WD 2 - 3000 - 066/16 (3. Mai 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Seit langer Zeit besteht zwischen Deutschland und der Schweiz Streit über den vom Flughafen Zürich ausgehenden Fluglärm (siehe dazu etwa http://www.nzz.ch/ein-vierteljahrhundert-imfluglaerm -clinch-mit-deutschland-1.14627976, letzter Abruf am 3. Mai 2016). Kürzlich hat das schweizerische Verkehrsministerium den Bau von vier sogenannten Schnellabrollwegen auf diesem Flughafen genehmigt, die den Flugzeugen ein schnelleres Verlassen der Pisten ermöglichen sollen. In Deutschland und in der Schweiz wird befürchtet, dass es dadurch zu einer zusätzlichen Steigerung des Flugaufkommens und damit auch des Fluglärms kommen könnte. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwiefern der Bau der Schnellabrollwege eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem in Espoo (Finnland) geschlossenen „Übereinkommen vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen“ (Espoo-Übereinkommen, kurz: EÜ) erforderlich macht: Gemäß Art. 2 Abs. 3 EÜ i.V.m. Art. 1 (ii) und (v) EÜ hat jede Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet ein - nach ihren innerstaatlichen Regelungen genehmigungsbedürftiges Vorhaben, - das im Anhang I des EÜ aufgeführt ist - und wahrscheinlich grenzüberschreitende Umweltauswirkungen zur Folge haben wird, realisiert werden soll, sicherzustellen, dass vor der Genehmigung dieses Vorhabens eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) entsprechend den Vorgaben des EÜ durchgeführt wird. Bei dem Bau der Schnellabrollwege handelt es sich um ein nach schweizerischem Recht genehmigungsbedürftiges Vorhaben. Indes zählen Schnellabrollwege nicht zu den im Anhang I des EÜ aufgezählten Vorhaben. Die ursprüngliche Fassung dieses Anhangs erwähnte im Bereich der Luftfahrt (Nr. 7) lediglich den Bau von Flughäfen mit einer Rollbahnlänge von 2.100 Metern oder mehr. Die am 26. August 2014 in Kraft getretene erste Änderung des EÜ hat daran ebenso wenig geändert wie es seine - bislang noch nicht in Kraft getretene - zweite Änderung tun wird. Art. 1 (v) EÜ, wonach „größere Veränderungen“ an bestehenden Vorhaben selbst Vorhaben i.S.d. EÜ darstellen, dürfte im hiesigen Zusammenhang ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Denn anders als der Bau Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Espoo-Übereinkommen bei dem Bau von Schnellabrollwegen auf dem Flughafen Zürich Kurzinformation Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Espoo-Übereinkommen bei dem Bau von Schnellabrollwegen auf dem Flughafen Zürich Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 eines neuen Terminals oder einer neuen Start-/ Landebahn dürfte der Bau von Schnellabrollwegen keine „größere Veränderung“ eines Flughafens darstellen. Umstritten ist die Frage, ob eine UVP nur dann erforderlich ist, wenn erhebliche negative grenzüberschreitende Umweltauswirkungen wahrscheinlich sind, oder ob sie schon dann durchzuführen ist, wenn nicht offensichtlich ist, dass keine erheblichen Auswirkungen auf fremdes Staatsgebiet drohen.1 Da die Schnellabrollwege allerdings – wie dargelegt – nicht zu den von Art. 2 Abs. 3 EÜ i.V.m. Art. 1 (ii) und (v) EÜ erfassten Vorhaben zählen, kommt es an dieser Stelle nicht darauf an. Jedoch könnte Deutschland gemäß Art. 2 Abs. 5 EÜ von der Schweiz verlangen, Verhandlungen2 darüber aufzunehmen, ob das Vorhaben gleichwohl einer UVP zu unterziehen ist, weil es – wie die in Anhang I aufgeführten Vorhaben – wahrscheinlich erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen zur Folge haben wird. Anhang III des EÜ stellt mehrere Kriterien zur Verfügung , an denen sich solche Verhandlungen ausrichten können. Maßgebend kann danach sein, - welche Größe das Vorhaben hat (gemessen an ähnlichen Vorhaben seiner Art), - ob es in oder nahe einer Gegend liegt, die sich durch eine besonders empfindliche Umwelt auszeichnet (z.B. Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung, Nationalpark, Naturreservat ), oder sonst wichtig ist (z.B. Ort von besonderem wissenschaftlichem Interesse, Ort von archäologischer, kultureller oder historischer Wichtigkeit), und / oder - ob von dem Vorhaben besonders komplexe und potentiell negative Auswirkungen ausgehen , einschließlich ernstzunehmender Beeinträchtigungen von Menschen oder geschützten Arten oder Organismen, Bedrohungen des aktuellen oder potentiellen Nutzens der Umgebung und Zusatzbelastungen, welche die Belastbarkeit der Umwelt übersteigen. Sollten Deutschland und die Schweiz entsprechende Verhandlungen führen, jedoch keine Einigung darüber erzielen, ob der Bau der Schnellabrollwege den in Anhang I des EÜ aufgezählten Vorhaben gleichzustellen ist, käme die Streitschlichtungsregelung des Art. 15 EÜ zum Tragen. Gemäß Art. 15 Abs. 1 EÜ sollen die betroffenen Vertragsparteien versuchen, einen Streit über die Auslegung oder Anwendung des EÜ im Verhandlungswege oder unter Rückgriff auf eine andere, für die Streitparteien annehmbare Streitbeilegungsmethode beizulegen. Dabei steht es den Vertragsparteien gemäß Art. 15 Abs. 2 EÜ offen, jederzeit eine Erklärung abzugeben, wonach sie bei Fehlschlagen einer Konfliktlösung nach Art. 15 Abs. 1 EÜ – im Verhältnis zu einer Vertragspartei , die eine gleichartige Erklärung abgibt – eine Streitbeilegung durch den Internationalen Gerichtshof und / oder die Durchführung eines speziellen, in Anhang VII des EÜ näher geregelten Schiedsverfahrens als zwingend akzeptieren. Ende der Bearbeitung 1 Siehe dazu Stiegel, Das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Espoo-Übereinkommen), Frankfurt: Peter Lang GmbH, 2001, S. 33. 2 Die authentische englische bzw. französische Version verwendet jeweils den Begriff „discussions“.