© 2017 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 066/17 Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte des Wehrbeauftragten gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Das Recht, Strafverfahren und gerichtlichen Disziplinarverfahren beizuwohnen und Akten einzusehen (§ 3 Nr. 6 WBeauftrG) 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/17 Seite 4 1. Einleitung Dieser Sachstand beleuchtet die Amtsbefugnisse des Wehrbeauftragten im Hinblick auf Auskunfts - und Akteneinsichtsrechte gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Der Wehrbeauftragte ist von Verfassungs wegen an der Ausübung der parlamentarischen Streitkräftekontrolle beteiligt. Da er nach Art. 45 b GG als „Hilfsorgan des Bundestages“ ausgestaltet ist, können seine Befugnisse und Rechte nur so weit reichen wie die des Bundestages im Bereich der Kontrolle des Verteidigungswesens selbst. Seine Amtsbefugnisse sind im Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBeauftrG)1 konkretisiert. Der Wehrbeauftragte soll hiernach in die Lage versetzt werden, sich ein klares Bild über das innere Gefüge der Bundeswehr zu verschaffen sowie mögliche Fehlentwicklungen aufzuklären. Zu den wichtigsten Befugnissen zählen: - das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht gegenüber dem BMVg und allen unterstellten Dienststellen (2.); - das Recht, jederzeit alle Truppenteile, Stäbe, Dienststellen und Behörden der Bundeswehr und ihre Einrichtungen ohne vorherige Ankündigung zu besuchen (3.); - das Recht, vom BMVg zusammenfassende Berichte über die Ausübung der Disziplinarbefugnis in den Streitkräften anzufordern (4.); sowie - das Recht, Strafverfahren und gerichtlichen Disziplinarverfahren beizuwohnen und Akten einzusehen (5.). 2. Das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht (§ 3 Nr. 1 WBeauftrG) Nach § 3 Nr. 1 Satz 1 WBeauftrG kann der Wehrbeauftragte vom Bundesminister der Verteidigung und allen diesem unterstellten Dienststellen und Personen Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Dieses umfassend ausgestaltete Recht soll sicherstellen, dass der Wehrbeauftragte die Eingaben der Soldatinnen und Soldaten möglichst effektiv bearbeiten kann. Die in der Zentralen Dienstvorschrift A-2600/2 des BMVg2 enthaltenen internen Verfahrensregelungen legen fest, dass Angelegenheiten des Wehrbeauftragten prioritär zu bearbeiten sind. Bei längerer Dauer der Bearbeitung ist der Wehrbeauftragte in angemessenen Zeitabständen über 1 Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, (1982) BGBl. Nr. 21, Teil I, S. 677. 2 BMVg, Zentralen Dienstvorschrift A-2600/2: Wehrbeauftragtenangelegenheiten (gültig seit dem 21. August 2014), verfügbar unter: https://www.bundestag.de/blob/386128/25a387d448ce284fff9302915d60c90a/erlassdata .pdf (zuletzt aufgerufen am 21. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/17 Seite 5 den Stand der Angelegenheit durch die Dienststelle zu unterrichten, die die Stellungnahme abzugeben hat. Etwaigen Arbeitsüberlastungen oder Unterbesetzung der zuständigen Stellen muss die übergeordnete Führung proaktiv entgegensteuern.3 Das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht kann nur aus zwingenden Geheimhaltungsgründen verweigert werden. Dabei gelten Fragen des Schutzes der Grundrechte von Soldatinnen und Soldaten und die Grundsätze der Inneren Führung durchweg nicht als geheimhaltungsbedürftig.4 Aus diesem Grunde ist eine Verweigerung des Auskunfts- und