© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 – 084/14 EU-Freihandelsabkommen und Investitionsschutzklauseln mit deutscher Beteiligung Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 2 EU-Freihandelsabkommen und Investitionsschutzklauseln mit deutscher Beteiligung Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 - 3000 – 084/14 Abschluss der Arbeit: 26. Mai 2014 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten 4 3. Regelungsgehalt von Freihandelsabkommen 8 3.1. Marktzugang für Waren und Dienstleistungen 9 3.2. Allgemeine Prinzipien 10 3.3. Wettbewerbsrecht, Schutz des geistigen Eigentums, Investitionsschutz und Antidumpingvorschriften 10 4. Investitionsschutz im Rahmen von Freihandelsabkommen 11 4.1. Investitionsschutzklauseln 12 4.1.1. Anwendungsbereich 12 4.1.2. Investitionsschutzbestimmungen 13 4.2. Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren 14 5. Abgeschlossene und anhängige Investor-Staat- Streitverfahren gegen Deutschland 15 5.1. Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG gegen Deutschland (I) (ICSID Case No. ARB/09/6) 15 5.2. Vattenfall AB gegen Deutschland (II) ICSID Case No. ARB/12/12) 16 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 4 1. Einleitung Die gemeinsame Handelspolitik bzw. der Außenhandel der Europäischen Union mit Drittstaaten gehört seit jeher zu den Kernkompetenzen der Union.1 Gem. Art. 207 I AEUV umfasst die gemeinsame Handelspolitik der EU den Abschluss von Handelsabkommen mit Drittstaaten. Mit dem Vertrag von Lissabon (2009) wurde die EU-Außenhandelskompetenz erheblich erweitert und um den Bereich der ausländischen Direktinvestitionen bzw. der bi-/multilateralen Investitionsschutzverträge ergänzt, die bislang in die mitgliedsstaatliche Zuständigkeit fielen. Daher stehen europäische Auslandsinvestitionen zur Zeit noch unter dem rechtlichen Schutz bilateraler Investitionsschutzverträge der EU-Mitgliedsstaaten.2 Die folgende Dokumentation listet zunächst die bestehenden Freihandelsabkommen der EU auf (siehe 2.), sodann werden die zentralen Regelungsinhalte von Freihandelsabkommen (siehe 3.) und die wichtigsten Investitionsschutzklauseln aus bilateralen Investitionsschutzverträgen zusammengestellt (siehe 4.). Abschließend geht es um jene Investor-Staat-Streitverfahren , bei denen Deutschland Beklagter ist (siehe 5.). 2. Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten In der Vergangenheit schloss die EU ein Reihe von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ab, die Deutschland als Mitgliedsstaat der EU gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV rechtlich binden. Folgende Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten sind bei der Welthandelsorganisation (WTO) notifiziert:3 Schweiz/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizer Eidgenossenschaft vom 01.01.1973.4 1 Martin Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 3 AEUV, Rn. 19. 2 Vgl. dazu die Übersicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie v. 2.10.2013 bezüglich der deutschen Investitionsschutzverträge, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bilaterale-investitionsfoerderungs -und-schutzvertraege-IFV,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 3 Die Notifikationspflicht ergibt sich aus Art. XXIV des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen 1994 (GATT); Vgl. auch die Übersicht über sämtliche Freihandelsabkommen der WTO-Mitglieder, http://rtais.wto.org/UI/PublicPreDefRepByEIF.aspx sowie eine Übersicht der IHK Stuttgart über sämtliche Handelsabkommen der EU http://www.stuttgart.ihk24.de/linkableblob/sihk24/international/downloads /1507134/.13./data/Praeferenzabkommen_EU_Uebersicht-data.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 4 http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2007/january/tradoc_133045.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 5 Island/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Island vom 01.04. 