© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 053/16 Die gesetzliche Regelung von Flüchtlingsangelegenheiten in der Türkei und deren Umsetzung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 2 Die gesetzliche Regelung von Flüchtlingsangelegenheiten in der Türkei und deren Umsetzung Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 053/16 Abschluss der Arbeit: 29. April 2016 (auch letzter Zugriff auf die Internet-Quellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. „Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz“ 4 2.1. Aufenthaltserlaubnis 6 2.2. Schutzstatus 7 2.2.1. Flüchtlingsstatus 10 2.2.2. Bedingter Flüchtlingsstatus 10 2.2.3. Subsidiärer Schutzstatus 11 2.2.4. Vorübergehender Schutzstatus 12 2.3. Unterbringung 14 2.4. Soziale Leistungen 14 2.5. Medizinische Versorgung 15 2.6. Zugang zu Bildung 16 2.7. Zugang zum Arbeitsmarkt 17 3. Konkrete Umsetzung der gesetzlichen Regelungen 19 3.1. Unterbringung 19 3.2. Soziale Leistungen 21 3.3. Medizinische Versorgung 22 3.4. Zugang zu Bildung 22 3.5. Zugang zum Arbeitsmarkt 24 4. Zusammenfassung 25 5. Anhang 26 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 4 1. Einführung Untersucht werden soll die derzeitige rechtliche und tatsächliche Situation von Flüchtlingen in der Türkei. Rechtlich unterfallen die Flüchtlinge, die sich in der Türkei aufhalten, dem türkischen „Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz“ (GAIS). In den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen die Aktivitäten und Maßnahmen, die sich auf „Ausländer“ beziehen1. Ausländer sind Personen, die nicht Bürger der Republik Türkei sind2. Dieser weite Begriff umfasst somit neben den Angehörigen anderer Staaten auch Staatenlose und Flüchtlinge3. Ein türkisches „Asylgesetz“ im eigentlichen Sinne existiert – entgegen der internationalen Berichterstattung 4 über ein solches – nicht. Das Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz enthält jedoch Regelungen, die bestimmten Personengruppen Schutz durch die Türkei zusichern. 2. „Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz“ Am 4. April 2013 wurde das Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz5 durch das türkische Parlament verabschiedet und am 11. April 2013 im Gesetzblatt veröffentlicht6. Es trat ein Jahr später am 11. April 2014 in Kraft7. Seine Zielsetzung besteht darin, die Grundsätze und Verfahren betreffend die Einreise, den Aufenthalt und die Ausreise von Ausländern in die bzw. aus der Türkei zu regeln8. Weiterhin sind die Gewährleistung und der Umfang des Schutzes gegenüber Ausländern festgeschrieben, die in der Türkei Schutz suchen. 1 Art. 2 Abs. 1 GAIS. 2 Art. 3 Abs. 1 ü) GAIS. 3 Ekşi, Nuray, in: Barwig, Klaus (Hrsg.), ”The new turkish law on foreigners and international protection: an overall assessment”, Schriften zum Migrationsrecht Band 17, Baden-Baden 2014, S. 33. 4 Burch, Jonathon, “Turkey has new law on asylum“, Nachrichtenagentur Reuters, 12.04.2013, http://www.reuters .com/article/us-turkey-refugees-idUSBRE93B0XO20130412. 5 Das Gesetz ist im Volltext als nichtamtliche Übersetzung in englischer Sprache über die Internetpräsenz der türkischen Regierung abrufbar: http://www.goc.gov.tr/files/files/eng_minikanun_5_son.pdf. Die englische Übersetzung liegt dem vorliegenden Sachstand zu Grunde. Eine deutsche Übersetzung ist ebenfalls abrufbar unter http://www.goc.gov.tr/files/files/YUKK_ALMANCA_BASKI_.pdf. 6 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 – 248 (235). 7 Art. 125 Abs. 1 b) GAIS. 8 Art. 1 Abs. 1 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 5 Zeitgleich mit dem Erlass des Gesetzes über die Ausländer und den internationalen Schutz wurde von der türkischen Regierung die sog. Generaldirektion für Migrations-Verwaltung (GDMV) eingerichtet. Sie ist dem türkischen Innenministerium untergeordnet9 und mit dem deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vergleichbar. Das Mandat der GDMV umfasst die Realisierung von Strategien mit Bezug zur Migration, die Sicherstellung der Koordination zwischen den beteiligten Behörden, die Durchführung von Maßnahmen gegenüber Ausländern (z.B. Abschiebungen) und der Schutz von Opfern des Menschenhandels 10. Die GDMV ist in der Türkei nach ihrem Aufgabenzuschnitt der primäre Akteur in allen Angelegenheiten, die Flüchtlinge betreffen. Daneben sind jedoch ebenfalls die jeweiligen Ministerien und die türkische Katastrophenschutzbehörde (AFAD) involviert. AFAD betreibt auch die staatlichen Flüchtlingscamps11. Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Expertise im Bereich der Migration besitzen, dürfen mit Erlaubnis der GDMV die Empfangs- und Unterbringungszentren besuchen 12. Zudem dürfen Repräsentanten der „relevanten“ NGOs mit Expertise im Bereich der Migration mit Erlaubnis der GDMV die Abschiebezentren besuchen13. Das türkische Recht sieht folglich lediglich ein Recht der NGOs auf eine Inaugenscheinnahme der Zentren vor Ort vor. Weitere, darüber hinausgehende Rechte der NGOs (z.B. in Form einer aktiven Mitarbeit) bestehen nach dem Gesetz nicht. Das türkische Innenministerium kann weiterhin mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, mit internationalen Organisationen für Migration und anderen internationalen Organisationen und NGOs zusammenarbeiten, sofern Themen berührt sind, die die Verfahren zur Gewährleistung internationalen Schutzes nach dem Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz betreffen14. Die GDMV kann außerdem mit internationalen Organisationen, Behörden in dem relevanten Land und NGOs kooperieren, um die Abschiebung durchzuführen 15. Es handelt sich in beiden Fällen nicht um ein Recht der Genannten zur Zusammenarbeit mit der GDMV, sondern lediglich um eine normierte Handlungsoption für die GDMV. 9 Art. 103 Abs. 1 GAIS. 10 Art. 103 Abs. 1 GAIS. 11 Martens, Michael, „Der Herr der Flüchtlingslager“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.2015, S.1, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei/tuerkei-der-herr-der-fluechtlingslager- 13875645.html. 12 Art. 95 Abs. 8 GAIS. 13 Art. 59 Abs. 2 GAIS. 14 Art. 92 Abs. 1 GAIS. 15 Art. 60 Abs. 4 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 6 Das Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz (von Ausländern) enthält zwei Kern-Regelungsgehalte: 2.1. Aufenthaltserlaubnis Erstens sind in den Art. 5 ff. GAIS alle Regelungen betreffend Ausländern vorgenommen worden, insbesondere ist das Verfahren zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis durch Ausländer in der Türkei normiert16. Die Einreise in die Türkei ist grundsätzlich nur mit einem gültigen Personalausweis oder Reisepass möglich17. Personen, die keinen gültigen Personalausweis, Reisepass, Visum, Aufenthaltserlaubnis oder Arbeitserlaubnis besitzen, ist die Einreise zu verweigern18. Seit dem 8. Januar 2016 benötigen Syrer, die in die Türkei auf dem Luft- oder Seeweg aus Drittstaaten einreisen, ein Visum 19. Ausländer, die sich länger in der Türkei aufhalten, als ihr Visum vorsieht, oder – wenn sie kein Visum besitzen – sich länger als 90 Tage in der Türkei aufhalten, benötigen eine Aufenthaltserlaubnis 20. Mit Zustimmung des Innenministeriums kann z.B. eine „Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen“21 für ein Jahr gewährt werden, u.a. wenn das Kindeswohl betroffen ist, zu erwarten ist, dass der Flüchtling in dem betreffenden Land gefoltert wird, ihm die Todesstrafe droht, oder er durch die Reise erhebliche gesundheitliche Schäden davontragen wird, Ausländern die Einreise und der Aufenthalt in der Türkei wegen einer Notsituation erlaubt werden sollte, oder außerordentliche Umstände vorliegen22. 16 Art. 19 f. GAIS. 17 Art. 5 Abs. 1 GAIS. 18 Art. 7 Abs. 1 a) GAIS. 19 Europäische Kommission, “Second report on progress by Turkey in fulfilling the requirements of its visa liberalisation roadmap”, 04.03.2016, S. 4, http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/e-library/documents/policies/international -affairs/general/docs/turkey_second_progress_report_en.pdf. Am 04.05.2016 wird der dritte Bericht über die Fortschritte der Türkei erscheinen, http://europa.eu/rapid/press-release_AGENDA-16-1509_en.htm. 20 Art. 19 Abs. 1 GAIS. 21 Auch im deutschen Recht kann gem. § 25 AufenthG durch die Ausländerbehörden eine Aufenthaltserlaubnis „aus humanitären Gründen“ erteilt werden. 