© 2017 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 051/17 Digitalisierung und Entwicklungspolitik Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 2 Digitalisierung und Entwicklungspolitik Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 051/17 Abschluss der Arbeit: 11. Juli 2017 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 1.1. Begriffsklärung: Digitalisierung und digitale Transformation 4 1.2. Grundsätzliche Erwägungen 4 1.2.1. Grundlagen der Digitalisierung: Energie und physische Infrastruktur 5 1.2.2. Leapfrogging 5 1.2.3. Chancen und Potentiale der Digitalisierung 5 1.2.4. Herausforderungen und Probleme 6 2. Zwischenstand: Digitalisierung zeigt bislang zu wenig Vorteile 7 3. Digitalisierung in den Konzepten und Programmen der Vereinten Nationen 8 3.1. Weltgipfel zur Informationsgesellschaft 9 3.2. ICT Development Index 10 3.3. Broadband Commission for Sustainable Development 11 3.4. Digitalisierung im Zusammenhang mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen 13 3.5. Principles of Digital Development 15 3.6. Fallbeispiel: Digital Good 15 4. Digitalisierung in der Entwicklungspolitik der Europäischen Union 16 5. Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit der Vereinigten Staaten 16 5.1. Digitalisierung im Rahmen des U.S. Global Development Lab 16 5.2. Beispiele für amerikanische EZ-Projekte mit IT-Bezug 18 6. Chinas Beitrag zur Digitalisierung in Entwicklungsländern 18 7. Erwägungen zum Konnex Digitalisierung und Good Governance 20 8. Anlagenverzeichnis 22 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 4 1. Einführung Die vorliegende Ausarbeitung beleuchtet die Rolle der Digitalisierung bzw. der digitalen Infrastruktur in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Dargestellt werden zunächst supranationale Agenden zur Förderung der Digitalisierung in der Welt im Allgemeinen und sodann zur Förderung der Digitalisierung in Entwicklungs- und Schwellenstaaten im Besonderen. Die „internationale Digitalisierungspolitik“ der Europäischen Union ist ein weiterer in dieser Ausarbeitung dargelegter Aspekt. In einem dritten Hauptabschnitt werden die nationalen Strategien ausgewählter Staaten – der USA, Chinas und Frankreichs – erläutert. Schließlich wird kurz erörtert, inwieweit Digitalisierung der guten Regierungsführung (good governance) dienlich sein könnte. Im Anlagenverzeichnis finden sich einige Studien und andere Dokumente, die das Thema bzw. einige der Aspekte des sehr umfassenden Themenkomplexes vertiefen. 1.1. Begriffsklärung: Digitalisierung und digitale Transformation Grundsätzlich bedeutet Digitalisierung die Veränderung von Prozessen und Objekten durch den zunehmenden Einsatz von digitaler Technik. Das Wort wird oft synonym mit digitaler Transformation bzw. digitalem Wandel verwendet und beschreibt in diesem Sinne die umfassende Veränderung aller möglichen Aspekte des menschlichen Lebens durch die Digitalisierung, z.B. Kommunikation, Arbeit, Wissenschaft, Politik, Presse, Kultur oder Verwaltung. Die digitale Transformation ist dabei nicht nur ein einfaches Ersetzen von traditionellen durch digitale Techniken (z.B. von papiernen Akten durch elektronische), sondern bringt auch selbst ganz neue Lösungen, Anwendungen und Techniken hervor, die z.B. aufgrund ihrer Schnelligkeit beim Datenaustausch und Vernetzbarkeit vor dem digitalen Zeitalter nicht anwendbar oder gar nicht denkbar waren. Der digitale Wandel geht dabei in Industrieländern so weit und ist so tiefgreifend, dass oft von einer zweiten Industriellen Revolution gesprochen wird. Zwischen Industrie- und Entwicklungsländern besteht nach wie vor ein großes Ungleichgewicht im Hinblick auf die Digitalisierung. Dies wird als digitale Kluft (digital divide) bezeichnet. 1.2. Grundsätzliche Erwägungen Auch in Entwicklungsstaaten, in denen zum Teil die etwa in Europa existierenden analogen Techniken noch gar nicht oder nur lückenhaft zur Anwendung gekommen sind, vollzieht sich die Digitalisierung, bzw. könnte sich dort vollziehen. Hierbei spielen zwei Faktoren eine fundamentale Rolle: die Energieversorgungsinfrastruktur als unabdingbare Grundlage (siehe Abschnitt 1.2.1) sowie das wirtschaftswissenschaftliche Konzept des Leapfrogging (Abschnitt 1.2.2). Des Weiteren kann der digitale Wandel Staat und Gesellschaft Chancen bieten (Abschnitt 1.2.3), aber auch vor grundsätzliche Herausforderungen und Probleme stellen (Abschnitt 1.2.4). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 5 1.2.1. Grundlagen der Digitalisierung: Energie und physische Infrastruktur Grundvoraussetzung für die Digitalisierung ist zunächst die Bereitstellung der dafür notwendigen Infrastruktur, nämlich die sichere Elektrizitätsversorgung sowie – für die digitale Vernetzung – ein funktionsfähiges Kabel- oder Mobilfunknetz. Auch lässt sich z.B. die lokale Wirtschaft nicht allein durch Digitalisierung vitalisieren – notwendig sind dazu konkrete, physische Verbesserungen, etwa im Transport- und Verkehrswesen sowie immaterielle Verbesserungen bei der Bildung und der Gesetzgebung. Insbesondere die Energieversorgung als Grundbedingung der Digitalisierung stellt viele Entwicklungsstaaten, vor allem im Afrika südlich der Sahara, immer noch vor enorme Schwierigkeiten. Auf dem afrikanischen Kontinent leben immer noch nur 35 Prozent der Bevölkerung in einem Haushalt mit Stromversorgung.1 Von den derzeit geschätzten 33 Milliarden US-Dollar, die jedes Jahr in den Ausbau der Stromversorgung in Afrika investiert werden müssten, wurden z.B. im Jahre 2015 nur 12 Milliarden investiert.2 Schon diese Tatsachen setzen der Digitalisierung Afrikas3 immer noch enge Grenzen. Dies gilt es bei allen folgenden Ausführungen zu beachten. 1.2.2. Leapfrogging Dass Entwicklungsstaaten keineswegs den gesamten Entwicklungsprozess der Industrieländer nachvollziehen müssen, zeigt das Phänomen des Leapfrogging: einzelne Entwicklungsstadien, insbesondere bei Technologien, können übersprungen werden. So gab es beispielsweise in vielen Entwicklungsstaaten nie einen nennenswerten Markt für VHS-Videokassetten und -rekorder – stattdessen gehörten sie zu den ersten Ländern, in denen DVDs weit verbreitet waren. Im Kontext der Digitalisierung von Entwicklungsländern dürfte das bedeutendste Beispiel der Aufbau von Mobilfunknetzen ohne vorherigen Aufbau von Festnetzen sein. Leapfrogging ermöglicht es daher, in bestimmten Feldern sprunghaft mit den Industriestaaten gleichzuziehen oder sie sogar in einigen Bereichen zu überholen. Es besteht also kein Grund dafür, dass Entwicklungsstaaten die gesamten Entwicklungen der westlichen Industriestaaten „nachholen“ müssen, bevor sie sich der Digitalisierung zuwenden. 