WD 2 - 3000 - 045/17 (31. Mai 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Eine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung, hinsichtlich der Einstufung von Verbrechen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) als „Völkermord“ iSd Völkermordkonvention von 1948, hat es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Mai 2017 bislang nicht gegeben. Die Taten des IS würden regelmäßig als schwere Menschenrechtsverletzungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit iSd Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs bezeichnet. Eine Verharmlosung der IS-Verbrechen könne darin nicht gesehen werden. Oftmals sei die Verwendung des Völkermordbegriffes an bestimmte politische Erwartungen geknüpft, die jedoch rechtlich nicht einlösbar seien. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Tatbestandes Völkermord, sei zu bedenken , dass Völkermord in subjektiver Hinsicht, die Absicht voraussetzt, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Das Feststellen dieser subjektiven Kriterien erfordere konkrete Anhaltspunkte, die auf eine Absicht des IS schließen ließen , ein Volk jedenfalls teilweise zu eliminieren. In Ermangelung entsprechender Äußerungen und Stellungnahmen des IS, könne die Darlegung eines solchen Willens bislang nicht mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt werden. Auch die Art und Weise der durch den IS begangenen weltweiten Taten zeuge von einer nahezu wahllos vorgenommenen Tötungsabsicht an Menschen jeglicher Abstammung und Religionszugehörigkeit und weniger von einem systematischen, sich gegen eine bestimmte Volksgruppe richtenden Vernichtungswillen. In der wissenschaftlichen Literatur wird im Zusammenhang mit den vom IS begangenen Verbrechen an dem Volk der Jesiden die Frage diskutiert, ob diese als Völkermord zu qualifizieren sind (Berster/Schiffbauer: Völkermord im Nordirak?, ZaöRV 2014, S. 863). Auch einzelne Äußerungen von Regierungsmitgliedern zeugen von der innerstaatlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. So äußerte sich ein Vertreter des Auswärtigen Amtes auf einer Regierungspressekonferenz vom 31. März 2017 mit den Worten „..und das andere ist der Aspekt, dass wir Waffen an die Kurden geliefert haben, damit sie in der Lage sind, den Völkermord an Jesiden zu verhindern“. Ferner sprach der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung , Dr. Gerd Müller, in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 12. Mai 2016 von „Völkermord an den Jesiden“. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Qualifizierung und Verfolgung von Verbrechen des sogenannten „Islamischen Staates“ als Völkermord Kurzinformation „Islamischen Staates“ als Völkermord Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Sawsan Chebli (SPD), stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes, erklärte auf einer Regierungspressekonferenz am 18. März 2016: „…wenn man sieht, was da passiert […] dann kann man das Völkermord nennen. Es ist aber nicht an uns, das so amtlich festzustellen“. In einem Verfahren der Generalbundesanwaltschaft gegen ein IS-Mitglied wurde ein Haftbefehl wegen Mordes und Kriegsverbrechen, nicht jedoch wegen Völkermordes erlassen (3. Januar 2017 Az. 2/2017).