22 Art. 46 Abs. 1 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 7 Opfer des Menschenhandels erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für 30 Tage23, Staatenlosen24 ist es erlaubt, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen25. Bedingte Flüchtlinge26 und Personen, die subsidiären Schutz erhalten, sowie Personen, die vorübergehenden Schutz genießen oder eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis besitzen, sind nicht berechtigt, ihren (Aufenthalts-)Titel in eine Langzeit-Aufenthaltserlaubnis umwandeln zu lassen27. Folglich können sich legal nur von der Türkei als Flüchtlinge anerkannte Personen längerfristig in der Türkei aufhalten. 2.2. Schutzstatus Zweitens ist es für Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen möglich, in der Türkei „internationalen Schutz“ zu erbitten. „Internationaler Schutz“ ist der Status, den Flüchtlinge, bedingte Flüchtlinge und Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus in der Türkei erhalten28. Inhaltlich wird der Begriff des „internationalen Schutzes“ im Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz nicht näher präzisiert. Es handelt sich um ein Schlagwort, das sich nur vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Menschenrechtsschutzes29 und vor allem der des Flüchtlingsbegriffes erfassen lässt. Das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (sog. Genfer Flüchtlingskonvention ) definiert einen Flüchtling als Person, die (…) [sich] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansicht außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will (…). 23 Art. 48 Abs. 1 GAIS. 24 Vgl. die Definition in Art. 3 Abs. 1 ş) GAIS. 25 Art. 51 Abs. 1 a) GAIS. 26 Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.2.. 27 Art. 42 Abs. 2 GAIS. 28 Art. 3 Abs. 1 r) GAIS. 29 Eine Vertiefung ermöglicht die ausführliche Darstellung durch Hurwitz, Agnès, “The collective responsibility of states to protect refugees“, Oxford monographs in international law, Oxford 2009, S. 9 – 44. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 8 Das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge30 führt im Übrigen aus: Eine generelle Voraussetzung für die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft ist die, dass sich der im Besitz einer Staatsangehörigkeit befindliche Antragssteller außerhalb des Landes dieser Staatsangehörigkeit befindet. Es gibt keine Ausnahmen für diese Regel. Internationaler Schutz kann nicht gewährt werden, solange sich eine Person unter der territorialen Hoheit des Heimatlandes befindet. Das UNHCR-Handbuch selbst ist zwar völkerrechtlich nicht verbindlich31. Hinsichtlich der Interpretation der Genfer Flüchtlingskonvention handelt es sich aber um eine Übung gemäß Art. 31 Abs. 3 b) der Wiener Vertragsrechtskonvention32. Dies bedeutet, dass sein Inhalt zur Auslegung der Flüchtlings-Konvention herangezogen werden kann. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass „internationaler Schutz“ Menschen immer dann gewährt werden soll, wenn sich diese (aus Gründen der Flucht oder Vertreibung) außerhalb ihres eigenen Staatsgebietes aufhalten – folglich durch den Herkunftsstaat keinen Schutz erhalten –, in dieses nicht zurückkehren können und nicht die Staatsangehörigkeit des Aufnahmestaates besitzen. (Faire) Asylverfahren der aufnehmenden Staaten sind laut dem UNHCR „Kernbestandteil dieses internationalen Schutzsystems“33. Gleiches folgt u.a. aus den Erwägungsgründen zur EU-Qualifikations -, EU-Asylverfahrens- und EU-Aufnahme-Richtlinie sowie zur Dublin-III-Verordnung. Danach ist eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wesentlicher Bestandteil des Ziels der EU, „schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen“34. Zweck der EU-Qualifikations-Richtlinie ist die Festlegung von Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sowie für den Inhalt des zu 30 UNHCR-Handbuch in der deutschen Übersetzung, Genf 2013, S. 21, Rn. 88. Abrufbar unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=526632914. 31 Das UNHCR-Handbuch wurde – ausweislich seines Vorworts – 1979 auf Ersuchen der Mitgliedsstaaten durch das UNHCR-Exekutivkomitee herausgegeben und stellt somit keinen völkerrechtlichen Vertrag dar. 32 Vgl. das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste „Völker- und menschenrechtliche Vorgaben für Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen“ vom 18.01.2016, S. 8, https://www.bundestag .de/blob/408768/e5632bc349bdd5722303c06481316d7f/wd-2-002-16-pdf-data.pdf. 33 UNHCR, “Note on international protection”, 03.07.2013, S. 7 Nr. 22, http://www.unhcr.org/5232cc309.html. 34 Erwägungsgrund (2), der in allen genannten Richtlinien gleich lautet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 9 gewährenden Schutzes35. Der Begriff des „internationalen Schutzes“ bezeichnet nach der EU- Qualifikations-Richtlinie die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus36. Die Türkei gewährt Flüchtlingen, bedingten Flüchtlingen und Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus internationalen Schutz, wobei sich hinsichtlich des Umfangs dieses Schutzes deutliche Abstufungen abhängig von der jeweiligen Einstufung des Flüchtlings ergeben. Internationaler Schutz wird durch die Türkei nicht gewährt, wenn die Flüchtlinge Schutz oder Unterstützung von Organen oder Vertretungen der Vereinten Nationen erhalten , die nicht der Hohe Kommissar für Flüchtlinge sind, Verstößen gemäß Abschnitt 1 des Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention hinreichend verdächtig sind37. Dies deckt sich mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention und im deutschen Asylgesetz getroffenen Regelungen. Der Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch die Türkei hat außerdem keinen Erfolg , wenn der Flüchtling aus einem sicheren Drittstaat oder dem Erstasylland in die Türkei einreist 38. Auch im deutschen Asylgesetz finden sich diese Bestimmungen39. Der internationale Schutzstatus endet u.a., wenn sich der Flüchtling freiwillig wieder unter den Schutz des Landes stellt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, der Staatenlose seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit oder eine neue Staatsangehörigkeit erlangt bzw. sich in das Land zurückbegibt, in dem er sich zuvor gewöhnlich aufgehalten hat, oder sich der Flüchtling freiwillig wieder in das Land begibt, aus dem er geflohen war40. Normiert ist in dem Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz auch das sog. Non-refoulement-Gebot. Danach soll keine Person, die dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt, an einen Ort abgeschoben werden, an dem sie Opfer von Folter oder unmenschlicher oder entwürdigender Bestrafung oder Behandlung wäre41. Gleiches gilt, wenn Gefahr für Leben 35 Art. 1 der Richtlinie 2011/95/EU. 36 Art. 2 a) der Richtlinie 2011/95/EU. 37 Art. 64 GAIS. 38 Art. 73, 74 GAIS. 39 Vgl. §§ 26a, 29a AsylG. 40 Art. 85 Abs. 1 GAIS. 41 Art. 4 Abs. 1 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 10 oder Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Überzeugung besteht. Das Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz normiert insgesamt vier verschiedene Schutzstatus: 2.2.1. Flüchtlingsstatus Die Türkei hat sowohl das Abkommen als auch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ratifiziert. Allerdings hat sie gemäß Artikel 1 B1 der Konvention erklärt, dass sie unter „Ereignissen , die vor dem 1. Januar 1951“ eingetreten sind, nur Ereignisse versteht, die „vor dem 1. Januar 1951 in Europa“ eingetreten sind (sog. Regionalvorbehalt). Diese Auffassung hat die Türkei auch noch einmal in dem Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz bekräftigt, indem sie dort einen Flüchtling definiert als Person, die sich (...) aufgrund von Ereignissen in europäischen Ländern und der begründeten Angst vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansicht außerhalb des Landes befindet , dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose (…) außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will42. Somit erkennt die Türkei lediglich Flüchtlinge, die aus europäischen Ländern kommen, als Flüchtlinge im eigentlichen Sinne an. Personen, die den Flüchtlingsstatus erhalten, können sich mittels eines durch die türkischen Behörden ausgestellten Identitätsnachweises mindestens drei Jahre in der Türkei aufhalten43. 