1.2.3. Chancen und Potentiale der Digitalisierung Digitalisierung bedeutet auch eine drastische Steigerung von Schnelligkeit und Effizienz von Arbeitsprozessen und eine Beschleunigung neuer Entwicklungen. Damit ergeben sich für die 1 Abdi Latif Dahir, Private investment could be the key to bringing electricity to millions of Africans, Quartz am 22. Juni 2017, https://qz.com/1012173/private-investment-could-help-bring-electricity-to-millions-of-homes-inafrica / (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). 2 Abdi Latif Dahir (Anm. 1). 3 Auf den anderen Kontinenten sieht es deutlich besser aus: in Südasien leben 78 Prozent der Menschen mit Elektrizität, in anderen Regionen liegt der Elektrifizierungsgrad zwischen 96 und 100 Prozent (vgl. Abdi Latif Dahir (Anm.1)). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 6 Entwicklungsstaaten – und somit auch für Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit – neue Ansätze und Chancen. Ganz grundsätzlich kann die Digitalisierung besonders durch drei Effekte die (wirtschaftliche) Entwicklung eines Landes positiv beeinflussen: zum einen sinkende Transaktionskosten (Beispiel: bei einem Online-Shop, bei dem die gesamte Interaktion zwischen Geschäft und Kunden im Internet abläuft, verursacht jeder zusätzliche Kunde so gut wie keine zusätzlichen Kosten), zum zweiten sinkende Arbeitskosten (durch Einsparung menschlicher, physischer Arbeit) und zum dritten erhöhte Markttransparenz, die durch vernetzte Technik möglich wird (Beispiel: ein Bauer muss nicht erst lange Wege zu einem Markt zurücklegen, bevor er weiß, ob sich der Verkauf seiner Produkte dort angesichts der Tagespreise überhaupt lohnt). Das fördert die Wirtschaft und damit den Wohlstand in einem Land. Des Weiteren sind andere, mehr auf den Entwicklungsstaaten-Kontext bezogene Möglichkeiten denkbar: so z.B. verbesserte Bildung (Beispiel: Lernen online) und Vermeidung von Korruption und deren hohe volkswirtschaftliche und politische Kosten (Beispiel: anstatt bei jedem Behördengang Bestechungsgelder zahlen zu müssen, werden administrative Angelegenheiten durch den Bürger im Internet, per SMS oder App erledigt). 1.2.4. Herausforderungen und Probleme Der digitale Wandel bietet nicht nur Chancen, sondern kann für Staaten, Volkswirtschaften und Gesellschaften auch Herausforderungen und Probleme bedeuten. Diese sind vor allem - der Wegfall von Arbeitsplätzen durch digitalisierte Fertigungs- und Geschäftsabläufe und damit einhergehend Lohnverfall durch stärkere Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, - die Bildung von Quasi-Monopolen durch global agierende IT-Konzerne bzw. IT-basierte Konzerne, etwa Amazon oder Baidu, und damit verbunden auch - Kapitalkonzentration, - neue Formen von Kriminalität, - Anfälligkeit digitaler, vor allem vernetzter, Technologien für Angriffe mittels Viren, Trojaner etc. und dadurch das Entstehen neuartiger Gefährdungen in Bereichen, die von der Verteidigungspolitik bis zum individuellen Datenschutz reichen. Unter Umständen könnten Entwicklungsländer hier sowohl anfälliger als auch widerstandsfähiger als hochentwickelte Industriestaaten sein. Wo z.B. noch keine Fertigungsindustrie besteht, kann logischerweise auch kein Arbeitsplatz durch Digitalisierung vernichtet werden. Die Digitalisierung könnte aber auch den Aufbau einer solchen Industrie verhindern: denn Digitalisierung kann auch bedeuten, dass Entwicklungsländer ihren großen komparativen Vorteil, nämlich billige Arbeitskräfte, einbüßen. Wenn ein Produkt vollautomatisch von digital Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 7 gesteuerten Maschinen erzeugt werden kann, gibt es keinen Anreiz, die Produktion in Billiglohnländer zu verlagern.4 2. Zwischenstand: Digitalisierung zeigt bislang zu wenig Vorteile Die Weltbank zieht in ihrem 2016 erschienenen Report „World Development Report 2016: Digital Dividends“ Bilanz des bisher Erreichten und sieht nur mäßige Erfolge.5 In der deutschsprachigen Zusammenfassung (Anlage 1) heißt es: „In weiten Teilen der Welt haben sich digitale Technologien schnell verbreitet. Eine digitale Dividende – also eine weiterreichende Entwicklungswirkung durch den Einsatz dieser Technologien – hat sich nicht so schnell eingestellt. In vielen Fällen haben digitale Technologien zu mehr Wachstum, zu neuen Chancen und zu einer Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen geführt. Aber insgesamt ist ihre Wirkung noch unzureichend und ungleich verteilt.“6 Weiterhin führt die Weltbank aus: „Insgesamt ist die Wirkung digitaler Technologien trotz aller Erfolge geringer als erwartet (…)Digitale Technologien verändern die Arbeitswelt. Auf den Arbeitsmärkten jedoch gibt es eine stärkere Polarisierung und in vielen Ländern nimmt die Ungleichheit zu. Und während das Internet einen breiten Austausch ermöglicht, verschlechtern sich einige Indikatoren für Governance, wie zum Beispiel die Zahl freier und fairer Wahlen. Das sind besorgniserregende Trends – nicht weil sie durch die schnelle Verbreitung von Technologien entstehen, sondern weil sie trotzdem andauern.“7 Hierfür identifiziert die Weltbank zwei Gründe, die die im Abschnitt „Herausforderungen und Probleme“ identifizierten Risiken der Digitalisierung bestätigen: „Erstens ist die digitale Kluft immer noch groß. Fast 60 % aller Menschen weltweit sind noch off-line und sind von einer vollen Teilhabe an der digitalen Wirtschaft ausgeschlossen. Zweitens 4 Siehe hierzu Norbert Hofmann, Zurück in die Zukunft, Süddeutsche Zeitung vom 13. Juni 2017, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/industrie-zurueck-in-die-zukunft-1.3542635 (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017): „Der Einsatz intelligenter Robotertechnologie in automatisierten Prozessen ermöglicht es dabei, schneller als je zuvor zu fertigen. Der Sportartikelhersteller Adidas, hat etwa im vergangenen Jahr in Ansbach seine erste Speedfactory errichtet. Noch in diesem Jahr soll in den USA nahe Atlanta eine zweite Speedfactory die Produktion aufnehmen. Hält der Trend in der Branche an, könnte er zu einer Rückverlagerung von Produktionsstandorten in den Schwellenländern hin zu den Industriestaaten führen.“ 5 World Bank, World Development Report 2016: Digital Dividends, 2016, http://documents.worldbank.org/curated/en/896971468194972881/pdf/102725-PUB-Replacement-PUBLIC.pdf (zuletzt abgerufen am 2. Juli 2017). 6 World Bank, Weltentwicklungsbericht 2016: Digitale Dividenden, 2016, http://pubdocs.worldbank.org/en/112781453827891613/WDR-2016-MainMessages-GERMAN-Final.pdf (zuletzt abgerufen am 3. Juli 2017), Anlage 1. 