© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 066/20 Umsetzung der Espoo- und der Aarhus-Konvention in Deutschland und in der Schweiz Betreiber von Energieversorgungsunternehmen als auskunftspflichtige Behörden Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 2 Umsetzung der Espoo- und der Aarhus-Konvention in Deutschland und in der Schweiz Betreiber von Energieversorgungsunternehmen als auskunftspflichtige Behörden Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 066/20 Abschluss der Arbeit: 20. August 2020 (zugleich letzter Zugriff auf Internet-Quellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Behördenbegriff der Espoo-Konvention 4 2.1. Deutschland 4 2.2. Schweiz 5 3. Behördenbegriff der Aarhus-Konvention 7 3.1. Deutschland 7 3.2. Schweiz 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 4 1. Einführung Sowohl die Espoo-Konvention1 als auch die Aarhus-Konvention2 sehen Auskunftsansprüche der Öffentlichkeit gegen die in Umweltangelegenheiten zuständigen Behörden vor. Gegenstand dieser Untersuchung ist die Auslegung des Begriffes „zuständige Behörde“ nach den beiden genannten Konventionen in Deutschland und der Schweiz. Besondere Berücksichtigung findet gemäß dem erteilten Auftrag die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Betreiber von Energieversorgungsunternehmen (privat oder mehrheitlich öffentlich kontrolliert) als zuständige Behörden angesehen werden können. 2. Behördenbegriff der Espoo-Konvention 2.1. Deutschland3 Nach Art. 1 Ziff. ix bedeutet zuständige Behörde im Sinne der Espoo-Konvention die von einer Vertragspartei für die Wahrnehmung der von diesem Übereinkommen erfassten Aufgaben als zuständig bestimmte(n) nationale(n) Behörde(n) und/oder die von einer Vertragspartei mit Entscheidungsbefugnissen in Bezug auf eine geplante Tätigkeit ausgestattete(n) Behörde(n). Nach den Bestimmungen der Espoo-Konvention hat die „zuständige Behörde“ folgende Aufgaben: Nach Art. 1 Ziff. 5 bedeutet „geplante Tätigkeit“ jede Tätigkeit oder jede größere Änderung einer Tätigkeit, über die von einer zuständigen Behörde nach einem anwendbaren innerstaatlichen Verfahren entschieden werden muss; Nach Art. 3 Abs. 8 a.E. sorgen die beteiligten Vertragsparteien (Ursprungspartei und der/die betroffene(n) Partei(en)) für die Übermittlung von Stellungnahmen oder Widersprüchen entweder unmittelbar oder gegebenenfalls über die Ursprungspartei an die zuständige Behörde der Ursprungspartei; Nach Art. 4 Abs. 1 ist der zuständigen Behörde eine bestimmte Dokumentation vorzulegen . Nach Art. 4 Abs. 2 S. 2 veranlassen die beteiligten Vertragsparteien die Verteilung der Dokumentation an die Behörden und die Öffentlichkeit der betroffenen Vertragspartei in den voraussichtlich betroffenen Gebieten sowie die Übermittlung von Stellungnahmen entweder unmittelbar an die zuständige Behörde der Ursprungspartei oder gegebenenfalls über die Ursprungspartei innerhalb einer angemessenen Frist, bevor die endgültige Entscheidung über die geplante Tätigkeit getroffen wird. 1 Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen vom 25. Februar 1991, in Deutschland ratifiziert mit dem Espoo-Vertragsgesetz vom 7. Juni 2002, abrufbar unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl202s1406.pdf. 2 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998, ratifiziert mit dem Gesetz vom 9. Dezember 2006, abrufbar unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&jumpTo=bgbl206s1251.pdf. 3 Die nachfolgenden Ausführungen zu der Umsetzung der Espoo-Konvention in Deutschland basieren auf der Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vom 22. Juli 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 5 Bei der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist zu unterscheiden zwischen inländischen Vorhaben (§§ 54 bis 57 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung , weiter UVPG) und ausländischen