2.2.2. Bedingter Flüchtlingsstatus Den bedingten Flüchtlingsstatus erhält jede Person, die infolge von Ereignissen außerhalb europäischer Länder und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansicht, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose aufgrund solcher Ereignisse außerhalb des 42 Art. 61 Abs. 1 GAIS. 43 Art. 83 Abs. 1 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 11 Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will44. Personen, die als bedingte Flüchtlinge anerkannt sind, ist es erlaubt, vorübergehend ihren Wohnsitz in der Türkei zu nehmen, bis sie in ein Drittland umgesiedelt werden45. Personen mit bedingtem Flüchtlingsstatus können sich mittels eines durch die türkischen Behörden ausgestellten Identitätsnachweises mindestens ein Jahr in der Türkei aufhalten46. Es handelt sich um einen Schutzstatus, der im deutschen Recht nicht existiert und dem Umstand Rechnung trägt, dass die Türkei bezüglich der Genfer Flüchtlingskonvention einen Regionalvorbehalt getätigt hat. 2.2.3. Subsidiärer Schutzstatus Subsidiären Schutz47 sollen Ausländer oder staatenlose Personen erhalten, die weder als Flüchtling noch als bedingter Flüchtling eingestuft werden können48. Dies ist möglich, wenn bei Abschiebung in das Heimatland oder das Land des gewöhnlichen Aufenthaltes die Verurteilung zum Tode oder die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde, Folter oder unmenschliche oder entwürdigende Behandlung oder Bestrafung drohen würde, eine ernste Bedrohung der Person wegen gewaltsamer, bewaffneter, nationaler oder internationaler Konflikte bestehen würde, und die Person aus diesen Gründen den Schutz des Heimatlandes oder des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht annehmen kann oder will. Personen mit subsidiärem Schutzstatus können sich mit einem durch die türkischen Behörden ausgestellten Identitätsnachweis mindestens ein Jahr in der Türkei aufhalten49. 44 Art. 62 Abs. 1 GAIS. 45 Art. 62 Abs. 1 GAIS. 46 Art. 83 Abs. 2 GAIS. 47 Auch das deutsche Recht kennt die Gewährung „subsidiären Schutzes“, vgl. § 4 AsylG. Durch das Asylpaket II wird der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem Schutzstatus derzeit für zwei Jahre ausgesetzt. Diese Regelung gilt für alle Personen mit subsidiärem Schutzstatus, deren Aufenthaltserlaubnis nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erteilt wird, vgl. https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2016/02/2016- 02-03-asylpaket2.html. 48 Art. 63 Abs. 1 GAIS. 49 Art. 83 Abs. 2 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 12 2.2.4. Vorübergehender Schutzstatus Weiterhin kann die Türkei vorübergehenden Schutz50 denjenigen Ausländern gewähren, die im Zuge eines „großen Zustroms“ in die Türkei gelangt sind und die nicht in das Land zurückkehren können, das sie gezwungenermaßen verlassen mussten51. Eine Verpflichtung der Türkei zur Gewährung vorübergehenden Schutzes besteht somit nicht. Das Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz enthält keine weiteren Regelungen zum vorübergehenden Schutzstatus. Der türkische Ministerrat hat jedoch auf Grundlage der Ermächtigung in Art. 91 Abs. 2 GAIS eine Durchführungsverordnung52 (DVO) erlassen. Ein „großer Zustrom“ ist danach eine Situation, in der eine große Zahl von Menschen desselben Landes oder derselben geographischen Region in die Türkei kommen und die Verfahren zum internationalen Schutzstatus aufgrund der großen Zahl von Menschen nicht individuell angewandt werden können53. Daraus ergibt sich, dass in dem beschriebenen Fall die türkischen Behörden eine politische Gesamtentscheidung über das „Ob“ der Gewährung des vorübergehenden Schutzstatus treffen können, weil eine Prüfung der einzelnen Anträge aufgrund deren Zahl nicht mehr praktikabel ist. Diese Erwägung ist ausdrücklich enthalten in der Richtlinie 2001/55/EG54, so dass sich die türkische Regelung im Wesentlichen mit der des Europäischen Rechts deckt. Auch die Entscheidung über das Ende des vorübergehenden Schutzstatus ist eine politische Entscheidung . Der vorübergehende Schutzstatus soll durch Beschluss des Ministerrats beendet werden 55. Das Innenministerium kann dies dem Ministerrat vorschlagen56. Weiterhin kann der vorläufige Schutzstatus durch den Geflüchteten selbst, z.B. durch Ausreise, beendet werden57. 50 In Deutschland kann ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz erteilt werden, § 24 Abs. 1 AufenthG. 51 Art. 91 Abs. 1 GAIS. 52 Die Verordnung ist in nichtamtlicher, englischer Übersetzung abrufbar unter http://www.goc.gov.tr/files/_dokuman 28.pdf. 53 Art. 3 Abs. 1 j) DVO. 54 Art. 2 a) Richtlinie 2001/55/EG. 55 Art. 11 Abs. 1 S. 2 DVO. 56 Art. 11 Abs. 1 S. 1 DVO. 57 Art. 12 DVO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 13 Der vorübergehende Schutzstatus ist somit grundsätzlich nicht befristet58, seinem Begriff nach allerdings auch nicht auf Dauer angelegt. Für die Flüchtlinge ist dabei – anders als im europäischen Recht59 – nicht erkennbar, wie lange ihnen der vorübergehende Schutz gewährt werden wird und aufgrund welcher Erwägungen der Schutzstatus aufgehoben werden kann. Im Übrigen werden während der Gewährung vorübergehenden Schutzes Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes nicht bearbeitet60, so dass die zeitgleiche Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Gesetzes über die Ausländer und den internationalen Schutz nicht möglich ist61. Anders verhält sich dies im europäischen Recht62. Der von den türkischen Behörden ausgestellte Identitätsnachweis begründet für die Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, das Recht, sich in der Türkei aufzuhalten63. Es handelt sich jedoch ausdrücklich nicht um ein Äquivalent für eine Aufenthaltserlaubnis und begründet auch nicht das Recht, den Titel in eine Langzeit-Aufenthaltserlaubnis umwandeln zu lassen oder einen Antrag auf Erhalt der türkischen Staatsbürgerschaft zu stellen64. Damit wird durch die Gewährung vorübergehenden Schutzes gleichzeitig sichergestellt, dass die Flüchtlinge aus Syrien sich nicht langfristig in der Türkei aufhalten können. Die in die Türkei eingereisten Flüchtlinge aus Syrien, Staatenlose und Flüchtlinge, die aus Syrien kamen und die Grenzen der Türkei im Zuge eines Massen-Zustroms oder aus individuellen Gründen aufgrund der Ereignisse in Syrien nach dem 28. April 2011 erreicht oder überschritten haben, erhalten in der Türkei vorübergehenden Schutz65. Dies gilt selbst dann, wenn sie bereits einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt haben. Am 6. April 2016 wurde in 58 Vgl. auch die entsprechende Aussage der türkischen Delegation: Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR), “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016, http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/Display News.aspx?NewsID=19826&LangID=E. 59 Die Dauer des vorübergehenden Schutzes beträgt ein Jahr und verlängert sich – falls er nicht durch Beschluss des Rates beendet wird – automatisch jeweils um sechs Monate, höchstens jedoch um ein Jahr, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/55/EG. Der vorübergehende Schutz wird bei Erreichen der Höchstdauer oder jederzeit auf Beschluss des Rates beendet; dieser Beschluss gründet auf der Feststellung, dass die Lage im Herkunftsland eine sichere, dauerhafte Rückkehr der Personen, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde, erlaubt, Art. 6 der Richtlinie 2011/55/EG. 60 Art. 16 DVO. 61 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 - 248 (239). 62 „Der vorübergehende Schutzstatus berührt nicht die Anerkennung des Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention“, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/55/EG. 63 Art. 25 Abs. 1 S. 1 DVO. 64 Art. 25 Abs. 1 S. 2 DVO. 65 Abs. 1 des Übergangsartikels der DVO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 14 der Türkei ein Gesetz66 verabschiedet, in dem klargestellt wird, dass syrische Staatsbürger, die im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens in die Türkei zurückkehren, vorübergehenden Schutz beantragen können und erhalten, unabhängig davon, ob sie zuvor bereits in der Türkei registriert waren oder nicht67. 