7 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 8 werden einige der Vorteile digitaler Technologien durch neue Risiken zunichte gemacht. Wenn die öffentliche Hand in diese Technologien investiert, ohne dass rechenschaftspflichtige Institutionen existieren, werden Eliten und deren Einfluss gestärkt. Es entstehen neue Arbeitsplätze , aber die Automatisierung von Arbeitsplätzen in der mittleren Ebene höhlt den Arbeitsmarkt mit aus. Da die Ökonomie des Internets natürliche Monopole begünstigt, führt das Fehlen eines wettbewerbsorientierten Unternehmensumfeldes zu einer stärkeren Konzentration der Märkte, wovon letztlich die etablierten Unternehmen profitieren. Wenig überraschend ist, dass diejenigen, die gut ausgebildet, gut vernetzt und kompetenter sind, am stärksten profitiert haben. Von den Vorteilen der digitalen Revolution profitieren zu wenige.“8 3. Digitalisierung in den Konzepten und Programmen der Vereinten Nationen Die Digitalisierung berührt als Querschnittsthema zahlreiche Bereiche die Entwicklungsarbeit der Vereinten Nationen (VN). Schon zu Beginn der 2000er Jahre vereinbarte das Entwicklungsprogramm der VN (UNDP) mit der Firma Microsoft eine Partnerschaft zur Computerausbildung junger Menschen in Entwicklungsländern. Außerdem engagierte Microsoft sich in der Southern African Capacity Initiative (SACI) des UNDP, wobei ausdrücklich nicht nur die reine Ausbildung , sondern auch die Suche nach E-Government-Lösungen und IT-gestützten Angeboten im Gesundheitssektor als Bestandteil der Kooperation benannt wurde.9 In den folgenden Abschnitten soll es jedoch vorrangig um aktuelle Initiativen und Programme bzw. den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und VN-Arbeit gehen. Grundsätzlich sind die Initiativen der VN in diesem Bereich primär lokal bzw. auf nationaler Ebene angesiedelt. Seit 2010 unterstützt das UNDP z.B. die Digitalisierung von Verwaltungsakten in Bangladesch.10 Zahlreiche weitere Projekte ähnlicher Natur finden sich überall in den Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen das UNDP aktiv ist. Im Rahmen dieser Ausarbeitung können die einzelnen Projekte auf Länderebene nicht dargestellt werden, es wird sich daher auf die globalen oder überregionalen Initiativen und Institutionen beschränkt. Wie wenig andere Querschnittsthemen ist die Digitalisierung so übergreifend, dass sich in nahezu jedem Programm, jeder Agenda und jedem Projekt der VN (sowohl den aktuellen als auch den älteren) Ansatzpunkte für sie finden lassen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Identifikation eines einzigen, großen Projektes „Digitalisierung“ bei den VN so nicht möglich ist. Im Folgenden werden die grundlegenden Elemente des sehr weiten Rahmens „Digitalisierung“ und ihre Bezüge zur aktuellen Entwicklungsagenda dargestellt. 8 Ebd. 9 Microsoft, UNDP and Microsoft Announce Technology Partnership To Combat Poverty in Developing Nations, 23. Januar 2004, https://news.microsoft.com/2004/01/23/undp-and-microsoft-announce-technologypartnership -to-combat-poverty-in-developing-nations/#3BPB3ulPLEWx3zI1.99 (zuletzt abgerufen am 21. Juni 2017). 10 Daily Star am 13. November 2010, UNDP offers support for digitization, http://www.thedailystar.net/newsdetail -162385 (zuletzt abgerufen am 21. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 9 3.1. Weltgipfel zur Informationsgesellschaft Eines der wichtigsten Elemente der Digitalisierung ist die Transformation der Informations- und Kommunikationssysteme. Internetbasierte Anwendungen von Technik sind heutzutage Standard und gehen weit über die Rolle des Fernsprechers hinaus. So ist ein handelsübliches Smartphone eben nicht nur Telefon, sondern auch mindestens Photound Videokamera, internetfähiger Computer sowie Musiksammlung und -wiedergabegerät, von der handyspezifischen SMS ganz abgesehen. Darüber hinaus können Smartphone-Apps eine große Vielzahl von kommerziellen und nichtkommerziellen Dienstleistungen erbringen. Digitalisierung ist ohne Internet heute kaum noch denkbar und die Förderung der Digitalisierung ist fast immer auch die Förderung der Vernetzung. Die Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (World Summits of the Information Society, WSIS) in Genf (2003) und in Tunis (2005) bilden den Ausgangspunkt für ein koordiniertes Vorgehen zur Weiterentwicklung in Richtung einer weltweiten Informationsgesellschaft und zur Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK). Unter der Schirmherrschaft der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) wurden 2003 die Genfer Erklärung11 und der Genfer Aktionsplan beschlossen. In ihnen kommt der politische Wille der über 11.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie von 175 teilnehmenden Staaten zur „Überbrückung der digitalen Spaltung“ zum Ausdruck. Darüber hinaus werden konkrete Schritte auf dem Weg zu einer globalen Informationsgesellschaft avisiert. Die Regierungen einigten sich mit dem so genannten Genfer Aktionsplan auf zehn Ziele sowie zahlreiche Empfehlungen bis zum Jahr 2015.12 Diese sind: 1. Dörfer mit IuK auszustatten und gemeinschaftlich nutzbare Zugangspunkte einzurichten; 2. Universitäten, Hochschulen, Grund- und weiterführende Schulen mit IuK auszustatten; 3. Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen mit IuK auszurüsten; 4. Bibliotheken, Kulturzentren, Museen, Poststellen und Archive mit IuK zu verbinden; 5. Gesundheitszentren und Krankenhäuser mit IuK zu versorgen; 6. Regierungsbehörden mit IuK auszustatten; 11 ITU, WSIS Declaration of Principles - Building the Information Society: a global challenge in the new Millennium, 12. Dezember 2003, http://www.itu.int/net/wsis/docs/geneva/official/dop.html (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). 12 ITU, WSIS Plan of Action, 12. Dezember 2003, http://www.itu.int/net/wsis/docs/geneva/official/poa.html (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 10 7. Lehrpläne von Grund- und Sekundärschulen an die Herausforderungen der Informationsgesellschaft unter Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten anzupassen; 8. sicherzustellen, dass die Weltbevölkerung Zugang zu Radio- und TV-Diensten hat; 9. inhaltliche und technische Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Präsenz und den Gebrauch aller Weltsprachen im Internet zu erleichtern; 10. sicherzustellen, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung Zugang zu IuK innerhalb ihrer Umgebung haben. Ziel der zweiten Phase des WSIS in Tunis war die Umsetzung des Genfer Aktionsplans und die Lösung von zuvor strittigen Punkten, etwa Finanzierung, Internet Governance sowie Festlegung auf Überprüfungsmechanismen für die Abschlussdokumente von Genf und Tunis.13, 14 Nach Verabschiedung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs; siehe Abschnitt 3.3) der VN wurden die Prinzipien und Ziele des WSIS entsprechend angepasst, bzw. auf die SDGs (anstatt wie zuvor auf die Jahrtausendentwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs)) bezogen. Die „Aktionslinien“ des WSIS wurden so umformuliert, dass sie die Erreichung der SDGs unterstützen. Die WSIS-Organisation veranstaltet regelmäßig Nachfolgekonferenzen und gibt regelmäßig Zwischenberichte heraus; der letzte wurde im Jahre 2016 veröffentlicht.15 Auf ihrer Webseite werden darüber hinaus Projekte in einzelnen Ländern oder von internationalen Organisationen, die sich auf die WSIS-Prinzipien beziehen, vorgestellt.16 Dabei wird der Bezug zu den SDGs, die das jeweilige Projekt zu verwirklichen hilft, deutlich herausgestellt und so die Relevanz des WSIS für die aktuelle Agenda der VN demonstriert. 