WD 2 - 3000 - 065/16 (2. Mai 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG), der im Wesentlichen der Ursprungsfassung des § 18 Abs. 1 Satz 1 LuftVG aus dem Jahre 1958 entspricht, darf die Bundeswehr „von den Vorschriften des Ersten Abschnitts dieses Gesetzes – ausgenommen die §§ 12, 13 und 15 bis 19 – und den zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften abweichen; soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.“ 1 Die Frage, wie im Kontext dieses Satzes des Luftverkehrsgesetzes der „besondere Auftrag“ der Bundeswehr zu verstehen ist, will die vorliegende Kurzinformation beantworten. Ferner wird sie darauf eingehen, in wieweit der Grund- und Friedensbetrieb der Bundeswehr in Deutschland eine solche „besondere Aufgabe“ darstellt. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden Rechtsauffassungen zum LuftVG ausgewertet und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) zu seiner Auslegung der betreffenden Gesetzespassage befragt. Aus Sicht von Elmar Giemulla muss das zugestandene Abweichen von den Vorschriften des Ersten Abschnitts des LuftVG und den zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften im Sinne einer „Erforderlichkeit“ begründbar sein. Dies sei dann der Fall, wenn die Aufgabenerfüllung der Bundeswehr ein Abweichen erfordere. 2 In welchem Maße ein Abweichen von den Vorschriften des LuftVG erforderlich sei, habe dabei der verantwortliche Hoheitsträger pflichtgemäß selbst zu entscheiden, wobei er zwischen den Schutzgütern, die durch die jeweilige luftverkehrsrechtliche Regelung geschützt werden sollen, und den zu erfüllenden Aufgaben abzuwägen habe. In welchem Maße von den Vorschriften des LuftVG abgewichen werden könne, hänge vom Umfang und vom Inhalt der zu erfüllenden Aufgabe ab. Abzustellen sei dabei auf den jeweiligen militärischen Einsatzbefehl. 3 1 Vgl. § 30 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG); LuftVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), zuletzt geändert durch Artikel 21 des Gesetzes vom 19. Februar 2016 (BGBl. I S. 254). Abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/luftvg/gesamt.pdf (letzter Zugriff: 28. April 2016). 2 Giemulla, Elmar (2016): LuftVG § 30. In: Giemulla, Elmar; Schmid, Ronald (2016): Luftverkehrsgesetz. Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Rdn. 7. 3 Ebd., Rdn. 24. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zum Begriff „besondere Aufgaben“ in § 30 Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) Kurzinformation Zum Begriff „besondere Aufgaben“ in § 30 Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Laut BMVg 4 sei zwar unter dem „besonderen Auftrag“ der Bundeswehr im Kontext des § 30 Abs. 1 Satz 1 insbesondere der Verteidigungsauftrag im Sinne des Art. 87a des Grundgesetzes zu verstehen. Hierzu zählen nach ministerieller Auffassung jedoch nicht nur Einsatzaufträge, sondern auch Aufgaben des Grund- und Friedensbetriebs in Deutschland, welcher der Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft dient. Einschätzungen und Wertungen, welche die zuständige Behörde, also das BMVg, im Rahmen des ihr eröffneten Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Ausnahmebereiche vornimmt, sind laut Giemulla einer gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich nicht zugänglich. Eine gerichtliche Kontrolle würde sich in solchen Fällen allein darauf erstrecken, ob die entsprechende Entscheidung auf willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unsicherheiten beruhe, in sich widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar sei. 5 Um sich in dieser Hinsicht abzusichern, hat die Bundeswehr zur Regelung ihrer dienstlichen Besonderheiten und zur Sicherstellung ihrer Verteidigungsaufgaben mit den Zentralen Dienstvorschriften (ZDv) der Reihen A-1525 sowie A-271 bis A-273 6 und ihren Durchführungsbestimmungen für einzelne Ausnahmebereiche Vorschriften 7 erlassen, die die Abweichungen vom LuftVG und seinen Durchführungsvorschriften im Grund- und Friedensbetrieb regeln. 8 Ende der Bearbeitung 4 Bundesministerium der Verteidigung (2016): § 30 Absatz 1 Luftverkehrsgesetz. Antwortschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 28. April 2016 zu einer Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste WD 2 vom 21. April 2016. 5 Giemulla, a.a.O, Rdn. 24. 6 Die Zentralen Dienstvorschriften (ZDv) der Reihen A-1525 und A-271 bis A-273 gingen aus den ehemaligen ZDv der 19-er Reihe hervor. 7 Zentrale Dienstvorschriften sind ihrem Rechtscharakter nach Allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S. des Art. 86 Grundgesetz (GG). 8 Giemulla, a.a.O, Rdn. 26.