WD 2 - 3000 - 082/18 (11. Juni 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Das gewohnheitsrechtlich bestehende Nothafenrecht stellt eine Ausnahme von Territorialitätsprinzip dar, wonach jeder Staat über den Zugang ausländischer Schiffe zu seinen Häfen grundsätzlich frei entscheiden und diesen auch verwehren kann. Völkervertragsrechtlich wird das Notfallrecht durch Art. 18 Abs. 2 S. 2 SRÜ gestützt: Diese Regelung macht deutlich, dass in Notsituationen die Hoheitsrechte eines Staates innerhalb seiner inneren Gewässer eingeschränkt werden können. Die gewohnheitsrechtlichen Voraussetzungen dieses Nothafenrechts sind erfüllt, wenn sich ein Schiff in Seenot befindet, d.h. wenn eine unmittelbare und ohne fremde Hilfe unabwendbare Gefahr für das Leben von Besatzungsmitgliedern oder Passagieren des Schiffes droht. Es kann daher nur unter engen Voraussetzungen (d.h. Vorliegen einer Seenotlage für das Schiff, Wasserknappheit , Gefahr eines Kenterns etc.) in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme des Nothafenrechts muss überdies mit Sicherheitsinteressen für den Hafen abgewogen werden. Im Falle eines in Seenot geratenen Flüchtlingsbootes dürfte die Verwehrung des Hafenzugangs aus seevölkerrechtlicher Sicht in aller Regel unverhältnismäßig und daher völkerrechtswidrig sein. Ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Nothafenrechts seitens eines Sea-Watch- Schiffes vorliegen, muss vor Ort durch die italienische Küstenwache festgestellt werden. Die generell gute Ausstattung zumindest der größeren Sea-Watch-Schiffe (mit medizinischer Erstversorgung , Nahrungsmitteln, Decken etc.) spricht prima facie gegen einen Seenotfall. Näher zum Nothafenrecht vgl. in den Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste WD 2 - 3000 - 067/17 vom 31. Juli 2017, "Der italienische Verhaltenskodex für private Seenotretter im Mittelmeer" (zum Nothafenrecht vgl. S. 12) WD 2 – 3000 – 078/13 vom 31. Oktober 2013, "Völkerrechtliche Schutzpflichten gegenüber Migranten in Seenot" (zum Nothafenrecht vgl. S. 6). *** Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Das völkergewohnheitsrechtliche Nothafenrecht