3.2. ICT Development Index Ein Ergebnis der Abschlussdokumente der Weltinformationsgipfel von 2003 und 2005 sowie der World Telecommunication Development Conference im Jahre 2006 stellt das Mandat zur Entwicklung eines IuK-Entwicklungsindexes (ICT Development Index, IDI) sowie eines IuK- Preisindexes durch die ITU dar, wodurch der Stand der Digitalisierung messbar werden soll. Beide Indikatoren wurden erstmals mit der Veröffentlichung des Berichtes der ITU zur 13 ITU, WSIS Tunis Commitment, 18. November 2005, http://www.itu.int/net/wsis/docs2/tunis/off/7.html (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). 14 ITU, Tunis-Agenda für die Informationsgesellschaft, 18. November 2005, http://www.un.org/depts/german/conf/wsis-05-tunis-doc-6rev1.pdf (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). 15 WSIS, WSIS Stocktaking Report 2015, 2016, http://www.itu.int/net4/wsis/forum/2015/Content/doc/reports/wsisstocktaking-report-2015.pdf (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). 16 Siehe WSIS Stocktaking, http://www.itu.int/net4/wsis/stocktakingp/en/Database/Search (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 11 Entwicklung des IuK-Indexes weltweit im Jahr 2009 durch die Internationale Fernmeldeunion vorgestellt. Der IuK-Entwicklungsindex setzt sich aus elf Sub-Indices zusammen, die sich u.a. auf den Zugang, den Gebrauch und die Fertigkeiten im Umgang mit IuK beziehen. Der letzte Index wurde 2016 veröffentlicht.17 Er ordnet die einzelnen Staaten hinsichtlich ihrer Erfüllung der Indices in ein Ranking ein. Demnach belegte Südkorea den ersten Platz, gefolgt von den skandinavischen Ländern, dem Vereinigten Königreich, Hongkong und der Schweiz. Deutschland liegt auf Platz 12. Nahezu alle afrikanischen Staaten belegen nur hintere Ränge; das hinsichtlich IuK am wenigsten entwickelte Land ist Niger auf Platz 175. Allerdings rangieren mit Algerien, Namibia, Liberia, Ruanda und der Elfenbeinküste auch fünf afrikanische Länder unter den zehn Staaten, deren IuK-Entwicklung am dynamischsten verläuft.18 Von den 175 Staaten haben sich 61 im Vergleich zum Vorjahr verbessert, in 31 Staaten stagnierte die Entwicklung, und in 114 Staaten hat sie sich verschlechtert. Die globale Entwicklung ist demnach tendenziell eher negativ. Die Visualisierung des Rankings in Form einer Weltkarte veranschaulicht, dass die digitale Kluft weiterhin groß ist.19 Zusammengefasst und analysiert werden die Ergebnisse der Erhebungen im jährlichen Bericht „Measuring the Information Society“. Für 2016 wird z.B. angegeben, dass zwar der Gebrauch von IuK angestiegen, der Zugang zu IuK-Technik aber stagniert sei. Europa sei von allen Weltregionen führend, während Afrika am schwächsten abschneide und die Ungleichheiten zwischen Ländern in der Asien-Pazifik-Region am größten sei (Anlage 2).20 3.3. Broadband Commission for Sustainable Development Wie oben angemerkt, ist eine entsprechende Infrastruktur die Grundvoraussetzung der Vernetzung und damit eines Kernelementes der Digitalisierung. Im Jahre 2010 gründeten die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) und die 17 Alle Informationen bezüglich des Rankings, soweit nicht durch Fußnote anders vermerkt: ITU, ICT Development Index 2016: ICT Ranking, 2016, http://www.itu.int/net4/ITU-D/idi/2016/#idi2016rank-tab (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017). 18 ITU, ICT Development Index 2016: IDI 2016 Most dynamic countries (by rank change), 2016, http://www.itu.int/net4/ITU-D/idi/2016/#idi2016rank-tab (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017). 19 ITU, ICT Development Index 2016: IDI 2016 Map, http://www.itu.int/net4/ITU-D/idi/2016/#idi2016map-tab (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017). 20 ITU, Measuring the Information Society Report 2016: Key Findings, 2016, http://www.itu.int/en/ITU- D/Statistics/Documents/publications/misr2016/MISR2016-KeyFindings.pdf (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017), Anlage 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 12 Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunications Union, ITU) die Broadband Commission for Digital Development, die im Jahre 2015 umbenannt wurde in Broadband Commission for Sustainable Development. Die Kommission widmet sich dem Ausbau des Breitband-Internets in Entwicklungs- und Schwellenstaaten. Grundlage ihrer Arbeit ist die Annahme, dass schneller, verlässlicher Datenverkehr über das Internet das Fundament digitaler Infrastruktur bildet und der universelle Zugang zu schnellem Internet in jedem Land verwirklicht werden sollte. Arbeitsgruppen behandeln unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung bzw. der Breitband- Internetversorgung, z.B. Gesundheit, Arbeitsleben oder Gender Gap. Die entsprechenden Berichte werden im Internet veröffentlicht. Die Kommission geht davon aus, dass Breitband-Internetverbindung essentielle Fortschritte beim Erreichen aller 17 SDGs ermöglicht, aber sich ihre Vorteile in einigen Bereichen schneller und offensichtlicher manifestieren würden: dies seien vor allem die Bereiche Gesundheit, Bildung und die Digitalisierung von Staats- und Verwaltungsaufgaben (e-Governance).21 Laut Kommission ist vor allem das mobile Internet von sehr großer Bedeutung: im Jahre 2015 lebten fast 95 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten mit Mobilfunkabdeckung, das umfasst auch 85 Prozent der Bevölkerung der am wenigsten entwickelten Länder. Jedoch hatten nur 29 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Gebieten prinzipiellen Zugang zum mobilen Internet.22 Handys, auch grundsätzlich internetfähige Smartphones, sind auch in Entwicklungsländern mittlerweile keineswegs mehr selten; tatsächlich sind sie weiter verbreitet als Festnetzanschlüsse (ein Beispiel für Leapfrogging)23. In vielen Entwicklungsstaaten bzw. in großen Teilen von Entwicklungsstaaten ermöglicht das Mobilfunknetz jedoch noch nicht den Zugang zu schnellem mobilen Internet. Der Ausbau der Breitbandtechnologie würde große Teile der Bevölkerung in Entwicklungsstaaten – entsprechenden günstige Mobilfunkverträge bzw. Prepaid-Angebote vorausgesetzt – an das Breitbandnetz anschließen und ihnen dessen Möglichkeiten öffnen. 