Vorhaben (§§ 58, 59 UVPG). Für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei inländischen Vorhaben gilt: Die UVP ist unselbständiger Teil des Zulassungsverfahrens für ein UVP-pflichtiges Vorhaben, § 4 UVPG. Demnach ist die für die Zulassung zuständige Behörde grundsätzlich auch zuständig für die Durchführung der UVP. Die in Deutschland nach Bundesrecht UVP-pflichtigen Vorhaben ergeben sich aus den §§ 6 und 7 in Verbindung mit Anlage 1 UVPG. Das Zulassungsverfahren für derartige Vorhaben wird in Deutschland von einer Behörde im formellen Sinne durchgeführt und dementsprechend nicht von Energieversorgungsunternehmen oder anderen privaten Stellen. Die Mehrzahl der Zulassungsverfahren für die in Anlage 1 UVPG aufgeführten UVP-pflichtigen Projekte wird von Landesbehörden nach Landesrecht durchgeführt; die Länder bestimmen die hierfür zuständige Behörde. Dem für die Umweltverträglichkeitsprüfung zuständigen Referat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ist laut Auskunft kein Fall bekannt, in dem eine private Stelle etwa in der Form der Beleihung für die Durchführung eines Zulassungsverfahrens für ein UVP-pflichtiges Vorhaben zuständig gewesen wäre. Insbesondere ist kein Fall bekannt, in dem ein Energieversorgungsunternehmen mit solchen Aufgaben betraut worden wäre. Dementsprechend ist auch kein Fall bekannt, in dem ein Energieversorgungsunternehmen oder eine sonstige private Stelle Aufgaben als in Deutschland zuständige Behörde eine der Aufgaben nach der Espoo-Konvention wahrgenommen hätte. Für die Aufgaben der zuständigen Behörde bei ausländischen Vorhaben ist in Deutschland gemäß § 58 Abs. 5 UVPG die Behörde zuständig, die für ein gleichartiges Vorhaben in Deutschland zuständig wäre. Daher gelten die Ausführungen oben für ausländische Vorhaben entsprechend. Zusammenfassend ist festzustellen, dass dem für die UVP zuständigen Referat des BMU aus langjähriger Erfahrung kein Fall bekannt ist, in dem ein Energieversorgungsunternehmen als zuständige Behörde im Sinne der Espoo-Konvention tätig gewesen ist. 2.2. Schweiz4 Was die praktische Umsetzung in der Schweiz anbelangt, so fallen grundsätzlich alle Vorhaben, die gemäß dem Anhang der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV)5 der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterstellt sind und die voraussichtlich erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Umweltauswirkungen zur Folge haben, in den Anwendungsbereich der Espoo-Konvention. Für die Umsetzung der Espoo-Konvention ist entweder eine Bundesbehörde (wenn das Projekt einem Bundesverfahren unterliegt) oder eine vom Kanton bezeichnete Behörde (wenn das Projekt 4 Die nachfolgenden Ausführungen zu der Umsetzung der Espoo-Konvention in der Schweiz basieren auf den Angaben der Parlamentsdienste der Schweiz vom 14. August 2020. 5 Verordnung SR 814.011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 (Stand: 1. Oktober 2016), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19880226/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 6 einem kantonalen Verfahren unterliegt) zuständig. In Art. 6a Abs. 2 UVPV wird die Rolle der Bundesbehörden und kantonalen Behörden bei der Umsetzung der Espoo-Konvention definiert:6 „Entscheidet die Behörde nach Artikel 5 Absatz 1 über ein Projekt, bei dem feststeht oder zu erwarten ist, dass es erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen hat, so nimmt sie auch die Rechte und Pflichten der Schweiz als Ursprungspartei nach der Espoo-Konvention wahr; bei kantonalen Vorhaben können die Kantone eine andere Zuständigkeit festlegen. Die Behörde informiert das Bundesamt für Umwelt BAFU über die Benachrichtigung der betroffenen Partei.