Zum Konzept der präemptiven Selbstverteidigung Ausgewählte Stimmen aus der internationalen völkerrechtlichen Literatur - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000-049/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Das Konzept der präemptiven Selbstverteidigung aus Sicht der internationalen völkerrechtlichen Literatur Ausarbeitung WD 2 – 3000-049/07 Abschluss der Arbeit: 22. Juni 2007 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Stimmen zur Zulässigkeit des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung 3 3. Stimmen zur Unzulässigkeit des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung 5 4. Literaturverzeichnis 9 - 3 - 1. Einleitung Das Konzept der präemptiven Selbstverteidigung („preemptive self-defense“)1, welches der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA aus den Jahren 2002 und 2006 zugrunde liegt2, erklärt vor dem Hintergrund einer Bedrohung durch Terroristen und Massenvernichtungswaffen auch solche Abwehrmaßnahmen für zulässig, die nicht als Reaktion auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff erfolgen, sondern im Vorfeld eines solchen Angriffs zur Abwehr einer abstrakten Bedrohungslage stattfinden. Die folgende Ausarbeitung stellt Positionen einzelner Verfechter und Gegner des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung aus dem anglo-amerikanischen und französischsprachigen Schrifttum mit dem Ziel dar, einen Überblick über die internationale Diskussion hinsichtlich der Zulässigkeit der präemptiven Selbstverteidigung zu vermitteln .3 2. Stimmen zur Zulässigkeit des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung Die Zulässigkeit des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung wird – soweit ersichtlich – vor allem im US-amerikanischen Schrifttum bejaht.4 So begründet Arend die Zulässigkeit dieses Konzepts mit dem völkergewohnheitsrechtlichen Recht auf Selbstverteidigung, welches vor der Verabschiedung der VN-Charta bestanden und die VN-Charta überlebt habe.5 Zwar sei die VN-Charta hinsichtlich der Frage, ob sie ein über Art. 51 hinausgehendes und unter der Charta fortbestehendes völ- 1 Die Begriffe der präemptiven Selbstverteidigung („preemptive self-defense“) und präventiven Selbstverteidigung („preventive self-defense“) werden nicht einheitlich verwendet. Überwiegend wird eine Kriegshandlung dann als präventiv bezeichnet, wenn sie in eine zweifelsfrei unmittelbar bevorstehende oder bereits stattfindende Angriffshandlung des Gegners hineinläuft. Von präemptiver Verteidigung wird gesprochen, wenn die ergriffene militärische Maßnahme lediglich auf der Annahme beruht, dass der Gegner in der nächsten Zeit eine militärische Offensive beabsichtigen könnte, ohne dass konkrete Angriffshandlungen erkennbar sind. Zum Teil werden die Begriffe aber auch genau entgegengesetzt definiert. Dazu vgl. , WF II – 170/04, S. 5. Zur angloamerikanischen Terminologie vgl. O’Connell, S. 2 Fn. 10. Zur französischsprachigen Terminologie vgl. Campagnola, S. 63 ff.; Laghmani, S. 137 ff. In der vorliegenden Ausarbeitung wird der Begriff der „präemptiven Selbstverteidigung“ für die Abwehr einer abstrakten Bedrohungslage verwendet, bei der konkrete Anhaltspunkte für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff fehlen. 