Zur Haltung Europas, der USA und Russlands gegenüber der innenpolitischen Krise im Iran - Sachstand - © 2009 Deutscher Bundestag WD 2 - 3010 – 074/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Zur Haltung Europas, der USA und Russlands gegenüber der innenpolitischen Krise im Iran Ausarbeitung WD 2 - 3010 – 074/09 Abschluss der Arbeit: 29. Juni 2009 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - Zur Haltung Europas, der USA und Russlands gegenüber der innenpolitischen Krise im Iran Die von offizieller Seite verkündete Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad sowie die von Sicherheitskräften des Regimes gewaltsam aufgelösten Massenproteste einer sich getäuscht fühlenden Opposition haben in Europa und den USA deutliche Kritik hervorgerufen. Insbesondere die Behinderung ausländischer Berichterstattung über das von verschiedenen iranischen Oppositionskandidaten angefochtene Wahlergebnis, aber auch die massive Einschränkung von Kommunikationstechnologien wie Satellitenverbindungen, Internetforen und Telefon wurden verurteilt. Darüber hinaus riefen Europa und die USA dazu auf, die Stimmen der Präsidentschaftswahl neu auszuzählen, eine freie Berichterstattung und friedliche Protestkundgebungen zuzulassen sowie verhaftete Oppositionelle und Journalisten freizulassen (SZ vom 23. Juni 2009). Die iranische Führung hat die Forderungen des Auslands zurückgewiesen und warf den westlichen Staaten vor, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen und die gewaltsamen Auseinandersetzungen und Straßenproteste gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad anzuheizen. Insbesondere die Verhaftung von acht iranischen Mitarbeitern der britischen Botschaft in Teheran am 27. Juli stellt einen Tiefpunkt in den Beziehungen Irans zu Europa dar. Dabei haben sich die Spannungen zwischen der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien und dem Iran infolge des deutlichen Insistierens auf Menschenrechten und demokratischen Bürgerrechten seitens der britischen Regierung sowie der Berichterstattung der BBC über Unregelmäßigkeiten bei der Wahl vom 12. Juni 2009 langsam aufgebaut. Als der religiöse Führer Ayatollah Ali Chamenei in seinem Freitagsgebet am 19. Juni 2009 einen Zusammenhang zwischen der kritischen Berichterstattung des persischen Dienstes der BBC, der besonders von der großstädtischen Bevölkerung Teherans, Isfahans und Schiras’ verfolgt wird, und Protesten gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad herstellte, begann sich der Konflikt zwischen Großbritannien und dem Iran zuzuspitzen. Am 21. Juni wurde der Büroleiter der BBC in Teheran, John Leyne, unter dem Vorwurf der Verbreitung „fabrizierter“ Nachrichten (FAZ vom 22. Juni 2009), der Unterstützung von Demonstranten und Verletzung des Neutralitätsgebots aus dem Iran ausgewiesen. Zudem wurden die Medien BBC und Voice of America elektronisch gestört. Als die iranische Führung am 23. Juni 2009 zwei britische Diplomaten unter dem Vorwurf der Spionage des Landes verwies, wurde dies auf britischer Seite mit der Ausweisung zweier iranischer Diplomaten beantwortet. Trotz des offiziellen Versammlungs- - 4 - verbots fand am selben Tag eine Demonstration mehrerer Hundert Anhänger von Präsident Ahmadinedschad statt, die von Sicherheitskräften ungehindert vor der britischen Botschaft in Teheran gegen die vermeintlich feindliche Politik des Westens protestierten . Bereits am 22. Juni 2009 hatte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Hassan Ghaschgawi, deutlich gemacht, dass „die Unterstützung von Anarchie und Vandalismus durch westliche Mächte und Medien“ (SZ vom 23. Juni 2009) für die iranische Regierung in keiner Weise hinnehmbar sei und eine Ausweisung von Diplomaten aus Frankreich , Deutschland und Großbritannien angedeutet. Darüber hinaus hatte auch Parlamentspräsident Ali Laridschani am 21. Juni 2009 eine Überprüfung der Beziehungen zu den drei europäischen Staaten gefordert, die stellvertretend für die Europäische Union die Verhandlungen zu Irans umstrittenem Atomprogramm führen. Außenminister David Miliband forderte am 27. Juni 2009 die umgehende Freilassung der Mitarbeiter der britischen Botschaft in Teheran und verurteilte in scharfen Worten die „Drangsalierung und Einschüchterung“ als nicht hinnehmbar. Miliband trat Vorwürfen entgegen, die britische Botschaft sei in die Proteste gegen den Wahlausgang verwickelt . In seinen Appellen zur Achtung der Menschenrechte in Iran berief er sich auf einen europaweiten Konsens, wonach „alle demokratischen Länder gemeinsam für die Aufrechterhaltung demokratischer Prinzipien überall auf der Welt eintreten“ (BBC vom 28. Juni 2009). Aus Sicht des Außenministeriums besteht ein Zusammenhang