© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 082/16 Die Umsetzung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG in den Streitkräften der EU-Mitgliedstaaten Erfahrungen und Herausforderungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 2 Die Umsetzung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG in den Streitkräften der EU- Mitgliedstaaten Erfahrungen und Herausforderungen Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 082/16 Abschluss der Arbeit: 20. Juli 2016 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Die Umsetzung der EAZR 2003/88/EG in die Arbeitszeitregelungen der Streitkräfte von EU-Mitgliedstaaten 6 2.1. Dänemark 6 2.2. Frankreich 7 2.3. Großbritannien 8 2.4. Lettland 9 2.5. Niederlande 10 2.6. Österreich 12 2.6.1. Dienstrechtspersonen 12 2.6.2. Wehrrechtspersonen 13 2.7. Polen 14 2.8. Rumänien 15 2.9. Slowenien 16 2.10. Spanien 19 2.11. Tschechische Republik 21 2.12. Ungarn 21 3. Zusammenfassung 23 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 4 1. Einführung Zur Umsetzung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG 1 in der Bundeswehr wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 2016 die sogenannte Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenarbeitszeitverordnung – SAZV) 2 in Kraft gesetzt. Mit der am 22. Mai 2015 verkündeten Ergänzung des Soldatengesetzes 3 um den § 30 c wurde hierfür die Ermächtigungsgrundlage geschaffen, die ebenfalls am 1. Januar 2016 wirksam wurde. Mit der neuen SAZV und ihren allgemein verbindlichen und einheitlichen Arbeitszeitregelungen wollte sich die Bundeswehr im Grundbetrieb der Streitkräfte als attraktiver Arbeitgeber positionieren . Allerdings zeigt sich jetzt, nachdem die SAZV mehr als ein halbes Jahr in Kraft ist, dass es zur Umsetzung der SAZV in der Bundeswehr bei den Soldatinnen und Soldaten immer noch offene Fragen gibt und ihre Einführung weiterhin mit planerischen und organisatorischen Herausforderungen verbunden ist. So hakt es bei der Umsetzung nach einer ersten Bewertung der Kompanie- und Staffelfeldwebel in der Luftwaffe „noch an vielen Ecken und Enden“; 4 aufgrund der Komplexität der neuen Arbeitszeitregelungen bestünde bei vielen Soldatinnen und Soldaten noch keine Handlungssicherheit . 5 Darüber hinaus bedürften insbesondere in der Marine, so eine Kernaussage bei der „Marineinformationstagung Inland 2016“ am 26. Mai 2016 in Berlin, zahlreiche zur Umsetzung der SAZV eingeleitete Maßnahmen noch eine gewisse Zeit, bis diese wirksam werden könnten. Hierzu zählt beispielsweise bei den Schiffs- und Bootsbesatzungen die Reduzierung der hohen Bindung durch Wachdienste (u.a. durch die Einrichtung einer Fernüberwachung aller im Hafen liegenden Kriegsschiffe, durch die Aufgabenverlagerung des abwehrenden Brandschutzes von den Besatzungen zur Bundeswehrfeuerwehr, durch die Absicherung der Pier und des Oberdecks durch gewerbliche Wachen sowie durch die Einrichtung von Betriebsunterstützungsgruppen). 6 1 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Amtsblatt Nr. L 299 vom 18/11/2003, S. 9-19. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32003L0088&from=DE (letzter Zugriff: 6. Juni 2016). 2 Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenarbeitszeitverordnung – SAZV) vom 16. November 2015 (BGBl. I S. 1995). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/sazv/gesamt .pdf (letzter Zugriff: 6. Juni 2016). 3 Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz – SG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2163). Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sg/BJNR001140956.html (letzter Zugriff: 6. Juni 2016). 4 Henning, Frank (2016): Noch keine Handlungssicherheit. Abrufbar unter: https://www.dbwv.de/web/dbwv/extranet _dbwv_cb.nsf/vwContentByKey/W2A6SG4L425DBWNDE (letzter Zugriff: 6. Juni 2016). 5 Ebd. 6 Vortrag Kapitän zur See Thomas von Buttlar, Unterabteilungsleiter Personal im Marinekommando Rostock, bei der Marineinformationstagung Inland 2016 am 26. Mai 2016 in Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 5 In Wilhelmshaven führt die Umsetzung dieser per se zeitaufwändigen Maßnahme dazu, dass nun für 700 unterkunftspflichtige Soldatinnen und Soldaten noch dienstliche Unterkünfte an Land geschaffen werden müssen und die 1.200 nichtunterkunftspflichtigen Besatzungsangehörigen, die bisher an Bord übernachtet haben und keinen Anspruch auf Trennungsübernachtungsgeld haben, auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Unterkunft suchen müssten. Für beide Gruppen beabsichtigt das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) nun in Wilhelmshaven als Pilotprojekt den Betrieb eines sogenannten „Seemannsheims“, das seinen Standort in einer nahegelegenen Kaserne haben soll und für das gegenwärtig ein Konzept erarbeitet wird. 7 Die Vorbereitungen für die Aufnahme des Betriebs eines solchen Seemannsheims werden ebenfalls noch Zeit benötigen . Vor dem Hintergrund dieser mit der Einführung der SAZV in die Bundeswehr verbundenen, hier nur auszugsweise dargestellten Probleme und Herausforderungen und der vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) angeordneten engen Evaluierung der SAZV 8 stellt der vorliegende Sachstand die Erfahrungen dar, die andere EU-Mitgliedstaaten bei der Implementierung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG (EAZR 2003/88/EG) in ihren Streitkräften gesammelt haben. Hierbei sollen nicht nur die Herausforderungen, mit denen sich die jeweiligen Streitkräfte bei der Einführung neuer EU-konformer Arbeitszeitregelungen konfrontiert sahen, im Fokus stehen, sondern auch Lösungsansätze im Umgang mit den dort aufgetretenen Problemen erläutert werden. Die in diesem Sachstand zusammengefassten Informationen basieren im Wesentlichen auf den Ergebnissen einer Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen derjenigen 15 EU-Mitgliedstaaten, die nach Kenntnis des BMVg (Stand: 23. März 2016) 9 die EAZR 2003/88/EG in ihren Streitkräften – zumindest teilweise – implementiert haben. Zusätzlich wurde angesichts der Tatsache, dass dort deutliche Anstrengungen erkennbar sind, die EAZR 2003/88/EG – auch ohne Rechtsgrundlagen – zumindest im begrenzten Umfange in den Streitkräften anzuwenden, Frankreich zusätzlich in diesen Sachstand aufgenommen. 7 Erfahrungen mit der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenarbeitszeitverordnung – SAZV). Bericht des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesministerium der Verteidigung, Markus Grübel, vom 31. Mai 2016. Ausschussdrucksache 18(12)698 des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages. 8 Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hat eine enge Evaluierung der SAZV angeordnet: Nach Ablauf eines 12-monatigen Bemessungszeitraums sollen die Erfahrungen in der Anwendung der Regelungen der SAZV bewertet werden. Dabei sollen Verbesserungen in der Organisation des Dienstes ebenso analysiert werden wie die Auftragslage und der ggf. notwendige zusätzliche Personalbedarf. Die Evaluierung soll im Ergebnis zeigen, welche Anpassungsmaßnahmen das BMVg kurz- oder mittelfristig selbständig umsetzen kann und welche Maßnahmen ggf. eher langfristig bspw. durch Gesetzesänderungen verwirklicht werden müssen und können. Vgl. ebd. 9 Bundesministerium der Verteidigung / Abteilung Führung Streitkräfte III 1 vom 23. März 2016, Anlage 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 6 2. Die Umsetzung der EAZR 2003/88/EG in die Arbeitszeitregelungen der Streitkräfte von EU-Mitgliedstaaten 2.1. Dänemark Nach einer Einigung zwischen dem dänischen Finanzministerium und den Gewerkschaften des Königreiches im Juli 2003 über die Implementierung der EAZR 2003/88/EG wurde für den privaten Sektor Dänemarks diese Vereinbarung in dänisches Recht umgesetzt. Bereits vorher war ein bezahlter Mindestjahresurlaub von vier Wochen gesetzlich garantiert. Die dänischen Streitkräfte sind zwar von der im Juli 2003 für den privaten Sektor getroffenen Vereinbarung ausgenommen, haben aber laut des Personaldienstes der dänischen Streitkräfte ihrerseits mit den Interessenvertretungen der Soldatinnen und Soldaten Tarifverträge abgeschlossen . 