1973.5 Norwegen/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Norwegen vom 01.07.1973. Syrien/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Syrien vom 01.07.1977.6 Andorra/EU, Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Fürstentum Andorra vom 01.07.1991.7 Türkei/EU, Assoziierung und Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Republik Türkei vom 01.01.1996.8 Färöer Inseln/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Färöer Inseln (gleichberechtigte Nation innerhalb des Königreichs Dänemarks) vom 01.01.1997.9 Palästinensische Autonomiebehörde/EU, Freihandel- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Autonomiebehörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen vom 01.07.1997.10 Tunesien/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Tunesischen Republik vom 01.03.1998.11 5 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399389051991&uri=CELEX:21972A0722%2805%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 6 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399543172698&uri=CELEX:21977A0118%2805%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 7 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1398350679054&uri=CELEX:21990A1231%2802%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 8 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:21996D0213%2801%29:EN:HTML (letzter Zugriff 23.5.2014). 9 http://eur-lex.europa.eu/legal-content /EN/TXT/?qid=1398412647857&uri=CELEX:21997A0222%2801%29(letzter (Zugriff 23.5.2014). 10 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:21997A0716%2801%29&from=EN (letzter Zugriff 23.5.2014). 11 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399544134573&uri=CELEX:21998A0330%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 6 Südafrika/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika vom 01.01.2000.12 Marokko/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 01.03.2000.13 Israel/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Israel vom 01.06.2000.14 Mexiko/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Mexiko vom 01.07.2000.15 Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien/EU, Freihandelsabkommen und Abkommen zur wirtschaftlichen Integration zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien vom 01.06.2001.16 San Marino/EU, Zollunion zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik San Marino vom 01.04.2002.17 Jordanien/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Haschemitischem Königreich Jordanien vom 01.05.2002.18 Chile/EU, Freihandels- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Chile vom 01.02.2003.19 12 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399392592527&uri=CELEX:21999A1204%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 13 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399391205944&uri=CELEX:22000A0318%2801%29 (letzer Zugriff 23.5.2014). 14 http://rtais.wto.org/UI/PublicPreDefRepByEIFShowCard.aspx?rtaid=93 (letzter Zugriff 23.5.2014). 15 http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2004/october/tradoc_111722.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 16 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:22001A0504%2801%29&from=EN (letzter Zugriff 23.5.2014). 17 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399392072653&uri=CELEX:22002A0328%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 18 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399389890080&uri=CELEX:22002A0515%2803%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 19 http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2004/november/tradoc_111620.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 7 Libanon/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Libanon vom 01.03.2003.20 Ägypten/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Arabischen Republik Ägypten vom 01.06.2005.21 Algerien/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 01.09.2005.22 Albanien/EU, Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Albanien vom 01.12.2006.23 Montenegro/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Montenegro vom 01.01.2008.24 Bosnien und Herzegowina/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Bosnien Herzegowina vom 01.07.2008.25 Côte d’Ivoire/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Côte d’Ivoire vom 01.01.2009.26 Kamerun/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Kamerun, vom 01.10.2009.27 20 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399390329142&uri=CELEX:22002A0930%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 21 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1398411944881&uri=CELEX:22004A0930%2803%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 22 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1398350436383&uri=CELEX:22005A1010%2801%29 (letzer Zugriff 23.5.2014). 