2 Dazu vgl. , WD 2 – 35/07, S. 4 ff. 3 Eine umfassende Auswertung der rechtlichen Beurteilung des Konzepts der „preemptive selfdefense “ in den anderen NATO-Staaten ist den Wissenschaftlichen Diensten nicht möglich. Zur Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland vgl. (Fn. 2), 6 ff. Ausführlich zu den Argumenten der Befürworter und Gegner des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung vgl. auch (Fn. 1), S. 3 ff. 4 Vgl. Arend, in: The Washington Quarterly, S. 89 ff., S. 90 ff.; Yoo, in: American Journal of International Law 97 (2003), S. 571 ff.; Sofaer, EJIL 2003, 209 ff., 220 ff. 5 Vgl. Arend, in: The Washington Quarterly, S. 89 ff., S. 90 ff. - 4 - kergewohnheitsrechtliches Selbstverteidigungsrecht anerkenne, nicht eindeutig.6 Ein Verbot präventiver Selbstverteidigung sei der Staatenpraxis nach Verabschiedung der VN-Charta jedoch nicht zu entnehmen.7 Das Konzept der präemptiven Selbstverteidigung weite lediglich das Unmittelbarkeitserfordernis der sog. „Caroline“-Formel aus dem Jahr 1837 aus, nach der präventive Verteidigungsmaßnahmen in solchen Situationen als völkerrechtsgemäß anzusehen sind, „in which the necessity of self-defence is instant, overwhelming and leaving no choice of means and no moment for deliberation “.8 Diese Ausweitung sei jedoch erforderlich, um Staaten in Zeiten einer Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und Terroristen eine wirksame Selbstverteidigung zu ermöglichen.9 Allerdings empfindet Arend es als problematisch, dass sich bisher kein völkerrechtlicher Standard zur Bestimmung der Fälle herausgebildet habe, in denen präemptive Selbstverteidigungsmaßnahmen bei einer Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und Terroristen zulässig sind.10 Daneben begründet Arend die Zulässigkeit präemptiver Selbstverteidigungsmaßnahmen auch mit dem – seiner Ansicht nach „ehrlicheren“ – Argument, dass die VN-Charta aufgrund der vielen Verstöße gegen das Gewaltverbot mangels tatsächlicher Beachtung durch die Staaten keine Gültigkeit (mehr) besitze. Wenn aber das Gewaltverbot des Art. 2 Nr. 4 VN-Charta nicht (mehr) gelte, könne die Doktrin der präemptiven Selbstverteidigung auch nicht dagegen verstoßen.11 Auch Yoo hält das Konzept der präemptiven Selbstverteidigung für zulässig. Er begründet dies mit dem gewohnheitsrechtlichen Selbstverteidigungsrecht, welches die VN-Charta überlebt habe. Gemäß der sog. „Caroline“-Formel aus dem Jahr 183712 müsse die Selbstverteidigungsmaßnahme in Anbetracht der bevorstehenden Bedrohung notwendig sein. Unter welchen Voraussetzungen von einer hinreichend bevorstehenden Bedrohung („imminent threat“) gesprochen werden könne, um militärische Selbstverteidigungsmaßnahmen zu rechtfertigen, definiere das Völkerrecht allerdings nicht. Entgegen der in Wörterbüchern verwendeten Definition des Begriffes „imminent“, die hauptsächlich auf die zeitliche Nähe abstelle, müsse das völkerrechtliche Konzept der bevorstehenden Bedrohung („imminence of a threat“) jedoch über den zeitlichen Aspekt hinausgehen und solche Fälle mit einschließen, in denen der Eintritt einer Bedrohung 6 Ibid., S. 92 f. 7 Ibid., S. 93 ff. 8 Ibid., S. 90 f. und 97 ff. 9 Ibid., S. 98. 10 Ibid., S. 98 f. 11 Ibid., S. 99 ff. 12 Dazu s.o. Fn. 8 und dazu gehöriger Text. - 5 - wahrscheinlich sei.13 Auch habe die Existenz von Nuklear- und anderen hoch entwickelten Waffen das Ausmaß eines möglichen Schadens erheblich vergrößert und das zeitliche Element in seiner Bedeutung zurückgedrängt, zumal sich die Zeit zur Abwehr eines Angriffs erheblich reduziert habe und die Bedrohung möglicherweise nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters ausgeschaltet werden könne. Im Hinblick auf die Zulässigkeit militärischer Selbstverteidigungsmaßnahmen seien deshalb folgende Hauptaspekte zu berücksichtigen: der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Angriffs das Bestehen einer möglicherweise nur kurzen Zeitspanne, in der die Ausschaltung der Bedrohung möglich ist, und das Ausmaß des drohenden Schadens.14 Drohe – wie im Falle von Massenvernichtungswaffen – ein außerordentlich hoher Schaden und bestehe nur ein kurzes Zeitfenster, in dem die Bedrohung ausgeschaltet werden könne, so sei eine Maßnahme der