10 Hiernach gelten die im Gesetz für den privaten Sektor geregelten Höchstarbeitszeiten grundsätzlich auch für die dänischen Soldatinnen und Soldaten. Die allgemeine Dienstzeit ist auf 37 Stunden pro Woche und 7,4 Stunden pro Tag festgelegt. Eine tägliche Arbeitszeit von 14,8 Stunden darf nicht überschritten werden. Mehrarbeit ist für die Streitkräfte als die Dienstzeit definiert, die in einem Bezugszeitraum von drei Monaten im Durchschnitt über die reguläre Wochenarbeitszeit von 37 Stunden hinausgeht. Diese Mehrarbeit, die für das gesamte Personal der dänischen Streitkräfte mit einem SAP-basierten IT-System aufgezeichnet wird, soll grundsätzlich mit Freizeit in einem zeitlichen Verhältnis von 1 : 1 ausgeglichen werden. Ist dies jedoch aus dienstlichen Gründen innerhalb von drei Monaten nicht möglich, kann die Mehrarbeit auch finanziell kompensiert werden, wobei eine Überstunde mit dem 1,5-fachen Regelstundensatz entlohnt wird. Die mit den Interessenvertretungen der dänischen Soldatinnen und Soldaten getroffenen Tarifvereinbarungen erlauben es, von folgenden von der EAZR 2003/88/EG vorgegebenen Mindeststandards abzuweichen, um in Friedenszeiten die kontinuierliche Erfüllung absolut notwendiger Aufgaben (bspw. im Bereich der Luftrettung) zu gewährleisten: Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum sowie kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden (zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden) pro Siebentageszeitraum. Um die operative Einsatzbereitschaft zu erlangen und zu erhalten sowie internationale Verpflichtungen sicherzustellen, finden bei Übungen und Auslandseinsätzen der dänischen Streitkräfte gemäß einer Vereinbarung zwischen dänischem Verteidigungs- und Arbeitsministerium die im Grundbetrieb grundsätzlich gültigen Arbeitszeitregelungen keine Anwendung. Nach Auffassung des Personaldienstes der dänischen Streitkräfte haben die militärischen Arbeitszeitregelungen keinen Einfluss auf die Einsatzbereitschaft der Truppe. 11 Allerdings hatte die 10 Antwort des Personaldienstes der dänischen Streitkräfte vom 7. Juli 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. 11 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 7 Umsetzung der EAZR 2003/88/EG zur Folge, dass bei gleichbleibenden Aufgaben mehr Personal als in der Vergangenheit benötigt wird. Um den zusätzlichen Personalbedarf zu begrenzen, wurden daher Aufgaben priorisiert bzw. die Streitkräfte von solchen Verpflichtungen entbunden, die nicht zu den militärischen Kernaufgaben zählten. In der multinationalen Zusammenarbeit wird nach Auskunft des Personaldienstes der dänischen Streitkräfte die 37-Stunden-Woche der dänischen Streitkräfte von den Partnern zwar sehr kritisch gesehen, wird aber voraussichtlich nicht zur Anpassung der Arbeitszeitregelungen führen. 12 2.2. Frankreich Da dem französischen Parlament bislang kein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, der die Anwendung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG auf die französische Armee zum Inhalt hat, steht eine Umsetzung dieser Arbeitszeitrichtlinie weiterhin aus. Diese wurde in der Vergangenheit auch nicht mit Nachdruck verfolgt, da das französische Verteidigungsministerium – wie auch einige andere EU-Mitgliedstaaten – die Auffassung vertritt, dass die EAZR 2003/88/EG nicht für militärisches Personal gelte. Nachdem der Europäische Gerichtshofs inzwischen in mehreren Urteilen dieser Auffassung widersprochen hatte, werden nun in Frankreich Wege zur Umsetzung der EAZR 2003/88/EG in den Streitkräften diskutiert. So setzte sich der im Juni 2015 veröffentlichte Jahresbericht des Haut Comité d'Évaluation de la Condition Militaire (HCECM – etwa: Hochrangiger Ausschuss zur Evaluation des Zustands des Militärs) 13 intensiv mit der Frage auseinander, ob die Richtlinie auf Militärangehörige angewendet werden kann. Trotz dieser noch nicht abgeschlossenen Diskussionen dürfte sich nach Auffassung französischer Militärexperten eine Umsetzung der EAZR 2003/88/EG in den Streitkräften, wenn überhaupt, künftig ausschließlich auf den militärischen Grundbetrieb beschränken und nicht die Einsatzvorbereitung oder den Einsatz einschließen: „Les militaires sont soumis aux dispositions de la directive lorsqu’ils exercent leur activité en situation „normale“, c’est-à-dire en dehors de tout contexte opérationnel.“ Denn gemäß der Artikel L. 4111-2 und L. 4121-5 des französischen Verteidigungsgesetzes kann das Militär aufgerufen werden, zu jeder Zeit und an jedem Ort zu dienen. Die Existenz dieses Prinzips steht nach französischer Auffassung einer Arbeitszeitregelung für das Militär grundsätzlich entgegen. Es besteht daher kein Rechtsbegriff für militärische Arbeit und Aktivitäten, die Arbeitszeit wird nicht gemessen. Allerdings verbietet die Notwendigkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort über Soldatinnen und Soldaten verfügen zu können, nicht, die Arbeitszeit im Einklang mit den Regelungen der EAZR 2003/88/EG zu organisieren, soweit dies die dienstlichen Bedürfnisse zulassen. 12 Ebd. 13 Haut Comité d'Évaluation de la Condition Militaire (HCECM) (2015): Perspectives de la Condition Militaire: Pour une politique globale de la condition militaire (2015-2025). 9e Rapport, Juni 2015, S. 50 ff. Abrufbar unter: http://www.defense.gouv.fr/content/download/386190/5725063/file/Rapport_Thematique_HCECM_2015.pdf (letzter Zugriff: 23. Juni 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 8 So ist das Dekret Nr. 2000-815 vom 25. August 2000 über die Organisation der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst des Staates und der Justiz zwar nicht für das Militär anzuwenden, und es gibt daher für das Militär bisher auch keinen gesetzlichen Arbeitszeitrahmen. Die Teilstreitkräfte haben jedoch mit eigenen Weisungen 14 in gewissem Umfang Aspekte des o.a. Dekrets für ihre Einheiten und Verbände umgesetzt. So wurde die Ausbildung an den Schulen der französischen Streitkräfte auf 38 Ausbildungsstunden pro Woche begrenzt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für den Dienst in einem Einsatz oder bei der Vorbereitung eines Einsatzes. 2.3. Großbritannien Bereits im Jahr 1998 wurde im Vereinigten Königreich die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, aus der später die EAZR 2003/88/EG hervorgegangen ist, in die britische Rechtsprechung als „The Working Time Regulations 1998“ (WTR 1998) 15 aufgenommen. Die WTR setzte darüber hinaus Vorgaben der Richtlinie 94/33/EG um, die sich mit den Rechten junger Arbeitnehmerinnen und -nehmer befasst. Die WTR 1998 gelten nicht nur für Zivilbeschäftigte, sondern sind laut Regel 38 16 der WTR grundsätzlich auch auf die Soldatinnen und Soldaten der britischen Streitkräfte anzuwenden. Dabei darf die regelmäßige Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden in einem Zeitraum von 17 Wochen nicht überschritten werden. Soldatinnen und Soldaten haben gemäß WTR ein Anrecht auf eine tägliche Ruhezeit von 11 aufeinanderfolgenden Stunden zwischen zwei Arbeitstagen und eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden pro Woche. Dies muss im Durchschnitt über einen Zeitraum von zwei Wochen erreicht werden über zwei unterschiedliche Ruhephasen von je 24 Stunden oder eine von 48 Stunden. Kommandeure sind aufgefordert, diese WTR einzuhalten. Dennoch existieren laut Regel 18 17 dort, wo die Anforderungen des Dienstes (z.B. im Militär, bei der Polizei, etc.) im Konflikt zu den Regelungen der WTR stehen, einige Ausnahmetatbestände zu der WTR. Solche Ausnahmetatbestände, wie bspw. Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen, Einsatzausbildung, Ausbildung mit dem Zweck, Stress hervorzurufen, sowie der Dienst an Bord von Schiffen, können, soweit es die Auftragserfüllung notwendig macht, insbesondere in folgenden Bereichen zu Abweichungen von den WTR führen: 14 „Directive n° 756/DEF/EMAT/BCP/CPC relative au temps d’activités et d’obligations professionnelles des militaires de l’armée de terre“ vom 5. Juli 2002, „Directive n° 146/DEF/EMM/PRH relative au temps de service, permissions, congés et absences du personnel militaire de la marine nationale“ vom 21. November 2006, und „Directive n° 3628/DEF/CEMAA/CAB relative à l’organisation de l’activité des militaires de l’armée de l’air“ vom 19. September 2011. 