23 http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/albania/st08164.06_en.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 24 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399390917160&uri=CELEX:22007A1228%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 25 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1398351385223&uri=CELEX:22008A0630%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 26 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1398352060784&uri=CELEX:22009A0303%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 27 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399560086045&uri=CELEX:22009A0228%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 8 Papua-Neuguinea, Fidschi/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Unabhängigen Staat Papua-Neuguinea und der Republik Fidschi-Inseln vom 20.12.2009.28 Serbien/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Serbien vom 01.02.2010.29 Südkorea/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea (Südkorea) vom 01.07.2011.30 Kolumbien und Peru/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kolumbien und Peru vom 01.03.2013.31 Zentralamerika/EU, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika vom 01.08.2013.32 Die EU verhandelt darüberhinaus Freihandelsabkommen mit einer Reihe weiterer Drittstaaten (z.B. mit den USA, Kanada, Japan, Indien, Singapur).33 3. Regelungsgehalt von Freihandelsabkommen Parallel zum multilateralen Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO) bestehen eine Vielzahl von bilateralen Freihandelsabkommen. Solche Freihandelsabkommen existieren zumeist zwischen regionalen Wirtschaftsräumen (wie z.B. das Abkommen zwischen der EU und Zentralamerika ) oder aber zwischen einzelnen Staaten. Freihandelsabkommen beschreiben einen bestimmten Typus der internationalen wirtschaftlichen Integration; weitere (intensivere) 28 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:22009A1016%2801%29&from=EN (letzter Zugriff 23.5.2014). 29 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1398343850958&uri=CELEX:22013A1018%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 30 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1399390040762&uri=CELEX:22011A0514%2801%29 (letzter Zugriff 23.5.2014). 31 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:22012A1221%2801%29&from=EN (letzter Zugriff 23.5.2014). 32 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22012A1215%2801%29&from=EN (letzter Zugriff 23.5.2014). 33 Vgl. hierzu auch die Übersicht der WTO, http://rtais.wto.org/UI/PublicSearchByMemberResult.aspx?Member- Code=918&lang=1&redirect=1 (letzter Zugriff 23.5.2014) und die Übersicht der Generaldirektion Handel der EU-Kommission, S. 2, http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/june/tradoc_149616.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 9 Integrationsformen bilden z.B. die Zollunion oder die Wirtschaftsunion mit einem gemeinsamen Binnenmarkt.34 Die Zahl der abgeschlossenen Freihandelsabkommen stieg in den letzten zwanzig Jahren stark an. Oftmals sind bilaterale Freihandelsabkommen die pragmatischere Alternative zu multilateralen Handelsabkommen der WTO, da ein Konsens zwischen allen WTO-Staaten nur sehr mühsam zu erzielen ist.35 Die inhaltlichen Schwerpunkte von Freihandelsabkommen können stark variieren. Jedoch sind bestimmte Regelungen und Materien regelmäßig Gegenstand von bilateralen Freihandelsabkommen . Gewöhnlich haben Freihandelsabkommen zum Ziel, den Handel für Waren, Dienstleistungen und Investitionen zwischen den Vertragsparteien zu liberalisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, vereinbaren die Vertragsparteien den schrittweisen Abbau von sog. tarifären und nicht tarifären