economic titan, Asahi Shimbun am 23. Oktober 2018, http://www.asahi.com/ajw/articles /AJ201810230031.html (zuletzt abgerufen am 26. Juli 2019). Einen knappen Überblick über 40 Jahre japanischer ODA an China bietet JICA, Japan’s Official Development Assistance (ODA) to China and recent activities, 2016, https://www.jica.go.jp/china/english/office/others/c8h0vm00005s0xu9-att/brochure_03_en.pdf (zuletzt abgerufen am 26. Juli 2019). 7 Diese wiederum war 2007 mit verschiedenen anderen staatlichen Finanzinstitutionen zur Japan Finance Corporation (JFC) zusammengelegt worden, sodass die heutige JICA auch als ausführendes Organ des internationalen Teils dieser „staatlichen Großbank“ betrachtet werden kann. JICA und JBIC unterstehen nach wie vor dem Außenministerium . 8 Donor Tracker, Japan, 2019, https://donortracker.org/country/japan (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 7 Summe gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt immer noch höher als die des Vorjahres; sie beträgt ca. 0,28 Prozent des BIP.9 Die ausführlichen Jahresberichte der JICA über ihre Ausgaben sind öffentlich im Internet auch in englischer Sprache abrufbar.10 Im Jahre 2017 gab es in insgesamt 146 Ländern11 Projekte der JICA mit einem finanziellen Gesamtvolumen von 15,79 Mrd. USD.12 Die meisten Projekte entfielen auf die Sektoren Infrastruktur (4,76 Mrd. USD), Energieversorgung (2,02 Mrd. USD) und Wasser- und Sanitärversorgung (1,14 Mrd. USD).13 Der größte Teil der japanischen ODA geht an asiatische und ozeanische Länder, gefolgt von Afrika sowie Lateinamerika.14 2.3. JICA Die Japan International Cooperation Agency (JICA) wurde im Jahre 1974 gegründet und 2007- 2008 deutlich umstrukturiert. Grundsätzlich obliegen EZ und humanitäre Hilfe Japans dem Außenministerium. Ein eigenes Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit gibt es nicht. Ebenso existiert kein Entwicklungshilfeausschuss im japanischen Unterhaus (Shugiin).15 Die JICA ist seit 2008 der „internationale Arm“ der staatlichen Finanzierungsbehörde Japan Finance Corporation, die ähnlich wie die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Umsetzung politischer Ziele finanziell unterstützt, etwa in Form von günstigen Darlehen als faktische Subvention für Unternehmen. Innerhalb der Organisation untersteht die JICA der Abteilung Internationale Operationen, die wiederum der Untereinheit Wirtschaftsförderung 9 Donor Tracker (Anm. 8). 10 Für das erste Halbjahr 2018 siehe z.B. JICA, JICA 2018 – Annual Report, November 2018, https://www.jica.go.jp/english/publications/reports/annual/2018/c8h0vm0000dxws0g-att/2018_data_all.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Juli 2019). 11 JICA, S.6, (Anm. 10). 12 Donor Tracker (Anm. 8). 13 Donor Tracker (Anm. 8). JICA selbst fasst in ihrem Jahresbericht (S. 18) jedoch die Bereiche Infrastruktur, Energie und Wasser/Sanitär zusammen. 14 JICA, S. 6 – 19, (Anm. 10). 15 The House of Representatives Japan, Standing Committees, 2019, http://www.shugiin.go.jp/internet/itdb_english .nsf/html/statics/guide/committees.html (zuletzt abgerufen am 1. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 8 untersteht, die Teil der Einheit Kleine und Mittelständische Unternehmen ist.16 Die politische Aufsicht der JICA, ihre Zielvorgaben und Entwicklung obliegen jedoch klar dem Außenministerium. Ihre Organisationsstruktur ist klar hierarchisch und nach Tätigkeitsbereichen bzw. Politikfeldern geordnet.17 Derzeitiger Vorsitzender der Behörde ist der Politikwissenschaftler und ehemalige Botschafter Japans bei den Vereinten Nationen Shinichi Kitaoka.18 JICA hat aktuell 1.909 Festangestellte in Vollzeit und 98 Auslandsbüros, zwei davon in den USA bzw. Frankreich.19 2.4. Grundsätze japanischer EZ Die Grundsätze der japanischen EZ werden offiziell aus der japanischen Verfassung abgeleitet.20 Diese ist, ähnlich wie das deutsche Grundgesetz, im Kontext der japanischen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu sehen. Wie im Falle Deutschlands war Japans Geschichte von außenpolitischer Aggression, Menschenrechtsverbrechen und Militarismus geprägt und endete mit schwersten Verlusten, massiven Zerstörungen und schließlich der völligen militärischen und moralischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg. Wie im Grundgesetz werden bereits in der Präambel der japanischen Nachkriegsverfassung einige aus diesen Erfahrungen gezogenen Lehren in Worte gefasst. Japans Verfassung (Präambel und Artikel 9) verpflichtet den japanischen Staat und das japanische Volk unter anderem zu Demokratie, zur Einhaltung der Menschenrechte, zum Frieden bzw. Nichtmilitarismus, Konstitutionalismus, der Achtung der 16 Japan Finance Corporation, Organization Chart of Japan Finance Corporation, 2019, https://www.jfc.go.jp/n/english/pdf/organizationalchart.pdf (zuletzt abgerufen am 1. August 2019). 17 JICA, Organizational Chart, 2018, https://www.jica.go.jp/english/about/organization/c8h0vm000000ks38- att/e_organization.pdf (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 18 JICA, Organization, 2019, https://www.jica.go.jp/english/about/organization/index.html (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 19 JICA (Anm. 18). 20 Vgl. Mamoru Shinohara, S. 3 (Anm. 3). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 9 Souveränität anderer Staaten, internationaler Normen und Institutionen sowie zum Multilateralismus.21 Darauf aufbauend, ist zumindest für Japans Politik gegenüber asiatischen Staaten die sogenannte Fukuda-Doktrin maßgeblich.22 Im Jahre 1977 hielt der damalige Premierminister Takeo Fukuda anlässlich einer Reise durch die ASEAN-Staaten eine Rede in Manila, in der er die Grundsätze der japanischen Asienpolitik darlegte, die bis heute gültig sind. Dies sind: - Japan verzichtet auf eine Rolle als Militärmacht. - Japan fördert die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in der Region und gegenseitiges Vertrauen sowie Solidarität der Staaten. - Japan beansprucht trotz seiner ökonomischen Macht keine Führungsrolle, sondern sieht sich im Verhältnis zu den anderen asiatischen Staaten und die asiatischen Staaten untereinander als gleichwertige Partner auf Augenhöhe. Verfassung und Fukuda-Doktrin als theoretischer Überbau kristallisierten über die Jahre drei Hauptansätze der entwicklungspolitischen Praxis Japans23 heraus, die nach wie vor verfolgt werden: 21 „Wir, das japanische Volk […], entschlossen, die Früchte friedlicher Zusammenarbeit mit allen Völkern und die Segnungen der Freiheit im ganzen Lande uns und unseren Nachkommen zu erhalten, und einig in dem Bestreben , daß niemals wieder die Schrecken des Krieges durch die Politik unserer Regierung über uns kommen sollen, erklären ausdrücklich, daß die Souveränität allein beim Volke ruht, und geben uns unabänderlich diese Verfassung. […] Wir, das japanische Volk, wünschen den Frieden für alle Zeiten und sind uns zutiefst der hohen Ideale bewußt, welche die menschlichen Beziehungen regeln, und wir haben beschlossen, unsere Sicherheit und Existenz im Vertrauen auf die Gerechtigkeit und Redlichkeit der friedliebenden Völker der Welt zu bewahren. Wir möchten einen ehrenvollen Platz in einer Völkergemeinschaft einnehmen, die um die Erhaltung des Friedens kämpft und bemüht ist, Gewaltherrschaft, Knechtschaft, Unterdrückung und Unduldsamkeit für immer von dieser Erde zu verbannen. Wir erkennen an, daß alle Völker der Welt das Recht haben, in Frieden und frei von Furcht und Not zu leben. Wir sind der Überzeugung, daß kein Volk nur sich selbst verantwortlich ist, sondern daß die Gesetze politischer Moral allgemein gültig sind, und daß der Gehorsam gegenüber diesen allen Nationen obliegt, die ihre eigene Souveränität bewahren und ihre souveränen Beziehungen zu anderen Nationen rechtfertigen wollen. Wir, das japanische Volk, verpfänden unsere nationale Ehre dafür, daß wir mit allen Mitteln um die Erfüllung dieser hohen Ideale und Ziele bemüht sein werden.“ Präambel der Verfassung des Kaiserreiches Japan vom 3. November 1946, http://www.verfassungen.net/jp/verf47-i.htm (zuletzt abgerufen am 26. Juli 2019). Art. 9, (1) „Im aufrichtigen Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für immer auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt als Mittel, internationale Streitigkeiten zu regeln. (2) Um das im vorangehenden Absatz bezeichnete Ziel zu erreichen, werden niemals mehr Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie andere Mittel zur Kriegsführung unterhalten werden. Das Recht des Staates auf Kriegführung wird nicht anerkannt.“ Art. 9 der Verfassung des Kaiserreiches Japan vom 3. November 1946, http://www.verfassungen .net/jp/verf47-i.htm (zuletzt abgerufen am 26. Juli 2019). 22 Alle Angaben zur Fukuda-Doktrin: ASJA International, Fukuda Doctrine, 2016, https://asja.gr.jp/en/asja/fukuda.html (zuletzt abgerufen am 6. August 2019). 23 Außenministerium von Japan (Anm. 2). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 10 - Hilfe zur Selbsthilfe. Japans technische Zusammenarbeit konzentriert sich stark auf die Bildung bzw. Weiterbildung von einheimischen Fachkräften, insbesondere auch von Lehrerinnen und Lehrern. In fast jedem Partnerland der japanischen EZ existieren Projekte oder finanziell und technisch unterstützte Partnerinstitutionen, die die human resources des Landes entwickeln sollen. - Nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Hierunter wird weniger die ökologische Komponente von Nachhaltigkeit, als vielmehr die Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit von für die lokale Wirtschaft wichtigen Infrastrukturprojekten verstanden. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Entwicklung und Industrialisierung von Thailands östlicher Golfküste, bei der mittels 16 vernetzter Einzelprojekte und 27 ODA-Darlehen seit Beginn der 1980er Jahre eines von Thailands wichtigsten Industrie- und Exportzentren geschaffen wurde. Spätestens seit Beginn der 1990er Jahre ist jedoch auch der Ökologieaspekt der Nachhaltigkeit hinzugekommen. - Menschliche Sicherheit (human security). Dieses sehr weitreichende Konzept gehört mittlerweile zum Standard-Portfolio der EZ jedes Landes. Japan verfolgte den Ansatz einer erweiterten Sicherheit von Individuen durch Resilienzaufbau, Friedenssicherung, Armutsverminderung, Bildung und Gesundheit avant la lettre.24 Neben diesen aus der Verfassung abgeleiteten Grundsätzen und den sich in der Praxis herausgebildeten Ansätzen existieren die seit 2001 im Weißbuch zur Entwicklungspolitik jährlich formulierten Jahresziele.25 Darüber hinaus gibt es mittelfristig gültige Richtlinien zur Vergabe von ODA-Leistungen, die in der sogenannten Charta für Entwicklungszusammenarbeit niedergelegt sind.26 Das seinerzeit noch ODA-Charta genannte Dokument wurde zum ersten Mal im Jahre 1992 verabschiedet und 2003 angepasst. Im Februar 2015 verabschiedete die Regierung von Premierminister Shinzo Abe eine Neufassung der ODA-Charta, um sie an veränderte politische und ökonomische Realitäten anzupassen. Sie wurde überdies umbenannt in Charta der Entwicklungszusammenarbeit (Development Cooperation Charter).27 24 Mehr zu Menschlicher Sicherheit: United Nations Trust Fund for Human Security, What is Human Security?, 2019, https://www.un.org/humansecurity/what-is-human-security/ (zuletzt abgerufen am 8. August 2019). 25 Sämtlich nachzulesen unter: Außenministerium von Japan, White Paper on Development Cooperation / Japan's ODA White Paper, 2019, https://www.mofa.go.jp/policy/oda/page_000017.html (zuletzt abgerufen am 6. August 2019). 26 Alle folgenden Angaben zur Charta für Entwicklungszusammenarbeit aus: Außenministerium von Japan, Cabinet decision on the Development Cooperation Charter, 10. Februar 2015, https://www.mofa.go.jp/files /000067701.pdf (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 27 Ken Okaniwa, Changes to ODA Charter reflect new realities, Japan Times am 29. Mai 2015, https://www.japantimes .co.jp/opinion/2015/05/29/commentary/japan-commentary/changes-oda-charter-reflect-new-realities /#.XVJfZOgzZaQ (zuletzt abgerufen am 13. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 11 Die Charta von 2015 hat drei Hauptabschnitte: 1) Grundlegende Politik (basic policies)28 1. Einen Beitrag zu Frieden und Wohlstand durch Zusammenarbeit zur Erreichung nicht-militärischer Ziele leisten (Contributing to peace and prosperity through cooperation for non-military purposes) 2. Förderung menschlicher Sicherheit (Promoting human security) 3. Kooperation mit dem Ziel der selbstständigen Entwicklung durch Hilfe zur Selbsthilfe, Dialog und Zusammenarbeit auf Grundlage von Japans Erfahrungen und Expertise (Cooperation aimed at self-reliant development through assistance for self-help efforts as well as dialogue and collaboration based on Japan’s experience and expertise) 2) Prioritäre Ziele (priority issues) 1. Qualitativ hochwertiges Wachstum und Armutsbekämpfung durch solches Wachstum ("Quality growth" and poverty eradication through such growth). Dieses Ziel ist neu formuliert. Japan verfolgt damit seit 2015 offiziell nicht nur reines Wirtschaftswachstum in seinen EZ-Partnerländern, sondern ein explizit sozial gerechtes, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiges sowie resilienzstärkendes Wachstum. 2. Förderung29 universeller Werte und Verwirklichung einer friedlichen und sicheren Gesellschaft (Sharing universal values and realizing a peaceful and secure society). Japan setzt sich zum Ziel, mittels seiner EZ-Politik Werte wie Rechtstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und gerechte Teilhabe aller Mitglieder der Gesellschaft zu stärken und zu fördern. Neu ist, dass unter diesem Ziel nun auch explizit die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und der Gleichberechtigung und Teilhabe von Frauen genannt wird. Japan subsummiert unter diesem Ziel ebenso seine humanitäre Hilfe, Anstrengungen zur Räumung von Minen und die Unterstützung von Partnerländern beim Aufbau von Kapazitäten zur Polizeiarbeit, Terrorismusbekämpfung und maritimer Sicherheit. Insbesondere der letzte (neu aufgenommene) Punkt ist politisch brisant, da mehrere ASEAN-Staaten (Hauptpartnerländer von Japans EZ) sich mit der Volksrepublik China um Territorien im Südchinesischen Meer streiten. 28 Diese hat sich im Vergleich zur vorherigen ODA-Charta nicht verändert. 29 Der Sinn der diplomatischen Formulierung sharing wird nach Ansicht des Verfassers am ehesten durch „Förderung “ ausgedrückt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 12 3. Aufbau einer nachhaltigen und resilienten internationalen Gemeinschaft durch Anstrengungen, globalen Herausforderungen (gemeinsam) zu begegnen (Building a sustainable and resilient international community through efforts to address global challenges). Japan erkennt an, dass globale Probleme auch global, d.h. multilateral, gelöst werden müssen. Es wird daher multilaterale bzw. internationale Anstrengungen, globale Probleme zu bekämpfen, grundsätzlich immer unterstützen. Dazu gehören die Klimakrise, die Biodiversitätskrise, die Zerstörung der Umwelt, Infektionskrankheiten und Nahrungsmittelknappheit. Unter anderem will Japan den Aufbau von Gesundheitssystemen zum Wohle aller, die Schaffung einer ökologisch nachhaltigen wirtschaftsweise und den Abbau der digital divide30 fördern. Japan unterstützt des Weiteren die Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs, Sustainable Development Goals). Diesen Zielen folgen Ausführungen zur regionalspezifischen Gewichtung der japanischen EZ. Dabei stehen die ASEAN-Staaten nach wie vor an erster Stelle. Die regionale politische Integration, Infrastruktur und Weiterentwicklung der Wirtschaft hat für Japan Priorität. In Afrika will Japan vor allem friedensfördernde Maßnahmen durchführen und den Export bzw. Handel fördern. In Lateinamerika und Ozeanien soll Japans EZ in erster Linie die Probleme, die durch Klimakrise, Anstieg des Meeresspiegels und die Zerstörung der Umwelt ausgelöst werden, angehen. 3) Grundprinzipien der Umsetzung (Principles of implentation) Hier werden nun die konkreten Richtlinien zur Gewährung von ODA ausformuliert. Eine detaillierte Auflistung würde hier den Rahmen sprengen.31 Grundsätzlich will Japan stärker als zuvor auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Bemühungen zur Bekämpfung von Korruption und Förderung von Demokratie in den Partnerländern achten. Überdies stärkt die Charta von 2015 die Rolle von Public-Private-Partnerships sowie die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort. Auch ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie die Teilhabe von Frauen wurden in die Richtlinien aufgenommen. Wie schon zuvor achtet Japan streng auf den zivilen, nichtmilitärischen Charakter seiner ODA. Der größte Unterschied im Vergleich zu den vorherigen ODA-Chartas ist die Betonung einer stärker strategisch ausgerichteten Entwicklungspolitik, die nunmehr explizit als „einer der wichtigsten Komponenten der japanischen Außenpolitik“ benannt wird. Dieser Tatsache soll durch eine umfassendere Integration der japanischen EZ in seine Außenpolitik Rechnung getragen werden. Die EZ soll nun explizit - bei Einhaltung der Richtlinien der Charta und auf Basis der darin aufgeführten Grundwerte und Oberziele - der Durchsetzung der außenpolitischen Interessen und Ziele Japans dienen. 30 D.h. die Kluft zwischen jenen, die Zugang zu Telefon, Internet usw. und deren Vorteilen haben, und jenen, die dies nicht haben. 31 Siehe Außenministerium von Japan (Anm. 26), S. 9-15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 13 3. Vereinigte Staaten von Amerika Die USA sind der größte Geber weltweit. Im Gegensatz zu Japan ist es schwierig, ODA bzw. EZ der USA von anderen Hilfsleistungen an andere Staaten zu trennen. Juristisch, haushalterisch und organisatorisch ist die Gesamtheit dieser Hilfsleistungen sehr komplex (s.u.). Zentral für die „reine“ EZ der USA ist jedoch die Behörde USAID, deren Aufgaben und Aufbau im Abschnitt 3.2.2 dargestellt werden. Auffällig ist, dass in aktuellen amerikanischen Primärquellen, d.h. jenen Dokumenten, die direkt von der Regierung, dem Kongress oder den mit der amerikanischen EZ befassten offiziellen Institutionen stammen, vergleichsweise selten von Entwicklungszusammenarbeit oder ODA allein die Rede ist. Vielmehr werden diese Leistungen an Entwicklungsstaaten zumeist innerhalb der Gesamtheit aller möglichen Hilfen an andere Staaten (foreign assistance oder foreign aid) betrachtet. So führt z.B. der Congressional Research Service in einer aktuellen Analyse der amerikanischen foreign assistance Israel (das jährlich hohe Militärhilfen von den USA erhält) zusammen mit Entwicklungsstaaten wie Äthiopien (das Empfänger amerikanischer ODA ist) in einer Tabelle unter „Empfängerländer amerikanischer foreign assistance im Fiskaljahr 2017“ auf, ohne die (auf Ebene der VN und der OECD klar getätigte) Unterscheidung zwischen Militärhilfe und ODA vorzunehmen.32 Auch die Vereinten Nationen und andere internationale oder multilaterale Institutionen als Träger von EZ werden – zumindest im Vergleich zu Japan – in neuesten Primärquellen relativ selten erwähnt, was auch der Politik der aktuellen Administration unter Präsident Donald Trump geschuldet sein könnte. 