21 Siehe dazu die Aussage von Philippa Biggs, Hauptautorin des Kommissionsberichtes The State of Broadband 2016, im Video Where does the Commission believe broadband can drive significant progress in sustainable dev. ?, ITU, 15.September 2016, https://www.youtube.com/watch?v=8imC3mMhcpY&feature=youtu.be (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017). Weitere Erläuterungen durch Philippa Biggs (in mehreren Videos) auf ITUBlog, The State of Broadband 2016 Report: Key questions answered (VIDEO), ITU am 20. September 2016, https://itu4u.wordpress.com/2016/09/20/the-state-of-broadband-2016-report-key-questions-answered/ (zuletzt abgerufen am 19. September 2017). 22 The Earth Institute (Columbia University) und Ericsson, ICT and SDGs: Final Report, 2016, S. 21 ff., https://www.ericsson.com/assets/local/news/2016/05/ict-sdg.pdf (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017), Anlage 3. 23 Roxanne Bauer, Media (R)evolutions: Skipping the landline, going straight for a mobile phone, The World Bank, 1. April 2015, http://blogs.worldbank.org/publicsphere/media-revolutions-skipping-landline-going-straightmobile -phone (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 13 In der Realität zeigt sich, dass diese Potentiale oft ungenutzt bleiben. Hierzu merkt die Weltbank an:24 „Sechs Milliarden Menschen haben kein schnelles Breitband-Internet, fast vier Milliarden haben überhaupt keinen Internetzugang und fast zwei Milliarden leben ohne Mobiltelefon“ (…) „2013 waren die Kosten für gängige Mobiltelefondienste im teuersten Land 50 Mal so hoch wie im Land mit den günstigsten Tarifen. Bei Breitband variieren die Gebühren um das Hundertfache. Der Hauptgrund liegt in politischem Versagen: Schwierigkeiten bei der Privatisierung, überhöhte Besteuerung und Monopole bei der Kontrolle internationaler Netzübergangsstellen.“ 3.4. Digitalisierung im Zusammenhang mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen Die umfassende, globale Verbreitung der Digitalisierung als solche gehört nicht zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) von 2015.25 Ihre Förderung oder ihr Vorhandensein bzw. ihr Voranschreiten wird jedoch im Zusammenhang mit einigen der SDG-Unterzielen gefordert, impliziert, oder vorausgesetzt. Im Zuge der Entwicklung von Indikatoren zur Messung der Fortschritte bei der Umsetzung einiger Unterziele wurden die digitale Datenverarbeitung, der Zugang zu Mobilfunk und Internet als konkrete Indikatoren festgelegt. Im Folgenden eine kurze Auflistung relevanter Unterziele und der Indikatoren mit direktem IT-Bezug.26 - Ziel 4: Hochwertige Bildung - Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern Relevantes Unterziel: Bis 2030 die Zahl der Jugendlichen und Erwachsenen mit für den Beruf, auskömmliche Arbeit und Unternehmen relevanten Fähigkeiten, eingeschlossen technische und berufliche Fähigkeiten, deutlich erhöhen. Indikatoren: Anteil der Schulen mit Computerausstattung Anteil der Schulen mit Internetzugang Anteil der Jugendlichen und Erwachsenen mit IT-Kenntnissen 24 World Bank (Anm. 6). 25 Generalversammlung der Vereinten Nationen, Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development, Dok.-Nr. A/RES/70/1, 21. Oktober 2015, https://sustainabledevelopment.un.org/post2015/transformingourworld (zuletzt abgerufen am 23. Juni 2017). 26 Alle Informationen dieses Abschnittes aus: Vereinte Nationen, Division für Sustainable Development, Topics: Sustainable Development Goals, 2017, https://sustainabledevelopment.un.org/?menu=1300 (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 14 - Ziel 5: Gleichstellung der Geschlechter Relevantes Unterziel: Verstärkung der Nutzung von befähigenden (enabling) Technologien, insbesondere von Informations- und Kommunikationstechnologien, zur Förderung der Ermächtigung (empowerment) der Frauen. Indikator: • Anteil der Individuen, die ein Handy besitzen, nach Geschlecht - Ziel 9: Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung – eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen Relevantes Unterziel: Den Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologie signifikant erhöhen und universellen und günstigen Internetzugang in den am wenigsten entwickelten Ländern bis 2020 ermöglichen. Indikator: • Bevölkerungsanteil in Gebieten mit Mobilfunkabdeckung - Ziel 17: Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft stärken – Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben füllen Relevantes Unterziel: Bis 2017 den Mechanismus für den Aufbau von Fähigkeiten (capacity building mechanism) „Technology Bank and STI (Science, Technology, and innovation)“ für die am wenigsten entwickelten Länder vollständig operationalisieren und die Nutzung befähigender Technologien, insbesondere von Informations- und Kommunikationstechnologien, fördern. Indikator: • Anzahl der Verträge für Breitband-Internetzugang • Anteil der Internetnutzer. Hierbei handelt es sich nur um die Indikatoren mit direktem Bezug zu Digitaltechnologie. Zahlreiche Studien und Reports beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von Digitalisierung und Verwirklichung der SDGs. Grundsätzlich sind bei jedem der 17 SDGs positive Effekte durch Digitalisierung vorstellbar. So können z.B. zum ersten SDG, der Verringerung der Armut, IT- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 15 gestützte Finanzdienstleistungen einen wichtigen Beitrag leisten.27 Diese könnten aber auch zur Erreichung von Ziel 8 (Förderung nachhaltigen Wirtschaftswachstums) oder Ziel 9 (Infrastruktur und Industrialisierung) Lösungsansätze bieten. Umgekehrt gibt es noch andere digitale Technologien, die der Erreichung derselben Ziele dienlich sein könnten, etwa im Bereich Bildung, der für die Verringerung von Armut und Entwicklung im Allgemeinen von grundlegender Bedeutung ist. Beispiele für den potentiellen Nutzen der Digitalisierung im SDG- Kontext finden sich in großer Zahl, und es gibt ausreichend Beispiele für die konkrete Anwendung von digitalen Techniken im Entwicklungskontext. Der potentielle Nutzen der Digitalisierung, wird deswegen im Entwicklungsdiskurs nicht mehr bestritten. Darum fördern die VN die Digitalisierung weltweit. 