Handelshemmnissen wie z. B. die Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Produkte oder die Vereinheitlichung und Anerkennung unterschiedlicher Industrienormen .36 3.1. Marktzugang für Waren und Dienstleistungen Der Regelungskern der Freihandelsabkommen sind Vorschriften, die den Marktzugang für Dienstleistungen und Produkte jeglicher Art ermöglichen bzw. erleichtern sollen.37 Um den Marktzugang der Produkte und Dienstleistungen zu fördern, werden gewöhnlich sämtliche Zölle und Abgaben, die bei der Ein- und Ausfuhr aus dem bzw. in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien erhoben werden, abgeschafft.38 Neben den tarifären Handelshemmnissen verpflichten sich die Vertragsparteien, auch nichttarifäre Beschränkungen (wie Ein- und Ausfuhrbeschränkungen verschiedener Produkte) abzubauen oder zu unterlassen. Dabei werden Hindernisse für den Marktzugang von grenzüberschreitenden Dienstleistungen aufgehoben bzw. auf ein Minimum reduziert. 34 Zur Typologie der verschiedenen Integrationsformen vgl. auch Schöbener, Burkhard/Herbst, Jochen/Perkams, Markus, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, §3 Rn. 112 ff. 35 So auch Arnold, Rainer/Meindl, Elisabeth, in: Dauses, Manfred (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Außenhandelsrecht, 35. Ergänzungslieferung 2014, Band 1, K. I. Rn. 46. 36 Vgl. exemplarisch das umfassende Freihandelsabkommen zwischen Südkorea und der EU, http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:22011A0514%2801%29&from=EN (letzter Zugriff 23.5.2014). 37 Baccini, Leonardo/Dür, Andreas/Elsig, Manfred/Milewicz, Karolina, The Design of Preferential Trade Agreements : A New Dataset in the Making, Staff Working Paper ERSD-2011-10, S. 14, http://www.designoftradeagreements .org/wp-content/uploads/ersd201110_e.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 38 Vgl. dazu den stufenweisen Zollabbau zwischen der EU und Südkorea, Art. 2.5 Absatz 1 des Freihandelsabkommens Korea/EU, siehe Anm. 30. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 10 Die Bedeutung und die Zahl der Regelungen, die den Dienstleistungsverkehr (wie z.B. Finanzdienstleistungen und Flugverkehr) betreffen, stiegen in den letzten zwanzig Jahren stark an.39 3.2. Allgemeine Prinzipien Das Prinzip der Meistbegünstigung ist eine häufig anzutreffende Bestimmung in bi- und multilateralen Handelsverträgen.40 Meistbegünstigung bedeutet in diesem Zusammenhang die vertragliche Verpflichtung eines Staates, alle handelspolitischen Vorteile, die er einem anderen Staat einräumt, auch dem Staat zu gewähren, mit dem die Meistbegünstigung im Rahmen des Freihandelsabkommens vereinbart wurde.41 Das Prinzip findet in nahezu allen Bereichen der Freihandelsabkommen Anwendung (z.B. bei Zöllen, Dienstleistungsbestimmungen oder Antidumping -Vorschriften). Desweiteren ist das Gebot der Inländergleichbehandlung Teil des Regelungsstandards internationaler Freihandelsabkommen. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten, Investoren des anderen Vertragsstaates nicht weniger günstig als ihre eigenen Investoren (oder Investoren dritter Staaten) zu behandeln.42 3.3. Wettbewerbsrecht, Schutz des geistigen Eigentums, Investitionsschutz und Antidumpingvorschriften In zunehmenden Maße sind wettbewerbsrechtliche Regelungen Gegenstand von Freihandelsabkommen . Solche Regelungen betreffen die Verhinderung von Monopolen oder staatliche Beihilfen .43 Weiterhin vereinbaren die Vertragsstaaten von Freihandelsabkommen für gewöhnlich handelsrechtliche Schutzmaßnahmen. Solche Klauseln gestatten den Vertragsparteien, Maßnahmen zu ergreifen, um inländische Wirtschaftszweige zu schützen, die durch die Liberalisierung des zwischenstaatlichen Handels bedeutend geschädigt werden. Die Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums wurden erst in den vergangenen dreißig Jahren Gegenstand von Freihandelsabkommen. Die Vorschriften hierzu sollen die grenzüberschreitende Vermarktung von geistigem Eigentum erleichtern und den Schutz sowie ein hohes Durchsetzungsniveau des geistigen Eigentums sicherstellen.44 In einigen neueren Freihandelsabkommen finden sich 39 Baccini /Dür / Elsig / Milewicz, S. 17, a.a.O. (Anm. 37). 