15 The Working Time Regulations 1998. Statutory Instruments 1998 No. 1833. Originalversion. Abrufbar unter: http://www.legislation.gov.uk/uksi/1998/1833/made (letzter Zugriff: 11. Juli 2016). 16 The Working Time Regulations 1998. Statutory Instruments 1998 No. 1833. Part V, Regulation 38. Abrufbar unter: http://www.legislation.gov.uk/uksi/1998/1833/regulation/38/made (letzter Zugriff: 11. Juli 2016). 17 The Working Time Regulations 1998. Statutory Instruments 1998 No. 1833. Part III, Regulation 18. Abrufbar unter: http://www.legislation.gov.uk/uksi/1998/1833/regulation/18/made (letzter Zugriff: 11. Juli 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 9 • maximale wöchentliche Arbeitszeit (vgl. Regel 4(1)–(2) WTR), • maximale Dauer der Nachtarbeit (vgl. Regel 6(1), (2) und (7) WTR), • Gesundheitsattest für die Nachtarbeit (vgl. Regel 7(1) und (6) WTR), • Pausenzeiten und -intervalle bei monotonen Tätigkeiten (vgl. Regel 8 WTR), • tägliche Ruhezeit (vgl. Regel 10(1) WTR), • wöchentliche Erholungspausen (vgl. Regel 11(1) und (2) WTR), • Pausenzeiten und -intervalle (vgl. Regel 12(1) WTR), sowie • jährlicher Urlaub (vgl. Regel 13 WTR). Laut Auskunft des House of Commons gibt es im Vereinigten Königreich bis heute quasi keine Studienergebnisse zu der Frage, ob und wie sich die WTR auf die britischen Streitkräfte ausgewirkt haben. 18 In einem Artikel des Guardian von Anfang 2014 wird allerdings – unter Bezug auf eine Studie der Army Families Federation (AFF) zu den gesundheitlichen Folgen von Mehrarbeit britischer Soldatinnen und Soldaten – deutliche Kritik an dem bisherigen Grad der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinien und an der Arbeitszeitbelastung geübt. So wird in diesem Artikel der Oppositionspolitiker und ehemalige „Schattenverteidigungsminister“ Kevan Jones zitiert, der in seiner Stellungnahme zu der Studie äußerte, dass deutlich geworden sei, „that our armed forces and their families simply do not believe that the government is doing enough to help establish a better work-life balance for military personnel. The defence secretary must act urgently to prevent this worrying loss of morale among our armed forces and their families.“ 19 Diese Äußerung könnte den Schluss zulassen, dass es im Vereinigten Königreich bisher am Willen zur Durchsetzung der WTR gemangelt hat. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, könnte eine Ursache hierfür in der Besorgnis der politisch und militärisch Verantwortlichen liegen, dass eine strikte Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinien die Einsatzbereitschaft der britischen Streitkräfte gefährden könnte. 2.4. Lettland Entgegen den Angaben des BMVg 20 findet die EAZR 2003/88/EG nach Auskunft des lettischen Parlaments (Saeima) vom 28. Juni 2016 keine Anwendung. Die Vorgaben der EAZR 2003/88/EG sind in Lettland in das Arbeitsgesetz und das Medizinische Behandlungsrecht, aber nicht in das lettische Wehrdienstgesetz eingeflossen. Artikel 12.2 des Wehrdienstgesetzes schreibt vor, dass Erlasse, die arbeitszeitrechtliche Beziehungen regeln, grundsätzlich nicht für Soldatinnen und Soldaten gelten. Ausnahmen können in dieser Hinsicht solche Erlasse darstellen, die eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmerinnen und -nehmern verschiedener Berufszweige explizit verbieten, sowie solche, die Rechte von Frauen, die schwanger sind, ein Kind pflegen oder sich 18 Antwort des House of Commons vom 8. Juli 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. 19 o.V. (2014): Soldiers' working hours not healthy or sustainable, survey says. In: The Guardian vom 17. Februar 2014. Abrufbar unter: https://www.theguardian.com/uk-news/2014/feb/17/soldiers-working-hours-survey (letzter Zugriff: 11. Juli 2016). 20 BMVg FüSK III 1 vom 23. März 2016, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 10 in dem bis zu einem Jahr andauernden Mutterschutz befinden, bzw. von Vätern (Vaterschaftsurlaub ), Adoptierenden oder anderen für das Kleinkind Sorgender enthalten. Artikel 12.2 des Wehrdienstgesetzes sagt aus, die Länge des Arbeitstages einer Soldatin oder eines Soldaten sollte von den Erfordernissen des Dienstes abhängen. Genaue Zeitvorgaben für bestimmte dienstliche Aufgaben sowie Vorgaben für die Ruhezeiten sollen die Vorschrift für den Inneren Dienst in den Streitkräften bzw. die Befehle enthalten, die auf dieser Vorschrift basieren. Artikel 178 der vom lettischen Verteidigungsministerium am 3. August 2012 mit der Weisung Nr. 21 erlassenen Vorschrift für den Inneren Dienst in den Streitkräften sieht vor, dass der zuständige Kommandeur per Befehl auf Basis gültiger Gesetze und Verordnungen die Länge eines Arbeitstages und die an diesem Tag zu erfüllenden Aufgaben festzulegen hat. Artikel 179 derselben Vorschrift legt fest, dass die normale Arbeitszeit von Soldatinnen und Soldaten acht Stunden bzw. sieben Stunden an Tagen, die vor einem Urlaubs- oder einem freien Tag liegen, nicht überschreiten darf. Ausnahmen stellen hierbei Sonderdienste, die Dienste von Notfall-teams, Brandabwehrübungen, die Flug- und die taktische Ausbildung, die militärische Grundausbildung sowie andere Ausbildungsvorhaben dar, für die mehr als acht Stunden täglich erforderlich sind. Wenn eine Soldatin oder ein Soldat an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag Dienst geleistet hat, hat sie/er Anspruch auf einen Dienstzeitausgleich, dessen Länge von der Zahl der geleisteten Überstunden abhängt und vom zuständigen Kommandeur festgelegt wird. Laut Artikel 180 der Vorschrift für den Inneren Dienst in den Streitkräften gilt diese Dienstausgleichsregelung nicht für Soldatinnen und Soldaten in internationalen Einsätzen, bei Dienstreisen oder bei Lehrgängen im Ausland. Soweit keine besonderen militärischen Erfordernisse vorliegen, haben Soldatinnen und Soldaten auf Anspruch auf eine zweitägige Ruhephase pro Woche sowie alle 24 Stunden auf eine ununterbrochene Ruhephase von mindestens elf Stunden. Da die EAZR 2003/88/EG in den lettischen Streitkräften offiziell nicht implementiert wurde, liegen dort folglich auch keine Probleme und Erfahrungen bei ihrer Umsetzung vor. 2.5. Niederlande In den Niederlanden ist die Arbeitszeit im Wesentlichen in dem Arbeitszeitgesetz (Arbeidstijdenwet “) 21 und im Arbeitszeitdekret („Arbeidstijdenbesluit“) geregelt. Das Arbeitsgesetz mit seinen Festlegungen zu den maximalen Arbeitszeiten sowie den Mindestpausen- und -ruhezeiten verleiht der EAZR 2003/88/EG Wirkung, während das Arbeitszeitdekret Ausnahmen und zusätzliche Regelungen zum Arbeitszeitgesetz enthält. Für bestimmte Berufszweige, so auch für das niederländische Militär, gibt es darüber hinaus auf dem Arbeitszeitdekret basierende Sonderregelungen. Für die niederländischen Streitkräfte sind 21 Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (2010): The Working Hours Act – Information for employers and employees. Abrufbar unter: http://www.inspectieszw.nl/Images/The-Working-Hours-Act_tcm335-365981.pdf (letzter Zugriff: 13. Juli 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 11 dies das Allgemeine Militärische Beamtenreglement („Algemene Militaire Ambtenaren Reglement “, AMAR) 22 und das Bürgerliche Beamtenreglement Verteidigung („Burgerlijk Ambtenarenreglement Defensie“, BARD). 