“ Anhang 21 der UVPV7 Erzeugung von Energie vermittelt eine Übersicht über die maßgeblichen Verfahren pro Anlagetyp. Die Anlagetypen, welche der UVP unterstehen, wurden vom Bundesrat im Anhang UVPV abschließend aufgelistet. Weder auf dem Weg der Rechtsprechung noch durch kantonales Recht darf der Anwendungsbereich der UVPV ausgedehnt werden. Die Kantone können aber für die Prüfung der Vereinbarkeit eines Projekts mit den selbständigen Vorschriften des kantonalen Rechts eigene Verträglichkeitsprüfungen vorsehen.8 Mit der Umweltverträglichkeitsprüfung wird geprüft, ob ein Bauvorhaben den Umweltschutzvorschriften entspricht. Die UVP ist eine Teilprüfung des Vorhabens aus der Sicht des Umweltrechts im Rahmen des Entscheidverfahrens. Ihr Ergebnis ist eine der Grundlagen für den Entscheid über ein Vorhaben. Sie bildet deshalb kein eigenes Verfahren, sondern gliedert sich stets in das so genannte maßgebliche Verfahren (Entscheidverfahren) ein. Die UVP erfolgt je nach Anlagetyp in einem Verfahren vor Bundesbehörden (Bundesverfahren) oder vor kantonalen oder kommunalen Behörden (kantonale Verfahren). Der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterstehen Anlagen, welche Umweltbereiche erheblich belasten können, so dass die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz der Umwelt voraussichtlich nur mit projekt - oder standortspezifischen Maßnahmen sichergestellt werden kann (Art. 10a Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz, USG)9. Am UVP-Ablauf sind im Wesentlichen zwei Behörden beteiligt, nämlich: die zuständige Behörde, die über das UVP-pflichtige Vorhaben entscheidet (durch Erteilen einer Bewilligung, Genehmigung oder Konzession) und dabei die UVP durchführt. In der Regel ist diese Behörde zuständig für die Koordination der Vorarbeiten und die Vorbereitung und Erteilung des Entscheids. 6 Siehe hierzu Schweizer Bundesamt für Umwelt, BAFU, Espoo-Konvention, https://www.bafu.admin .ch/bafu/de/home/themen/uvp/espoo-konvention.html. 7 Siehe Fn. 5. 8 Beatrice Wagner Pfeifer, Umweltrecht Allgemeine Grundlagen, Zürich 2017, S. 259 mit Verweis auf entsprechende Bundesgerichtsentscheide. 9 Bundesgesetz 814.01 über den Umweltschutz, (Umweltschutzgesetz, USG) vom 7. Oktober 1983 (Stand: 1. Juli 2020), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19830267/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 7 die Umweltschutzfachstelle, welche den Umweltverträglichkeitsbericht zu Händen der zuständigen Behörde beurteilt und nötigenfalls Auflagen und Bedingungen beantragt (z.B. für zusätzliche Umweltschutzmaßnahmen). Zuständig zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Schweiz als Ursprungspartei ist also bei eidgenössischen Projekten das Bundesamt für Umwelt (BAFU), bei kantonalen Projekten die kantonale Leitbehörde oder eine andere vom Kanton bezeichnete Behörde. Bei ausländischen Vorhaben mit Umweltauswirkungen auf die Schweiz amtiert das Bundesamt für Umwelt (BAFU) als Kontakt- und Verbindungstelle. Im Übrigen sind aber für die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten gegenüber den ausländischen Behörden im jeweiligen Verfahren die Kantone zuständig , sofern sie für ein entsprechendes Projekt in der Schweiz zuständig wären. Dementsprechend ist die Situation in der Schweiz ähnlich wie in Deutschland: Auf nationaler Ebene ist dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Bundesamt für Energie (BFE) kein Fall bekannt, in dem in den Bereichen der Kernenergie und der Wasserkraft ein Energieversorgungsunternehmen als zuständige Behörde im Sinne der Espoo-Konvention tätig gewesen ist.10 3. Behördenbegriff der Aarhus-Konvention 3.1. Deutschland11 In Deutschland sind die völker- und unionsrechtlichen Vorgaben zum Zugang zu Umweltinformationen aus Kompetenzgründen sowohl durch Regelungen des Bundes als auch der Länder umgesetzt : Auf Bundesebene enthält das 2004 umfassend novellierte Umweltinformationsgesetz (UIG) Regelungen für informationspflichtige Stellen des Bundes. Die Länder haben jeweils eigene Regelungen zum Zugang zu Umweltinformationen gegenüber informationspflichtigen Stellen der Länder erlassen. Während die meisten der Landesgesetze Vollverweisungen auf die Regelungen des Bundes enthalten, haben einige Länder auch eigene Regelungen erlassen (etwa Baden Württemberg: §§ 22-35 UVwG; Transparenzgesetze in Hamburg , Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein). 