40 Vgl. für das WTO-Recht Art. I 1 GATT 1994. 41 Schöbener / Herbst/ Perkams, §1 Rn. 19 ff., a.a.O. (Anm. 34). 42 Hierzu vgl. auch Matthias Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, München: Beck, 10. Aufl. 2013, § 23 Rn. 19. 43 So Baccini, Leonardo / Dür, Andreas / Elsig, Manfred / Milewicz, Karolina, S. 17, a.a.O. (Anm. 37). 44 Vgl. statt vieler die Art. 10 ff. des Freihandelsabkommens Korea/EU, siehe Anm. 30. und zur Verbreitung solcher Bestimmungen in Handelsabkommen siehe Baccini, Leonardo / Dür, Andreas / Elsig, Manfred / Milewicz , Karolina, S. 17, a.a.O. (Anm. 37). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 11 schließlich Regelungen über den Investitionsschutz (einschließlich der Schaffung eines eigenen Streitbeilegungssystems) wieder.45 4. Investitionsschutz im Rahmen von Freihandelsabkommen Der Schutz europäischer Auslandsinvestitionen wird derzeit (noch) durch ca. 1700 bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs) zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten sichergestellt . Deutschland hat ca. 140 Investitionsschutz- und Investitionsförderungsverträge geschlossen .46 Die EU-Kommission hat inzwischen Investitionsschutzverträge mit Kanada, Singapur und Indien ausgehandelt; Abkommen mit China und Japan sowie mit Partnern im Mittelmeerraum und mit ASEAN sind geplant.47 Daneben enthalten viele neuere regionale Freihandelsabkommen wie das NAFTA (Kapitel XI) oder das USA-Chile-Freihandelsabkommen umfangreiche Bestimmungen zum Investitionsschutz.48 Anders sieht es dagegen bei den Freihandelsabkommen der EU z.B. mit Chile,49 Mexiko50 oder der Schweiz51 aus, die keine Investitionsschutzbestimmungen enthalten. Auch die 2013 in Kraft 45 Vgl. Art. 14 ff. des Freihandelsabkommens Korea/EU, siehe Anm. 30. Bezüglich der Verhandlungen zum TTIP-Abkommen: Rat der Europäischen Union, Verhandlungsrichtlinien vom 17. Juni 2013, EU-Dok-Nr. 11103/13, Nr. 23, - EU RESTRICTED. Für CETA: Ausschuss für Handelspolitik, CETA – Draft text on investorstate -settlement, EU-Dok.-Nr. 199/13 – LIMITED. 46 Vgl. dazu die Übersicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie v. 2.10.2013, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bilaterale-investitionsfoerderungs-und-schutzvertraege- IFV,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 47 Vgl. zum Verhandlungsstand http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/november/tradoc_150129.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 48 Vgl. näher Herdegen, § 23, Rdnr. 8, a.a.O. (Anm. 42); Zum TTIP vgl. Mair / Mildner, Im Schulterschluss für offene Märkte und Investorenschutz, SWP-Aktuell, Februar 2013, verfügbar unter http://www.swp-berlin .org/fileadmin/contents/products/aktuell/2013A15_mai_mdn.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 49 Übereinkommen EU / Chile v. 30.12.2002, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2002:352:0003:1439:EN:PDF (letzter Zugriff 23.5.2014). 50 Decision No. 2/2000 of the EC/Mexico Joint Council of 23 March 2000, http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2004/october/tradoc_111722.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 51 Abkommen mit der Schweiz v. 22.7.1972 (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2007/january/tradoc _133045.pdf ) (letzter Zugriff 23.5.2014). Eine Übersicht über die bestehenden Freihandels- und Präferenzabkommen der EU findet sich unter http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/rules/free_trade_agreements/index_de.htm (letzter Zugriff 23.5.2014) sowie auf der Homepage der IHK Stuttgart (http://www.stuttgart.ihk24.de/linkableblob /sihk24/international/downloads/1507134/.13./data/Praeferenzabkommen_EU_Uebersicht-data.