2.3. Unterbringung Hinsichtlich der Unterbringung, dem Erhalt sozialer Leistungen sowie dem Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt ist zwischen den verschiedenen Personengruppen je nach Status zu unterscheiden . Antragsteller im Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes und Personen, die internationalen Schutz genießen, sollen grundsätzlich selbst für ihre Unterbringung sorgen68. Allerdings können sog. Empfangs- und Unterbringungszentren eingerichtet werden69. Personen, die den vorübergehenden Schutzstatus besitzen, sollen zum frühestmöglichen Zeitpunkt , je nach Kapazität, von sog. Zuweisungszentren70 oder Städten in vorübergehende Unterbringungszentren gebracht werden71, die deutschen Flüchtlingsunterkünften entsprechen. In den vorübergehenden Unterbringungszentren sollen Personen mit vorübergehendem Schutzstatus Unterkunft und Mahlzeiten erhalten72. Die GDMV kann ihnen auch erlauben, außerhalb der Unterbringungszentren in bestimmten Provinzen ihren Wohnsitz zu nehmen73. 2.4. Soziale Leistungen Die Gewährung sozialer Unterstützung und Dienstleistungen kann für Antragsteller oder Personen , die internationalen Schutz genießen, erfolgen, wenn sie bedürftig sind74. Ausländer können außerdem Kurse besuchen, in denen sie die Grundlagen der politischen Struktur, Sprache, des 66 Verordnung Nr. 2016/8722 zur Änderung der Verordnung über den vorübergehenden Schutz. 67 Europäische Kommission, “Second report on progress by Turkey in fulfilling the requirements of its visa liberalisation roadmap“, 04.03.2016, S. 4, http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/e-library/documents/policies/international -affairs/general/docs/turkey_second_progress_report_en.pdf. 68 Art. 95 Abs. 1 GAIS. 69 Art. 95 Abs. 2 GAIS. 70 Vgl. die Definition in Art. 3 Abs. 1 n) DVO. 71 Art. 23 Abs. 1 DVO. 72 Art. 3 Abs. 1 e) DVO. 73 Art. 24 Abs. 1 DVO. 74 Art. 89 Abs. 2 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 15 Rechtssystems, der Kultur und der Geschichte der Türkei sowie ihre eigenen Rechte und Pflichten erläutert bekommen75. Nähere Regelungen über die Gewährung sozialer Leistungen trifft das Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz nicht, insbesondere definiert es nicht den Begriff der Bedürftigkeit. Jedoch greifen hier die Regelungen des Gesetzes zur Förderung gegenseitiger sozialer Hilfe und Solidarität ein76. In den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen türkische Staatsbürger und sonstige Personen, die in die Türkei eingereist sind; hierzu sind auch Personen zu zählen, die in der Türkei die Gewährung internationalen Schutzes beantragt haben und denen dieser Status bereits verliehen wurde77. Bedürftige Personen, die sonst über keine soziale Absicherung verfügen, können Geld- und Sachleistungen, z.B. Lebensmittel-, Gesundheits- und Bildungshilfen, beantragen 78. Die Höhe der Hilfen ist im Gesetz nicht vorgegeben, die Bedürftigkeitsgrenze ergibt sich vielmehr aus dem gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohn und wird jährlich neu festgelegt79. Auch Personen, die den vorübergehenden Schutzstatus besitzen, erhalten soziale Leistungen nach dem Gesetz zur Förderung gegenseitiger sozialer Hilfe und Solidarität, wenn sie bedürftig sind80. Somit besteht kein genereller Anspruch von Geflüchteten auf soziale Unterstützung. Der gesetzliche Anspruch auf Leistungen hängt vielmehr von einer im Einzelfall festzustellenden Bedürftigkeit ab. 2.5. Medizinische Versorgung Antragsteller und Personen mit internationalem Schutzstatus, die in Empfangs- oder Unterbringungszentren leben, erhalten dort ihre medizinische Versorgung81. Sind die genannten Personengruppen im Krankheitsfall nicht abgesichert und bedürftig, so erhalten sie Zugang zur medizinischen Versorgung82. Die Versicherungsbeiträge werden in diesem Fall von der GDMV getragen83. 75 Art. 96 Abs. 2 GAIS. 76 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 – 248 (242). 77 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 - 248 (243). 78 Ebenda. 79 Ebenda. 80 Art. 26 Abs. 1 DVO in Verbindung mit Art. 30 Abs. 1 DVO. 81 Art. 96 Abs. 2 GAIS. 82 Art. 89 Abs. 3 a) GAIS. 83 Art. 89 Abs. 3 a) GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 16 Für Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, sollen Gesundheitszentren eingerichtet werden84. Die medizinische Grund- und Notfallversorgung ist dort kostenlos85. Flüchtlinge, die vorübergehenden Schutz genießen und deren Registrierungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, sollen in Notfällen und beim ersten Grenzübertritt medizinische Versorgung erhalten86. In den Abschiebezentren wird denjenigen, die die Kosten nicht vollständig übernehmen können, die medizinische Grund- und Notfallversorgung gratis zur Verfügung gestellt87. Die medizinische Versorgung von Flüchtlingen ist somit gesetzlich garantiert, wenn diese notfallmedizinisch versorgt werden müssen oder bedürftig sind und die Kosten der Behandlung nicht selbst tragen können. 2.6. Zugang zu Bildung Antragsteller oder Flüchtlinge, die internationalen Schutz genießen, sowie ihre Familienmitglieder sollen Zugang zur Grundschul- und Sekundarschulbildung erhalten88. Der Zugang ausländischer Schüler zur Schulbildung einschließlich der zuständigen Stellen wurden vom Kultusministerium am 16. August 2010 in einer Bekanntmachung geregelt89. Erforderlich ist danach ein Antrag, dem Zeugnisse beizufügen sind90; können die Flüchtlinge keine Dokumente vorlegen, so ist der Bildungsstand von einer durch die regionale Unterrichtsverwaltung einzurichtenden Kommission durch Gespräche sowie eine mündliche oder schriftliche Prüfung festzustellen und das Prüfungsergebnis im Anschluss an die jeweilige Schule weiterzuleiten91. Daneben wird bei Flüchtlingen eine Aufenthaltserlaubnis von mindestens sechs Monaten verlangt 92. 84 Art. 27 Abs. 1 a) DVO. 85 Art. 27 Abs. 1 b) DVO. 86 Art. 27 Abs. 4 DVO. 87 Art. 59 Abs. 1 a) GAIS. 88 Art. 89 Abs. 1 GAIS. 89 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 – 248 (241). Die Bekanntmachung erfolgte unter der Nr. 2010/48, B.08.0.OGM.0.72.02.010.06.01/6544. 90 Ebenda. 91 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 – 248 (242). 92 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 17 Die Schulbildung von Personen mit vorübergehendem Schutzstatus soll innerhalb und außerhalb der Unterbringungszentren unter der Kontrolle und Verantwortung des Bildungsministeriums erfolgen93. 2.7. Zugang zum Arbeitsmarkt Antragssteller im Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes oder bedingte Flüchtlinge dürfen sechs Monate nach der Antragsstellung auf Gewährung internationalen Schutzes eine Arbeitserlaubnis beantragen94. Flüchtlinge oder Personen, die subsidiären Schutz erhalten, sollen nach Erhalt des Status selbständig oder angestellt arbeiten können, unabhängig von den Regelungen in anderen Gesetzen, nach denen Ausländern Einschränkungen hinsichtlich der Aufnahme bestimmter Tätigkeiten und Berufe unterliegen95. Der Zugang von Flüchtlingen und Personen mit subsidiärem Schutzstatus zum Arbeitsmarkt kann auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt sein96. Dies hängt davon ab, ob die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die branchenspezifischen und wirtschaftlichen Bedingungen Arbeitskräfte erfordern. Jedoch unterliegen Flüchtlinge oder Personen mit subsidiärem Schutzstatus diesen Einschränkungen nicht, wenn sie seit drei Jahren in der Türkei leben, mit einem türkischen Staatsbürger verheiratet sind oder Kinder haben, die die türkische Staatsbürgerschaft besitzen 97. Personen mit vorübergehendem Schutzstatus können Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten98. Personen , die einen Identitätsnachweis hinsichtlich des vorübergehenden Schutzstatus99 besitzen, können beim Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit eine Arbeitserlaubnis beantragen und zwar in den Bereichen, Berufen und geographischen Gebieten (Provinzen, Bezirken oder Städten), die vom Ministerrat festgelegt werden100. Die Gültigkeit der Arbeitserlaubnis endet spätestens mit der Aufhebung des vorübergehenden Schutzes101. 