Aktenverweigerungsrechts in der Praxis, soweit ersichtlich, noch nicht vorgekommen. Darüber hinaus müssen bei der Anforderung von Gesundheitsakten die betroffenen Soldatinnen und Soldaten aus datenschutzrechtlichen Gründen ihre Einwilligung erteilen bzw. die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden. Der Wehrbeauftragte kann, wenn er auf Weisung des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses handelt oder wenn einer Eingabe die Beschwer eines Einsenders zugrunde liegt, nach § 3 Nr. 1 Satz 4 WBeauftrG den Einsender, Zeugen oder Sachverständige anhören. Zwangsmittel, um die o.g. Rechte gegebenenfalls durchzusetzen, stehen dem Wehrbeauftragten allerdings nicht zur Verfügung.5 Anders als Art. 45 a Abs. 2 i.V.m. Art. 44 Abs. 2 GG erklärt Art. 45 b GG die Regelungen der Strafprozessordnung gerade nicht für entsprechend anwendbar, sodass allein der Verteidigungsausschuss (als Untersuchungsausschuss) Zeugen laden und diese unter Androhung von Zwangsmitteln zur Aussage bewegen kann. Beim Wehrbeauftragten funktioniert die Informationsgewinnung jedoch in fast allen Fällen unproblematisch, sodass in der Praxis der Einsatz oder die Androhung von Zwangsmitteln nicht erforderlich ist. Als Teil der insgesamt gut funktionierenden Kommunikation zwischen Wehrbeauftragten und BMVg sind die Meldungen des BMVg über besondere Vorkommnisse in der Bundeswehr zu nennen. Zwar könnte der Wehrbeauftragte diese nach § 3 Nr. 1 Satz 1 WBeauftrG gesetzlich einfordern , gleichwohl hat sich das BMVg im Rahmen der Zentralen Dienstvorschrift A-200/5 „Meldewesen der Bundeswehr“ dazu entschieden, diese dem Wehrbeauftragten (täglich) proaktiv zuzusenden. 3 Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 2016 (58. Bericht), (24. Januar 2017) BT-Drs. 18/10900, S. 57. 4 Busch, Der Wehrbeauftragte: Organ der parlamentarischen Kontrolle (4. Aufl., Decker & Müller, Heidelberg, 1991), S. 127 f. 5 Schmidt-Radefeldt, „Art. 45b: Wehrbeauftragter des Bundestages“ in Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar Grundgesetz (Beck, München, 2017), Rn. 8; Hartenstein, Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages: Zuständigkeit und Befugnisse im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle der Bundeswehr (Peter Lang, Frankfurt a.M., 1977), S. 193. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/17 Seite 6 3. Das Recht zum jederzeitigen Truppenbesuch (§ 3 Nr. 4 WBeauftrG) Für die Arbeit des Wehrbeauftragten ist der Truppenbesuch als Informationsquelle von besonderer Bedeutung. Er soll dem Wehrbeauftragten ermöglichen, sich durch den persönlichen Kontakt an Ort und Stelle einen authentischen Eindruck von den Gegebenheiten zu verschaffen. Hierbei geht es insbesondere um Informationen über den dienstlichen Alltag der Truppe, Probleme bei Ausbildung und Ausrüstung sowie Sorgen und Anliegen der Soldatinnen und Soldaten, welche in den Eingaben nur unvollständig oder überhaupt nicht geäußert werden.6 Nach § 3 Nr. 4 Satz 2 WBeauftrG steht das Recht dem Wehrbeauftragten nur persönlich zu.7 Hintergrund dessen ist, dass das Truppenbesuchsrecht vor allem auch Ausdruck der ureigenen politischen Funktion des Wehrbeauftragten selbst ist und deshalb nicht an dessen Beamte delegiert werden soll.8 Von der Möglichkeit unangekündigter Truppenbesuche wird in der Praxis eher selten Gebrauch gemacht, weil der damit verbundene Überraschungseffekt für die Zwecke des Wehrbeauftragten nicht oder nur äußerst selten erforderlich ist.9 