© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 044/19 Zum Widerruf von Rüstungsexportgenehmigungen bei Änderung der sicherheitspolitischen Lage im Empfängerland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 2 Zum Widerruf von Rüstungsexportgenehmigungen bei Änderung der sicherheitspolitischen Lage im Empfängerland Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 044/19 Abschluss der Arbeit: 30. April 2019 (zugleich letzter Zugriff auf die Internetquellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 1.1. Unterschiedliche Ausfuhrregime 4 1.2. Änderung der sicherheitspolitischen Lage im Empfängerland 5 1.3. „Vorbehaltsklauseln“ für Rüstungsexportgenehmigungen 6 2. Widerrufsvorbehalt 6 2.1. Rüstungsexporte nach dem KWKG 7 2.2. Rüstungsexporte nach dem AWG 8 3. Auflösende Bedingung 9 4. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 4 1. Einführung Der vorliegende Sachstand befasst sich mit dem Widerruf von Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Drittländer.1 Dabei geht es insb. um die verwaltungsrechtliche Zulässigkeit von „Vorbehaltsklauseln“ bei Rüstungsexportgenehmigungen . 1.1. Unterschiedliche Ausfuhrregime Für die Erteilung und Aufhebung von Rüstungsexportgenehmigungen ist hinsichtlich der Art der auszuführenden Rüstungsgüter zu unterscheiden: Die Ausfuhr von Kriegswaffen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG)2 unterliegt gem. Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG einem Genehmigungsvorbehalt.3 Dieser gilt unterschiedslos für Ausfuhren in Drittländer, EU-Mitgliedstaaten, NATO-Staaten und der NATO gleichgestellte Staaten. Das antragstellende Rüstungsunternehmen hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Genehmigung (§ 6 Abs. 1 KWKG). Regelmäßig stellen die Unternehmen sog. „Voranfragen“, wobei ihnen von der Behörde eine entsprechende Genehmigung in Aussicht gestellt wird, sofern sich die Sachund Rechtslage nicht ändert. Voranfragen haben keine vertrauensschutzbildende Wirkung. Für die behördliche Entscheidung über die Ausfuhr von sonstigen Rüstungsgütern, d.h. Rüstungsgüter, die keine Kriegswaffen sind, sind die Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes 1 Bei Drittländern handelt es sich um Staaten, die nicht der Europäischen Union (EU) oder der NATO angehören bzw. NATO-Staaten gleichgestellt sind. In den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung wird diese Ländergruppe unter „sonstige Länder“ geführt; siehe Ziffer III der Politischen Grundsätze. „NATO-gleichgestellte Länder“ sind gemäß Ziffer II Fn. 5 der Politischen Grundsätze Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz. 2 Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes) vom 22. November 1990 (BGBl. I S. 2506), zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 13.4.2017 (BGBl. I S. 872), http://www.gesetze-im-inteRdnret.de/krwaffkontrg/index.html#BJNR004440961BJNE000509377. 3 Zur Rechtsnatur dieses Genehmigungsvorbehaltes siehe z.B. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 85. EL (November 2018), Art. 26 Rdnr. 73 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 5 AWG)4 und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)5 maßgeblich sowie die allgemeinen Regelungen über Verwaltungsakte nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).6 Auch die Ausfuhr sonstiger Rüstungsgüter setzt eine Genehmigung nach § 8 Abs. 1 AWG i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 AWV voraus. Sofern die in § 4 AWG genannten Rechtsgüter nicht oder nur unwesentlich durch den beantragten Rüstungsexport gefährdet sind, hat der Antragsteller einen Anspruch auf die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung.7 In anderen Fällen kann die Genehmigung erteilt werden, wenn das volkswirtschaftliche Interesse an dem Rüstungsexport überwiegt (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 AWG).8 Unternehmen, die Kriegswaffen exportieren, benötigen in der Praxis regelmäßig zwei Genehmigungen : Eine Genehmigung für die Beförderung nach dem KWKG und eine andere für die Ausfuhr nach dem AWG.9 Für den Export sog. Dual-use-Güter gelten die speziellen Regelungen des Europarechts,10 auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. 1.2. Änderung der sicherheitspolitischen Lage im Empfängerland Für die Praxis stellt sich die Frage, wie die zuständige Behörde11 schnell und flexibel reagieren kann, wenn sich nach Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung die sicherheitspolitische Lage im 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 20.7.2017 (BGBl. I S. 2789), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminte Rdnret.de/awg_2013/index.html#BJNR148210013BJNE000900000. 