Informationspflichten nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 2 - 069/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Informationspflichten nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz Ausarbeitung WD 2 - 069/07 Abschluss der Arbeit: 12.06.2007 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Einleitung Deutschland hat sich zu einem sicherheitspolitisch global agierenden Akteur gewandelt und setzt dazu auch Streitkräfte der Bundeswehr ein. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 12. Juli 1994 festgestellt, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr unter einem so genannten Parlamentsvorbehalt stehen. Herkömmlich heißt ‚Parlamentsvorbehalt ’, dass in Belangen von substanziellem Gewicht für das Gemeinwesen das Parlament unmittelbar selbst die erforderlichen Regelungen treffen muss, und sie nicht der Entscheidungsmacht anderer Organe der Staatsgewalt anvertrauen darf. Für den Fall des Auslandseinsatzes der Bundeswehr bedeutet dies, dass der Bundestag einem solchen Einsatz ausdrücklich zustimmen muss. Somit wird dem Parlament ein erheblicher Einfluss auf die Verwendung der Streitkräfte gesichert. Die Verantwortung für die operativen Einzelheiten einer militärischen Unternehmung liegt jedoch ausschließlich bei der Bundesregierung. Zudem kann sie auch einen vom Parlament genehmigten Einsatz jederzeit beenden und die Streitkräfte zurückbeordern. Obwohl der Bundestag die Bundesregierung nicht zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte verpflichten kann, gilt gemeinhin die Bundeswehr dennoch als eine Parlamentsarmee. Über einen Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland entscheidet der Bundestag mit einem rechtlich unmittelbar bindenden konstitutiven Parlamentsbeschluss. Diese Entscheidung ist also für alle Beteiligten von besonderer Tragweite. Damit sie sachgerecht getroffen werden kann, muss das Parlament seitens der Regierung angemessen informiert werden. Mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBetG) vom 18. März 2005 wurden die Reichweite des Parlamentsvorbehalts gesetzlich ausgestaltet und nähere Einzelheiten des Zustimmungs- und Unterrichtungsverfahrens geregelt. 2. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz Das Bundesverfassungsgericht begründete seinerzeit den Parlamentsvorbehalt damit, dass alle auf die Streitkräfte bezogenen Regelungen des Grundgesetzes stets darauf angelegt seien, die Bundeswehr als Machtpotenzial nicht allein der Exekutive zu überlassen , sondern in die demokratisch rechtsstaatliche Verfassungsordnung einzufügen.1 Das Parlamentsbeteiligungsgesetz ist in diesem Zusammenhang weitgehend ein Verfahrensgesetz . So stellt es gleich in §1 Abs. 1 Satz 1 klar, dass es lediglich „Form und Ausmaß“ der parlamentarischen Mitwirkung regelt. Und indem es vom „Einsatz … im Ausland“ spricht, wird der Verteidigungsfall vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenom- 1 Vgl: http://www.polixea-portal.de/index.php/Lexikon/Detail/id/72931/name/Parlamentsvorbehalt - 4 - men.2 Mit einer Legaldefinition in § 2 Abs. 1 klärt das Gesetz den Begriff des „bewaffneten “ Einsatzes und legt in § 2 Abs. 2 fest, dass „vorbereitende Maßnahmen und Planungen “ sowie „humanitäre Hilfsdienste und Hilfsleistungen der Streitkräfte“ nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.3 Hinsichtlich der Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Parlament ist zu unterscheiden, ob es sich um Unterrichtung über einen neuen Streitkräfteeinsatz handelt oder um die Berichterstattung über einen bereits laufenden Auslandseinsatz. 