© 2017 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 055/17 Rechtliche Modalitäten und Folgen eines Austritts der USA aus dem Pariser Klimaschutz-Übereinkommen vom 12. Dezember 2015 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 055/17 Seite 2 Rechtliche Modalitäten und Folgen eines Austritts der USA aus dem Pariser Klimaschutz- Übereinkommen vom 12. Dezember 2015 Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 055/17 Abschluss der Arbeit: 15. Juni 2017 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 055/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Austrittsmodalitäten 4 2. Rechtliche Folgen eines Austritts 5 3. Möglichkeit des Beitritts einzelner US-Bundesstaaten zum Übereinkommen von Paris 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 055/17 Seite 4 1. Austrittsmodalitäten Jede Vertragspartei des Klimaschutz-Übereinkommens von Paris1 kann gemäß Art. 28 Abs. 1 nach Ablauf von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, an dem das Übereinkommen für die betreffende Vertragspartei in Kraft getreten ist, durch eine an den VN-Generalsekretär (als „Verwahrer“ nach Art. 26 des Übereinkommens) gerichtete schriftliche Notifikation von dem Übereinkommen zurücktreten (im engl. Originaltext: „withdraw“). Für die USA ist das Pariser Übereinkommen am 4. November 2016 – nach dessen verfassungsrechtlicher Annahme (Acceptance)2 und nach Hinterlegung der Annahmeurkunde beim VN- Generalsekretär3 am 3. September 2016 – völkerrechtlich verbindlich in Kraft getreten.4 Folglich können die USA vom Vertrag erst am 4. November 2019 durch Einreichen der Rücktrittsnotifikation zurücktreten. Gem. Art. 28 Abs. 1 des Übereinkommens wird der Rücktritt frühestens ein Jahr nach Eingang der Rücktrittsnotifikation (oder zu einem in der Rücktrittsnotifikation genannten späteren Zeitpunkt) wirksam; mithin frühestens am 5. November 2020, d.h. zum Ende der regulären Amtszeit von US-Präsident Trump. Gemäß Art. 28 Abs. 3 des Pariser Übereinkommens wäre auch ein Rücktritt vom Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UN Framework Convention on Climate Change) möglich – damit wäre zudem automatisch ein Rücktritt auch vom Pariser Übereinkommen verbunden. 1 Text: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf. 2 Im Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, WVRK) wird unterschieden zwischen Annahme (Acceptance), Genehmigung (Approval) oder Ratifikation (ratification). Gem. Art. 14 Abs. 2 WVRK drücken alle drei Formen die völkerrechtliche Zustimmung eines Staates aus, an den Vertrag gebunden zu sein. In den USA wurde das Pariser Klimaschutzübereinkommen nicht dem US-Senat vorgelegt und anschließend ratifiziert. Das US-amerikanische Verfassungsrecht unterscheidet vielmehr zwischen „treaties“, die mit 2/3-Mehrheit vom Senat gebilligt werden müssen und der weitaus überwiegenden Anzahl an „(executive) agreements“, die der US- Präsident im „Alleingang“ völkerrechtlich verbindlich machen kann (vgl. dazu allgemein Kirgis, Frederic L., International Agreements and U.S. Law, in: ASIL insights v. 27.5.1997, https://www.asil.org/print/1382). Angesichts des Umstands, dass der damalige US-Präsident Obama das Pariser Klimaschutzübereinkommen nicht dem US-Senat vorgelegt, sondern es als „agreement“ behandelt hat, gab und gibt es bis heute eine verfassungsrechtliche Diskussion (vgl. dazu etwa Bruce Fein, „Paris Climate Accord was no treaty“, in: Washington Times, Analysis, v. 5.6.2017, http://www.washingtontimes.com/news/2017/jun/5/paris-climate-accord-was-notreaty / Eugene Kontorovich, „The U.S. can’t quit the Paris climate agreement, because it never actually joined“, in: The Washington Post, Opinion, v. 1.6.2017, https://www.washingtonpost.com/news/volokhconspiracy /wp/2017/06/01/the-u-s-cant-quit-the-paris-climate-agreement-because-it-never-actuallyjoined /?utm_term=.fa38e89d804d). Auf die verfassungsrechtliche Diskussion in den USA soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden – auf die völkerrechtliche Gebundenheit der USA an das Pariser Übereinkommen wirken sich die Verfassungsrechtsstreitigkeiten über dessen innerstaatliche Behandlung als „treaty“ oder „agreement“ nicht aus. Art. 46 Abs. 1 WVRK bestimmt insoweit: „Ein Staat kann sich nicht darauf berufen, dass seine Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein, unter Verletzung einer Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts über die Zuständigkeit zum Abschluss von Verträgen ausgedrückt wurde und daher ungültig sei“. 