93 Art. 28 Abs. 1 DVO. 94 Art. 89 Abs. 4 a) GAIS. 95 Art. 89 Abs. 4 b) GAIS. 96 Art. 89 Abs. 4 c) S. 1 GAIS. 97 Art. 89 Abs. 4 c) S. 2 GAIS. 98 Art. 26 Abs. 1 DVO. 99 Einen solchen Nachweis erhalten Personen unter vorübergehendem Schutz, deren Registrierungsprozess abgeschlossen ist, vgl. Art. 22 Abs. 1 DVO. 100 Art. 29 Abs. 2 DVO. 101 Art. 29 Abs. 4 DVO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 18 Am 15. Januar 2016 wurde die „Durchführungsverordnung zur Regelung der Arbeitserlaubnis für Geflüchtete unter vorübergehendem Schutz“ (DVOA) im Gesetzblatt veröffentlicht102. Sie trat am selben Tag in Kraft103. Danach ist es Flüchtlingen mit vorübergehendem Schutzstatus grundsätzlich verboten, in der Türkei ohne Arbeitserlaubnis zu arbeiten104. Die Zuwiderhandlung ist sowohl für den Arbeitgeber als auch den Flüchtling mit einer Geldstrafe bedroht105. Sechs Monate, nachdem der Flüchtling als unter vorübergehendem Schutz stehend registriert wurde, kann beim Arbeitsministerium eine Arbeitserlaubnis beantragt werden106. Der Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis muss in der Regel durch den Arbeitgeber erfolgen107. Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutzstatus, die berechtigt sind, selbst eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, können dies tun108. Zuständige Stelle für den Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis ist die Regierung der Provinz, in der der Flüchtling seinen Wohnsitz hat109. Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutzstatus, die in der bäuerlichen Saisonarbeit oder der Viehzucht tätig werden möchten, können bei dem Gouvernement der jeweiligen Provinz, die den vorübergehenden Schutzstatus gewährt hat, eine Befreiung vom Erfordernis der Arbeitserlaubnis beantragen110. Die Zahl der Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutzstatus in der betreffenden Arbeitsstelle darf 10 Prozent der dort angestellten türkischen Arbeiter nicht übersteigen111. Sind in der Arbeitsstelle weniger als 10 Personen beschäftigt, so darf maximal ein Flüchtling mit vorübergehendem Schutzstatus eingestellt werden112. Weiterhin dürfen die Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutzstatus nicht unter Mindestlohn bezahlt werden113. 102 Die Verordnung ist in türkischer Sprache abrufbar unter http://www.resmigazete.gov.tr/eskiler /2016/01/20160115-23.pdf. Eine nichtamtliche, englische Übersetzung findet sich im Anhang. 103 Art. 14 DVOA. 104 Art. 4 Abs. 1 DVOA. 105 Art. 4 Abs. 2 DVO in Verbindung mit Art. 21 des Gesetzes über Arbeitserlaubnisse für Ausländer. 106 Art. 5 Abs. 1 DVOA. 107 Art. 5 Abs. 2 DVOA. 108 Art. 5 Abs. 3 DVOA. 109 Art. 7 Abs. 1 DVOA. 110 Art. 5 Abs. 4 DVOA. 111 Art. 8 Abs. 1 S. 2 DVOA. 112 Art. 8 Abs. 2 DVOA. 113 Art. 10 Abs. 1 DVOA. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 19 Somit kann nach der „Durchführungsverordnung zur Regelung der Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutzstatus“ beim Bestehen eines Arbeitserlaubnis-Erfordernisses diese nur beantragt werden, nachdem der Flüchtling eine konkrete Zusage seines Arbeitgebers hat, da dieser für ihn das Verfahren auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis initiieren muss. 3. Konkrete Umsetzung der gesetzlichen Regelungen Im Folgenden wird beleuchtet, wie die Regelungen des türkischen Rechts konkret umgesetzt werden . 3.1. Unterbringung Die aktuellen Angaben zu der Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei divergieren. So belief sich laut UNHCR die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei am 11. April 2016 auf 2.749.140114. Eine offizielle Schätzung des türkischen Außenministeriums nannte im März 2016 die Zahl von über 3,1 Millionen registrierten Flüchtlinge; davon seien rund 2,9 Millionen Flüchtlinge aus Syrien115. Derzeit existieren 26 staatliche Flüchtlingscamps in der Türkei (Stand: April 2016)116, die sich in zehn Provinzen – vornehmlich im Südosten der Türkei – befinden117. Davon sind sechs Camps mit Containern ausgestattet, in den restlichen Camps leben die Flüchtlinge in Zelten118. Die Zahlenangaben zu den in den Camps untergebrachten Flüchtlingen sind ebenfalls nicht einheitlich . Laut UNHCR lebten am 11. April 2016 insgesamt 489.538 Flüchtlinge in solchen 114 UNHCR, “Syria Regional Refugee Response”, 11.04.2016. http://data.unhcr.org/syrianrefugees/country .php?id=224. 115 European Commission for Humanitarian Aid and Civil Protection, ECHO Factsheet “Turkey: Refugee crisis”, März 2016, S. 1. Abrufbar unter http://ec.europa.eu/echo/files/aid/countries/factsheets/turkey_syrian_crisis _en.pdf. 116 Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR), “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016, abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=19826&LangID=E; „Türkei vor neuer Flüchtlingswelle“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.07.2015, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa /tuerkei/tuerkei-baut-neues-lager-fuer-syrien-fluechtlinge-13691627.html. Mitte 2015 begann AFAD mit dem Bau eines neuen Flüchtlingslagers für 55.000 Personen in der Grenzprovinz Kilis, das nun fertig gestellt wurde – davor existierten 25 staatliche Lager: European Commission for Humanitarian Aid and Civil Protection, ECHO Factsheet “Turkey: Refugee crisis”, März 2016, S. 2, und Martens, Michael, „Der Herr der Flüchtlingslager “, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015, S. 1. 117 Vgl. die Karte auf dem “Country Operations Profile 2015“ des UNHCR für die Türkei. Eine Auflistung der Camps und Städte, in denen Flüchtlinge leben (Stand November 2014), findet sich außerdem in: Center for middle-eastern strategic studies (ORSAM), “Effects of the syrian refugees on turkey“, Ankara 2015, S. 14 und 15, http://www.orsam.org.tr/en/enUploads/Article/Files/201518_rapor195ing.pdf. 118 Mayer-Rüth, Oliver, „Die vermeintlich heile Flüchtlingswelt“, Tagesschau.de, 23.04.2016, https://www.tagesschau .de/ausland/merkel-tuerkei-121.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 20 Camps119, die Europäische Kommission nannte im März 2016 die Zahl von ungefähr 280.000 Flüchtlingen120. Das Ministerium für Entwicklung der Republik Türkei gab an, dass zum 19. Februar 2016 274.181 Flüchtlinge in Camps lebten. AFAD sprach hingegen von rund 300.000 syrischen Flüchtlingen in den Camps121. Übereinstimmend geben jedoch sowohl UNHCR als auch die Europäische Kommission im selben Zusammenhang an, dass rund 90 Prozent der syrischen Flüchtlinge außerhalb eines Flüchtlingscamps in städtischen Gebieten leben. Laut UNHCR leben 13 Prozent der Flüchtlinge in Camps122. Um die Bedingungen in den Camps ist es ausweislich der verschiedenen Berichterstattungen tendenziell besser bestellt, als um die Bedingungen in den – vor allem städtischen – Gebieten, in denen Flüchtlinge außerhalb von Camps leben123. So müssen die Flüchtlinge außerhalb der Camps auf die bestehenden Kapazitäten der städtischen Infrastruktur zurückgreifen. Eines der größten Probleme für Flüchtlinge, die nicht in Camps leben, stellt daher die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft dar124. Denn aufgrund des erheblich gewachsenen Bedarfs an Wohnraum und der Konkurrenz mit der einheimischen Bevölkerung steigen in den türkischen Städten die Mietpreise kontinuierlich an125. Über die Situation in den Abschiebezentren wurde vor allem durch die Nichtregierungsorganisation Amnesty International kritisch berichtet126. Sorge äußerte hierzu auch das Komitee zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und ihrer Familienangehörigen127. Die türkische Regierung betont, dass die Flüchtlinge in den Abschiebezentren Lebensmittel und medizinische Versorgung sowie das Recht erhielten, sich mit ihrem Rechtsbeistand, Besuchern oder Angehörigen 119 UNHCR, “Syria Regional Refugee Response”, 11.04.2016. 120 European Commission for Humanitarian Aid and Civil Protection, ECHO Factsheet “Turkey: Refugee crisis”, März 2016, S. 2. 121 Martens, Michael, „Der Herr der Flüchtlingslager“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015, S. 1. 122 UNHCR, “Regional Refugee & Resilience Plan 2016-17 Turkey“, 2016, S. 40. 123 Einen Einblick gibt die Befragung 2.100 syrischer Flüchtlinge in der Provinz Hatay: Danish Refugee Council, “Turkey – Field Articles“, S. 142 (Box 1), abrufbar über https://data.unhcr.org/syrianrefugees/regional.php. 124 Kanat, Kilic Bugra und Ustun, Kadir, “Turkey’s syrian refugees – towards integration“, Ankara 2015, S. 21, abrufbar unter http://file.setav.org/Files/Pdf/20150428153844_turkey%E2%80%99s-syrian-refugees-pdf.pdf. 125 Ebenda; außerdem: ORSAM, “Effects of the syrian refugees on turkey“, Ankara 2015, S. 8; Bahadır Dinçer, Osman , Federici, Vittoria, Ferris, Elizabeth, Karaca, Sema, Kirişci, Kemal, Özmenek Çarmıklı, Elif, “Turkey and syrian refugees – the limits of hospitality“, Ankara 2013, S. 16. 