präemptiven Selbstverteidigung auch dann als „notwendig“ anzusehen, wenn ein Angriff nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.15 3. Stimmen zur Unzulässigkeit des Konzepts der präemptiven Selbstverteidigung Soweit ersichtlich geht der überwiegende Teil des internationalen völkerrechtlichen Schrifttums dagegen von der Unzulässigkeit präemptiver Selbstverteidigungsmaßnahmen aus.16 13 Vgl. Yoo, in: American Journal of International Law 97 (2003), S. 563 ff., S. 571 ff. 14 Ähnlich auch Sofaer, EJIL 2003, 209 ff., 220 ff., nach dem präemptive Selbstverteidigungsmaßnahmen dann zulässig sind, wenn sie notwendig und verhältnismäßig sind. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit seien folgende Faktoren zu berücksichtigen: 1.) die Art und das Ausmaß der Bedrohung , 2.) der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass sich die Bedrohung verwirklicht, 3.) die Verfügbarkeit und Ausschöpfung der Alternativen zur Gewaltanwendung und 4.) die Vereinbarkeit der präemptiven Gewaltanwendung mit der VN-Charta und anderen völkerrechtlichen Verträgen. 15 Ibid., S. 575 f. 16 So z.B. Brunnée/Toope, in: International Relations 18 (2004), S. 405 ff., 409 f.; Nguyen-Roualt, in: Revue Générale de Droit International Public, S. 835 ff., S. 851; Värk, in : S + F 2004, S. 146 ff., S. 150 f.; Kolb, ZÖR 2004, S. 111 ff., S. 124 ff.; Christakis, S. 9 ff., S. 16 ff. Vgl. auch Murswiek, NJW 2003, S. 1014 ff., S. 1017; Sofaer, EJIL 2003, 209 ff., S. 214; Greenwood, in: Bothe/O’Connell/Ronzitti, S. 387 ff., S. 400; Taylor, in: The Washington Quarterly 27 (2004), S. 57 ff., S. 65; Eick, ZRP 2004, 200, 201; Laghmani, S. 137 ff., S. 142 f. Zur Diskussion in Deutschland vgl. (Fn. 2), S. 6 ff. Im Hinblick auf präventive Selbstverteidigungsmaßnahmen ist das Bild weniger eindeutig. So geht Nolte davon aus, dass international die Meinung vorherrsche, dass ein Recht zu präventiver Selbstverteidigung i.S.d. „Caroline“-Formel (dazu s.o. Fn. 8 und dazu ge- - 6 - So verstößt das Konzept der präemptiven Selbstverteidigung nach Ansicht von O’Connell gegen das Völkerrecht.17 Die VN-Charta enthalte ein umfassendes – und nicht lediglich die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines Staates schützendes – Gewaltverbot.18 Ausnahmen vom Gewaltverbot seien – abgesehen von Zwangsmaßnahmen gemäß Kapitel 7 VN-Charta – nach der VN-Charta nur im Falle der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung gemäß Art. 51 VN-Charta zulässig.19 Danach setze die unilaterale Selbstverteidigung einen bewaffneten Angriff voraus. Gegen Gewalt, die die Schwelle eines bewaffneten Angriffs nicht erreiche, seien – sofern keine Zustimmung des Sicherheitsrates vorliege – nur Maßnahmen unterhalb der militärischen Selbstverteidigung zulässig.20 Auch sei erforderlich, dass der Staat, gegen den sich die Selbstverteidigungsmaßnahmen richten, für den bewaffneten Angriff verantwortlich sei. Der bloße Umstand, dass der feindliche Angriff von dem Gebiet des Staates ausgeht, gegen den sich die Selbstverteidigungsmaßnahmen richten, genüge hierfür nicht.21 Der Zeitpunkt, ab dem von einem bewaffneten Angriff gesprochen werden könne, sei – so O’Connell – allerdings noch nicht vollständig geklärt.22 Grundsätzliche Einigkeit besteht ihrer Ansicht nach unter Völkerrechtlern jedoch dahingehend, dass präventive Verteidigungsmaßnahmen in begrenztem Maße zulässig seien. Denn vom Beginn eines bewaffneten Angriffs könne bereits dann gesprochen werden, wenn überzeugende Nachweise für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff vorliegen.23 Daneben bestehe ein Selbstverteidigungsrecht auch in solchen Fällen, in denen ein Staat, der bereits Opfer eines bewaffneten Angriffs war, überzeugende Nachweise dafür hat, dass sein