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 12 getretenen EU-Handelsabkommen mit Peru und Kolumbien52 sowie mit den zentralamerikanischen Staaten (Honduras, Nicaragua, Panama, Costa Rica, El Salvador sowie Guatemala)53 enthalten keine speziellen Bestimmungen über Investitionsschutz.54 Hier hat sich die erklärte Absicht der Kommission, einen EU-weiten Investitionsschutz zu schaffen,55 noch nicht niedergeschlagen . In Verhandlungen befinden sich derzeit Freihandelsabkommen der EU u.a. mit den USA (TTIP), Japan, Vietnam, Kanada (CETA), Malaysia sowie mit Indien und MERCOSUR.56 4.1. Investitionsschutzklauseln 4.1.1. Anwendungsbereich Investitionsschutzklauseln in den jeweiligen Freihandelsabkommen bzw. in den BITs sehen zumeist eine Definition des personellen und sachlichen Anwendungsbereichs des betreffenden Investitionsschutzes vor.57 In personeller Hinsicht finden die Investitionsschutzklauseln auf natürliche und juristische Personen Anwendung, die in den Vertragsstaaten Investitionen tätigen. Investoren aus Drittstaaten können sich nicht direkt auf die Investitionsschutzbestimmungen berufen. Jedoch be- 52 HANDELSÜBEREINKOMMEN zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits, ABl. EU v. 21.12.2012, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2012:354:0003:2607:DE:PDF (letzter Zugriff 23.5.2014). 53 ABKOMMEN zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits; ABl EU v. 15.12.2012; http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri Serv.do?uri=OJ:L:2012:346:0003:2621:DE:PDF (letzter Zugriff 23.5.2014). Der Schwerpunkt beider Abkommen liegt auf dem Abbau der Hemmnisse und Beschränkungen im Handel mit Waren. Daneben enthalten die Abkommen unter anderem Regelungen zu Dienstleistungen, Niederlassung , E-Commerce, Kapitalverkehr, öffentliches Beschaffungswesen, geistiges Eigentum und Wettbewerb. 54 Vgl. Art. 111 Fn. 22 des Handelsabkommen EU-Kolumbien/Peru; Art. 163 des Übereinkommens EU-Zentralamerika . 55 Zur geplanten Investitionspolitik der EU vgl. z.B. die Mitteilung der Kommission: „Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik“ v. 7.7.2010; http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri Serv.do?uri=COM:2010:0343:FIN:DE:PDF (letzter Zugriff 23.5.2014). 56 http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/november/tradoc_150129.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 57 Vgl. hierzu auch Art. 1 des deutschen Musterinvestitionsschutzvertrages von 2009, http://www.iilcc.unikoeln .de/fileadmin/institute/iilcc/Dokumente/matrechtinvest/VIS_Mustervertrag.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014) sowie NAFTA, Kapitel XI, http://wits.worldbank.org/GPTAD/PDF/archive/NAFTA.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 13 steht für Investoren aus Drittstaaten die Möglichkeit, durch die Gründung von Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei in den Genuss der Investitionsschutzbestimmungen zu kommen (sog. treaty shopping).58 Der sachliche Anwendungsbereich des Investitionsschutzes ergibt sich aus dem Begriff „Investition “, der im Vertrag jeweils definiert wird. Der Investitionsbegriff im deutschen Muster-Investitionsschutzvertrag umfasst jede Art von Vermögenswerten wie z.B. Eigentum an beweglich und unbeweglichen Sachen, Anteilsrechte an Gesellschaften, Rechte an geistigem Eigentum oder an öffentlich-rechtlichen Konzessionen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend – eine allgemeine rechtsverbindliche Definition der nicht geschützten Vermögenswerte existiert bislang noch nicht.59 Im Rahmen der Auslegung des Investitionsbegriffs der ICSID-Konvention60 von 1965 wurden jedoch folgende Charakteristika des Investitionsbegriffs durch die Rechtsprechung und die Literatur entwickelt: 61 Eine gewisse Dauer, Übernahme eines Risikos, nicht unerheblicher eigener Beitrag des Investors zur Entwicklung des Aufenthaltsstaats. 4.1.2. Investitionsschutzbestimmungen Folgende Investitionsschutzklauseln finden sich (als Mindeststandard) in bilateralen Investitionsschutzverträgen wieder: - Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung (fair and equitable treatment): Dieser Grundsatz bildet den wichtigsten Standard im Investitionsschutzrecht. Unvereinbar mit diesem Prinzip sind willkürliche Behandlungen und wirtschaftliche Schikanen der jeweiligen ausländischen Investoren.62 - Prinzip der Inländergleichbehandlung und der Meistbegünstigung - Schutz vor Enteignung und Entschädigung: Vertragsklauseln zur Enteignung und Entschädigung gehören zu den wichtigsten Regelungsgegenständen des Investitionsschutzes. Dabei geht es um Regelungen, welche die Voraussetzungen einer Enteignung und die entsprechende Ent- 58 Zu dieser Problematik im Bezug auf das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU u. Kanada siehe , PE 6 – 3000 18/14, S. 4 ff. 59 Schöbener/ Herbst / Perkams, § 1 Rn. 19 ff., a.a.O. (Anm. 34). 