WD 2 - 3000 - 047/19 (02. April 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Einstufungspraxis und deren politische Bewertung Berichte zur Materiallage der Bundeswehr werden im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) seit 2014 erstellt. Während die ersten beiden Berichte als „VS-NfD“ eingestuft worden sind, hat das Ministerium den dritten und vierten Bericht (November 2016 und Februar 2018) veröffentlicht. Der letzte Bericht für 2018 vom 11. März 2019 wurde nun als „VS-Geheim“ eingestuft . Begründet wurde das mit einer „enorm geändert[en]“ Datenbasis. Sie sei „nicht nur umfangreicher , sondern auch aufschlussreicher“. Auf dieser Grundlage wurde der Bericht neu bewertet , so dass er nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags eingesehen werden kann. „In der Gesamtschau lässt er so konkrete Rückschlüsse auf die Fähigkeiten der Bundeswehr zu, dass eine Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland schädigen würde“, erklärt Generalinspekteur Eberhard Zorn in seinem Schreiben an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses dazu. Künftig wird der Generalinspekteur den Bundestag allerdings alle sechs Monate mit einem aktuellen Bericht über den Zustand der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr versorgen und ihn gemeinsam mit dem Rüstungsbericht vorlegen.1 Aus dem politischen Raum und der veröffentlichten Meinung wurde dieser Schritt stark kritisiert .2 Thomas Wiegold fasst die Kommentierung dazu in seinem Blog zusammen: 1 BMVg, Neuer Bericht zur Einsatzbereitschaft – umfangreicher und detaillierter, 11.3.2019; https://www.bmvg.de/de/aktuelles/neuer-bericht-zur-einsatzbereitschaft-umfangreicher-und-detaillierter-34116 [letzter Zugriff: 28.3.2019]. 2 Siehe aus der Fülle der Berichte mit gleichlautendem Kommentar Matthias Gebauer, Ärger für Ministerin von der Leyen. Geheimsache Einsatzbereitschaft, in: Spiegel online, 11.3.2019; http://www.spiegel.de/politik /deutschland/bundeswehr-einsatzbereitschaft-ursula-von-der-leyen-haelt-bericht-geheim-a-1257310.html ; Fabian Löhe, Einsatzbereitschaft Bundeswehr: „Leyen kann immer weniger halten, was sie verspricht“, in: Tagesspiegel , 12.3.2019; https://www.tagesspiegel.de/politik/einsatzbereitschaft-der-bundeswehr-leyen-kann-immer -weniger-halten-was-sie-verspricht/24093692.html ; Bericht über Bundeswehr-Einsatzbereitschaft jetzt „geheim “, in: Bundeswehr-Journal, 19.3.2019; http://www.bundeswehr-journal.de/2019/bericht-ueber-bundeswehr -einsatzbereitschaft-jetzt-geheim/ [alle letzter Zugriff: 28.3.2019]. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Einstufung von Berichten zur Einsatzbereitschaft Kurzinformation Einstufung von Berichten zur Einsatzbereitschaft Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 „Mit dem neuen Umgang mit diesen Informationen begrenzt das Verteidigungsministerium nicht nur die Kenntnisnahme auf die Abgeordneten – es unterbindet auch die Debatte über mögliche Probleme bei einzelnen Waffensystemen. Denn die Parlamentarier dürfen über diese geheimen Angaben nicht sprechen. Damit bleibt für die Debatte in der Öffentlichkeit – vor dem Hintergrund der Forderung nach Erhöhung des Verteidigungshaushalts – unklar, inwieweit das Geld sinnvoll eingesetzt wird.“3 Dort findet sich auch eine Übersicht zum bisherigen Umgang des BMVg mit den Berichten: • September 2014: Der erste Bericht zur Materiallage der Hauptwaffensysteme wird den Abgeordneten vorgelegt, eingestuft als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD), also nicht Geheim. Die Ergebnisse sind aus Sicht der Parlamentarier erschreckend. • Dezember 2015: Der zweite Bericht zur Materiallage der Hauptwaffensysteme ist von der Lage her nicht viel besser; der Bericht ist ebenfalls als VS-NfD eingestuft. • November 2016: Dritter Bericht zur Materiallage der Hauptwaffensysteme; weiterhin muss der Generalinspekteur unzureichende Verfügbarkeit, mangelnde Einsatzbereitschaft, technische Probleme oder fehlende Ersatzteile melden. Erstmals wird dieser Bericht vom Verteidigungsministerium nicht nur den Abgeordneten zugänglich gemacht, sondern auch veröffentlicht. • Februar 2018 (aus dem ursprünglichen Rhythmus zum Jahresende verschoben wegen lang anhaltender Regierungsbildung): Der vierte Bericht zur Materiallage der Hauptwaffensysteme wird ebenfalls veröffentlicht. Die weiterhin geringe Einsatzbereitschaft vieler Systeme begründet das Ministerium nun auch mit der gestiegenen Zahl einsatzgleicher Verpflichtungen sowie Belastung des Materials durch mehr Übungen.4 2. Rechtliche Einordnung Die gesetzliche Grundlage der Einstufung einer Verschlusssache als „Geheim“ liegt im Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG)5. Die vom BMVg im Einvernehmen mit dem BMI in diesem Zusammenhang erlassene Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der 3 Thomas Wiegold, Zahlen zur Einsatzbereitschaft von Bundeswehr-Waffensystemen: Bisher offen, jetzt geheim (m. Nachtrag), 11.3.2019; https://augengeradeaus.net/2019/03/zahlen-zur-einsatzbereitschaft-von-bundeswehrwaffensystemen -bisher-offen-jetzt-geheim/ [letzter Zugriff: 28.3.2019]. 4 Ebd. 5 Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet .de/s_g/BJNR086700994.html [letzter Zugriff: 2.4.2019]. Kurzinformation Einstufung von Berichten zur Einsatzbereitschaft Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Verteidigung (VSA-BMVg) kann für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Einstufung im vorliegenden Einzelfall außer Acht bleiben, da es sich bei der VSA-BMVg um eine gesetzeskonkretisierende, einfache Verwaltungsvorschrift handelt, die nur innerhalb der zuständigen Behörde Wirkung entfaltet .6 Auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 Nr.2 SÜG wird eine Verschlusssache entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit als „Geheim“ eingestuft, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auch nur gefährden kann.7 Eine effektive Beeinträchtigung der Sicherheit ist vom Gesetz also nicht erfordert. Auch bedarf es nicht des tatsächlichen Eintritts der Gefährdung, vielmehr genügt eine potentielle Gefährdung. Im vorliegenden Sachverhalt gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine etwaige formelle Rechtswidrigkeit der Einstufung. Ebenso wenig sind Bedenken hinsichtlich ihrer materiellen Rechtmäßigkeit erkennbar. Insbesondere ist die in der Einstufung zum Ausdruck kommende behördliche Annahme rechtlich nicht zu beanstanden, nämlich dass die Kenntnisnahme eines Berichts zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr durch Unbefugte dazu führen kann, dass Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden können . Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass Behörden bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Einstufung verpflichtet sind, die jeweils gebotenen Schutzmaßnahmen zu ergreifen (siehe u.a. § 4 Abs. 4 SÜG), es handelt sich in diesem Fall also nicht um eine Ermessensentscheidung . *** 6 Siehe im Einzelnen zu Rechtsnatur und -wirkungen von Verwaltungsvorschriften Hartmut Maurer/Christian Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage 2017, § 24, S. 677 ff. 7 A.a.O. (Fn. 5).