126 Amnesty International, “Europe’s gatekeeper”, Dezember 2015, S. 3 – 10, https://www.amnesty.org/en/documents /eur44/3022/2015/en/; Amnesty International, “EU risks complicity in violations”, 16.12.2015, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/12/turkey-eu-refugees-detention-deportation/. 127 OHCHR, “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 21 der Botschaft zu treffen128. Kinder würden in den Abschiebezentren nicht von ihren Familien getrennt 129. Die Berichte von Amnesty International, wonach syrische Flüchtlinge entgegen des Non-refoulement -Gebots aus der Türkei nach Syrien abgeschoben würden130, hat die türkische Regierung bestritten 131. 3.2. Soziale Leistungen Laut der türkischen Regierung erhalten die Flüchtlinge in den Unterbringungszentren u.a. Lebensmittel und psychologische Hilfe132. Außerdem werden Sprachkurse angeboten133. Die Flüchtlinge in den Camps können Lebensmitteln mit Hilfe eines Kreditkartensystems (sog. Cash Card System) in den Geschäften im Camp erwerben134. So berichtete die New York Times im Februar 2014, dass Flüchtlinge bei ihrer Registrierung eine Kreditkarte erhielten, die sie zum monatlichen Einkauf mit umgerechnet rund 25 Euro pro Person für Lebensmittel und rund 9 Euro für Verschiedenes berechtige135. Laut einem Bericht des Stern vom Februar 2016 erhielten die Bewohner der Camps pro Monat für Lebensmittel 15 Euro vom World Food Programme sowie weitere 20 Euro von der türkischen Regierung und AFAD für die Dinge des täglichen Bedarfs, z.B. Kleidung oder Hygieneartikel136. Flüchtlinge, die außerhalb der staatlichen Camps leben, werden grundsätzlich nicht von den türkischen Behörden mit Lebensmitteln versorgt. Verantwortlich hierfür ist laut einer entsprechenden Anordnung der türkischen Regierung nunmehr der rote Halbmond137. Die Flüchtlinge 128 OHCHR, “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016. 129 Ebenda. 130 Amnesty International, ”Illegal mass returns of syrian refugees“, 01.04.2016, https://www.amnesty.org/en/latest /news/2016/04/turkey-illegal-mass-returns-of-syrian-refugees-expose-fatal-flaws-in-eu-turkey-deal/. 131 OHCHR, “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016. 132 Ebenda. 133 Kanat, Kilic Bugra und Ustun, Kadir, “Turkey’s syrian refugees – towards integration“, Ankara 2015, S. 24. 134 Kanat, Kilic Bugra und Ustun, Kadir, “Turkey’s syrian refugees – towards integration“, Ankara 2015, S. 18. 135 McClellandfee, Mac, ”How to build a perfect camp“, The New York Times Magazine, 13.02.2014, http://www.nytimes.com/2014/02/16/magazine/how-to-build-a-perfect-refugee-camp.html?_r=0. 136 Kruse, Niels, „Niemand will so lange zu Gast sein“, Stern, 04.02.2016, http://www.stern.de/politik/ausland/tuerkei --fluechtlinge-aus-syrien-sind-gerne-zu-gast--aber-auch-zu-lange-6651022.html. 137 “Turkish Red Crescent ready to serve new wave of syrian refugees“, Daily Sabah, 05.02.2016, http://www.dailysabah .com/nation/2016/02/05/turkish-red-crescent-ready-to-serve-new-wave-of-syrian-refugees. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 22 erhalten außerdem Lebensmittel oder aufgeladene Kreditkarten von den Vereinten Nationen oder NGOs, z.B. der Welthungerhilfe138. 40 Prozent der Flüchtlinge, die nicht in einem staatlichen Camp leben, kaufen Lebensmittel mittels des Kreditkartensystems, 20 Prozent der Flüchtlinge verwenden ihre Ersparnisse für die Einkäufe von Lebensmitteln139. 28 Prozent der Flüchtlinge sparen Geld in den Bereichen Gesundheit und Bildung für Lebensmittel ein, indem sie beispielsweise keine Schulmaterialien für ihre Kinder kaufen140. 16 Prozent der Flüchtlinge, die nicht in einem staatlichen Camp leben, beteiligen ihre Kinder im schulpflichtigen Alter (z.B. durch Kinderarbeit), um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern141. 3.3. Medizinische Versorgung In den Camps nutzten im Jahr 2014 fast 90 Prozent der Flüchtlinge die dortigen medizinischen Einrichtungen, außerhalb von Camps nutzten weniger als 60 Prozent der Flüchtlinge die örtlichen medizinischen Einrichtungen142. Dennoch ist in einigen grenznahen Städten im Süden der Türkei das örtliche Gesundheitssystem durch die zusätzliche Behandlung von Flüchtlingen überlastet143. So waren im Jahr 2014 30 bis 40 Prozent der Behandelten in Krankenhäusern grenznaher Provinzen syrische Flüchtlinge144. Hierbei handelt es sich nicht nur um Flüchtlinge, die außerhalb von Camps leben, sondern auch um Flüchtlinge, die aus den Camps – z.B. für spezielle Behandlungen – in die örtlichen Krankenhäuser geschickt werden145. 3.4. Zugang zu Bildung Es wird geschätzt, dass rund 30 bis 35 Prozent der geflohenen Syrer in der Türkei Kinder im schulpflichtigen Alter sind146. Laut UNHCR gab es im August 2015 über 663.000 registrierte syrische Flüchtlingskinder im schulpflichtigen Alter, von denen geschätzt 433.000 die Schule nicht 138 Ginten, Ernst August, „UN verteilen Kreditkarten an hungernde Flüchtlinge“, Die Welt, 16.10.2013, http://www.welt.de/wirtschaft/article120970181/UN-verteilen-Kreditkarten-an-hungernde-Fluechtlinge.html; Welthungerhilfe, „Spenden für Syrien“, 15.03.2016, http://www.welthungerhilfe.de/spenden-fuer-syrien.html; 139 UNHCR, ”Regional refugee & Resilience plan 2016-2017”, 2016, S. 31. 140 UNHCR, ”Regional refugee & Resilience plan 2016-2017”, 2016, S. 31. 141 UNHCR, ”Regional refugee & Resilience plan 2016-2017”, 2016, S. 31. 142 UNHCR, “Regional Refugee & Resilience Plan 2015-16 Turkey“, 2015, S. 7. 143 Martens, Michael, „Der Herr der Flüchtlingslager“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015, S.1. 144 ORSAM, “Effects of the syrian refugees on turkey“, Ankara 2015, S. 9. 145 ORSAM, “Effects of the syrian refugees on turkey“, Ankara 2015, S. 12. 146 Kanat, Kilic Bugra und Ustun, Kadir, “Turkey’s syrian refugees – towards integration“, Ankara 2015, S. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 23 besuchten147. Die türkische Regierung gab im April 2016 an, dass 333.000 syrische Kinder in der Türkei die Schule besuchten148. Während die Zahlen der Kinder in den Camps, die am Schulunterricht teilnehmen, noch relativ hoch sind, beträgt die Einschulungsquote außerhalb der Camps unter 30 Prozent149. Dabei ist auch auffällig, dass die Einschulungsquoten in den unteren Stufen wesentlichen höher sind als in den oberen Stufen150. Laut den türkischen Behörden werden für die Flüchtlingskinder eine formelle (formal), informelle (non-formal) und eine freie (open) Schulbildung gewährleistet151. AFAD betreibt 70 Schulen in den Camps, dem türkischen Bildungsministerium unterstehen weitere 75 Einrichtungen außerhalb der Camps152. Außerdem können ehrenamtliche syrische Lehrer bestimmte Schulen nutzen, um syrische Flüchtlingskinder im Anschluss des regulären Schulunterrichts zu unterrichten153. Schulsachen und -materialien werden teilweise von UNICEF gestellt 154. Die Unterrichtssprache in den speziell für Flüchtlingskinder eingerichteten Schulen ist Syrisch155. Die Qualität der regulären türkischen Schulen, insbesondere ihre personelle und sachliche Ausstattung , stellen ein Problem angesichts der gestiegenen Schülerzahlen sowie der sprachlichen Barrieren für syrische Flüchtlingskinder dar156. Weiterhin fehlt vielen Kindern die für den Besuch einer staatlichen Schule erforderliche Aufenthaltsgenehmigung157. Wird ihnen dennoch erlaubt , am Schulunterricht als Gast teilzunehmen, so erhalten sie – ebenso wie in staatlich nicht anerkannten Schulen – kein Zeugnis oder eine Bescheinigung der Teilnahme am Unterricht158, sodass sie keinen Nachweis hierüber haben. 147 UNHCR, ”Regional refugee & resilience plan 2016-2017”, 2016, S. 34. 148 Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR), “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016. 149 UNHCR, ”Regional refugee & resilience plan 2016-2017”, 2016, S. 34. 150 UNHCR, “Regional refugee & resilience plan 2016-2017”, 2016, S. 34. 151 Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR), “Committee on the Protection of the Rights of Migrant Workers examines the initial report of Turkey”, 15.04.2016. 152 Kanat, Kilic Bugra und Ustun, Kadir, “Turkey’s syrian refugees“, Ankara 2015, S. 23 und 24. 153 OECD, “Making integration work“, Paris 2016, S. 48. 154 Kanat, Kilic Bugra und Ustun, Kadir, “Turkey’s syrian refugees“, Ankara 2015, S. 24. 155 Ebenda. 156 Dorman, Stephanie, “Educational needs assessment for urban Syrian refugees in turkey” (2014), S. 4. 157 Ebenda. 