23 Das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitszeitdekret, Kapitel 7 AMAR sowie Kapitel 4 BARD enthalten die für das Militär allgemein gültigen Arbeitszeitregelungen und deren Ausnahmen. Die grundsätzlichen gültigen Arbeitszeitregelungen schreiben vor, dass die Streitkräfte ihre Aufgaben grundsätzlich in den dafür vorgesehenen Zeiträumen zu bewältigen haben, Arbeits- und Pausenzeiten der Soldatinnen und Soldaten durch die kommandierenden Vorgesetzten festzulegen und zu dokumentieren sind, die Arbeitszeit grundsätzlich nicht vor 7 Uhr beginnen und nicht über 18 Uhr hinausgehen soll, die Höchstarbeitszeit maximal neun Stunden täglich bzw. 45 Stunden wöchentlich betragen darf, aber im Durchschnitt 38 Wochenstunden nicht überschreiten soll, Dienstreisezeiten als Arbeitszeit anzuerkennen seien. Ausnahmen von diesen grundsätzlichen Arbeitszeitregelungen bestehen bei außergewöhnlichen Umständen (bspw. Krieg), gesetzlichen Aufgaben, Übungen, durch den Verteidigungsminister als solche angewiesenen Sondereinsätzen, Ausbildungsvorhaben, führendem und höherem Personal, Feuerwehrpersonal und Militärpolizei, international beschäftigtem Personal, medizinischen Spezialisten. Zu etwaigen Problemen und Herausforderungen bei der Anwendung der die EAZR 2003/88/EG umsetzenden Arbeitszeitregelungen der niederländischen Streitkräfte haben beide Kammern des Parlaments in ihren Antworten zu der Parlamentsumfrage des Deutschen Bundestages keine Stellung genommen. 24 22 Algemeen Militair Ambtenarenreglement (AMAR) vom 22. Juli 2014. Abrufbar unter: http://www.inspectieszw.nl/ Images/The-Working-Hours-Act_tcm335-365981.pdf (letzter Zugriff: 13. Juli 2016). 23 Burgerlijk Ambtenarenreglement Defensie (BARD) vom 22. Juli 2014. Abrufbar unter: http://www.st-ab.nl/wettennr 01/0033-036_Burgerlijk_ambtenarenreglement_defensie_BARD.htm (letzter Zugriff: 13. Juli 2016. 24 Antworten der Ersten Kammer des Generalstaaten vom 23. Juni 2016 und der Zweiten Kammer des Generalstaaten vom 12. Juli 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 12 2.6. Österreich Bei der Beantwortung der Fragen zur Umsetzung der EAZR 2003/88/EG im Österreichischen Bundesheer wies der Nationalrat der Republik Österreich darauf hin, 25 dass im österreichischen Bundesheer zwischen Soldatinnen und Soldaten, die in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen (sogenannte „Dienstrechtspersonen“), sowie Soldatinnen und Soldaten, die einen Präsenzoder Ausbildungsdienst leisten (sogenannte „Wehrrechtspersonen“), unterschieden werde. Für beide gelten unterschiedliche gesetzliche Dienstzeitregelungen. 2.6.1. Dienstrechtspersonen Die Zeitordnung für Soldatinnen und Soldaten des Österreichischen Bundesheers (ÖBH) ist in den §§ 29 und 30 der Verordnung der Bundesregierung über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV) enthalten. 26 Die Zeitordnung gilt jedoch gemäß § 1 ADV für Soldatinnen und Soldaten, die dem Österreichischen „Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören, nur insoweit, als in den dienstlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist.“ Für diese Dienstrechtspersonen sind – wie für alle sonstigen öffentlich Bediensteten auch – primär – das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) 27 sowie das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG 1948) 28 anzuwenden. Nach dem Beitritt Österreichs zur EU im Jahr 1995 wurden erstmals 1997 die den EU-Richtlinien entsprechenden arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen für den öffentlichen Dienst gesetzlich normiert 29 und seither mehrfach novelliert und dabei die Vorgaben der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG implementiert. Die derzeit geltenden Regelungen finden sich in den §§ 47a bis 51 des Unterabschnitts „Dienstzeit“ der derzeitig gültigen Fassung des BDG 1979. 25 Antwort des Nationalrates der Republik Österreich vom 22. Juni 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. 26 Verordnung der Bundesregierung vom 9. Januar 1979 über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV). BGBl. Nr. 43/1979. Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1979_43_0/1979_43_0. pdf (letzter Zugriff: 22. Juni 2016). 27 Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 in der Fassung vom 22. Juni 2016 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten- Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979) BGBl. Nr. 333/1979. Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung .wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008470 (letzter Zugriff: 22. Juni 2016). 28 Bundesgesetz vom 17. März 1948 über das Dienst- und Besoldungsrecht der Vertragsbediensteten des Bundes vom 17. März 1948 in der Fassung vom 22. Juni 2016 (Vertragsbedienstetengesetz 1948 – VBG). BGBl. Nr. 86/1948. Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer= 10008115 (letzter Zugriff: 22. Juni 2016). 29 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61 vom 30. Juni 1997 Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/ BgblPdf/1997_61_1/1997_61_1.pdf (letzter Zugriff: 22. Juni 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 13 Die über die reguläre Dienstzeit von 41 Wochenstunden hinausgehende, im Bedarfsfall angeordnete Arbeitszeit gilt für Dienstrechtspersonen zunächst als „Mehrdienstleistung“, die im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen ist. Hat kein Zeitausgleich im Kalendervierteljahr gewährt werden können, gilt die Zeit als „Überstunde“ und ist im Verhältnis 1 : 1,5 in Freizeit oder Geld auszugleichen . Die Ausnahmebestimmungen für das Bundesheer sind in § 48f Abs. 2 BDG 1979 normiert, wonach die allgemeinen Dienstzeitregelungen auf Beamte mit spezifischen staatlichen Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit keinen Aufschub dulden (genannt ist hier u.a. auch das Bundesheer ), insoweit nicht anzuwenden sind, als die Besonderheiten dieser Tätigkeiten einer Anwendung dieser Bestimmungen zwingend entgegenstehen. Während eines Einsatzes des Bundesheeres gemäß § 2 Abs. 1 des Wehrgesetzes 2001 30 gelten daher die allgemeinen Dienstzeitregelungen für den öffentlichen Dienst (und damit die Richtlinie 2003/88/EG) nicht. 2.6.2. Wehrrechtspersonen Für Wehrrechtspersonen gelten die folgenden, im Auszug dargestellten Dienstzeitregelungen der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV): Auszug aus den „Allgemeinen Dienstvorschriften für Soldaten“ Zeitordnung Dauer der dienstlichen Inanspruchnahme § 29. (1) Die Dauer der dienstlichen Inanspruchnahme der Soldaten, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten, darf nach Abzug der für die morgendliche Vorbereitung zum Dienst sowie der für die Einnahme der Mahlzeiten und zur Erholung vorgesehenen Zeit von Montag bis Freitag acht Stunden täglich, an Samstagen fünf Stunden nicht überschreiten ; diese Zeiten dürfen nur aus triftigen Gründen geringfügig überschritten werden. Sonnund Feiertage sind dienstfrei zu halten. Für die Einnahme der Mahlzeiten ist den Soldaten eine angemessene Zeit einzuräumen. (2) Erfordert die Eigenart einer militärischen Verwendung regelmäßig eine dienstliche Inanspruchnahme abweichend von den Bestimmungen des Abs. 1, so darf die durchschnittliche Wochendienstzeit innerhalb eines Zeitraumes von höchstens sechs Wochen das Ausmaß von 45 Stunden nicht überschreiten. Eine dienstliche Inanspruchnahme an Sonn- und Feiertagen ist, soweit es die dienstlichen Erfordernisse ermöglichen, durch dienstfreie Zeiten auszugleichen. 30 Wehrgesetz 2001 vom 22. Dezember 2001 in der derzeit gültigen Fassung (WG 2001). BGBl. I Nr. 146/2001 (WV). Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer= 20001612 (letzter Zugriff: 22. Juni 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 14 (3) Die in den Abs. 1 und 2 genannten Zeiten einer dienstlichen Inanspruchnahme können überschritten werden, wenn dies die Erreichung des Ausbildungszieles (z.B. bei Nachtübungen oder Waffenübungen) oder die Aufrechterhaltung des militärischen Dienstbetriebes erfordert; in jedem Fall ist eine Überschreitung jedoch nur zulässig, wenn dies weder durch organisatorische noch durch andere geeignete Maßnahmen vermieden werden kann. Besondere Dienste (4) Für Wachen, Bereitschaften, Soldaten vom Tag und gleichzuhaltende Dienste gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 nicht. Die zu solchen Diensten eingeteilten Soldaten dürfen jedoch nicht für länger als 24 Stunden – abgesehen von einer geringfügigen Überschreitung aus triftigen Gründen – herangezogen werden. Eine neuerliche Heranziehung zur Leistung eines dieser Dienste unmittelbar nach Beendigung eines solchen Dienstes darf erst nach Ablauf eines Zeitraumes erfolgen, der der Dauer des geleisteten Dienstes entspricht. Dienstplan (5) Beginn und Ende der dienstlichen Inanspruchnahme, der sonstige zeitliche Ablauf des Dienstbetriebes sowie allfällige, den Dienstbetrieb betreffende Befehle sind im Einzelnen vom Einheitskommandanten in einem Dienstplan festzulegen. Einsatzbestimmung (6) Im Einsatz sowie bei der Vorbereitung eines Einsatzes sind die Abs. 1 bis 5 nicht anzuwenden . Abs. 5 ist auch bei einsatzähnlichen Übungen nicht anzuwenden. Besondere Probleme sind in den österreichischen Streitkräften durch die Implementierung der genannten Arbeitszeitregelungen laut Auskunft des österreichischen Parlaments weder bei den Dienstrechts- noch bei den Wehrrechtspersonen aufgetreten. Vor diesem Hintergrund ist derzeit auch keine Änderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen beabsichtigt. 