zwischen den Verhaftungen von Botschaftsmitarbeitern und der vom Wächterrat nach einer Neuauszählung von 10 Prozent der Stimmen am 29. Juni 2009 bestätigten Gültigkeit der Wahl. Den Verhaftungen war ein Aufruf der geistlichen Führung Irans vorausgegangen, der in seinem Freitagsgebet vom 27. Juni 2009 das Verhalten Großbritanniens in Zusammenhang mit den Protesten als „ausgesprochen bösartig“ bezeichnet hatte und die Justiz zu einer deutlichen Konfrontation mit den Anführern der „illegalen Demonstrationen“ aufrief (BBC vom 28. Juni 2009). Die Verhaftungen wurden von den EU-Außenministern bei dem G-8-Treffen in Triest einhellig verurteilt. In ihrer Abschlusserklärung bekundeten sie ihre Solidarität mit all jenen, die „unter der Unterdrückung zu leiden haben, während sie friedlich demonstrieren“. Auf ausdrücklichen Wunsch Russlands wurde in dem Statement die „volle Achtung der iranischen Souveränität“ unterstrichen (FAZ vom 27. Juni 2009). Russlands Iran-Politik ist davon geprägt, dass Teheran einerseits als strategischer Partner gilt, andererseits zwischen beiden Ländern wirtschaftliche Interessenkonflikte bestehen (FAZ vom 17. Juni 2009). Obwohl Russland seine Anerkennung des umstrittenen Wahlsieges Ahmadinedschads auf einem Gipfeltreffen der Schanghai-Organisation - 5 - für Zusammenarbeit am 16. Juni signalisierte, unterstützte es die spätere Erklärung der G-8-Staaten, die eine gewaltsame Unterdrückung der Proteste verurteilte. Die FAZ sieht in dem gemeinsamen Aufruf der G-8-Staaten zum Gewaltverzicht und zur Achtung der Menschenrechte an das Regime in Teheran ein Signal, dass die iranische Regierung international geschwächt sei (FAZ vom 27. Juni 2009). Auch Außenminister Steinmeier wertete Russlands Positionierung als ein Zeichen dafür, dass sich die internationale Gemeinschaft hinter diejenigen stelle, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machten. Diese Haltung vertrat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie am 21. Juni 2009 erklärte: „Deutschland steht auf Seiten der Menschen im Iran, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausüben wollen.“ Die Bundeskanzlerin hatte zudem eine Neuauszählung des Wahlergebnisses gefordert. Die Forderung kam zu einem Zeitpunkt, als Irans staatliche Medien meldeten, dass es bei der Präsidentschaftswahl am 12. Juni 2009 in 50 Wahlbezirken zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei - eine Meldung, die am 24. Juni 2009 vom Wächterrat dementiert wurde, der darüber hinaus eine von der Opposition geforderte Annullierung der Wahl ausschloss . US-Präsident Barack Obama hatte zunächst eher zurückhaltend auf die innenpolitische Krise im Iran reagierte und sich „tief besorgt angesichts der Gewalt im Fernsehen“ (FAZ vom 17. Juni 2006) geäußert sowie die universale Gültigkeit des Rechts auf Versammlungs - und Redefreiheit hervorgehoben (SZ vom 17. Juni 2009). Ein US- Regierungssprecher vertrat am 23. Juni 2009 die Auffassung, im Iran zeigten sich die Anfänge eines Wandels, ohne diesen allerdings näher bewerten zu wollen. Er forderte die iranische Führung dazu auf, sich einem Dialog mit der Opposition zu öffnen und durch „Konsens, nicht durch Zwang“ zu regieren (SZ vom 24. Juni 2009). Am 24. Juni 2009 trat der Präsident Einlassungen entgegen, das Ausland heize Protestaktionen an und sei deshalb für Ausschreitungen im Iran verantwortlich. Obama signalisierte Unterstützung für den „Willen des Volkes“ und zeigte sich empört über „Drohungen, Misshandlungen und Gefangennahmen“, zu denen es im Anschluss an die Bekanntgabe des Wahlergebnisses gekommen war (FAZ vom 24. Juni 2009). Er bekräftigte überdies das Recht der internationalen Gemeinschaft, die Ereignisse im Iran wachsam zu verfolgen, woran sie sich auch durch die Ausweisung und Zensur von Journalisten nicht hindern lassen wolle. Präsident Obama vermied es, einem der vier zur Wahl angetretenen Kandidaten seine Unterstützung zu geben und unterstrich wiederholt, Washington wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten Irans einmischen. Gleichzeitig wies er Kritik zurück, seine Äußerungen im Gefolge des gewaltsamen Vorgehens von Sicherheitskräften und der Unterdrückung der Protestbewegung seien zu spät gekommen. In den amerikanischen Medien wurde sein Verhalten als „taktisches Schweigen“ (SZ vom 18. Juni 2009) be- - 6 - wertet, das den von Obama auch weiterhin angestrebten Dialog „ohne Vorbedingungen“ (FAZ vom 18. Juni 2009) mit dem Iran nicht durch einseitige Parteinahme belasten wolle . Nach Auffassung der New York Times (vom 23. Juni 2009) befürchtete das Weiße Haus zunächst, Präsident Ahmadinedschad einen Vorwand dafür zu liefern, die verärgerten Massen in den Straßen als Handlanger der USA darzustellen.