10 Eine weiterführende Anfrage an die Kantone, ob bei Energieerzeugungsanlagen, die von den Kantonen bewilligt werden, eine solche Übertragung stattgefunden hat, erfolgte nicht. 11 Die nachfolgenden Ausführungen zu der Umsetzung der Aarhus-Konvention in Deutschland basieren auf der Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vom September 2019 sowie der telefonischen Bestätigung vom 23. Juli 2020, wonach seitdem keine maßgeblichen Änderungen vorgenommen wurden. Siehe auch die entsprechende Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom 3. September 2019, WD 8 – 095/19, Einzelfragen zu Aarhus-Konvention, https://www.bundestag .de/resource/blob/664838/0eabbe41d6d70a84a1772ff74e8c8a91/WD-8-095-19-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 8 Das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen gewährt antragstellenden Personen einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt, sofern nicht ein Ablehnungsgrund vorliegt und die Einzelfallabwägung ergibt, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe vorliegt. Voraussetzung des Anspruchs ist unter anderem, dass der Antragsgegner eine informationspflichtige Stelle ist. Dieser durchgehend im deutschen Recht verwendete Begriff entspricht dem völker- und unionsrechtlichen Begriff der Behörde, wie er in Artikel 2 Nummer 2 Aarhus-Konvention und Artikel 2 Nummer 2 UIRL12 definiert ist. Der Begriff informationspflichtige Stelle erfasst neben staatlichen Stellen unter bestimmten Voraussetzungen auch natürliche und juristische Personen des Privatrechts. Dies ist der Fall, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, insb. solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen und dabei der Kontrolle des Bundes bzw. Landes oder einer der Aufsicht des Bundes bzw. Landes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen. Energieversorgungsunternehmen, die von der öffentlichen Hand gesellschaftsrechtlich kontrolliert werden, sind damit nach den umweltinformationsrechtlichen Regelungen des Bundes bzw. der Länder, die die Vorgaben der Aarhus-Konvention umsetzen, informationspflichtige Stellen, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen bzw. öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen. Energieversorgungsunternehmen erbringen die öffentliche Aufgabe bzw. öffentliche Dienstleistung der Energieversorgung der Bevölkerung, die eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge darstellt. Diese Aufgabe steht auch im Zusammenhang mit der Umwelt, denn das EnWG13 weist die öffentliche Aufgabe der umweltverträgliche[n] Energieversorgung den Energieversorgungsunternehmen zu (vgl. §§ 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 EnWG). Damit sind gesellschaftsrechtlich von der öffentlichen Hand mehrheitlich kontrollierte Energieversorgungsunternehmen grundsätzlich informationspflichtig, soweit der Antrag die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe bzw. Dienstleistung betrifft. Etwaige Ansprüche auf Zugang zu Umweltinformationen beispielsweise für ein Stadtwerk werden in aller Regel nach den jeweiligen umweltinformationsrechtlichen Bestimmungen des jeweils einschlägigen Landesrechts zu beurteilen sein. 12 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32003L0004. 13 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung vom 7. Juli 2005, BGBl. I S. 1970, 3621. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 9 3.2. Schweiz14 Der Zugang zu Umweltinformationen in der Schweiz wird insbesondere in Artikel 10g des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (USG)15; sowie im Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung (BGÖ)16 geregelt. Aus Kompetenzgründen bestehen Regelungen zum Öffentlichkeitsprinzip sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene (vgl. Art. 10g Abs. 4 USG). Das BGÖ bezieht sich nicht explizit auf den Zugang zu Umweltinformationen, sondern regelt den Zugang zu amtlichen Dokumenten im Allgemeinen. Damit ist grundsätzlich auch die Umweltinformation vom sachlichen Geltungsbereich erfasst, sofern es sich um ein amtliches Dokument handelt (vgl. Art. 5 BGÖ). Nach Artikel 2 Absatz 1 BGÖ gilt das Gesetz für die Bundesverwaltung (Bst. a), die Parlamentsdienste (Bst. c) sowie für Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung angehören, sofern sie Erlasse oder erstinstanzliche Verfügungen im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. Art. 5 VwVG17) erlassen (Bst. c). Die Ausübung einer an sich dem Staat vorbehaltenen Aufgabe und die damit allenfalls verbundene Verfügungskompetenz bedürfen grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage.18 In engen Ausnahmen kann die Verfügungskompetenz implizit mitübertragen werden.19 Betreiber von Energieversorgungsunternehmen stellen somit auskunftspflichtige Stellen im Sinne von Artikel 2 Ziffer 2 Buchstabe c Aarhus-Konvention dar, sofern sie Erlasse oder erstinstanzliche Verfügungen erlassen können. In Bezug auf die Energieversorgung kann auf das Eidgenössische Starkstrominspektorat ESTI verwiesen werden, das nach Art. 1 der Verordnung über das Eidgenössische Starkstrominspektorat20 als Behörde zu qualifizieren ist. Die einzelnen (privatisierten ) Energieversorgungsunternehmen in der Schweiz sind hingegen nicht mit solchen Kom- 14 Die nachfolgenden Ausführungen zu der Umsetzung der Espoo-Konvention in der Schweiz basieren auf den Angaben der Parlamentsdienste der Schweiz vom 14. August 2020. 15 Bundesgesetz 814.01 über den Umweltschutz, (Umweltschutzgesetz, USG) vom 7. Oktober 1983 (Stand: 1. Juli 2020), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19830267/index.html. 16 Bundesgesetz 152.3 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ) vom 17. Dezember 2004 (Stand: 19. August 2014), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20022540/index .html . 17 Bundesgesetz 172.021 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) vom 20. Dezember 1968 (Stand:1. April 2020), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19680294/index.html#a5. 18 BGer, Urteil 2C_386/2014, E.5.2, https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight _docid=aza%3A%2F%2F18-01-2016-2C_386-2014&lang=de&type=show_document&zoom=YES&; BGer, Urteil 2C_348/2015 E.4.2, https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight _docid=aza%3A%2F%2F23-05-2016-2C_348-2015&lang=de&type=show_document&zoom=YES&. 19 BGE 138 II 134 E.5.1, https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight _docid=atf%3A%2F%2F138-II-134%3Ade%3Aregeste&lang=de&type=show_document&zoom=YES& 20 Verordnung 734.24 über das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI-Verordnung) vom 7. Dezember 1992 (Stand: 1. Juni 2019), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19920320/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 10 petenzen ausgestattet und somit auch nicht als auskunftspflichtige Stelle zu erfassen, vgl. Bundesgesetz über die Stromversorgung.21. Das Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSIG)22 stattet zudem das ENSI mit Verfügungskompetenz aus. Es gilt ebenfalls als Behörde und damit auskunftspflichtige Stelle. Die einzelnen ihrer Aufsicht unterstehenden Kraftwerke besitzen wiederum keine solchen Kompetenzen und stellen keine auskunftspflichtigen Stellen dar. Das allgemeine Zugangsrecht nach dem BGÖ wird in Artikel 10g USG23 konkretisiert. Die Bestimmung regelt das Öffentlichkeitsprinzip bei Umweltinformationen und verankert ein Einsichtsund Auskunftsrecht