Feind einen erneuten Angriff vorbereite. Allerdings müssten die Verteidigungsmaßnahmen in einem solchen Falle innerhalb einer angemessenen Zeitspanne nach dem ursprünglichen Angriff stattfinden, damit ein fortdauernder bewaffneter Angriff angenommen werden könne.24 höriger Text) nicht bestehe; vgl. FAZ vom 10.02.2003. Nach O’Connell besteht dagegen unter Völkerrechtlern grundsätzliche Einigkeit dahingehend, dass präventive Verteidigungsmaßnahmen in begrenztem Maße zulässig seien (s.u. Fn. 23 und dazu gehöriger Text); so wohl auch Sofaer, EJIL 2003, 209 ff., S. 214. 17 Vgl. O’Connell, S. 2. 18 Ibid., S. 4 f. 19 Ibid., S. 3. 20 Ibid., S. 5 f. 21 Ibid., S. 7. 22 Ibid., S. 5. 23 Ibid., S. 8 f. 24 Ibid., S. 9. - 7 - Militärische Maßnahmen zur Abwehr der bloß hypothetischen Möglichkeit eines Angriffs , der noch nicht unmittelbar bevorsteht, seien selbst dann unzulässig, wenn die andere Seite über Massenvernichtungswaffen verfügt.25 Weder der bloße Besitz von Massenvernichtungswaffen, noch die Verletzung eines Abrüstungsvertrages seien als bewaffneter Angriff zu bewerten.26 Ein Recht auf präemptive Selbstverteidigung folge auch nicht daraus, dass Art. 51 VN-Charta vom „naturgegebenen Recht zur … Selbstverteidigung “ spreche. Das Argument, dass ein gewohnheitsrechtliches Selbstverteidigungsrecht neben Art. 51 VN-Charta fortbestehe, lehnt die Völkerrechtswissenschaft nach Ansicht von O’Connell überwiegend zu Recht ab. Zur Begründung führt sie aus, dass die VN-Charta die ursprünglich rechtmäßige Anwendung von Gewalt als Instrument nationaler Politik weitestgehend einschränken sollte. Darüber hinaus erfordere eine solche Auslegung auch, dass das Wort „naturgegeben“ über das Gewaltverbot des Art. 2 Ziffer 4 VN-Charta und die Worte „bewaffneter Angriff“ des Art. 51 VN-Charta gestellt werde. Präemptive Selbstverteidigungsmaßnahmen, die in der alleinigen Entscheidung eines Staates liegen, führten zur Aushöhlung des Gewaltverbotes der VN- Charta und liefen der VN-Charta grundlegend zuwider. Der Ansicht, dass das völkergewohnheitsrechtliche Selbstverteidigungsrecht nicht durch die VN-Charta und die spätere Übung der Staaten geändert werden konnte, könne – so O’Connell – nicht zugestimmt werden. Schließlich sei ein unilaterales Recht auf präventive Selbstverteidigung keine zwingende Norm des Völkerrechts (ius cogens).27 Auch könne ein solches Recht nicht auf die fehlende Geltung des Gewaltverbots gestützt werden. Zwar hätten Staaten auch nach der Verabschiedung der VN-Charta das Gewaltverbot verletzt. Solange jedoch ein Verhalten, welches mit einer Regel nicht in Einklang stehe, als Verletzung der Regel – und nicht als Schritt zu neuem Gewohnheitsrecht – eingestuft werde, bestehe die Regel fort. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Staaten, welche die Regel verletzen , die Regel selbst nicht in Frage stellen, sondern sich auf eine Situation berufen, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertige. Die Staatengemeinschaft – und insbesondere die USA – stelle das Gewaltverbot nicht in Frage.28 Nach der Auffassung von Campagnola lässt das Völkerrecht weder präventive noch präemptive Selbstverteidigungsmaßnahmen zu. Während das Gewaltverbot des Art. 2 Ziffer 4 VN-Charta auch die Androhung von Gewalt erfasse, erlaube Art. 51 VN-Charta Selbstverteidigungsmaßnahmen nur im Falle eines bewaffneten Angriffs.29 Erforderlich 25 Ibid., S. 10. 26 Ibid., S. 11. 