2.1. Antrag auf Zustimmung zum Einsatz Der Bundestag ist nur dann in der Lage, eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen , wenn er alle wesentlichen Elemente eines neuen Einsatzes überblicken kann. Der Antrag auf konstitutive Zustimmung des Parlaments muss deshalb den Gesamtcharakter sowie den Anlass und die Struktur des Einsatzes erkennen lassen. Nach § 3 Abs. 2 ParlBetG hat der Antrag der Bundesregierung 7 inhaltliche Regelvoraussetzungen zu erfüllen. Das Wort „insbesondere“ drückt dabei aus, dass es sich um eine Mindestanforderung handelt. Die Bundesregierung ist also frei, weitere Einzelheiten in ihrem Antrag aufzuführen. Die insgesamt aufgeführten Angaben sollen dann eine umfassende Informationsbasis für die parlamentarische Entscheidung sicherstellen. Diese Praxis ist sowohl als zu detailliert kritisiert worden, wie ihr auch vorgeworfen wurde, eine Tendenz zur Beschränkung auf lediglich Mindestangaben zu beinhalten.4 § 3 Abs. 1 verpflichtet die Bundesregierung dazu, den Antrag dem Bundestag „rechtzeitig vor Beginn des Einsatzes“ zu übersenden, damit dem Parlament ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um den Antrag angemessen zu beraten. Der Antrag wird als Bundestagsdrucksache an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages verteilt. Dies gilt auch für Anträge auf Einsätze von „geringer Intensität und Tragweite“, bei denen die Mitglieder des Deutschen Bundestages oder die Fraktionen nach den in § 4 Abs. 1 niedergelegten Regelungen bei Bedarf eine Befassung des Parlaments verlangen können. 2 Vgl.: Wiefelspütz, Dieter (2005). Das Parlamentsheer. Berlin, Berliner Wissenschaftsverlag, S. 407f. 3 Vgl.: BT-Drs. 15/4264 vom 24.11.2004, S. 4. (Beschluss und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung , Immunität und Geschäftsordnung zu den entsprechenden Gesetzentwürfen). 4 Vgl.: Wiefelspütz, S. 456f. - 5 - 2.2. Unterrichtung über laufende Einsätze Im Vorfeld der parlamentarischen Beschlussfassung zum Parlamentsbeteiligungsgesetz hatte am 17. Juni 2004 der federführende Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung eine öffentliche Expertenanhörung zu den beiden vorgelegten Gesetzentwürfen durchgeführt. Dabei widmete sich die Anhörung auch der Frage, in welcher Weise die Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung auch über laufende Einsätze auszugestalten ist. Ebenso wurde darüber gehört, ob es sinnvoll wäre, das innerparlamentarische Verfahren u. a. im Hinblick auf die Ausgestaltung der Unterrichtung zu spezifizieren.5 Im Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens enthält das ParlBetG in § 6 Abs. 1 lediglich eine allgemeine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament. Da die Bundesregierung in der Regel allein über Informationen über den Einsatz der Streitkräfte verfügt, wird diese Informationspflicht im allgemeinen als „Bringschuld“ der Regierung betrachtet – obwohl auch vertreten wird, dass das Parlament selbst alle zu Gebote stehenden Informationen heranziehen muss, um sich ein umfassendes Bild über den Einsatz machen zu können.6 Der Gesetzgeber selbst hat allerdings nicht konkretisiert, in welcher Form, in welchem Umfang und in welchen Abständen die Bundesregierung ihren Unterrichtungspflichten nachzukommen hat.7 Daher hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, regelmäßig das Parlament wöchentlich schriftlich über die Lage in den Einsatzgebieten der Bundeswehr zu unterrichten (sogenannte „Unterrichtung des Parlamentes“, nach Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt herausgegeben durch den Führungsstab der Streitkräfte des Bundesministeriums der Verteidigung). Diese Unterrichtung wird – nach mündlicher Auskunft seitens des BMVg – an den Auswärtigen Ausschuss, den Verteidigungsausschuss, den Haushaltsausschuss , den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sowie seit dem 1. Dezember 2005 auch an die Fraktionsführungen (Fraktionsvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer ) übersandt und steht an diesen Orten mindestens zur Einsichtnahme zur Verfügung. Zudem berichtet die Bundesregierung in nahezu jeder Sitzung des Verteidigungsausschusses , in Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses sowie in den im Rahmen der Auslandseinsätze ebenfalls mitberatenden Ausschüsse zu den einzelnen Einsätzen. Durch 5 BT-Drs. 15/4264 verweist bezüglich der Einzelheiten dazu auf das Stenografische Protokoll der 25. Sitzung des 1. Ausschusses sowie die Auswertung der öffentlichen Anhörung in der Ausschussdrucksache 15-G-37 vom 5. Juli 2004. 