31 2.7. Polen In Polen wird die Umsetzung der EAZR 2003/88/EG in solchen Bereichen abgelehnt, in denen die Besonderheiten des militärischen Dienstes mit der EAZR 2003/88/EG kollidieren. 32 Mit Blick auf die Sicherheit und Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten wird die Richtlinie so weit wie möglich berücksichtigt. In dieser Hinsicht wendet Polen die Vorgaben der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG in den Streitkräften an. 31 Nationalrat der Republik Österreich vom 22. Juni 2016, a.a.O. 32 Antwort des polnischen Sejm vom 30. Juni 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 15 Nach dem am 11. September 2003 erlassenen Gesetz über den Dienst der Berufssoldaten 33 in der aktuellen Fassung darf die durchschnittliche Arbeitszeit, die ein Soldat pro Woche leistet, in einem Referenzzeitraum von vier Monaten 48 Stunden nicht überschreiten. Für die Zeit, die über die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinausgeht, haben Soldatinnen und Soldaten gemäß Artikel 60 Abs. 2 des Gesetzes Anspruch auf Dienstzeitausgleich. Soldatinnen und Soldaten haben darüber hinaus gem. Artikel 60, Abs. 3 alle 24 Stunden einen Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden sowie Anspruch auf 24 Stunden ununterbrochene Ruhe pro Woche. Allerdings gelten diese Bestimmungen gem. Artikel 60, Ziff. 4 nicht in speziellen Situationen, insbesondere bei Maßnahmen zur Verhinderung der Auswirkungen von Naturkatastrophen oder von technischen Störungen, während Ausbildungs- und Übungsvorhaben auf Truppenübungsplätzen oder auf See, bei Bereitschaftsdiensten sowie im Auslandseinsatz. Details zur Arbeitszeit von Berufssoldinnen und -soldaten sind in der Verordnung des polnischen Verteidigungsministers vom 26. Juni 2008 über die Dienstzeit der Berufssoldaten niedergelegt . 34 Zu Problemen, die es innerhalb der polnischen Streitkräfte mit den nationalen Arbeitszeitregelungen eventuell gibt, äußerte sich der polnische Sejm in seiner Stellungnahme zur Parlamentsumfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht. 35 2.8. Rumänien Die Europäische Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG ist in Rumänien durch punktuelle Anpassungen des Arbeitsgesetzbuches 36 sowie des Gesetzes über Sicherheit und Arbeitsschutz umgesetzt worden. Für die Streitkräfte hat das Ministerium für Nationale Verteidigung mit internen Dienstzeitregelungen auf die Änderungen des Arbeitsgesetzbuches reagiert. Laut dieser internen Dienstzeitregelungen beträgt bei einer maximalen Regelwochenarbeitszeit von 40 Stunden für militärisches und ziviles Personal der Streitkräfte die maximale tägliche Arbeitszeit an Werktagen grundsätzlich 8 Stunden. Die zulässige Höchstarbeitszeit, einschließlich der Überstunden, darf nicht mehr als 48 Wochenstunden betragen. In Übereinstimmung mit den Artikeln 120 bis 122 des Arbeitsgesetzbuches sind Überstunden innerhalb der folgenden 60 Tage (plus der Urlaubs-/Ruhetage innerhalb dieses Zeitraums) durch bezahlte Freizeit zu kompensieren . Nur in Ausnahmefällen, in denen ein Ausgleich von Überstunden durch Freizeit gar nicht möglich ist, erfolgt eine finanzielle Kompensation. 33 Gesetz vom 11. September 2003 über den Dienst der Berufssoldaten. Abrufbar unter: http://isap.sejm.gov.pl/Download ?id=WDU20031791750&type=2 (letzter Zugriff: 30. Juni 2016). 34 Verordnung des Ministers für Nationale Verteidigung vom 26. Juni 2008 über die Dienstzeit der Berufssoldaten. Abrufbar unter: http://isap.sejm.gov.pl/Download;jsessionid=90117830C46E81C5A605A7D04A3B42CE?id= WDU20081220786&type=2 (letzter Zugriff: 30. Juni 2016). 35 Polnischer Sejm vom 30. Juni 2016, a.a.O. 36 Gesetz Nr. 12/2015 und Gesetz Nr. 97/2015. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 16 Durch spezielle Regelungen ist es nach Auskunft des rumänischen Abgeordnetenhauses gelungen , die Arbeitszeiten und Erholungsphasen in der Einsatzausbildung entlang sowohl nationaler rumänischer als auch europäischer Rechtsgrundlagen zu gestalten. Für Bereitschaftszeiten, Alarmierungen und Übungen ist durch die verantwortlichen Vorgesetzten ein Sonderdienstplan zu erstellen. Dieser Sonderdienstplan darf zwar einen ununterbrochenen Dienst über mehrere Tage und damit auch eine Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden anordnen; jedoch gilt, dass die Wochenarbeitszeit über einen 4-Monatszeitraum im Durchschnitt 48 Wochenarbeitsstunden nicht überschreiten darf. Das Gesetz Nr. 121/2011, das sich mit der Teilnahme der rumänischen Streitkräfte an Missionen und Operationen außerhalb des rumänischen Staatsgebietes befasst, sieht für militärisches und ziviles Personal der Streitkräfte einen Freizeitausgleich von 2,5 Tagen pro Monat im Einsatzgebiet vor. Diesen Anspruch können Angehörige der rumänischen Streitkräfte in Abhängigkeit der jeweiligen Sicherheitslage sowohl im Einsatzland, im Einsatzgebiet oder in Rumänien nehmen . Laut rumänischem Abgeordnetenhaus existieren innerhalb der rumänischen Streitkräfte gegenwärtig keine Probleme mit der Umsetzung der EAZR 2003/88/EG und daher sind auch keine Änderungen der im Militär bestehenden Arbeitszeitregelungen vorgesehen. 2.9. Slowenien In Slowenien sind die EAZR 2003/88/EG und ihre Vorgängerversionen, bspw. die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit 37, bei zwei Änderungen des Verteidigungsgesetzes 38 berücksichtigt worden, das in seinen Arbeitszeitregelungen gleichzeitig auch die Vorgaben des slowenischen „Employment Relationships Act“ 39 einbezieht . Unter Berufung auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/ EWG Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen. 37 Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit. Amtsblatt Nr. L 183 vom 29/06/1989, S. 0001–0008. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A31989L0391 (letzter Zugriff: 12. Juli 2016). 38 Amtsblatt der Republik Slowenien Nr. 47/2002 und 40/2004. 39 Employment Relationships Act (ZDR 1) vom 24. April 2002. Ur. l. RS, No. 42/2002, Ur. l. RS, No. 103/2007 Abrufbar unter: http://www.mddsz.gov.si/en/legislation/veljavni_predpisi/zdr_1/ (letzter Zugriff: 12. Juli 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 17 in Verbindung mit Abs. 3 der Präambel der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG Die Bestimmungen der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit(4) bleiben auf die durch die vorliegende Richtlinie geregelte Materie – unbeschadet der darin enthaltenen strengeren und/oder spezifischen Vorschriften – in vollem Umfang anwendbar. lässt das slowenische Verteidigungsgesetz jedoch aufgrund der Besonderheiten des Militärdienstes Ausnahmen zu. Diese Ausnahmen und besondere Arbeitszeitregelungen sind auch im „Gesetz über den Dienst in den Slowenischen Streitkräfte“ 40 enthalten. Grundsätzlich darf in Slowenien die reguläre „volle“ Wochenarbeitszeit nicht länger als 40 Stunden und nicht kürzer als 36 Stunden sein, wobei die tägliche Arbeitszeit nicht weniger als vier Stunden und nicht mehr als zwölf Stunden betragen darf. In der Regel beträgt die tägliche Arbeitszeit acht Stunden mit 30 Minuten Mittagspause. Die Wochenarbeitszeit darf nicht auf weniger als vier Tage verteilt sein. Die über die „volle“ Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit darf wöchentlich 20 bzw. monatlich 80 Überstunden nicht