60 CONVENTION ON THE SETTLEMENT OF INVESTMENT DISPUTES BETWEEN STATES AND NATIONALS OF OTHER STATES, verfügbar unter https://icsid.worldbank.org/ICSID/StaticFiles/basicdoc/CRR_Englishfinal .pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 61 Schöbener/ Herbst / Perkams, § 1 Rn. 19 ff., a.a.O. (Anm. 34); Vgl. auch Herdegen, § 23 Rn. 11 ff., a.a.O. (Anm. 42). 62 Herdegen, § 23 Rn. 14., a.a.O. (Anm. 42). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 14 schädigung regeln. Im deutschen Muster-Investitionsschutzvertrag werden drei Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen genannt: Enteignungen dürfen nur zum allgemeinen Wohl stattfinden, wobei eine angemessene Entschädigung geleistet werden muss und es muss schließlich die Möglichkeit einer rechtstaatlichen Überprüfung der Enteignung gegeben sein.63 - Schirmklausel: In dieser Klausel verpflichten sich die Vertragsparteien, jede Verpflichtung zwischen dem Staat und dem Investor hinsichtlich der Kapitaleinlage eines Investors einzuhalten . Diese Klausel hat zur Folge, dass eine Verletzung der Zusagen einer Vertragspartei gegenüber einem Investor automatisch eine Verletzung des Investitionsschutzvertrages bedeutet.64 4.2. Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren Die meisten bilateralen bzw. regionalen Investitionsverträge und die neueren Freihandelsabkommen sehen die Möglichkeit von Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren vor. Dabei können Streitigkeiten einem Schiedsgericht (z.B. der Internationalen Handelskammer) vorgelegt werden. Möglich ist auch die Bildung eines ad hoc-Schiedsgerichts. Die praktisch bedeutsamste Möglichkeit ist ein Schiedsverfahren nach den Regeln des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) auf der Grundlage der multilateralen ICSID-Konvention von 1965.65 Das aus drei Schiedsrichtern gebildete ICSID-Schiedsgericht entscheidet auf der Grundlage der zwischen den Parteien im Staat-Investor-Vertrag vereinbarten Rechtsvorschriften. Der i.d.R. sehr ausführliche Schiedsspruch beantwortet alle aufgeworfenen Fragen; er kann die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme feststellen und Schadensersatz zusprechen. Entschädigungen werden nach den Vorschriften über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Enteignung gewährt. 66 Eine Überprüfung von ICSID-Entscheidungen ist im Rahmen eines eingeschränkt zulässigen Wiederaufnahmeverfahrens oder Aufhebungsverfahrens zulässig (Art. 51 f. ICSID-Übereinkommen ).67 63 Siehe hierzu auch Schöbener/Herbst/Perkams, § 1 Rn. 19 ff., siehe Anm. 34. 64 Dolzer, Rudolf / Schreuer, Christoph, Principles of International Investment Law, S. 153 ff. 65 CONVENTION ON THE SETTLEMENT OF INVESTMENT DISPUTES BETWEEN STATES AND NATIONALS OF OTHER STATES, verfügbar unter https://icsid.worldbank.org/ICSID/StaticFiles/basicdoc/CRR_Englishfinal .pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 66 Vgl. näher zur Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts Krajewski, Markus, Wirtschaftsvölkerrecht, Heidelberg : Müller, 3. Aufl. 2012, Rn. 658 ff. 67 Vgl. dazu Pinsolle, Philippe, Jurisdictional review of ICSID Awards, verfügbar unter http://www.biicl.org/files /941_philippe_pinsolle_presentation.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 15 5. Abgeschlossene und anhängige Investor-Staat-Streitverfahren gegen Deutschland 5.1. Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG gegen Deutschland (I) (ICSID Case No. ARB/09/6) Im April 2009 ersuchte der Kraftwerksbetreiber, die Vattenfall AG, das Zentrum für internationale Investor-Staat-Streitverfahren bei der Weltbank um einen Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Vattenfall begründete die Einleitung des Schiedsverfahrens damit, dass durch die strengen wasserrechtlichen Auflagen der Freien und Hansestadt Hamburg bezüglich des Kraftwerksneubaus in Hamburg-Moorburg die Baukostenkosten unverhältnismäßig stark ansteigen und ein für Vattenfall rentabler Betrieb des Kraftwerks unter diesen