3.1. Historie33 Die Ursprünge der amerikanischen Entwicklungshilfe liegen wie im Falle Japans in der Nachkriegszeit, jedoch unter umgekehrten Vorzeichen. Die USA erbrachten nach dem Zweiten Weltkrieg – aus dem sie, ökonomisch gesehen, als einziger echter Sieger hervorgingen – enorme finanzielle und logistische Leistungen im Rahmen der Wiederaufbauhilfen für die vom Krieg betroffenen Länder (West-)Europas und Asiens. Das European Recovery Program, bekannter unter der Bezeichnung Marshallplan, hatte ein Volumen von mehr als 100 Mrd. USD (nach heutigem Geldwert), die ab 1947 binnen drei Jahren in insgesamt 16 europäische Länder, darunter auch die Westzone des besetzten Deutschlands, investiert wurden.34 Der Grundgedanke: ein wirtschaftlich starkes und prosperierendes Westeuropa wäre zum einen ein Absatzmarkt und Handelspartner der USA, zum anderen bliebe es den USA zu- und dem kommunistischen Block abgewandt. Ebenso transferierten die USA binnen drei Jahren 15,2 Mrd. USD (heutiger Geldwert) 32 Congressional Research Service, Foreign Aid: An Introduction to U.S. Programs and Policy, S.2, 16. April 2019, https://fas.org/sgp/crs/row/R40213.pdf, S.18 (zuletzt abgerufen am 13. August 2019). Die Quelle dieser Tabellen ist bemerkenswerterweise die USAID, d.h. gerade die Behörde, die sich an sich allein um EZ kümmert. 33 Sofern nicht durch Fußnote anders vermerkt, entstammen alle Informationen dieses Abschnittes USAID, USAID History, 2019, https://www.usaid.gov/who-we-are/usaid-history (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 34 Joel Blocker, Europe: How The Marshall Plan Took Western Europe From Ruins To Union, Radio Free Europe am 9. Mai 1997, https://www.rferl.org/a/1084818.html (zuletzt abgerufen am 19. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 14 an das besetzte Japan und legten so den Grundstein für dessen raschen wirtschaftlichen Wiederaufstieg.35 Die in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen - der Plan ging auf und erreichte seine Ziele - prägten das amerikanische Verständnis von Entwicklungshilfe über Jahre hinaus. Im Jahre 1949 schlug Präsident Harry S. Truman die Idee einer eigenständigen Entwicklungshilfepolitik vor. Der sogenannte Four Point Plan von 1950 fokussierte damals auf zwei Ziele: Schaffung neuer Absatzmärkte durch Förderung der Wirtschaft in Entwicklungsstaaten sowie Eindämmung der kommunistischen Gefahr. In den 1950er Jahren waren mehrere Organisationen Träger der amerikanischen Entwicklungshilfe bzw. der Hilfe für andere Staaten (foreign assistance, ein weitgefasster Begriff, s.u.). Diese unterstanden teils dem Außen-, teils dem Wirtschafts-, teils dem Verteidigungsministerium.36 Diese Fragmentierung machte die amerikanische Entwicklungshilfe ungezielt und ineffizient. Infolgedessen sanken auch die Summen, die Regierung und Kongress für Entwicklungshilfe einplanten bzw. bewilligten, und das Konzept an sich war politisch unpopulär.37 Mit der Gründung der U.S. Agency for International Development (USAID) durch Präsident John F. Kennedy im Jahre 1961 wurde die bis heute fortbestehende zentrale Behörde für die Durchführung der amerikanischen EZ geschaffen. In den 1970er Jahren verschob sich der Fokus von USAID von den bis dahin dominierenden Infrastrukturprojekten hin zu grundlegenden humanitären Bedürfnissen. Die amerikanische EZ engagierte sich demnach vornehmlich in den Bereichen Nahrungsmittelversorgung, Familienplanung, Gesundheit und Bildung. In den 1980er Jahren verschob sich der Fokus abermals, hin zur Breitenförderung von Wirtschaftswachstum, der Revitalisierung von Märkten und der Förderung von Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges engagierten sich die USA vorrangig im Bereich Demokratieförderung und der Verbesserung der Lebensqualität in Empfängerländern. In den 35 Nina Serafino, Curt Tarnoff, und Dick K. Nanto, U.S. Occupation Assistance: Iraq, Germany and Japan Compared , Congressional Research Service, 23. März 2006, https://fas.org/sgp/crs/natsec/RL33331.pdf (zuletzt abgerufen am 19. August 2019). 36 Wie in Abschnitt 3.2 dargelegt, hat sich jedoch an der Fragmentierung der amerikanischen Auslandshilfen nichts fundamental geändert. 37 „Aid, the concept of foreign assistance, is not a popular program in the United States. That is a well-known fact. And therefore, there will not be farewell parades to you as you leave or parades for you when you come back.“ Präsident John F. Kennedy in einer Rede an die Leiter der USAID-Vertretungen am 8. Juni 1962. USAID Blog am 18. August 2011, 50th Anniversary: President Kennedy Addresses USAID Mission Directors, https://blog.usaid.gov/2011/08/50th-anniversary-president-kennedy-addresses-usaid-mission-directors/ (zuletzt abgerufen am 5. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 15 1990er Jahren weiteten zahlreiche amerikanische Stiftungen und NGOs ihre Tätigkeiten in Entwicklungsländern aus.38 In den 2000ern, bzw. nach den auf die Anschläge vom 11. September 2001 folgenden Kriegen in Afghanistan und dem Irak, war USAID vorrangig im Bereich Wiederaufbau und in post-conflict- Projekten engagiert, d.h. in den Sektoren Governance, Infrastruktur, Zivilgesellschaftsförderung und der grundlegenden Versorgung mit Bildung und Gesundheitsdienstleistungen. In dieser Dekade begannen auch zahlreiche Kooperationen mit Privatunternehmen zwecks Vergrößerung des finanziellen Spielraumes der amerikanischen EZ. 3.2. Aktueller Stand der amerikanischen EZ und foreign assistance Die USA sind in absoluten Zahlen weltweit das größte Geberland, wobei der Anteil der ODA gemessen an der Wirtschaftsleistung mit 0,17 Prozent des BIP relativ gering ausfällt. Im Jahre 2018 betrug die Gesamtsumme aller bilateralen ODA der USA 34,4 Mrd. USD. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind die USA jedoch nur auf Platz 22 von insgesamt 29 Geberländern der OECD.39 Für 2019 wird trotz der Absichtserklärungen40 und der Versuche der Regierung Trump, die vom Kongress genehmigten Gelder mittels administrativer Tricks (s.u.) zu blockieren, ein Aufwuchs prognostiziert: Die wahrscheinliche ODA der USA für 2019 wird bei ca. 35,2 Mrd. USD liegen.41 Die amerikanische ODA wird überdurchschnittlich stark durch bilaterale Zusammenarbeit geprägt, fast 87 Prozent der gesamten amerikanischen ODA fließen in bilaterale Maßnahmen (der Durchschnitt des Anteils bilateraler ODA aller Mitglieder des Development Aid Committee der OECD beträgt ca. 60 Prozent).42 Der größte Anteil der amerikanischen ODA geht mit 29,4 Prozent in den Sektor Gesundheit, gefolgt von humanitärer Hilfe (22,7 Prozent), „andere“ (15,4 Prozent) und Governance und Zivilgesellschaft (15 Prozent). Die globale Bekämpfung von HIV und AIDS gilt als ein „Markenzeichen“ amerikanischer EZ; die USA haben seit 2003 mehr als 70 Mrd. USD im 38 Zumal sich auch durch den Untergang der Sowjetunion schlicht die Zahl von Schwellen- und Entwicklungsländern in Osteuropa und Zentralasien erhöhte. 39 Donor Tracker, USA, 2019, https://donortracker.org/country/united-states (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 40 Robbie Gramer und Colum Lynch, Trump’s Plan to Slash Foreign Aid Puts Humanitarian Programs in Jeopardy, Foreign Policy am 16. August 2019, https://foreignpolicy.com/2019/08/16/donald-trump-plan-to-slash-foreignaid -puts-humanitarian-programs-in-jeopardy/ (zuletzt abgerufen am 19. August 2019). 41 Donor Tracker (Anm. 39). 42 Donor Tracker, How does the US spend its ODA?, 2019, https://donortracker.org/country/united-states (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 16 Rahmen ihres President’s Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR) ausgegeben.43 Auch der größte Teil aller amerikanischen multilateralen ODA fließt in den Sektor Gesundheit und hier vor allem in den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV und anderen Infektionskrankheiten.44 Dementsprechend geht der größte Teil der amerikanischen ODA auch an Länder Afrikas südlich der Sahara, die am stärksten von HIV und AIDS betroffen sind.45 Obzwar USAID (s.u.) die offizielle Behörde für die amerikanischen ODA-Leistungen ist, bestehen zahlreiche Programme für foreign assistance (s.u. Abschnitt 3.3) auf Ebene der Ministerien sowie darunter. Insgesamt sind 22 Ministerien, Behörden und Institutionen an der foreign assistance beteiligt. So verfügt z.B. das Verteidigungsministerium über mehrere Programme, mittels derer EZ bzw. TZ in anderen Ländern (wie Afghanistan oder Irak) geleistet wird. Die Mittel dazu entstammen dem Verteidigungsbudget und nicht dem von der Regierung eingeplanten und vom Kongress bewilligten spezifischen Budget für foreign assistance bzw. EZ. Dies führt dazu, dass selbst der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongress‘ (Congressional Research Service) Schwierigkeiten hat, sich bzw. dem Kongress einen umfassenden Überblick über alle Hilfen an andere Länder zu verschaffen, bzw. diese Maßnahmen von der „offiziellen“ EZ der amerikanischen Regierung zu trennen.46 Eine Auflistung sämtlicher bei den unterschiedlichen Ministerien und Behörden angesiedelter Programme für foreign assistance und EZ und vor allem der Versuch, diese voneinander klar abzugrenzen, würde den Rahmen dieses Sachstandes sprengen. Der Leser sei hier auf die Regierungswebseite www.foreignassistance.gov verwiesen, insbesondere auch deswegen, weil die dort angegebenen Zahlen häufig aktualisiert werden. Die Webseite unterteilt foreign assistance in neun Sparten und diese in insgesamt 52 Kategorien.47 Auf der ebenfalls offiziellen Webseite Foreign Aid Explorer werden die aktuell laufenden Foreign Aid Projekte aller beteiligten Institutionen kartographiert, derzeit sind es ca. 13.700 Projekte.48 Aktuelle Entwicklungen zeigen eine zumindest rhetorisch deutliche Abkehr der USA von internationalen Verpflichtungen, eingeschlossen der Entwicklungszusammenarbeit. Präsident Trump hat mehrfach angekündigt, EZ-Leistungen und foreign assistance an einige Staaten einzuschränken. Seinen einschlägigen Verlautbarungen im Wahlkampf und nach Amtsantritt zufolge betrachtet Trump foreign assistance und EZ im Rahmen der generellen Außenpolitik. Diese wiederum untersteht unter der aktuellen Regierung der Doktrin „America First“, wird also 43 Avert.org, Funding for HIV and AIDS, 19. März 2019, https://www.avert.org/professionals/hiv-aroundworld /global-response/funding (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 44 Donor Tracker (Anm. 42). 45 Donor Tracker (Anm. 42). 46 „Es bestehen weiterhin signifikante Diskrepanzen zwischen den im Hinblick auf traditionelle und nichttraditionelle Arten von Hilfe verfügbaren Daten und darum auch zwischen dem Niveau der jeweils durchgeführten Analysen.” (Significant discrepancies remain between data available for traditional versus nontraditional types of aid and, therefore, the level of analysis applied to each; Übersetzung durch den Verfasser). Congressional Research Service, Foreign Aid: An Introduction to U.S. Programs and Policy, S.2, 16. April 2019, https://fas.org/sgp/crs/row/R40213.pdf (zuletzt abgerufen am 13. August 2019). 