überschreiten. Sie darf nur in Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen angewiesen werden, bspw. um großen materiellen Schaden zu verhindern oder eine Gefährdung für Leben und Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abzuwenden. Die Anordnung von Überstunden, für die 130 Prozent des normalen Stundensatzes gezahlt werden, hat schriftlich vor Aufnahme der Mehrarbeit zu erfolgen Vor dem Hintergrund, dass es im militärischen Dienst Phasen höherer und geringerer Arbeitsbelastung gibt, können in den slowenischen Streitkräften auf Grundlage der Artikel 97a. und 97b. des slowenischen Verteidigungsgesetzes Arbeitsstunden ungleichmäßig auf die Arbeitswochen verteilt werden. Dabei darf jedoch die Wochenarbeitszeit 56 Stunden nicht über- und vier Stunden nicht unterschreiten. Die zu erbringende „volle“ Wochenarbeitszeit stellt in diesem Zusammenhang einen Durchschnittswert dar, der über einen Zeitraum, der nicht länger als sechs Monate sein darf, zu erfüllen ist. Überstunden sollen grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten zeitlich kompensiert werden. Hinsichtlich des Ausgleichs von Überstunden gibt es verschiedene offene Streitfälle vor Gericht. Der Standpunkt des slowenischen Höheren Arbeits- und Sozialgerichts ist, dass Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch auf finanzielle Vergütung geleisteter Überstunden haben. Sollten sie sich allerdings für einen Freizeitausgleich entscheiden, entfällt nach Auffassung des Höheren Arbeits- und Sozialgerichts der Anspruch auf finanzielle Vergütung. In Slowenien wird die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten automatisch durch ein Computersystem aufgezeichnet. Jede Organisationseinheit hat einen Arbeitszeitkoordinator benannt, der für die Dateneinträge verantwortlich ist. 40 Amtsblatt der Republik Slowenien Nr. 68/2007. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 18 In folgenden Bereichen können die slowenischen Streitkräfte laut der Arbeitszeitregelungen des Verteidigungsgesetzes von den Vorgaben der EAZR 2003/88/EG abweichen: bei Bereitschaftsdiensten, Übungs- und Ausbildungsvorhaben, Wachdiensten, etc., bei der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden, bei der Durchschnittsdauer der Nachtarbeit, sowie bei den Bezugszeiträumen, die sich nicht an dem Kalender orientieren, sondern an dem Tag beginnen, an dem eine Arbeitsstunde geleistet wird. Darüber hinaus sieht Artikel 53 des Gesetzes über den Dienst in den Slowenischen Streitkräften bei der Regelung der wöchentlichen Ruhezeit für Auslandseinsätze eine Ausnahme vor. Da jedoch in diesem Gesetz eine konkrete Definition der wöchentlichen Ruhezeit unterblieb, entschied der Oberste Gerichtshof, dass Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch auf eine Entschädigung für den Entzug des Rechts auf die wöchentliche Ruhezeit genießen, solange ihnen keine wöchentliche Ruhepause gewährt wird. In einem neuen Gesetzesentwurf wurde dieser Mangel behoben. Gleichzeitig sollen die Ausnahmen auch in dem neu zu fassenden Verteidigungsgesetz deutlicher herausgehoben werden. Im Hinblick auf die Auswirkungen der Umsetzung der Bestimmungen der EAZR 2003/88/EG auf die Bereitschaft und die Unterstützung von Operationen der slowenischen Streitkräfte ist laut slowenischem Parlament festzustellen, dass einige Herausforderungen bei der Umsetzung bestimmter Maßnahmen bestehen, z.B. in Friedensoperationen und -missionen, Übungen und Ausbildungsvorhaben , da die Streitkräfte nicht in der Lage sind, den Soldatinnen und Soldaten bestimmten Rechte, wie wöchentliche oder tägliche Ruhezeiten, zu gewähren. Folglich haben einige Angehörige der slowenischen Streitkräfte im Vergleich zu anderen eine deutlich höhere Arbeitsbelastung , was bei diesen zu Unzufriedenheit führte und einige sogar veranlasste, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen. Bei der Umsetzung der Arbeitszeitregelungen liegen für die slowenischen Streitkräfte die Herausforderungen und Probleme insbesondere darin, eine faire und finanzierbare Ausgleichsregelung für Bereitschaftsdienste zu finden, Arbeitszeitanordnungen zu managen und zu kontrollieren, die durch die Arbeitszeitregelungen verursachten Kosten zu begrenzen, die Soldatinnen und Soldaten während der herabgesetzten Arbeitszeiten nicht zu überlasten, keine Unzufriedenheit bei den Soldatinnen und Soldaten durch (kurzfristig) angeordnete Überstunden zu erzeugen, wöchentliche und tägliche Ruhezeiten während spezifischer Aufgaben (Friedensoperationenund -missionen, Übungen, etc.) zu gewähren, dringende, unvermeidbare Aufgaben (.z.B. im Rettungsdienst, bei der Unterstützung anderer Ressorts bspw. bei Schutzaufgaben oder in der Flüchtlingskrise) trotz der wöchentlichen und monatlichen Arbeitszeitbegrenzungen auszuführen, sowie bei der Dienstplangestaltung den sechsmonatigen Bezugszeitraum zu berücksichtigen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 19 Diesen Herausforderungen und Problemen Rechnung zu tragen, wird laut Auskunft der slowenischen Nationalversammlung in den slowenischen Streitkräften in diesem Jahr mit hoher Priorität verfolgt und voraussichtlich zu weiteren rechtlichen Anpassungen führen. 41 2.10. Spanien In Spanien ist die Europäische Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG zunächst mit der Ministerialverordnung 121/2006 42 vom 4. Oktober 2006 umgesetzt worden. Der Anwendungsbereich der Verordnung bezieht sich ausnahmslos auf alle im Bereich des Verteidigungsministeriums tätigen spanischen Soldatinnen und Soldaten. Die Dauer der generellen Wochenarbeitszeit beträgt gemäß der Verordnung 37,5 Stunden und liegt damit deutlich unter den von der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie vorgegebenen 41 Stunden durchschnittlicher Wochenarbeitszeit. Mit der Verordnung 121/2006 sollten allerdings nicht nur die Vorgaben der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie umgesetzt werden. Vielmehr wollte das spanische Verteidigungsministerium mit ihr gleichzeitig die Attraktivität des Dienstes in den spanischen Streitkräften deutlich erhöhen . Hierzu wurden mit dieser Verordnung Soldatinnen und Soldaten nicht nur bei einer entsprechend reduzierten Besoldung die Möglichkeit der Teilzeitarbeit eingeräumt, sondern u.a. für verheiratete Soldatinnen und Soldaten mit Kindern, für Alleinerziehende sowie für Soldatinnen und Soldaten mit behinderten Familienangehörigen umfassende Sonderregelungen geschaffen. Diese sehen für die genannten Personengruppen eine Wochenarbeitszeit teilweise deutlich unterhalb der grundsätzlich vorgegebenen 37,5 Stunden vor. Darüber hinaus sind unter bestimmten Voraussetzungen Soldatinnen und Soldaten sogar gänzlich von Wach- und Sonderdiensten befreit , so zum Beispiel, wenn Kinder alleinerziehender Militärangehöriger noch nicht das zwölfte Lebensjahr vollendet haben. Die Ministerialverordnung 121/2006 gestattet es in besonderen Fällen, „temporär“ und bei Angabe von Gründen von den grundsätzlich vorgegebenen Arbeitszeitregelungen abzuweichen. So können beispielsweise im Grundbetrieb Einheitsführer über die Standardarbeitszeiten hinausgehende Überstunden anordnen, wenn dies dienstlich zwingend erforderlich ist. Darüber hinaus können spanische Soldatinnen und Soldaten aus Einheiten, Stäben und Organisationen, die zu Einsätzen entsandt werden, einsatzgleiche Verpflichtungen wahrnehmen oder an einsatzvorbereitender Ausbildung teilnehmen, mit Sonderdienstplänen von den grundsätzlich vorgegebenen Arbeitszeitregelungen ausgenommen werden. Ferner können laut dieser Verordnung der spanische Generalsstabschef oder die Chefs der Teilstreitkraftstäbe für Ausbildungseinrichtungen in ihren Zuständigkeitsbereichen Sonderregelungen treffen. Für militärisches Personal bei internationalen Organisationen und in militärischen Vertretungen gelten die Dienstzeiten und -pläne des Gastlandes, auch wenn diese von den grundsätzlich vorgegebenen Arbeitszeitregelungen abweichen . 41 Antwort der slowenischen Nationalversammlung vom 28. Juni 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. 