158 Dorman, Stephanie, “Educational needs assessment for urban Syrian refugees in turkey” (2014), S. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 24 Ein weiteres Problem besteht darin, dass Flüchtlingskinder zum Teil auch zum Lebensunterhalt der Familien beitragen müssen und dadurch vom Schulbesuch abgehalten werden. So wurden bereits Fälle von Arbeit durch Flüchtlingskinder in Textilfabriken registriert159. 3.5. Zugang zum Arbeitsmarkt Im Jahr 2014 wurden laut Angaben des türkischen Ministeriums für Arbeit und Soziale Sicherheit insgesamt 52.304 Arbeitserlaubnisse an Ausländer erteilt160. Der Anteil der Flüchtlinge ergibt sich hieraus jedoch nicht. Gemäß einer Äußerung des Vizepremierministers Numan Kurtulmus wurden bis Januar 2016 jedoch rund 7.300 Arbeitserlaubnisse an syrische Flüchtlinge vergeben161. Seit Inkrafttreten der „Durchführungsverordnung über die Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Geflüchtete unter vorübergehendem Schutz“ im Januar 2016 haben laut der GDMV rund 2.000 syrische Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis beantragt162. Die Zahl der tatsächlich erteilten Genehmigungen wurde nicht bekanntgegeben163, so dass eine Einschätzung der Lage für syrische Flüchtlinge auf dem türkischen Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Zwar kommen die Regelungen der DVOA den Flüchtlingen insofern zugute, als dass sie durch die Garantie des Mindestlohns und die Beschränkung der Zahl der Flüchtlinge in einer Arbeitsstelle die Ausbeutung der Flüchtlinge als billige Arbeitskräfte in Fabriken verhindern sollen. Faktisch problematisch ist aber für die Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutzstatus, dass die Behörden im Rahmen des Verfahrens auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung eine Arbeitszusage des Arbeitgebers verlangen und dieser das Verfahren auf Erteilung der Arbeitserlaubnis betreiben muss; während des Verfahrens muss der Arbeitgeber den Arbeitsplatz somit für den Flüchtling freihalten164, was potenzielle Arbeitgeber – ebenso wie die Zahlung des Mindestlohns und die zahlenmäßige Beschränkung der beschäftigten Flüchtlinge – rein faktisch von der Beschäftigung 159 Pitel, Laura, “Syrian refugee children found working in Next and H&M factories”, The Independent, 01.02.2016, abrufbar unter http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/syrian-children-found-working-for-ukclothing -suppliers-including-next-and-hm-a6845431.html. 160 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 244 Fn. 55. 161 Gurses, Ercan und Ozkan, Mert, “Turkey plans to introduce work permits for Syrian refugees”, Nachrichtenagentus Reuters, 11.01.2016, http://www.reuters.com/article/us-europe-migrants-turkeyid USKCN0UP0QP20160111. 162 Kingsley, Patrick, “Fewer than 0.1% of Syrians in Turkey in line for work permits”, The Guardian, 11.04.2016, http://www.theguardian.com/world/2016/apr/11/fewer-than-01-of-syrians-in-turkey-in-line-for-work-permits. 163 Kingsley, Patrick, “Fewer than 0.1% of Syrians in Turkey in line for work permits”, The Guardian, 11.04.2016. 164 Gold, Shabtai, “Without work permits, Syrian refugees vow to leave Turkey for Europe”, Deutsche Presseagentur , 15.02.2016, http://www.dpa-international.com/news/top_stories/without-work-permitssyrian-refugees -vow-to-leave-turkey-for-europe-a-48296082.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 25 von Flüchtlingen abhalten kann. Tatsächlich arbeitet – trotz der gesetzlichen Regelung – eine Vielzahl syrischer Flüchtlinge in der Türkei ohne Arbeitserlaubnis und unter Mindestlohn165. 4. Zusammenfassung Der Umfang des von der Türkei gegenüber Flüchtlingen gewährten Schutzes und deren soziale Absicherung ist an den jeweiligen Status geknüpft166, der ihnen von der Türkei verliehen wird. Dieser Status wiederum hängt vor allem von der geographischen Herkunft der Flüchtlinge ab. Entsprechend dem Regionalvorbehalt, den die Türkei zur Genfer Flüchtlingskonvention erklärt hat, erkennt die Türkei nur solche Flüchtlinge konventionsrechtlich an, die aus europäischen Ländern kommen167. Neben den im deutschen Recht bekannten Schutz-Status sieht das türkische Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz auch den sog. bedingten Flüchtlingsstatus vor. Es handelt sich um einen Status, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Türkei bezüglich der Genfer Flüchtlingskonvention einen Regionalvorbehalt hat. Die Entscheidung über die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines sog. Massen- Zustroms ist – wie im europäischen Recht – eine politische Entscheidung. Die Flüchtlinge aus Syrien besitzen in der Türkei den vorübergehenden Schutzstatus, der zwar grundsätzlich nicht befristet ist, im Ergebnis aber dennoch den dauerhaften Aufenthalt in der Türkei ausschließt. Dies folgt insbesondere aus der Tatsache, dass während der Gewährung vorübergehenden Schutzes von den türkischen Behörden keine Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes (z.B. als Flüchtling im Sinne des türkischen Rechts) bearbeitet werden und weiterhin nur von der Türkei tatsächlich als Flüchtlinge anerkannte Personen eine Langzeit-Aufenthaltserlaubnis beantragen können. Problematisch ist, dass für die Flüchtlinge nicht erkennbar ist, wie lange ihnen der vorübergehende Schutz gewährt werden wird und aufgrund welcher Erwägungen der Schutz beendet werden kann. Durch die Regelungen der DVOA, die grundsätzlich dem Schutz der Flüchtlinge dienen, besteht aufgrund der verfahrenstechnischen Abhängigkeit der Flüchtlinge von ihrem Arbeitgeber die Gefahr , dass die Flüchtlinge von diesem bei der Beantragung einer Arbeitserlaubnis dazu angehalten werden, ohne Arbeitserlaubnis – und unter Mindestlohn – zu arbeiten. Eine aktive Mitarbeit von NGOs und Vertretern der Vereinten Nationen in den Empfangs-, Unterbringungs - und Abschiebezentren ist gesetzlich nicht vorgesehen, geregelt ist lediglich die Möglichkeit eines „Besuchs“. Ob und, wenn ja, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt eine 165 Bidinger, Sarah, “Syrian refugees and the right to work: Developing temporary protection in Turkey“, Boston University International Law Journal, Vol. 33, 14.01.2015, S. 235; Kruse, Niels, „Zwölf Stunden Walnüsseknacken für 1,50 Euro“, Stern, 25.12.2015, http://www.stern.de/politik/ausland/fluechtlinge-imtuerkischen -gaziantep--zum-leben-zu-wenig--zum-sterben-zu-viel-6604318.html; Kingsley, Patrick, “Fewer than 0.1% of Syrians in Turkey in line for work permits”, The Guardian, 11.04.2016. 166 Körtek, Yasemin, „Sozialer Schutz für Flüchtlinge in der Türkei“, Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, 29. Jahrgang 2015, S. 235 – 248 (237). 167 Vgl. Artikel 1 B1 der Genfer Flüchtlingskonvention und Art. 61 Abs. 1 GAIS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 26 Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen mit der GDMV erfolgen kann, hängt vom guten Willen der GDMV ab. Die Situation von Flüchtlingen in Camps stellt sich tendenziell besser dar als die Situation von Flüchtlingen, die außerhalb von Camps in städtischen Gebieten leben. Für Flüchtlinge, die außerhalb von Camps leben, bestehen Kapazitätsprobleme vor allem hinsichtlich Unterbringung, medizinischer Versorgung und dem Zugang zu Bildung. 5. Anhang „Regulation on work permits of foreigners under temporary protection”168. REGULATION ON WORK PERMITS OF FOREIGNERS UNDER TEMPORARY PROTECTION Decision Number: 2016/8375 Official Journal date: 15.01.2016 Objective and scope ARTICLE 1- (1) The objective of this Regulation is to determine the procedures and principles pertaining to the employment of foreigners provided temporary protection under Article 91 of the Law No. 6458 on Foreigners and International Protection of 4/4/2013. Basis ARTICLE 2- (1) This Regulation has been prepared on the basis of Article 91 of the Law No. 6458, and Article 29 of the Regulation on Temporary Protection entered into force on the basis of the Decision of the Council of Ministers. Definitions ARTICLE 3- (1) For the purposes of the implementation of this Regulation, the following terms shall be construed as follows; a) Ministry: Ministry of Labour and Social Security, 168 Übermittelt in der nichtamtlichen, englischen Übersetzung durch das Auswärtige Amt am 19.04.