47 https://www.foreignassistance.gov/ (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 48 https://explorer.usaid.gov/ (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 17 in erster Linie nach Kriterien wie ökonomischer und politischer Profitabilität für die USA beurteilt.49 In den bislang von der Regierung vorgelegten Haushaltsentwürfen waren jeweils starke Einschnitte in den Etats für foreign assistance vorgesehen.50 Dabei stachen vor allem geplante Kürzungen bei Maßnahmen für Familienplanung, Bekämpfung von HIV/AIDS und Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen hervor.51 Diese wurden bislang jedes Mal vom Kongress abgelehnt, sodass es trotz aller Rhetorik bislang nur geringfügige oder gar keine Änderungen in der Mittelausstattung der betreffenden staatlichen Institutionen gab.52 Deswegen versucht das Weiße Haus, die Mittel trotz bereits erfolgter Freigabe durch einen Trick zu blockieren: sowohl 2018 als auch im August 2019 wurden USAID und andere EZ-Träger angewiesen, mit der Auszahlung von Mitteln bis zum Abschluss einer internen Rechnungsprüfung zu warten. Diese soll wiederum so lange dauern, dass die noch nicht verwandten Mittel am Ende des Fiskaljahres (30. September) verfallen.53 Im Jahre 2018 war dieser Versuch am erheblichen Widerstand des Kongress‘ gescheitert. Überdies verurteilte der Rechnungshof der USA (Government Accountability Office) den Trick Trumps als „Missbrauch seiner ohnehin eingeschränkten Autorität“ [in der Frage der Verwendung bereits vom Kongress genehmigter Mittel].54 Der erneute Versuch des Weißen Hauses, die Gelder mittels dieses Tricks zu blockieren, hat bereits heftige Kritik im Kongress ausgelöst, auch von Seiten ansonsten Trump-treuer Republikaner.55 Dies zeigt, dass foreign aid in den USA trotz der aktuell stark polarisierten politischen Landschaft von einem starken überparteilichen Konsens getragen wird. Dennoch hat der amerikanische Präsident gewisse Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der EZ. Im Falle einiger lateinamerikanischer Staaten wurde amerikanische EZ zum außenpolitischen Druckmittel. So hielt die amerikanische Regierung z.B. im Juni 2019 die Leistungen an Honduras, El Salvador und Guatemala zurück, um die Länder dazu zu zwingen, Migranten aus den südlicher gelegenen lateinamerikanischen Staaten mit dem Ziel USA nicht durch Honduras 49 Michał Zaremba, President Trump’s Declarations on Official Development Assistance: A Change of Policy?, International Studies. Interdisciplinary Political and Cultural Journal - The Journal of University of Lodz, Vol.23/1, 18. Juli 2019, https://content.sciendo.com/view/journals/ipcj/23/1/article-p33.xml (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 50 Tariq Ahmad, Marc Cohen, Nathan Coplin und Aria Grabowski, The United States: The challenges and opportunities of US Foreign Assistance under Trump, Oxfam America am 12. November 2018, http://www.realityofaid .org/wp-content/uploads/2018/12/11-The-challenges-and-opportunities-of-US-Foreign-Assistance-under- Trump.pdf (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 51 Tariq Ahmad, Marc Cohen, Nathan Coplin und Aria Grabowski (Anm. 50). 52 Tariq Ahmad, Marc Cohen, Nathan Coplin und Aria Grabowski (Anm. 50). 53 Trump administration renews attempts to rescind billions in US foreign assistance; Donor Tracker am 7. August 2019, https://donortracker.org/US-renews-attempts-to-rescind-billions-in-US-foreign-assistance (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 54 Donor Tracker (Anm. 53). 55 Jennifer Hansler und Manu Raju, White House moving forward with plan to cancel foreign aid, teeing up fight with Congress, CNN am 18. August 2019 (zuletzt abgerufen am 19. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 18 passieren zu lassen.56 Sowohl unter Experten, als auch von Politikern beider großer amerikanischer Parteien wurde dieser Schritt kritisiert – er verschlimmere die Situation in diesen Ländern und setze daher noch mehr Anreize zur Migration in die USA.57 Die Widersprüchlichkeit der Politik Trumps wird durch eine andere Tatsache offenkundig: im Dezember 2018 erhöhten die USA ihre ODA für Projekte in den südlichen Bundesstaaten Mexikos, um den herrschenden Migrationsdruck zu vermindern.58 Die EZ-Behörde USAID hat in jüngster Zeit ebenfalls einige strategische Änderungen vollzogen, diese Reformen stehen jedoch offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit der Politik der Regierung Trump (s.u., Abschnitt 3.2.2), sondern sie sollen in erster Linie die Art und Weise der Mittelvergabe an EZ-Partnerländer und deren Evaluierung neu gestalten. 3.3. USAID USAID ist eine bundeseigene, unabhängige Behörde. Zwar gehört zu ihrem Auftrag explizit die Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik, bzw. wird ihre Arbeit als Teil derselben definiert, doch ist sie organisatorisch nicht an das Außenministerium (Department of State) gebunden.59 Die politische Steuerung von USAID erfolgt zum einen durch die Personalpolitik der amerikanischen Regierung, d.h. die Besetzung von Leitungspositionen mit entsprechenden Personen, zum anderen durch die Haushaltspolitik von Regierung und Kongress. Im Fiskaljahr 2018 hatte USAID insgesamt 3.531 Angestellte, darunter 1.503 Beamte. Hinzu kamen 6.216 inund ausländische Angestellte. Insgesamt waren 6.515 USAID-Mitarbeiter im Ausland tätig, der Rest ist am Sitz in Washington beschäftigt.60 USAID verfügt über ein eigenes Budget, ist aber auch für die Umsetzung von EZ-Programmen anderer Behörden und Ministerien verantwortlich und erhält Mittel aus deren Etats. Zum Beispiel gehen etwa 60 Prozent der Mittel im Global HIV/AIDS Funds des Außenministeriums an USAID, die dann für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen verantwortlich zeichnet.61 56 Demetri Sevastopulo, Aime Williams und Jude Webber, Donald Trump cuts off aid to three Central American states, Financial Times am 17. Juni 2019, https://www.ft.com/content/f3cd73d2-9135-11e9-aea1-2b1d33ac3271 (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 57 Demetri Sevastopulo, Aime Williams und Jude Webber (Anm. 56). 