3 Gem. Art. 16 lit. b) WVRK begründet dies die völkerrechtliche Zustimmung eines Staates, an den Vertrag gebunden zu sein. 4 Vgl. zum Ratifikationsstand der Vertragsstaaten http://unfccc.int/paris_agreement/items/9444.php. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 055/17 Seite 5 Das VN-Rahmenübereinkommen ist für die USA bereits am 21. März 1994 in Kraft getreten und enthält die gleichen Rücktrittsvoraussetzungen wie das Übereinkommen von Paris. Ein Rücktritt vom VN-Rahmenübereinkommen wäre folglich bereits zum jetzigen Zeitpunkt möglich. Auf diese Weise könnten sich die USA bereits nach Ablauf eines Jahres ab Einreichung einer entsprechenden Rücktrittsnotifikation beim VN-Generalsekretär auch von dem Übereinkommen von Paris lösen. Rücktrittsabsichten der USA in Bezug auf die VN-Rahmenkonvention wurden bislang jedoch nicht geäußert. Bis zum Wirksamwerden des Austritts Ende 2020 bleiben die USA vollwertiges Mitglied des Pariser Abkommens mit allen sich daraus ergebenen Pflichten (dazu 2.) und Gestaltungsmöglichkeiten . Auch nach einem vollzogenen Austritt aus dem Pariser Übereinkommen besteht die Möglichkeit , durch erneuten Beitritt wieder Vertragspartei des Übereinkommens zu werden; der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim VN-Generalsekretär (Art. 20). 2. Rechtliche Folgen eines Austritts Nach dem Wirksamwerden eines Austritts aus dem Klimaschutzübereinkommen Ende 2020 sind die USA von der Verpflichtung befreit, den Vertrag weiter zu erfüllen. Der Vertrag sieht eine Reihe von finanziellen (Art. 9), prozeduralen (Art. 4) sowie klimaschutzspezifischen Verpflichtungen vor – u.a. in Gestalt national festgelegter Beiträge („intended nationally determined contribution “, Art. 4 Abs. 2). Auf den Inhalt des Pariser Klimaschutzübereinkommens soll an dieser Stelle indes nicht näher eingegangen werden.5 Festzuhalten bleibt jedoch, dass den Vertragsstaaten zur Verwirklichung der Vertragsziele6 ein breiter Umsetzungsspielraum zusteht. Teilweise basiert die Umsetzung des Übereinkommens sogar auf dem Freiwilligkeitsprinzip (vgl. Art. 6). 5 Vgl. zum Inhalt des Pariser Übereinkommens und den Vertragspflichten näher unter: https://ec.europa.eu/clima/policies/international/negotiations/paris_de; http://www.bmub.bund.de/themen/klima-energie/klimaschutz/internationale-klimapolitik/pariser-abkommen/. 6 Gem. Art. 2 Abs. 1 lit. a) des Pariser Übereinkommens soll die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter zwei Grad Celsius, idealerweise auf 1,5 Grad begrenzt werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 055/17 Seite 6 3. Möglichkeit des Beitritts einzelner US-Bundesstaaten zum Übereinkommen von Paris Ein Beitritt einzelner US-Bundesstaaten zum Übereinkommen von Paris ist nicht möglich. Nach dem Wortlaut des Übereinkommens von Paris sind Vertragsparteien des Abkommens Staaten (i.S.d. Art. 6 Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, WVRK) und jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration (vgl. Art. 20 Abs. 1 des Pariser Übereinkommens). „Bundesstaaten“ werden im internationalen Recht nicht als „Staaten“ i.S.d. WVRK angesehen.7 Ungeachtet dessen bleibt es den Bundesstaaten unbenommen, die Bestimmungen des Übereinkommens von Paris weiterhin umzusetzen und/oder im Rahmen ihrer bundesstaatlichen Kompetenzen eigene Umweltstandards durchzusetzen. *** 7 Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties, Commentary, Heidelberg : Springer, 2012, Vol. 1, Art. 3, Rn. 20.