42 Orden Ministerial 121/2006, de 4 de octubre, por la que se aprueban las normas sobre jornada y horario de trabajo, vacaciones, permisos y licencias de los Militares Profesionales de las Fuerzas Armadas. Abrufbar unter: http://www.defensa.gob.es/Galerias/ministerio/organigramadocs/omi/SBD-OM-121-04.10.2006.pdf (letzter Zugriff: 16. Juni 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 20 Eine Vergütung oder ein zeitlicher Ausgleich für die im Rahmen dieser Aktivitäten geleisteten Überstunden erfolgt aber bis heute trotz entsprechender Forderungen der Interessenverbände der Soldatinnen und Soldaten oder trotz der Petitionen betroffener Militärangehöriger nicht. 43 Am 9. Februar 2015 modifizierte das spanische Verteidigungsministerium mit der Verordnung 253/15 44 die Regelungen zur Elternzeit, zum Urlaub und Sonderurlaub, zur Dienstbefreiung sowie zu verkürzten Arbeitszeiten aus dem Jahre 2006. Hierzu trugen zum einen die Erfahrungen bei, die die spanischen Streitkräfte in dem zurückliegenden Jahrzehnt mit den Arbeitszeitregelungen der Ministerialverordnung 121/2006 gesammelt hatten. Zum anderen war das Verteidigungsministerium insbesondere durch das Gesetz 20/2012 vom 13. Juli 2012 über Maßnahmen zur Herstellung eines ausgeglichenen Staatshaushalts und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einem besonderen Handlungsdruck ausgesetzt. Dies Gesetz forderte mit Blick auf die Konjunktur und die Reduzierung des Haushaltsdefizits einen effizienteren Mitteleinsatz in den öffentlichen Verwaltungen. Die neue Ministerialverordnung schränkt zahlreiche 2006 erlassene Regelungen zur Arbeitszeit, zur Dienstbefreiung, zum Urlaub und zum Sonderurlaub sowie zu verkürzten Dienstzeiten deutlich ein. So haben beispielsweise jetzt nur noch Alleinerziehende einen Anspruch auf Wachdienstbefreiung , deren Kinder das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Mit der Beschneidung der bereits erzielten Rechte der Soldatinnen und Soldaten über die Arbeitszeitverkürzung wurde nach Auffassung des Berufsverbands „Asociación de Tropa y Marinería Espanola “ (ATME) die Kluft zwischen den Staatsdienern und öffentlich Beschäftigten auf der einen Seite und den Angehörigen der Streitkräfte auf der anderen Seite sichtbar vergrößert. Da sich diese Ministerialverordnung explizit auf das Gesetz 20/2012 über Maßnahmen zur Herstellung eines ausgeglichenen Haushalts und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bezieht, dürften primär wirtschaftliche Gründe zur Modifizierung der Arbeitszeitregelungen aus dem Jahr 2006 geführt haben, obwohl – im Gegensatz zu Deutschland – spanische Soldatinnen und Soldaten in keinem Fall einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung bei Mehrarbeit haben. Die mit der Ministerialverordnung 121/2006 verbundenen Zusatzkosten dürften insbesondere auf einen Mehrbedarf an Personal zurückzuführen sein, den die 2006 reduzierten Arbeitszeiten und die geringere Verfügbarkeit von Personal beispielsweise für den Wachdienst implizieren. Zu der Frage, in wieweit auch Erfahrungen mit der Einsatzbereitschaft der spanischen Streitkräfte zu der Anpassung der Arbeitszeitregelungen geführt haben, treffen die vorliegenden Quellen keine Aussage . 45 43 Vgl. bspw.: http://www.pedea.org/descargas/Sueldos/Horas%20Extaordinarias%20gratuitas%20en%20las%20 FAS.pdf (letzter Zugriff: 17. Juni 2016). 44 Orden DEF/253/2015, de 9 de febrero, por la que se regula el régimen de vacaciones, permisos, reducciones de jornada y licencias de los miembros de las Fuerzas Armadas. Abrufbar unter https://www.boe.es/boe/dias/2015/02/ 18/pdfs/BOE-A-2015-1620.pdf (letzter Zugriff: 17. Juni 2016). 45 Asociación de Tropa y Marinería Espanola (2015): Un duro golpe para los derechos de los miembros de la Escala de Tropa y Marinería. Abrufbar unter: https://www.atme.es/un-duro-golpe-para-los-derechos-de-los-miembros-de-laescala -de-tropa-y-marineria/ (letzter Zugriff: 17. Juni 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 21 2.11. Tschechische Republik Die EAZR 2003/88/EG wurde in Tschechien im Jahr 2014 durch das Gesetz Nr. 332/2014 Col. implementiert . Laut Art. 29 Abs. 1 dieses Gesetzes müssen tschechische Soldatinnen und Soldaten Dienst über die normale Arbeitszeit, die gemäß Art. 25 Abs. 1 dieses Gesetzes 40 Wochenstunden beträgt, hinaus leisten, wenn hierfür ein öffentliches Interesse besteht oder dies militärisch erforderlich ist. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich haben tschechische Soldatinnen und Soldaten gemäß Art. 29 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 332/2014 Col. nur dann, wenn ihre Arbeitszeit die auf das Kalenderjahr gerechnete reguläre Wochenarbeitszeit um mehr als 300 Stunden übersteigt bzw. wenn sie während ihres Urlaubs zu Dienstleistungen herangezogen werden. Eine finanzielle Entschädigung wird nach Art. 29 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 332/2014 Col. nur dann gezahlt, wenn Vorgesetzte aus zwingenden dienstlichen Gründen den Zeitraum, in dem die Soldatin oder der Soldat einen Freizeitausgleich geplant hat, ändern oder sie bzw. ihn aus einem Freizeitausgleich zurückbefehlen, und ihr bzw. ihm hierdurch Kosten entstehen. Für den entgangenen Freizeitausgleich haben die Vorgesetzten zu einem anderen Zeitpunkt, der mit dem Militärangehörigen abgestimmt ist, Ausgleichsurlaub zu gewähren, Zu der Frage, ob sich die in den tschechischen Streitkräften bestehenden Arbeitszeitregelungen bisher negativ auf deren Einsatzbereitschaft ausgewirkt haben bzw. ob die tschechischen Streitkräfte hinsichtlich der Umsetzung der EAZR 2003/88/EG mit anderen Herausforderungen und Problemen konfrontiert worden sind, lagen dem tschechischen Parlament keine Informationen vor. 46 2.12. Ungarn Das 2012 durch das ungarische Parlament verabschiedete und am 1. Juli 2013 in Kraft getretene Gesetz Nr. CCV über den rechtlichen Status von Soldaten (Hjt.) 47 dient der Implementierung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG in den ungarischen Streitkräften. Das Gesetz regelt in seinen Artikeln 94 bis 121 verschiedene Aspekte der Dienst- und Arbeitszeiten von Soldatinnen und Soldaten, wie beispielsweise die Dienstzeitplanung für Einheiten im Grundbetrieb, im Bereitschaftszustand und im Einsatz, Teilzeitarbeit, Ruhezeiten und -tage, Überstunden, Wach- und Bereitschaftsdienst sowie Erholungs- und Sonderurlaub. Zu den wesentlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit der EAZR 2003/88/EG zählt die Regelung, dass im Normalfall die tägliche Arbeitszeit acht und die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt. Bei Bereitschaftsdiensten darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt 54 Stunden nicht überschreiten . Die tägliche Dienstzeit darf vier Stunden nicht unterschreiten und zwölf Stunden nicht überschreiten. Während der militärischen Grundausbildung darf die wöchentliche Dienstzeit nicht mehr als sechzig Stunden betragen. 46 Antwort des tschechischen Abgeordnetenhauses vom 12. Juli 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. 