Angemeldete Besuche haben demgegenüber den Vorteil, die gewünschten Gesprächspartner auch tatsächlich anzutreffen und Ortsbegehungen so zu organisieren, dass Kosten und Nutzen der Besuche in angemessenem Verhältnis stehen. Nach § 3 Nr. 4 Satz 3 i.V.m. § 3 Nr. 1 Satz 2, 3 WBeauftrG können nur die Bundesministerin der Verteidigung oder einer ihrer ständigen Stellvertreter im Amt den Truppenbesuch verweigern, wenn zwingende Geheimhaltungsgründe entgegenstehen. Im Jahr 2016 hat der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels persönlich insgesamt 44 Truppenbesuche im In- und Ausland absolviert.10 Der Wehrbeauftragte nahm über die Truppenbesuche hinaus weitere 261 Termine wahr, die im Zusammenhang mit seinem gesetzlichen Auftrag standen.11 Schließlich führten auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wehrbeauftragten im Berichtsjahr insgesamt 80 Informationsbesuche bei Truppenteilen, Stäben, Dienststellen und Behörden der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche durch.12 6 Deutscher Bundestag, Der Wehrbeauftragte: Schutz der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten und parlamentarische Kontrolle (Deutscher Bundestag, Berlin, 2017), S. 29 f. 7 Dieses Recht steht nach Ermächtigung durch den Verteidigungsausschuss auch der Leitenden Beamtin oder dem Leitenden Beamten zu, § 17 Abs. 2 WBeauftrG. 8 Busch, Der Wehrbeauftragte (Fn. 4), S. 128. 9 Ibid. 10 Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 2016 (58. Bericht), (24. Januar 2017) BT-Drs. 18/10900, S. 78 f. 11 Ibid., S. 79. 12 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 066/17 Seite 7 4. Das Recht, vom BMVg zusammenfassende Berichte über die Ausübung der Disziplinarbefugnis in den Streitkräften anzufordern (§ 3 Nr. 5 WBeauftrG) Das Recht des Wehrbeauftragten, nach § 3 Nr. 5 WBeauftrG vom BMVg zusammenfassende Berichte über die Ausübung der Disziplinarbefugnis in den Streitkräften anzufordern, soll den Vergleich zwischen den Erkenntnissen des BMVg und den eigenen Beobachtungen des Wehrbeauftragten ermöglichen.13 Außerdem sollen mit diesem Instrumentarium die Aussagen des Wehrbeauftragten im jeweiligen Jahresbericht abgesichert werden. 5. Das Recht, Strafverfahren und gerichtlichen Disziplinarverfahren beizuwohnen und Akten einzusehen (§ 3 Nr. 6 WBeauftrG) Nach § 3 Nr. 6 Satz 1 WBeauftrG hat der Wehrbeauftragte das Recht, Straf- und gerichtlichen Disziplinarverfahren beizuwohnen, auch wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Das Anwesenheitsrecht verleiht dem Wehrbeauftragten keine prozessuale Stellung in den Verfahren (wie etwa einem Nebenkläger im Strafverfahren oder den Beigeladenen im Verwaltungsstreitverfahren ).14 Der Wehrbeauftragte soll lediglich in die Lage versetzt werden, als Prozessbeobachter die tatsächlichen und rechtlichen Fragen des betreffenden Verfahrens unter den Aspekten der Inneren Führung beurteilen zu können. Darüber hinaus hat er das Recht, Akten in gleichem Umfange einzusehen wie die Anklagevertretung und die Vertretung der Einleitungsbehörde. Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gerichte unterliegt die Justiz jedoch keinesfalls der Kontrolle des Wehrbeauftragten. Ihm kommt vielmehr eine beobachtende und im äußersten Fall informierende Rolle in den Verfahren zu. *** 13 Busch, Der Wehrbeauftragte (Fn. 4), S. 130. 14 Busch, Der Wehrbeauftragte (Fn. 4), S. 131. Daher kann er z.B. keine Rechtsbehelfe gegen die gerichtliche Entscheidung einlegen.