WD 2 - 3000 - 079/16 (25. Mai 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Ein Einsatz der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF, ein noch im Aufbau befindlicher NATO-Eingreifverband im Rahmen der NATO Response Force mit sehr hoher Einsatzbereitschaft ) zur Abwehr hybrider Bedrohungen an der NATO-Ostgrenze (insb. im Baltikum) erfordert eine rasche Verlegung von Truppenteilen und schwerem Gerät sowohl der Bundeswehr als auch von befreundeten NATO-Streitkräften über das Territorium der Bundesrepublik Deutschland hinweg. Deutschland steht dabei als wichtiges Transitland im Fokus der NATO. Die Verlegung von militärischem Gerät (Großraum- und Schwertransporte, ggf. Gefahrguttransporte ) bedarf in Deutschland einer straßenrechtlichen Genehmigung (§ 29 StVO). Im Frieden dauert das Genehmigungsverfahren durch die Straßenverkehrsbehörden der Bundesländer (§ 46 StVO) für einen solchen Transit regelmäßig bis zu zehn Arbeitstage. Dieser Zeitraum steht der verzugslosen Verlegung der VJTF innerhalb von zwei bis fünf Tagen entgegen. Schwierigkeiten bestünden überdies infolge einer geringen Personaldecke bei den Genehmigungsbehörden und mit Blick auf die (gesetzlich) erforderliche Einzelfallbetrachtung aufgrund des Straßenzustandes . Die Verlegefähigkeit der Bundeswehr auf Straße und Schiene über deutsches Territorium wird nach telefonischer Auskunft des BMVg (Telefonat vom 20. Mai 2016) in „Friedenszeiten“ entlang der geltenden straßen- und verkehrsrechtlichen Gesetzeslage und der gängigen Verfahren (z.B. das Verfahrensmanagement für Großraum- und Schwertransporte, sog. „VEMAGS“-Verfahren in den einzelnen Bundesländern) gewährleistet.1 Um Verfahren für den Einsatzfall zu beschleunigen und zu optimieren, seien zwischen dem Logistikzentrum der Bundeswehr und den Landkreisen, welche für die Landtransporte der Bundeswehr „zuständig“ sind, spezielle Absprachen getroffen worden. Insbesondere wurde sichergestellt , dass die Landkreisämter vorab über Streckenführungen (insb.: Probleme mit Baustellen etc.) und Transportkapazitäten informiert werden, so dass im Einsatzfall die erforderlichen 1 Vgl. etwa zum VEMAGS-Verfahren im Bundesland Sachsen z.B. http://www.list.smwa.sachsen.de/231.htm. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Verlegefähigkeit von NATO-Streitkräften über deutsches Territorium Kurzinformation Verlegefähigkeit von NATO-Streitkräften über deutsches Territorium Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 straßenrechtlichen Genehmigungen (für Schwerlast-, Gefahrguttransporte) durch die zuständigen Behörden bevorzugt und beschleunigt erteilt werden können. Angepeilt werde eine Genehmigungsdauer , die bei deutlich weniger als fünf Tagen liegt. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO hat im Dezember 2015 den Internationalen Militärstab der NATO in einem Notifizierungsschreiben über jene Maßnahmen in Kenntnis gesetzt, die getroffen wurden, um die innerstaatlichen Genehmigungsverfahren für den grenzüberschreitenden Transit alliierter Streitkräfte (NATO Response Force und insbesondere die VJTF) zu beschleunigen. Derzeit könnten jedoch noch keine verbindlichen Zusagen zur voraussichtlichen „Transitdauer“ durch Deutschland gemacht werden. Gemeinsam mit den Bundesländern, die sich vor allem im Hinblick auf die landesgrenzüberschreitenden Landstraßen / Infrastruktur abstimmen müssen, werde aber weiterhin an mittel- und langfristigen Lösungen (Ausweisung von Transit- Korridoren, Ertüchtigung des Straßennetzes und der Brücken) gearbeitet. Überdies sei eine Angleichung der Bundeswehr-Software mit der Software der Landkreise der Bundesländer sichergestellt. Ein Rückgriff auf sog. „Schubladengesetze“, die zur Herstellung einer erhöhten Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland erlassen worden sind (z.B. das Bundesleistungsgesetz von 1956) und die verfassungsrechtlich regelmäßig erst durch Feststellung des sog. „Spannungsfalls “ (Art. 80a GG) durch den Bundestag „entsperrt“ werden müssten2, sei nicht erforderlich und sei im Rahmen der logistischen Planung des BMVg zur Verlegefähigkeit derzeit auch nicht angedacht. Grund dafür ist, dass es beim Einsatz der NATO-VJTF perspektivisch u.a. um die Abwehr asymmetrischer Bedrohungen (sog. „hybride Kriegführung“) an der NATO-Ostgrenze geht, während der für das Szenario des Kalten Krieges geschaffene „Spannungsfall“ und die entsprechenden Verteidigungsgesetze auf eine Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland abzielen. Ende der Bearbeitung Als Anlage (PdF) beigefügt: Schreiben des BMVg vom 25. Mai 2016 2 Solche „Verteidigungsgesetze“ (z.B. § 2 VerkehrsG, § 2 WirtschaftsG, § 3 Post- und Telekommunikationssicherstellungs G, § 10 ZivilschutzG) sind mit einem Anwendbarkeits-Junktim nach Art. 80a GG versehen und werden daher erst mit Feststellung des Spannungsfalles angewendet. Kurzinformation Verlegefähigkeit von NATO-Streitkräften über deutsches Territorium Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 3