47 Gesetz Nr. CCV über den rechtlichen Status von Soldaten (Hjt.), 2012 verabschiedet durch das ungarische Parlament und am 1. Juli 2013 in Kraft getreten. Abrufbar in ungarischer Sprache unter: http://net.jogtar.hu/jr/gen/ hjegy_doc.cgi?docid=A1200205.TV (letzter Zugriff: 13. Juli 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 22 Im Grundbetrieb haben ungarische Soldatinnen und Soldaten zwischen dem Dienst an zwei aufeinander folgenden Tagen einen Anspruch auf elf Stunden Ruhezeit, im Bereitschaftsdienst auf mindestens acht Stunden. Wenn spezielle dienstliche Interessen oder außergewöhnliche, dringende Fälle oder Situationen es erfordern, dürfen zusätzliche Überstunden angeordnet werden, die aber im Jahr 300 Stunden nicht überschreiten dürfen. In den ungarischen Streitkräften wird gegenwärtig Mehrarbeit alternativ mit Freizeit oder durch eine finanzielle Entschädigung ausgeglichen. Die Möglichkeit einer finanziellen Vergütung von Überstunden, die eines besonderen Antrags bedarf, wird allerdings nur noch bis zum 31. Dezember 2018 bestehen. Danach werden die ungarischen Soldatinnen und Soldaten Mehrarbeit nur noch durch Freizeit ausgleichen können. Der Freizeitausgleich hat unmittelbar nach den geleisteten Überstunden, d.h. innerhalb der nächsten 30 Tage, zu erfolgen. Die Dauer des Freizeitausgleichs der ungarischen Soldatinnen und Soldaten entspricht den an Werktagen bzw. dem Doppelten der an Wochenenden oder Feiertagen geleisteten Überstunden. Entsprechend werden Dienste an Wochenenden und Feiertagen mit dem Doppelten des an Werktagen gezahlten Satzes entschädigt. Hochrangige Offiziere, die Mehrarbeit durch Freizeit auszugleichen beabsichtigen, benötigen eine Genehmigung des ungarischen Verteidigungsministeriums. In Friedenszeiten halten sich die ungarischen Streitkräfte grundsätzlich strikt an die Vorgaben der EAZR 2003/88/EG. Um jedoch die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte aufrecht zu erhalten, sehen die nationalen Rechtsgrundlagen in besonderen Fällen, bspw. bei Auslandseinsätzen und im Bereich der Ausbildung, spezielle Regelungen für die Arbeitszeit und den Ausgleich von Mehrarbeit vor. Bei Auslandseinsätzen ist es laut dem ungarischen Gesetz Nr. CCV (Hjt.) zulässig, die persönliche Freiheit der Soldatinnen und Soldaten zu begrenzen und von den vorgegebenen wöchentlichen Höchstarbeitszeiten abzuweichen. Bei einsatzvorbereitender Ausbildung gilt die vorgegebene wöchentliche Höchstarbeitszeit ebenfalls nicht; hier darf sie jedoch 96 Stunden nicht überschreiten. Bei einem Ausbildungsabschnitt von 24 oder mehr Stunden sind die Ausbildungsteilnehmer in Intervallen von 24 Stunden durch den Sanitätsdienst medizinisch zu untersuchen. Dauert ein Ausbildungsabschnitt mehr als 48 Stunden, hat der Militärangehörige einen Anspruch auf täglich acht Stunden Erholung und zusätzlich einmalig auf eine zusammenhängende Ruhephase von acht Stunden. Das ungarische Verteidigungsministerium hat laut Auskunft der ungarischen Nationalversammlung 48 bis vor kurzem die nationale Umsetzung der EAZR 2003/88/EG nur zum Teil mitgetragen, da seiner Auffassung nach mit der Beschränkung der Ausnahmen auf Auslandseinsätze der Streitkräfte und die militärische Ausbildung die Spielräume, die die sich auf die EAZR 2003/88/ 48 Antwort der ungarischen Nationalversammlung vom 6. Juli 2016 auf die Umfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 7. Juni 2016 bei den Parlamentsverwaltungen von 15 EU-Mitgliedstaaten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 23 EG beziehende Richtlinie 89/391/EWG gibt, 49 zu eng ausgelegt worden seien. Nach Auffassung des Verteidigungsministeriums sollte zu den Aktivitäten, bei den denen die EAZR 2003/88/EG nicht anzuwenden ist, zusätzlich auch die Teilnahme der Streitkräfte an Maßnahmen des Katastrophenschutzes und an Aktivitäten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zählen. Nach der Anpassung des Gesetzes Nr. CCV (Hjt.) vom 1. Januar 2016 fallen nun auch diese beiden Aktivitäten in den Bereich, bei dem von den grundsätzlich gültigen Arbeitszeitregelungen abgewichen werden darf. 3. Zusammenfassung Von den 15 EU-Mitgliedstaaten, die laut BMVg 50 die Europäische Arbeitszeitrichtlinie EAZR 2003/88/EG in ihren Streitkräften – zumindest teilweise – implementiert haben, haben 11 Länder zu einer Parlamentsumfrage der Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages zur Umsetzung der EAZR 2003/88/EG Stellung genommen. Von diesen 11 EU-Mitgliedstaaten hat allerdings Lettland erklärt, dass es die EAZR 2003/88/EG – entgegen dem Kenntnisstand des BMVg – nicht in seinen Streitkräften implementiert habe. Darüber hinaus wurde auch Frankreich , das in der Umfrage nicht adressiert wurde, aber dennoch Stellung bezog, in diesen Sachstand aufgenommen, weil es, ohne bis dato Rechtgrundlagen zur Umsetzung der EAZR 2003/88/ EG geschaffen zu haben, sie nach eigener Darstellung dennoch zumindest im begrenzten Umfang in den Streitkräften anwendet. Während alle Staaten, die für ihre Streitkräfte auf europäischen Vorgaben beruhende Arbeitszeitregelungen erlassen haben, und auch Frankreich Standards für den militärischen Grundbetrieb gesetzt haben, die den Vorgaben der EAZR 2003/88/EG weitgehend entsprechen, behält sich die Mehrheit der Staaten – einige von ihnen unter Hinweis auf die Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/ 391/EWG – vor, insbesondere in Auslandseinsätzen, in der einsatzvorbereitenden Ausbildung der Streitkräfte und bei Übungsvorhaben von den Regeln der EAZR 2003/88/EG abzuweichen oder sie gar nicht anzuwenden. Länderabhängig bestehen in den jeweiligen Armeen weitere Abweichungen oder Ausnahmen von den Vorgaben der EAZR 2003/88/EG. Alle im Rahmen dieses Sachstands untersuchten Streitkräfte unternehmen große Anstrengungen, die zu erfüllenden Aufgaben innerhalb einer auf einen Referenzzeitraum bezogenen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit zu erledigen, wobei diese Wochenarbeitszeit den Durchschnittswert in einzelnen Wochen übersteigen darf. Dabei variieren Bezugszeitraum, durchschnittliche Wochen- und wöchentliche Höchstarbeitszeit teilweise zwischen den Ländern und stimmen nicht immer (siehe bspw. Dänemark, Slowenien) exakt mit den Vorgaben der EAZR 2003/88/EG überein. 49 Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen. Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989, a.a.O. 50 BMVg / FüSK III 1 vom 23. März 2016, Anlage 1, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 082/16 Seite 24 Können in den jeweiligen Streitkräften aufgrund besonderer Umstände Aufgaben (z.B. bei Ausbildungs - und Übungsvorhaben, etc.) im Referenzzeitraum nicht innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewältigt werden und muss daher Mehrarbeit angeordnet werden, haben die Soldatinnen und Soldaten in allen Staaten – in der Tschechischen Republik allerdings erst ab 300 Überstunden – einen Ausgleichsanspruch. Bei der Gewährung dieses Ausgleichs steht bei allen Staaten das Bemühen im Vordergrund, Mehrarbeit durch Freizeit zu kompensieren. Da dies aufgrund der Aufgabenfülle jedoch nicht immer realisierbar ist, ist in den meisten Staaten auch eine finanzielle Vergütung von Mehrarbeit möglich. Dieses Instrument hat allerdings in einigen Staaten zu einer derartigen Belastung des Verteidigungshaushalts geführt, dass es nunmehr entweder nur noch in äußersten Ausnahmesituationen angewendet werden darf oder – wie in Ungarn ab 1. Januar 2019 – wieder ganz abgeschafft wird. In Spanien, wo Mehrarbeit trotz entsprechender Forderungen der Interessenvertretung der Soldatinnen und Soldaten bisher finanziell gar nicht entschädigt wurde, wurden Maßnahmen , die zur Steigerung der Attraktivität des Militärdienstes und in Umsetzung der EAZR 2003/88/EG getroffen worden waren, sogar teilweise wieder zurückgenommen. Dieser Schritt sollte zur Konsolidierung des spanischen Staatshaushalts beitragen; er wurde nicht mit einer möglichen Gefährdung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte durch die bis dahin geltenden Arbeitszeitregelungen begründet. Auch in allen anderen Ländern wird, soweit Stellungnahmen zu dieser Frage abgegeben wurden, bisher kein Zusammenhang zwischen den jeweiligen Arbeitszeitregelungen und einer möglicherweise eingeschränkten Einsatzbereitschaft der eigenen Truppe gesehen. Um die Einsatzbereitschaft erst gar nicht zu gefährden, wurden eben in den meisten Staaten Ausnahmen und Abweichungen von der EAZR 2003/88/EG zugelassen. Während mit diesen Ausnahmen und Abweichungen die operative Einsatzbereitschaft sichergestellt wird, haben die auf Basis der EAZR 2003/88/EG eingeführten Arbeitszeitregelungen jedoch zu einer vergleichsweise hohen Arbeitsbelastung der Militärangehörigen in der jetzt nur noch begrenzt zur Verfügung stehenden Dienstzeit geführt – mit den entsprechend negativen Folgen für die Attraktivität des militärischen Dienstes. Um einer solchen Entwicklung entgegen zu wirken, bedarf es – wie in Dänemark – bspw. einer Aufgabenpriorisierung und Entbindung der Soldatinnen und Soldaten von solchen Aktivitäten, die nicht zu den militärischen Kernaufgaben zählen, und ggf. sogar eines größeren Personalumfangs der Streitkräfte. Ende der Bearbeitung