6 Vgl. dazu die Sammlung des Meinungsbildes in der relevanten Literatur bei Wiefelspütz, S. 476ff. 7 Vgl: BT-Drs. 16/3740, S. 2. (Verbindliche Unterrichtungspflichten im Rahmen der Operation Enduring Freedom und Evaluation und Kontrolle von Auslandseinsätzen). - 6 - sogenannte „Sofortunterrichtungen“ stellt das BMVg sicher, dass das Parlament unverzüglich über besondere Vorkommnisse wie den Tod von Soldaten, schwere Unglücksfälle oder Selbstverteidigungs- und Nothilfefälle von erheblichem Umfang unterrichtet wird. Zu einzelnen Bundestagsmandaten hat die Bundesregierung darüber hinaus spezifische Zusagen gemacht, zu bestimmten Sachverhalten gesondert zu berichten. So ist die Bundesregierung z.B. der Zusage, für die Operation Enduring Freedom „spätestens nach der Hälfte“ des Mandatszeitraums einen „bilanzierenden Gesamtbericht“ vorzulegen , seinerzeit am 8. Mai 2002 gefolgt und hat in der Folge bisher acht Fortsetzungen dieses Berichts angefertigt. Weiterhin dienen die Reisen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in die Einsatzländer der Information des parlamentarischen Bereichs , genauso wie die als Bundestagsdrucksachen an alle Mitglieder des Deutschen Bundestages verteilten Antworten der Bundesregierung auf kleine und große Anfragen zu den Einsätzen der Bundeswehr.8 2.3. Parlamentarische Kontrolle bei Einsätzen von Spezialkräften Schwieriger ist die parlamentarische Kontrolle bei Einsätzen von Spezialkräften der Bundeswehr. Ihre Einsätze unterliegen de facto nur einer schwächeren Informationspflicht seitens der Bundesregierung. Grundsätzlich stehen Ausnahmen von der Informationspflicht der Bundesregierung nicht in deren Ermessen, sondern bedürfen der verfassungsrechtlichen Begründung. So kann das Auskunftsrecht des Parlaments aus Geheimhaltungsgründen zum Schutz des Rechts auf Leib und Leben von Menschen und aus Gründen der Gewährleistung der äußeren Sicherheit eingeschränkt werden – allerdings nur dann, wenn es unabdingbar ist. Wiefelspütz findet in diesem Zusammenhang, dass den Mitgliedern des Bundestages dabei nicht unterstellt werden darf, dass sie hinsichtlich der Verschwiegenheit über die Einzelheiten von Auslandseinsätzen weniger vertrauenswürdig seien, als die mit dem Vorgang notwendigerweise befassten Soldaten. Auch kann das Auskunftsrecht des Parlaments nicht durch zwischen- oder überstaatliche Organisationen eingeschränkt werden . Sollte sich die Bundesregierung einem anderen Völkerrechtssubjekt gegenüber dementsprechend verpflichten, wäre dies verfassungswidrig.9 Im Nachgang zur öffentlichen Anhörung des 1. Ausschusses zum Parlamentsbeteiligungsgesetz wies die Fraktion der FDP darauf hin, dass „die öffentliche Anhörung gezeigt habe, dass nur durch Schaffung eines Ausschusses für besondere Auslandseinsätze 8 Vgl. dazu exemplarisch BT-Drs. 16/3272 vom 8. November 2006 (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke „Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Operation ENDURING FREEDOM“). 9 Vgl. dazu die Sammlung des Meinungsbildes in der relevanten Literatur bei Wiefelspütz, S. 479ff. - 7 - gewährleistet sein würde, geheimhaltungsbedürftige Einsätze in geeigneter Weise zu beraten.“ Dies „führe zu einer Stärkung des Parlamentsvorbehaltes, weil er eine formalisierte parlamentarische Beratung und Unterrichtung in Fällen ermögliche, in denen der Deutsche Bundestag bisher in informeller Weise beteiligt werde.“10 Der Gesetzgeber ist diesem Vorschlag seinerzeit nicht gefolgt. Daher informiert die Bundesregierung die Vorsitzenden, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses auf vertraulicher Basis vor der Entsendung von Spezialkräften und nach Abschluss von wichtigen Einzeloperationen während des Einsatzes, sobald und soweit dies ohne Gefährdung des Einsatzes, der Soldaten oder ihrer Angehörigen möglich ist. Die Obleute sind ermächtigt, diese Informationen vertraulich an die Fraktionsvorsitzenden weiterzugeben.11 10 BT-Drs. 15/4264, S. 7. 11 Vgl. BT-Drs. 16/5317, S. 57.