Bedingungen nicht möglich sei.68 Vattenfall forderte daher eine finanzielle Kompensation für die Kostenexplosion durch die umweltrechtlichen Auflagen.69 Die rechtliche Grundlage für dieses Schiedsverfahren bildete der Energie-Charta-Vertrag von 1994.70 In diesem multilateralen Vertrag wurden umfangreichen Investitionsschutzklauseln aufgenommen und unter anderem gem. Art. 26 der Energie-Charta die Möglichkeit geschaffen, ein internationales Schiedsverfahren nach den ICSID-Regeln zu betreiben, falls die Bestimmungen und Rechte der Investoren aus der Energie-Charta verletzt würden.71 Deutschland und Vattenfall einigten sich im Laufe des Verfahrens am 25.8.2010 in einem Vergleich auf die Einstellung des Schiedsverfahrens. Dieser Vergleich wurde anschließend in einem Schiedsspruch durch das International Center for Settlement of Investment Disputes (ICSID) bestätigt.72 In ihrem Vergleich einigten sich die Parteien darauf, dass das Schiedsverfahren auf unbestimmte Zeit unterbrochen wird und das die Vattenfall AG die erforderlichen wasserrechtliche Genehmigung für den Kraftwerksneubau in Moorburg durch die Freie und Hansestadt Hamburg unter Beachtung der vorrangegangen Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts erhält . 68 http://www.spiegel.de/wirtschaft/kohlekraftwerk-moorburg-vattenfall-zieht-gegen-deutschland-vor-schiedsgericht -a-618068.html (letzter Zugriff 23.5.2014). 69 Richard Harp, Moorburg-Klage: Vattenfall mit Mannheimer Swartling und Luther auf der Zielgeraden, Juve, 26.8.2010, http://www.juve.de/nachrichten/verfahren/2010/08/moorburg-klage-vattenfall-mit-mannheimerswartling -und-luther-auf-der-zielgeraden (letzter Zugriff 23.5.2014). 70 http://www.encharter.org/fileadmin/user_upload/Publications/GE.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). 71 Ausführlicher zur Energie-Charta siehe auch Dolzer, Rudolf / Schreuer, Christoph, Principles of International Investment Law, S. 27 ff. 72 Schiedsspruch und Vergleich der Parteien verfügbar unter http://italaw.com/documents/VattenfallAward.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 – 084/14 Seite 16 5.2. Vattenfall AB gegen Deutschland (II) ICSID Case No. ARB/12/12) Am 31.5.2012 strengte Vattenfall AB abermals ein Schiedsverfahren gegen Deutschland an, das bis heute andauert. In diesem Fall sieht sich das Energieunternehmen infolge des Atomausstiegs Deutschlands in seinen Rechten aus der Energie-Charta verletzt. Welche rechtlichen Argumente Vattenfall gegen den Atomausstieg vorbringt, ist im einzelnen (noch) nicht bekannt, da die Parteien des Schiedsverfahrens für das gesamte Verfahren Vertraulichkeit vereinbart haben. Einige Autoren gehen jedoch davon aus, dass Vattenfall die Verletzung folgender Investitionsschutzklauseln aus der Energie-Charta rügt73: - Verletzung von Art. 13 Energie-Charta, da der Atomausstieg eine Enteignung ohne Kompensation bedeuten könnte - Verletzung des Grundsatzes des gerechten und billigen Behandlung aus Art. 10 Energie-Charta - Verletzung der Pflicht zur Beachtung sämtlicher Vereinbarungen zwischen dem Staat und dem Investor (umbrella clause) aus Art. 10 Energie-Charta Vattenfall verlangt nach verschiedenen Berichten in den Medien ein Entschädigung in Milliardenhöhe für die durch den Atomausstieg erlittenen Verluste.74 73 Vgl. dazu: Bernasconi-Osterwalder / Hoffmann, “The German Nuclear Phase-Out Put to the Test in International Investment Arbitration? Background to the new dispute Vattenfall v. Germany (II)”, verfügbar unter http://www.iisd.org/pdf/2012/german_nuclear_phase_out.pdf (letzter Zugriff 23.5.2014) sowie Hans Georg Dederer, Ein Schiedsverfahren wird für Deutschland zum Bumerang, Legal Tribune Online, 12.6.2012, http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/vattenfall-klagt-gegen-atomausstieg-vor-schiedsgericht-in-washington -investitionsschutz/ (letzter Zugriff 23.5.2014). 74 Danach soll Vattenfall eine Entschädigung in Höhe von 3,7 Milliarden Euro verlangen, vgl. statt aller, Jakob Schlandt, 15 Juristen gegen die Demokratie, in: Frankfurter Rundschau, 23.3.2013, http://www.fr-online .de/wirtschaft/vattenfall-15-juristen-gegen-die-demokratie,1472780,22189216.html (letzter Zugriff 23.5.2014).