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 27 b) Education professional : teachers, expert and master trainers as defined by the Basic Law on National Education of 14/6/1973 with no 1739, and instructors as defined by the Higher Education Law of 4/11/1981 with no, c) Health professional : physicians and specialists according to the legislation on specialisation in medicine, as well as nurses, midwives and opticians, and other health professionals defined in additional Article 13 of the Law of 11/4/1928 with no: 1219, ç) Foreign ID no: that number that is the basis for any procedures and records of corporations and other natural and legal persons within the scope of the third paragraph Article 5 of the Regulation on Keeping the Birth Registries of Foreigners Residing in Turkey, entered into force upon the Decision of the Council of Ministers of 27/9/2006 with no 2006/11057. Requirement to obtain work permits ARTICLE 4- (1) Foreigners who have been provided temporary protection shall not work or be recruited in Turkey in the absence of a work permit. (2) Foreigners under temporary protection who work without a work permit and those recruiting such foreigners shall be subject to the relevant provisions of the Law on Work Permits of Foreigners 27/2/2003 with no 4817. Application for work permit and exemption from work permit ARTICLE 5- (1) Foreigners under temporary protection may apply to the Ministry to obtain work permits six months after the date of registration of temporary protection. (2) Applications for work permits shall be submitted by the employer that recruits the foreigners under temporary protection, via e-Government Office. (3) Foreigners under temporary protection who are entitled to apply for independent work permits shall apply on their behalf. (4) Foreigners under temporary protection who will work in seasonal agricultural or livestock breeding activities shall be under the scope of work permit exemption. Applications for work permit exemptions shall be filed to the governorate of the province which has provided temporary protection. These applications shall be conveyed to the Ministry by the relevant governorate. (5) Ministry may announce provincial or quota restrictions for foreigners under temporary protection who will work in seasonal agricultural or livestock breeding activities. Evaluation ARTICLE 6- (1) In the evaluation of applications for work permits, Ministry shall determine evaluation criteria pursuant to Article 13 of the Implementation Regulation of the Law on Work Permits of Foreigners promulgated in the Officials Gazette of 29/8/2003 with no 25214. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 28 (2) Applications for work and professional jobs which may merely be executed by Turkish citizens as stipulated by laws, shall be dismissed without evaluation. (3) In order to apply to the Ministry for work permits; Health care professionals are required to obtain preliminary permits from the Ministry of Health, and the education professional are required to obtain preliminary permits from the Ministry of National Education or Presidency of the Higher Education Council. Applications without a preliminary permit certificate shall be dismissed without evaluation. Provinces to issue work permits ARTICLE 7- (1) In granting right to apply for work permits to the foreigners under temporary protection , the provinces where the foreigners are permitted to reside pursuant to Article 24 of the Regulation on Temporary Protection, shall be taken as basis. (2) In the provinces where on the basis of a notification by the Ministry of Interior work permits cannot be issued due to public order, public security or public health risks, the process of issuing work permits shall be suspended by the Ministry. In such provinces, work permits already issued shall not be extended further. However in cases where the foreigner's right to reside in that province is still valid, then work permits previously issued and currently valid shall be in effect until date of expiry. Employment quota ARTICLE 8- (1) In the evaluation of the applications for work permit, the Ministry can apply the employment quota for foreigners under temporary protection at variable ratios taking into consideration the [number of] open positions and recruitments per sector and province in view of the number of Turkish citizens employed at the work place. Reserving the provision set out in paragraph three, the number of foreigners enjoying temporary protection and working at the work place for which work permit application has been filed, cannot exceed 10% of the Turkish citizens employed at that work place. (2) At work places where the total number of employees is less than ten, maximum one foreigner under temporary protection can be employed. (3) Employment quota may not apply in those applications where the employer receives a document --from the Provincial Directorate of Labor and Employment Agency which the work place is registered with-- demonstrating that it had been unable to find a Turkish citizen of the same qualification with the foreigner to fulfill the job that the latter would be fulfilling, during the four weeks period prior to the date of the work permit application. Issuance of the work permit and notification ARTICLE 9- (1) Foreigners, whose applications have been found eligible, shall be issued a work permit by the Ministry and the situation is notified to the Ministry of Interior and the employer. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 29 (2) Work permit exemptions issued for foreigners under temporary protection who have been found eligible for seasonal agricultural or livestock-related works, shall be notified to the relevant governorates. Wages ARTICLE 10- (1) Foreigners under temporary protection cannot be paid less than the minimum wage. Working in associations, foundations and non-profit organizations ARTICLE 11- (1) Associations which enjoy the status of public benefit organizations pursuant to the Associations Law dated 4/11/2004 and numbered 5253 and foundations, which enjoy tax exemption pursuant to Law dated 30/7/2003 and numbered 4962 amending Certain Laws and Granting Tax Exemption to Foundations, may file an application with the Ministry in order to be able to employ foreigners under temporary protection for humanitarian assistance activities. (2) The Turkey branches or representations of the non-profit organizations, save those associations , branches or representations of associations, federations, confederations, foreign associations which are not covered by paragraph one as well as those associations and foundations whose headquarters are based abroad, may file an application with the Ministry in order to be able to employ foreigners under temporary protection. However, positive opinion of the Ministry of Interior shall be sought with respect to the applying organization. The applications of those organizations which could not get a positive opinion shall be eliminated without need for evaluation . Vocational training ARTICLE 12- (1) Applications may be filed with the Ministry for those who would participate in vocational trainings or on-the-job trainings at a work place in the scope of courses and programs organized by Turkish Employment Agency under active labor market services, and to enable such people to be recruited at the same workplace after the completion of those trainings. (2) In those applications to be filed in the scope of this article, the Ministry may exercise workplace quota in a different manner. Various provisions ARTICLE 13- (1) The rights and obligations of the foreigners under temporary protections and of the employers, which arise from the labor and social security legislation, shall be reserved. (2) On matters pertaining to the employment of foreigners under temporary protection, which have not been regulated in this Regulation herein, the provisions set out in Law no 4817 and those set out in the Implementing Regulation on the Law concerning Foreigners’ Work Permits. (3) Work permits of those foreigners whose temporary protection has been terminated or annulled in the scope of the Temporary Protection Regulation shall be cancelled. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 053/16 Seite 30 Enforcement ARTICLE 14- (1) This regulation shall become effective upon promulgation. Execution ARTICLE 15- (1) The provisions of this regulation shall be executed by the cabinet of ministers.