27 Ibid., S. 12 f. 28 Ibid., S. 14 f. 29 Vgl. Campagnola, S. 69. - 8 - sei somit, dass der Angriff bereits begonnen habe. Dies setze eine Handlung voraus, die mit Sicherheit (und ohne Hinzutreten weiterer Ursachen) substantielle militärische Auswirkungen zur Folge habe, welche die Existenz des angegriffenen Staates gefährden oder geeignet sind, ihm irreversible Schäden zuzufügen.30 Dass ein Angriff unmittelbar bevorstehe, reiche nicht aus.31 Auch existiere kein neben der VN-Charta bestehendes völkergewohnheitsrechtliches Selbstverteidigungsrecht. Denn nach allgemeinem Völkerrecht hebe eine spätere vertragliche oder gewohnheitsrechtliche Norm eine frühere vertragliche oder gewohnheitsrechtliche Norm auf, wenn beide Normen denselben Gegenstand haben und sich an dieselben Staaten richten. Deshalb sei es bereits wenig wahrscheinlich, dass das gewohnheitsrechtliche Selbstverteidigungsrecht das Inkrafttreten der VN-Charta überlebt habe. Darüber hinaus gebe es aber auch keine Übung der Staaten, welche die Existenz eines gewohnheitsrechtlichen Selbstverteidigungsrechts bestätige oder zur Entstehung eines neuen völkergewohnheitsrechtlichen Rechts auf präventive oder präemptive Selbstverteidigung geführt habe.32 Präventive und präemptive militärische Maßnahmen seien deshalb nur mit Autorisierung des Sicherheitsrates zulässig.33 30 Ibid., S. 64. 31 Ibid., S. 69. 32 Ibid., S. 67 f. 33 Ibid., S. 67. - 9 - 4. Literaturverzeichnis Arend, Anthony Clark, International Law and the Preemptive Use of Military Force, in: The Washington Quarterly, S. 89 ff. Brunnée, Jutta/Toope, Stephen, Slouching Towards New ‘Just’ Wars : The Hegemon After September 11th, in: International Relations 18 (2004), S. 405 ff. Campagnola, François, La légalité internationale de l’action « préemptive » et « préventive », in : défense nationale et sécurité collective 2006, S. 63 ff. Christakis, Thédore, Vers une reconnaissance de la notion de guerre préventive ?, in: Bannelier, Karine et. al., L’intervention en Irak et le droit international, Paris 2004, S. 9 ff. Eick, Christophe, „Präemption“, „Prävention“ und die Weiterentwicklung des Völkerrechts , ZRP 2004, S. 200 ff. Greenwood, Christopher, The Legality of the Use of Force: Iraq in 2003, in: Bothe, Michael/O’Connell, Mary Ellen/Ronzitti, Natalino, Redefinig Sovereignty – The Use of Force After the Cold War, New York 2005, S. 387 ff. Kolb, Robert, Self-Defence and Preventive War at the Beginning of the Millenium, ZÖR 2004, S. 111 ff. , Fragen zur völkerrechtlichen Bewertung der präemptiven Verteidigung und des Krieges gegen den Irak, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 05.01.2005, WF II – 170/04 Laghmani, Slim, La doctrine américaine de la ‘preemptive self-defense’, in : Pedone, A., Le droit internationale à la croisée des chemins, Paris 2004, S. 137 ff. Murswiek, Dietrich, Die amerikanische Präventivstrategie und das Völkerrecht, NJW 2003, S. 1014 ff. Nguyen-Rouault, Florence, L’intervention armée en Irak et son occupation au regard du droit international, in: Revue Générale de Droit International Public, S. 835 ff. Nolte, Georg, Weg in eine andere Rechtsordnung – Vorbeugende Gewaltanwendung und gezielte Tötungen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.01.2003 - 10 - O’Connell, Mary Ellen, The Myth of Preemptive Self-Defense, ASIL Task Force Papers , August 2002, abrufbar unter: http://www.asil.org/taskforce/oconnell.pdf (Stand: 12.06.2007) , Die Nationale Sicherheitsstrategie der USA aus den Jahren 2002 und 2006, Teil 1 – Das Konzept der „preemptive self-defense“ im Spiegel des Völkerrechts, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 05.03.2007, WD 2 – 35/07 Sofaer, Abraham D., On the Necessity of Pre-emption, in: EJIL 2003, S. 209 ff. Taylor, Terence, The End of Imminence? in: The Washington Quarterly 27 (2004), S. 57 ff. Värk, René, Terrorism and the use of force: From defensive reaction to pre-emptive action?, in: S + F 2004, S. 146 ff. Yoo, John, International Law and the War in Iraq, in: The American Journal of International Law 97 (2003), S. 563 ff.