58 Donor Tracker, How does the US spend its ODA?, 2019, https://donortracker.org/country/united-states (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 59 USAID, Organization, 26. Juni 2019, https://www.usaid.gov/who-we-are/organization (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 60 USAID, Agency Financial Report – Fiscal Year 2018, S. 3, 17. Dezember 2018, https://www.usaid.gov/sites /default/files/documents/1868/USAIDFY2018AFR_508R.pdf (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 61 Congressional Research Service (Anm. 32), S.11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 19 Derzeitiger Administrator ist der frühere Kongressabgeordnete und Botschafter a.D. Mark Green.62 Wie in den USA üblich, sind zahlreiche Posten in den obersten Bundesbehörden politische Ämter, deren Inhaber nach einem Regierungswechsel oft ausgetauscht werden. Green gilt trotz seiner Mitgliedschaft in der Republikanischen Partei als parteiübergreifend „politisch anschlussfähig“ und hatte zumindest einen vorherigen Posten im Aufsichtsrat der Millennium Challenge Corporation63 unter der Administration von Präsident Barack Obama erhalten. Green hat seit Amtsantritt strukturelle und strategische Veränderungen bei USAID angestoßen. Unter dem Motto „Journey to Self-Reliance“ soll das Ziel verfolgt werden, dass EZ in Partnerländern unnötig werde.64 Dafür werden die Partnerländer nach 17 verschiedenen Parametern in denbeiden Bereichen Committment und Capacity bewertet und die Hilfsmaßnahmen entsprechend geplant. Die Ergebnisse werden von USAID veröffentlicht.65 Organisatorische Änderungen bei USAID sollen die Behörde als solche effizienter und transparenter machen. 3.4. Weitere Träger amerikanischer EZ66 Neben USAID existieren einige weitere staatliche Träger von amerikanischer EZ, die hier aufgrund ihrer wesentlich geringeren finanziellen und personellen Ausstattung nur kurz aufgelistet werden. Nicht immer ist hier die Abgrenzung zwischen EZ und Außenwirtschaftspolitik klar möglich. - Peace Corps. Das „Friedenskorps“ ist eine unabhängige staatliche Organisation, die weltweit etwa 7.300 Freiwillige in unterschiedlichen Projekten der EZ, TZ und humanitären Hilfe unterstützt. - Trade and Development Agency (TDA). Diese Behörde unterstützt unter anderem die Auslandsvertretungen der amerikanischen Handelskammer sowie privatwirtschaftliche Projekte in anderen Ländern, die der Entwicklung der amerikanischen Handelsbeziehungen dienlich sind. - Inter-American Foundation. Diese staatliche Stiftung unterstützt Kleinunternehmen in Entwicklungsstaaten sowie zivilgesellschaftlich organisierte Selbsthilfemaßnahmen. Dasselbe gilt für die - African Development Foundation. 62 USAID, Mark Green, 4. Juni 2018, https://www.usaid.gov/who-we-are/organization/mark-green (zuletzt abgerufen am 12. August 2019). 63 Staatliche Finanzierungsgesellschaft zur Unterstützung der Nachhaltigen Entwicklungsziele in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen. 64 Siehe USAID, The Journey to Self-Reliance, 2019, https://www.usaid.gov/selfreliance (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 65 USAID, Self-Reliance Roadmaps, 2019, https://selfreliance.usaid.gov/ (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). 66 Congressional Research Service (Anm. 32), S. 13-14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 20 - Millennium Challenge Corporation (MCC). Dieses im Jahre 2004 gegründete Staatsunternehmen entwickelt und finanziert Projekte in bislang 27 Staaten, die aus Sicht der USA bedeutende Anstrengungen zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen unternehmen. Die MCC soll diese Staaten im Rahmen von bilateralen, gemeinsam verhandelten Abkommen (compacts) bei solchen Reformen unterstützen. - U.S. International Development Finance Corporation (IDFC). Diese staatliche Entwicklungsbank soll im Herbst 2019 ihre Arbeit aufnehmen. Sie entstand aus der 2018 durch ein Gesetz beschlossenen Verschmelzung der Overseas Private Investment Corporation (OPIC) und der Development Credit Authority der USAID. Unter anderem sichert sie auch Investitionen amerikanischer Unternehmen in Entwicklungsstaaten ab, analog zu den deutschen Hermes-Bürgschaften. 3.5. Grundsätze der amerikanischen EZ Die gesetzliche Grundlage jeder amerikanischer Hilfen für andere Länder (foreign assistance) ist der Foreign Assistance Act von 1961. Darin wird foreign assistance definiert als „…jedes durch die Regierung der Vereinigten Staaten im Rahmen dieses oder eines anderen Gesetzes bereitgestellte [durch Geschenk, Darlehen, Verkauf, Kredit oder Garantie] materielle oder immaterielle Gut für ein anderes Land oder eine internationale Organisation, einschließlich, aber nicht abschließlich, Weiterbildung, Dienstleistung oder technischer Ratschlag, jedes reellen, persönlichen oder gemischten Eigentums, jedes landwirtschaftlichen Gutes, aller US-Dollar- Summen und aller Summen in ausländischer Währung, die im Eigentum der Regierung der Vereinigten Staaten sind.“ 67 Diese Definition ist sehr viel weitgehender als die Definition von ODA der OECD, die z.B. – anders als der Foreign Assistance Act – militärische Unterstützungsleistungen sowie Hilfen an entwickelte Staaten ausschließt. Der Foreign Assistance Act überträgt die Entscheidung über Art und Ausmaß von foreign assistance formell dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, in der Praxis wird diese Kompetenz jedoch von der Budgethoheit des Kongress‘ begrenzt. Der Kongress entscheidet abschließend über den Staatshaushalt, und wie die aktuellen Entwicklungen zeigen, hat das Parlament die von Präsident Trump wiederholt beabsichtigten massiven Einschnitte für foreign assistance mehrfach abgewiesen. Die parlamentarische Kontrolle bzw. Verantwortung über bzw. für die verschiedenen Arten der foreign assistance, also auch der EZ, obliegt verschiedenen Haupt- und Unterausschüssen im 67 “…any tangible or intangible item provided by the United States Government [including “by means of gift, loan, sale, credit, or guaranty”] to a foreign country or international organization under this or any other Act, including but not limited to any training, service, or technical advice, any item of real, personal, or mixed property, any agricultural commodity, United States dollars, and any currencies of any foreign country which are owned by the United States Government.... (§634(b)).” Übersetzung durch den Verfasser. Siehe Congressional Research Service, Foreign Aid: An Introduction to U.S. Programs and Policy, S.1, 16. April 2019, https://fas.org/sgp/crs/row/R40213.pdf (zuletzt abgerufen am 13. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 21 Senat und im Repräsentantenhaus.68 Auch hier zeigt sich die für diesen Bereich der amerikanischen Politik typische Fragmentierung. Eine umfassende gesetzliche Regelung zur foreign assistance insgesamt bzw. im Allgemeinen wurde jedoch seit 1985 nicht verabschiedet.69 Der Congressional Research Service führt zu den theoretischen bzw. strategischen Grundlagen amerikanischer foreign assistance (und damit auch EZ) nur wenig Konkretes aus und identifiziert recht knapp drei Aspekte: 1) Nationale Sicherheit Dieses Ziel ist seit dem Beginn amerikanischer foreign assistance nach dem Zweiten Weltkrieg ein primäres Ziel aller Hilfsmaßnahmen für andere Länder. War es während des Kalten Krieges vorrangig die Eindämmung des Kommunismus, liegt der Fokus der foreign assistance zum Zwecke der nationalen Sicherheit der USA seit dem 11. September 2001 vor allem auf der Bekämpfung des Terrorismus. 2) Wirtschaftsinteressen Die USA betrachten foreign assistance und Entwicklungszusammenarbeit als Mittel, um ihre Wirtschafts- und Handelsinteressen durchzusetzen bzw. zu schützen.70 3) Humanitäre Erwägungen Die Verbreitung von Freiheit und Demokratie sowie der Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheiten sowie anderer Formen menschlichen Leides sind die Hauptgründe für das (rein) entwicklungspolitische und humanitäre Engagement der USA sowie diejenigen, die sowohl in der amerikanischen Öffentlichkeit als auch Politik am stärksten befürwortet werden. Anderweitige, formelle, theoretische Grundlagen für foreign assistance bzw. EZ der USA ließen sich im Rahmen der Recherche nicht auffinden. Da also keine umfassende theoretische Grundlage der amerikanischen EZ im Allgemeinen existiert, d.h. kein Weißbuch, keine grundlegende Strategie, keine allgemeinen Richtlinien für alle Träger (abgesehen von den ohnehin selbstverständlichen Richtlinien der budgetären Verantwortlichkeit, Effizienz und Transparenz), wird sich hier auf den Auftrag der USAID beschränkt. Der Auftrag (mission) der USAID ist recht kurz gefasst und lautet: „In Vertretung des amerikanischen Volkes fördern und stärken wir demokratische Werte im Ausland und eine freie, friedliche und wohlhabende Welt. In Unterstützung von Amerikas Außenpolitik leistet die USAID die internationale Entwicklungshilfe und die Katastrophenhilfe der Regierung der 68 Congressional Research Service (Anm.32), S. 26. 69 Congressional Research Service (Anm.32), S. 26. 70 Siehe dazu auch die USAID-Publikation Shared interest: How USAID enhances U.S. economic growth, Mai 2018, https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1870/FINAL_Version_of_Shared_Interest _6_2018.PDF (zuletzt abgerufen am 14. August 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 085/19 Seite 22 Vereinigten Staaten durch Partnerschaften und Investitionen, die Leben retten, Armut reduzieren, demokratische Regierungsführung stärken und Menschen helfen, aus humanitären Krisen wieder hervorzugehen und aus der Hilfsbedürftigkeit hinauszuschreiten.“71 4. Schlussbemerkungen Sowohl Japan als auch die USA gehören zu den größten Geberländern von Entwicklungshilfemitteln. Vor Ort, d.h. in den Partnerländern, werden sich gleichartige japanische und amerikanische EZ-Projekte, z.B. der Bau eines Krankenhauses oder einer Straße, relativ gering voneinander unterscheiden. In allen anderen Aspekten von EZ existieren aber ganz erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Staaten. Japans EZ ist viel zentralisierter und hierarchischer organisiert als die der USA, die von einer Vielzahl staatlicher Institutionen getragen wird. Auch der theoretische Überbau ist vollkommen anders gestaltet. Zwar verfolgen sowohl Japan als auch die USA mittels ihrer EZ ähnliche Oberziele - nationale Sicherheit, nationale Wirtschaftsinteressen, humanitäre Gründe - doch hat Japans EZ anders als die der USA einen großen und in sich konsequenten Korpus an philosophischen, rechtlichen und politischen Grundlagen. Ebenso werden regelmäßig, meist jährlich, die politischen, strategischen und organisatorischen Richtlinien für die japanische EZ aktualisiert und veröffentlicht. Auch ist die EZ Japans zudem viel deutlicher strategisch ausgerichtet; es existieren z.B. klar benannte Regionen und Länder, die vorrangige Ziele japanischer EZ sind. Außerdem scheint die EZ in Japan kaum politisiert zu sein, zumindest ließen sich im Rahmen der Recherchen für diesen Sachstand keine aktuellen Kontroversen über EZ in der japanischen politischen Debatte finden. Japan verwendet einen Großteil seiner ODA für die Bereiche Infrastruktur und Bildung, während sich die USA auf Gesundheit, humanitäre Hilfe und Förderung der Zivilgesellschaft konzentrieren. Zu guter Letzt liegt ein signifikanter Unterschied im Verhältnis von Bilateralität und Multilateralität. Während Japan einen großen Teil seiner ODA multilateral vergibt und multilaterale, vor allem regionale, EZ-Konzepte fördert, setzen die USA fast ausschließlich auf bilaterale Kooperationen. Beiden Ländern gemeinsam ist, dass sie EZ klar als einen Teil ihrer Außenpolitik verorten und auch kein eigenes Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit haben. Überdies wird in keinem der beiden Länder die in Deutschland oft vertretene Trennung von EZ und humanitärer Hilfe vorgenommen. *** 71 “On behalf of the American people, we promote and demonstrate democratic values abroad, and advance a free, peaceful, and prosperous world. In support of America's foreign policy, the U.S. Agency for International Development leads the U.S. Government's international development and disaster assistance through partnerships and investments that save lives, reduce poverty, strengthen democratic governance, and help people emerge from humanitarian crises and progress beyond assistance” USAID, Mission, Vision, and Values, 2019, https://www.usaid.gov/who-we-are/mission-vision-values (zuletzt abgerufen am 19. August 2019).