3.5. Principles of Digital Development28 Die Principles of Digital Development sind Richtlinien, die Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit den effektivsten Einsatz digitaler Technologien für ihre Arbeit aufzeigen sollen. Sie wurden von einer Vielzahl von Organisationen auf Grundlage von Praxiserfahrungen erarbeitet. Darunter sind die Bill and Melinda Gates Foundation, die Omidiyar Foundation, die schwedische Behörde für internationale Entwicklung (SIDA), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), das VN-Entwicklungsprogramm (UNDP), UN Global Pulse, das VN- Flüchtlingskommissariat (UNHCR), das VN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), die Weltbank, das Welternährungsprogramm (WFP), USAID, das amerikanische Außenministerium, die Weltgesundheitsorganisation sowie weitere kleinere Akteure. Im Rahmen dieser Arbeit haben sie allerdings nur untergeordnete Bedeutung, da sie sich an Akteure der EZ wenden und vorrangig die Digitalisierung der EZ anstatt die Digitalisierung der Entwicklungsländer vorantreiben sollen. 3.6. Fallbeispiel: Digital Good Digital Good ist eine 2015 vom UNDP gegründete, webbasierte Plattform, die Individuen und Gruppen weltweit zu ihrem Beitrag zur Umsetzung der SDGs befähigen und dabei unterstützen sowie die Verbindung zwischen Zivilgesellschaft bzw. Individuen und dem UNDP stärken soll. 27 Siehe zum Potential IT-gestützter Finanzdienstleistungen The Earth Institute (Columbia University) und Ericsson, ICT and SDGs: Final Report, 2016, S. 32–45, https://www.ericsson.com/assets/local/news/2016/05/ictsdg .pdf (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017). 28 Principles of Digital Development, http://digitalprinciples.org/about/ (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 16 Dafür stellt sie Diskussionsforen, Materialien und Informationen bereit und sammelt Spenden für Projekte, die der Verwirklichung der SDGs dienlich sind.29 Sie setzt einen Mindestgrad an Digitalisierung voraus, zeigt also, dass Digitalisierung und Entwicklung sich auch gegenseitig fördern können: die EZ kann Digitalisierung unterstützen, und die Digitalisierung dann wiederum die weitergehende EZ. Digital Good unterstützt mittlerweile eine Vielzahl von kleineren und größeren Projekten weltweit.30 4. Digitalisierung in der Entwicklungspolitik der Europäischen Union Die Digitalisierungspolitik der EU wird ausführlich im EU-Sachstand „Digitalisierung in Entwicklungsländern – Ansatz der EU“ des Referates PE3 des Deutschen Bundestages (Anlage 4) dargelegt. 5. Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit der Vereinigten Staaten In der Entwicklungszusammenarbeit der USA ist die Digitalisierung, insbesondere die Förderung der IuK-Technologien, ein Querschnittsthema. Als Heimat der weltgrößten Computer- und Internetkonzerne betrachten die USA diese Förderung als potentielle Win-Win-Situation: die Verbreitung von Computern und IuK-Technologie nützt amerikanischen Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte und damit auch der eigenen Wirtschaft. Deswegen findet der Großteil der Digitalisierungs-EZ der USA im Rahmen von Partnerschaften mit den betreffenden Konzernen statt. Mit Intel, Microsoft, Cisco und anderen amerikanischen Marktführern wurden bzw. werden regelmäßig Verträge über die Förderung von Digital- und IuK-Technologie im Rahmen von USAID-Entwicklungsprogrammen geschlossen.31 5.1. Digitalisierung im Rahmen des U.S. Global Development Lab Das 2014 gegründete U.S. Global Development Lab ist eine Abteilung des amerikanischen Entwicklungshilfeministeriums USAID. Es versteht sich als Innovationszentrum, das neue Lösungen für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit findet und für ihre Verbreitung sorgt. Eine Unterabteilung ist das Center for Digital Development (Lab/CDD). Laut Eigenbeschreibung treibt es „die Nutzung befähigender (enabling) Technologien und datenbasierter Ansätze zur Ermächtigung (empowerment) unterprivilegierter Communities und zur Verbesserung der Effektivität der EZ voran. Das Center arbeitet mit einer Reihe von Partnern aus dem öffentlichen 29 UNDP, “From People to People” - UNDP launches Digital Good platform to enable individuals worldwide to help achieve Sustainable Development Goals, 29. September 2015, http://www.undp.org/content/undp/en/home/presscenter/pressreleases/2015/09/29/-from-people-to-peopleundp -launches-digital-good-platform-to-enable-individuals-worldwide-to-help-achieve-sustainabledevelopment -goals-.html (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017). 30 UNDP, Field Stories, 2017, https://digitalgood.undp.org/field-stories/ (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017). 31 USAID, Partnerships in ICT, 27. September 2016, https://www.usaid.gov/what-we-do/economic-growth-andtrade /information-technology/partnerships-ict (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 17 und dem privaten Sektor zusammen, um die Übernahme und Nutzung von Technologien, die von kritischer Bedeutung für eine inklusive digitale Wirtschaft sind, zu fördern und um die von diesen Technologien gelieferten Daten besser zu nutzen.“32 Auch in anderen Abteilungen setzt das U.S. Global Development Lab auf Digitaltechnik. Es fördert die digitale Entwicklung mit vier Hauptansätzen:33 1. Digitale Inklusion.34 Darunter ist die Überwindung der digitalen Kluft zu verstehen. Insbesondere den Ärmsten in den USAID-Partnerländern soll der Zugang zu digitalen Technologien ermöglicht werden. Deswegen fördert USAID z.B. den Aufbau von Mobilfunknetzen oder die Alliance for Affordable Internet (A4AI).35 2. Digitale Finanzen.36 Hierunter fallen Ansätze, um digitale Technologien zur Bereitstellung und Verbesserung von Finanzdienstleistungen für Bürger und Unternehmen in Entwicklungsländern zu fördern, beispielsweise die Better than Cash Alliance, die digitale Zahlungen und Konten fördert.37 Dies soll neben einem verbesserten Zugang zu Finanzdienstleistungen und der Eliminierung von Verlusten durch Barzahlungen auch zu mehr Transparenz bzw. zum Abbau von Korruption führen (etwa, in dem der „Aufschlag“ von Schmiergeldern bei Barzahlungen an Behörden, Ärzten usw. nicht mehr möglich ist). 3. Fortgeschrittene geographische Datenerhebung und Analyse.38 Im sogenannten GeoCenter Plus des Lab werden mittels modernster Technik erhobene geografische Daten (z.B. Satellitenbilder) analysiert und neue Möglichkeiten ihrer Nutzbarmachung erforscht. Darüber hinaus werden Daten, Analysekenntnisse und fertige Analysen mit den USAID-Missionen vor Ort sowie den operativen Partnern von USAID geteilt. 