betreffend Umweltinformationen, die in amtlichen Dokumenten enthalten sind, und Informationen im Bereich der Energievorschriften mit einem Bezug zur Umwelt. Nach Absatz 2 der Bestimmung richtet sich bei Behörden des Bundes der Anspruch auf Einsichtnahme nach den Bestimmungen des BGÖ. Artikel 10g Absatz 3 USG regelt zudem das Einsichtsrecht bei Privaten, die mit Vollzugsaufgaben betraut wurden, ohne dass ihnen Verfügungskompetenz im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen wurde.24 Mit Artikel 10g Absatz 3 USG wird sichergestellt, dass bei privaten Unternehmen, die mit Vollzugsaufgaben betraut wurden, eine Einsichtnahme in Dokumente mit Umweltinformationen möglich ist.25 Die Verfügungskompetenz bleibt in dem Fall bei der zuständigen Vollzugsbehörde. Daraus lässt sich ableiten, dass grundsätzlich auch (privatisierte) Energieversorgungsunternehmen dem Öffentlichkeitsprinzip bei Umweltinformationen unterstehen und auskunftspflichtig sind, dies gilt auch, wenn sie in öffentlicher Hand sind. Ob es sich um ein auskunftspflichtiges Energieversorgungsunternehmen nach Art. 10g Abs. 3 USG handelt, ist im Einzelfall zu prüfen. Indikatoren können die Übertragung von Vollzugsaufgaben sowie die Unterstützungen und Aufsichts - bzw. Kontrollfunktionen seitens der staatlichen Stellen sein. Artikel 2 Absatz 4 ENSIG26 ermächtigt das ENSI beispielsweise dazu, für einzelne Aufgaben Dritte beizuziehen. Eine solche Beiziehung kann ebenfalls einen Hinweis für die Übertragung von Vollzugsaufgaben darstellen. 21 Bundesgesetz 734.7 über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG) vom 23. März 2007 (Stand: 1. Juni 2019), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20042411/index.html. 22 Bundesgesetz 732.2 über das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSIG) vom 22. Juni 2007 (Stand: 1. Januar 2012), https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20051479/index.html. 23 Siehe Fn. 15. 24 Im Hinblick auf die Energieversorgung z.B. die nationale Netzgesellschaft Swissgrid, BGer Urteil 2C_348/2015 vom 23.5.2016, E.4.2, https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight _docid=aza%3A%2F%2F23-05-2016-2C_348-2015&lang=de&type=show_document&zoom=YES&; im Zusammenhang mit Auskunftspflichten von Kernkraftwerken s. auch BGE 144 II 91, http://relevancy .bger.ch/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F144-II- 91%3Ade&lang=de&type=show_document. 25 BBl 2012, 4323, 4352, https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2012/4323.pdf. 26 Siehe Fn. 22. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/20 Seite 11 Es ist jedoch hervorzuheben, dass viele Energieversorgungsunternehmen öffentlich-rechtliche Körperschaften der Kantone und Gemeinden darstellen. Der Zugang richtet sich entsprechend nach kantonalem Recht (vgl. Art. 10g Abs. 4 USG). Zusammenfassend ergibt sich, dass neben Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen auch natürliche und juristische Personen des Privatrechts, also auch Energieversorgungsunternehmen , auskunftspflichtige Stellen darstellen können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen und in diesem Rahmen auch Verfügungskompetenz besitzen (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b BGÖ27), oder wenn sie mit Vollzugsaufgaben im Umweltbereich betraut sind, ohne dass ihnen Verfügungskompetenz zukommt (Art. 10g Abs. 3 USG28). Während erstere in der Regel formell-gesetzlich festgelegt werden und damit leicht erkennbar sind, sind letztere im Einzelfall zu eruieren und zu bewerten. Es kommt wohl darauf an, ob ein Energieversorgungsunternehmen einer Aufsichtsbehörde untergeordnet ist und öffentliche Aufgaben wahrnimmt (z.B. Grundversorgung). Handelt es sich um öffentlich-rechtliche Körperschaften der Kantone oder Gemeinden, so kommt kantonales Recht zur Anwendung (Art. 10g Abs. 4 USG). *** 27 Siehe Fn. 16. 28 Siehe Fn. 15.