32 USAID, U.S. Global Development Lab, 19. Juni 2017, https://www.usaid.gov/who-weare /organization/bureaus/us-global-development-lab (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 33 USAID, Technology: The Digital Opportunity, 4. November 2016, https://www.usaid.gov/digital-development (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 34 USAID, Digital Inclusion, 7. November 2016, https://www.usaid.gov/digital-development/digital-inclusion (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 35 Alliance for Affordable Internet, About A4AI, 2017, http://a4ai.org/who-we-are/about-a4ai/ (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 36 USAID, Digital Finance, 17. April 2017, https://www.usaid.gov/digital-development/digital-finance (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 37 Better Than Cash Alliance, About The Better Than Cash Alliance, 2017, https://www.betterthancash.org/about (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 38 USAID, Advanced Geographic and Data Analytics, 2. November 2016, https://www.usaid.gov/digitaldevelopment /advanced-geographic-and-data-analysis (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 18 4. Entwicklungsinformatik.39 Hier wird sich in erster Linie mit der Entwicklung und Anpassung von Software und digitaler Infrastruktur im Entwicklungskontext beschäftigt. Insbesondere sollen digitalbasierte Techniken möglichst weit verfügbar, effizient und miteinander kompatibel sein, um Kosten und Effizienzverluste zu vermindern. 5.2. Beispiele Ein Beispiel für amerikanische EZ-Projekte mit IT-Bezug ist das sogenannte Hi-Tech Hub in Gaza und der Westbank, bei dem palästinensische Unternehmer mit Vertretern zahlreicher amerikanischer IT-Unternehmen (Microsoft, Google, Oracle und anderen) zusammentreffen und gemeinsam Investitionsmöglichkeiten und andere Formen der Partnerschaft finden. Die Veranstaltung in Form eines Wettbewerbs für palästinensische IT-Unternehmen wurde bereits drei Mal abgehalten und hat zu Investitionen im Werte von mehreren Millionen US-Dollar geführt. Auch sonst fördert USAID Investitionen und Public-Private-Partnerships amerikanischer IT-Unternehmen in den palästinensischen Gebieten.40 Ein weiteres Beispiel ist das USAID- Engagement im IT-Sektor Tunesiens, bei dem es vorrangig darum geht, die Marktfähigkeit lokaler IT-Unternehmen durch technische Hilfen und Vermittlung von Wissen zu stärken.41 Auch in Bereichen, die nicht direkt mit der Wirtschaftsförderung in Zusammenhang stehen, setzt USAID auf digitale Technologien: so fördert die Behörde beispielsweise Projekte in Asien, die sich mittels IuK für die Aufklärung über HIV und AIDS einsetzen.42 6. Chinas Beitrag zur Digitalisierung in Entwicklungsländern China ist einer der zehn größten Geber internationaler Gelder. Für das subsaharische Afrika ist China seit 2009 der größte Handelspartner. Dies spiegelt den chinesischen Ansatz wider, Handels- bzw. Wirtschaftsbeziehungen mit Entwicklungszusammenarbeit zu koppeln. Detaillierte Informationen über das chinesische Engagement für die Entwicklung ließen sich im Rahmen dieser Arbeit, nicht zuletzt wegen der Unzugänglichkeit chinesischer Quellen und der 39 USAID, Development Informatics, 7. November 2016, https://www.usaid.gov/digitaldevelopment /development-informatics (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 40 USAID Westbank/Gaza, Fact Sheet: Information and Communications Technology (ICT), November 2013, https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1883/11052013-fact-sheet-ict.pdf (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 41 USAID Tunisia, Information and Communications Technology, 7. Dezember 2016, https://www.usaid.gov/tunisia/information-technology-and-communications (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 42 USAID Asia, HIV workers from across Asia explore innovative use of social and digital media to combat HIV, 14. Juni 2017, https://www.usaid.gov/asia-regional/program-updates/jun-2017-hiv-workers-across-asia-exploreinnovative -use-social-and-digital-media-combat (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 19 restriktiven Informationspolitik der chinesischen Regierung, nicht auffinden. Dennoch kann man vier Grundprinzipien der chinesischen EZ identifizieren.43 1. China stützt sich auf das Konzept der „Süd-Süd-Partnerschaft“, d.h. es betont die Wichtigkeit von Augenhöhe, gemeinsamer Entwicklung und einer Partnerschaft von Gleichen. Dies reflektiert die chinesische Auffassung von EZ als Win-Win- Partnerschaft und als Ausdruck chinesischer Soft Power. Anders als alle anderen großen Geberländer kann China dies durch die Tatsache untermauern, selbst lange Entwicklungsland gewesen und auch gegenwärtig noch Empfänger von EZ zu sein. 2. Chinas Hilfe fließt ohne daran geknüpfte politische Bedingungen. Anders als westliche Geberländer verzichtet China gänzlich auf Forderungen nach Öffnung der Märkte oder politischen Reformen, insbesondere in Fragen von Governance und Menschenrechten. 3. Chinas EZ ist fast vollständig bilateral, so dass die Volksrepublik die Kontrolle über die Verwendung der Gelder behält. Damit kann China durchsetzen, dass Ausschreibungen (z.B. für Bauprojekte) an chinesische, meist staatseigene, Unternehmen gehen. Diese Durchsetzung eigener Interessen wird (zumindest theoretisch) dadurch ausgeglichen, dass die betreffenden Projekte nach chinesischer Vorstellung direkte, konkrete Ergebnisse betreffend der Entwicklung des Partnerlandes zeitigen müssen. Damit sind dem chinesischen Verständnis nach sichtbare Verbesserungen in Wirtschaftssektoren wie Bau, Verkehr, Landwirtschaft oder Rohstoffabbau sowie seit einiger Zeit auch Warenfertigung gemeint. „Westliche“ Vorstellungen von Entwicklung bei Fragen wie Geschlechtergerechtigkeit , Governance, Transparenz, Menschenrechte und „Empowerment“ gehören dagegen nicht zu den Bereichen, die Chinas EZ-Verständnis umfasst. Bezogen auf das Thema Digitalisierung heißt das, dass China keine Anstrengungen unternehmen würde, um z.B. die Digitalisierung von Regierungs- und Behördenakten voranzutreiben – es sei denn, damit wäre ein für China deutlich erkennbarer Gewinn gemäß seiner Maßstäbe verbunden. 4. Das chinesische EZ-Modell umfasst weitaus mehr als klassische Finanzierungsinstrumente wie zinslose Kredite etc. Eine Vielzahl chinesischer Ministerien und Behörden trägt mit jeweils eigenen Programmen zur chinesischen EZ bei. Dazu gehören z.B. das Landwirtschaftsministerium, das Gesundheitsministerium oder das Verteidigungsministerium. Insbesondere, was die Infrastruktur angeht, ist China für viele afrikanische Staaten zu einem sehr wichtigen Partner geworden. China – und hier primär der chinesische Staat selbst – ist der größte Infrastrukturinvestor auf dem afrikanischen Kontinent. Neben Bauprojekten wie Straßen schließt dies auch Elektrifizierungsinfrastruktur wie Wasserkraftwerke (Grundlage der Digitalisierung) ein. 43 Alle Angaben dieses Abschnittes: Ron Matthews, Xiaojuan Ping und Li Ling, Learning From China’s Foreign Aid Model, The Diplomat am 25. August 2016, http://thediplomat.com/2016/08/learning-from-chinas-foreignaid -model/ (zuletzt abgerufen am 26. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 20 Daneben bauen chinesische (Staats-)Firmen oft Mobilfunknetze auf – primär zur Mobilfunkversorgung ihrer Arbeiter (die oft keine Afrikaner, sondern Chinesen sind), aber auch nutzbar von der Lokalbevölkerung. Ein weiteres verbreitetes Vorgehen ist die Vergabe von Krediten unter der Bedingung, chinesische Produkte, insbesondere Handys und Computer z.B. für die Büroausstattung zu kaufen.44 Letztlich leistet China damit faktisch auch einen Beitrag zur Digitalisierung in diesen Staaten. Gleichzeitig setzen chinesische Unternehmen in Afrika viele Produkte ab, darunter auch digitale Geräte wie z.B. Mobiltelefone. Einige Modelle sind dabei in manchen afrikanischen Ländern Marktführer, weil sie günstiger verkauft werden als Konkurrenzprodukte aus den USA oder Südkorea.45 Die erste Fabrik für Mobiltelefone auf dem afrikanischen Kontinent wurde 2011 von der chinesischen Firma Transsion in Addis Abeba eröffnet.46 Der Technikkonzern Huawei wiederum eröffnete schon 2011 in sechs afrikanischen Staaten Schulungszentren, um afrikanisches Personal technisch auszubilden.47 Huawei baute unter anderem auch ein GSM- Mobilfunknetz in Tansania auf, das von der staatlichen Telekommunikationsbehörde ausgeschrieben worden war.48 7. Erwägungen zum Konnex Digitalisierung und Good Governance Wie in einigen Abschnitten erwähnt, hat die Digitalisierung das Potential, auch die Regierungsführung (governance) zu verbessern. Denkbar ist zum Beispiel eine Verminderung von Korruption bei Behörden und in Regierungen durch mehr Transparenz (zum Beispiel, indem Akten für jeden einsehbar ins Internet gestellt werden), aber vor allem auch eine Verminderung von Alltagskorruption. Beispielsweise ist es in Tansania möglich, ein Kind per SMS ins Einwohnermelderegister eintragen zu lassen.49 Dies erspart nicht nur lange Wege, sondern könnte auch etwaige Zahlungen von Schmiergeldern, die in einigen Ländern bei nahezu jeder Interaktion mit Behörden zu leisten sind, unnötig machen. Darüber hinaus fördert diese Praxis die Registrierung von Kindern, was ihnen oft erst den Zugang zu staatlichen Leistungen ermöglicht. Überhaupt ist die elektronische Registrierung von Bürgern für viele Entwicklungsländer ein großer und sehr bedeutender Schritt. Sie ermöglicht die Erbringung staatlicher Leistungen, führt 44 Andrea Marshall, China's mighty Telecom footprint in Africa, New Security Learning am 14. Februar 2011, http://www.newsecuritylearning.com/index.php/archive/75-chinas-mighty-telecom-footprint-in-africa (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 45 Ma Si und Panzhong Ming, China's Transsion phones outsell Samsung in Africa, China Daily USA am 9. Februar 2017, http://usa.chinadaily.com.cn/epaper/2017-02/09/content_28149873.htm (zuletzt abgerufen am 27. Juni 2017). 46 Ma Si und Panzhong Ming (Anm. 45). 47 Andrea Marshall (Anm. 44). 48 Ebd. 49 Sandra Bisin, In the United Republic of Tanzania, a new solution for birth registration, UNICEF, 27. November 2014, https://www.unicef.org/infobycountry/tanzania_71827.html (zuletzt abgerufen am 3. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 21 zu einer verbesserten Datenlage und kann somit auch die Qualität politischer Entscheidungen, z.B. über die effiziente Allokation von staatlichen Mitteln, erhöhen. In demokratischen Systemen kann sie es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, an Wahlen teilzunehmen. Darüber hinaus kann die Digitalisierung die Bereitstellung von Informationen ermöglichen. Über soziale Medien kann Öffentlichkeit hergestellt werden, Bürger können miteinander kommunizieren und über Missstände und deren mögliche Beseitigung diskutieren. Auch der Regierung unliebsame Informationen können so öffentlich gemacht und die Regierung zum Handeln bewegt werden. All dies fördert nicht nur eine stärkere Verantwortlichkeit der Regierenden, sondern auch die Zivilgesellschaft. Die Digitalisierung hat also durchaus das Potential, gute Regierungsführung zu fördern und sowohl den Dienst an den Bürgern als auch die Kontrolle der Bürger über die Regierung zu verbessern. Fraglich ist jedoch, ob Digitalisierung immer und überall bzw. automatisch zu Verbesserungen der Regierungsführung führt. Einerseits lassen sich zwar, wie angeführt, konkrete Beispiele für solche Verbesserungen finden. Andererseits ist die „digitale Dividende“, wie von der Weltbank ausgeführt, keineswegs so groß, wie sie in den (teils Jahre alten) Programmen und Konzepten der supranationalen Organisationen und NGOs propagiert wird. Überdies gibt es auch konkrete negative Auswirkungen von Digitalisierung, insbesondere, was den Arbeitsmarkt und den Handel betrifft. Im Hinblick auf die Regierungsführung ist auch zu bedenken, dass bestimmte Aspekte der Digitalisierung, insbesondere die Verbreitung von IuK- Technologien, Regierungen auch neue Werkzeuge zur Steuerung politischer und sozialer Prozesse geben. So kann das Internet – wie zahlreiche Beispiele (Russland, China) zeigen – einerseits für mehr Transparenz und politische Aufklärung sorgen, aber auch für mehr Propaganda und Überwachung. Wenn das politische System von vorneherein nicht demokratisch ist, nützt auch das Potential für mehr Transparenz nichts, da die Bürgerinnen und Bürger ja ohnehin wenig Möglichkeiten haben, Forderungen gegenüber der Regierung durchzusetzen. Entscheidend ist, mit welcher Intention digitale Technologien eingesetzt werden. Wie die Industrialisierung oder die Globalisierung ist die Digitalisierung ein weltweit ablaufender Prozess, der nicht gleichmäßig verläuft und unter unterschiedlichen Umständen verschiedene Ergebnisse hervorbringt. Dies trifft auf jeden Bereich zu – Wirtschaft, Industrie, Gesundheit und auch die Regierungsführung. Digitalisierung muss politisch gestaltet werden. Wie das geschieht und welche Auswirkungen sich daraus ergeben, sind Fragen, auf die es keine eindeutige, in jedem Falle passende Antwort geben kann. *** Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 051/17 Seite 22 8. Anlagenverzeichnis Anlage 1 World Bank, Weltentwicklungsbericht 2016: Digitale Dividenden, 2016 Anlage 2 ITU, Measuring the Information Society Report 2016: Key Findings, 2016 Anlage 3 The Earth Institute (Columbia University) und Ericsson, ICT and SDGs: Final Report, 2016 Anlage 4 Christiane Möllhoff, Digitalisierung in Entwicklungsländern – Ansatz der EU, Deutscher Bundestag, Referat PE 3, 2017