5 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) vom 2. August 2013 (BGBl. I S. 2865), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 27.2.2019 (BAnz AT 6.3.2019 V1), abrufbar unter: http://www.gesetze-iminte Rdnret.de/awv_2013/index.html. 6 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes vom 18. 12.2018 (BGBl. I S. 2639) geändert, abrufbar unter: http://www.gesetze-iminte Rdnret.de/vwvfg/index.html#BJNR012530976BJNE005602301. 7 Beutel, in: Wolffgang/Simonsen et al., AWR-Kommentar, Losebl., Stand August 2017, § 8 KWKG, Rdnr. 4. 8 Ebd. 9 Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen et al., AWR-Kommentar, Stand November 2015, Einl. zum KWKG Rdnr. 13f.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 85. EL (November 2018), Art. 26 Rdnr. 63 10 Vgl. die sog. Dual-use-Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, ABl. EU L 134/1 vom 29.5.2009, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R0428&from=FR. 11 Für den Export von Kriegswaffen zuständig ist das BMWi (im Benehmen mit dem AA und dem BMVg); für die Ausfuhr sonstiger Rüstungsgüter ist federführend das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, zuständig. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 6 Empfängerland im Sinne der Politischen Grundsätze der Bundesregierung12 verändert hat – z.B. weil sich die Menschenrechtssituation vor Ort verschlechtert oder ein Aufstand, Putsch oder bewaffneter Konflikt ausbricht. 1.3. „Vorbehaltsklauseln“ für Rüstungsexportgenehmigungen Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Auftraggeber aufgeworfene Frage nach der verwaltungsrechtlichen Zulässigkeit von „Vorbehalten“ (technisch gesprochen: Nebenstimmungen) für Rüstungsexportgenehmigungen in „sonstige Länder“ (Drittländer). Als Nebenbestimmungen in Betracht kommen der Widerrufsvorbehalt (dazu 2.) und die auflösende Bedingung (dazu 3.). Ob solche „Vorbehalte“ eine wirtschaftspolitisch sinnvolle „Ergänzung“ des rüstungsexportrechtlichen Reaktionsinstrumentariums von Genehmigungsbehörden für den Fall einer veränderten Lage im Empfängerland darstellen, kann nur am Rande behandelt werden. Bei den Nebenbestimmungen ist grundsätzlich zwischen den Ausfuhrregimen für Kriegswaffen bzw. für sonstige Rüstungsgüter zu unterscheiden (s.o. 1.1.). Die jährlichen Rüstungsexportberichte geben darüber Auskunft, welcher Anteil an Rüstungsexporten aus Deutschland „Kriegswaffen “ und welcher die „sonstigen Rüstungsgüter“ betrifft. Bei parlamentarischen Anfragen zu Rüstungsexporten beruft sich die Bundesregierung jedoch häufig auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und verweist in ihrer Antwort auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Rüstungsunternehmen.13 2. Widerrufsvorbehalt Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist zunächst zu prüfen, ob sich die zuständige Behörde in einem Genehmigungsbescheid überhaupt vorbehalten kann, dass sie die Ausfuhrgenehmigung widerruft, sofern sich die politische Lage im Empfängerland verändert hat bzw. sicherheitspolitische Belange i.S.d. Politischen Grundsätze der Bundesregierung anders beurteilt werden (sog. Widerrufsvorbehalt). 12 Vgl. Ziff. III Nr. 4 und 5 der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19. Januar 2000, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/A/aussenwirtschaftsrechtgrundsaetze .pdf?__blob=publicationFile&v=1. 13 Vgl. z.B. die Antwort auf die schriftliche Frage an die Bundesregierung im Monat Januar 2019 (Frage Nr. 49), 14.1.2019, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Parlamentarische-Anfragen/2019/1- 49.pdf?__blob=publicationFile&v=4. Die Bundesregierung beruft sich u.a. auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Informationsrecht der Bundestagsabgeordneten über Rüstungsexporte, NVwZ 2014, 1652. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 7 2.1. Rüstungsexporte nach dem KWKG Gegen die Möglichkeit, Ausfuhrgenehmigungen unter Widerrufsvorbehalt zu erteilen, spricht zunächst der Gesetzeswortlaut. § 10 Abs. 1 KWKG regelt Inhalt und Form von Rüstungsexportgenehmigungen für Kriegswaffen nach dem KWKG. Dabei erwähnt der Gesetzestext als zulässige Nebenbestimmungen von Ausfuhrgenehmigungen ausschließlich die inhaltliche Beschränkung, ferner Befristungen und Auflagen, nicht aber den Widerrufsvorbehalt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bleibt zwar offen, ob es sich um eine abschließende Aufzählung von zulässigen Nebenbestimmungen handeln soll oder nicht.14 Bei § 10 KWKG handelt es sich jedoch um eine Spezialvorschrift für Nebenbestimmungen,15 welche die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte nach dem VwVfG grundsätzlich verdrängt. In der Gesetzesbegründung kommt der Wille des Gesetzgebers nach einer „besonders bewegliche [n] und anpassungsfähige[n] Verwaltungspraxis“, nicht jedoch die Notwendigkeit eines Widerrufsvorbehaltes zum Ausdruck.16 In der behördlichen Praxis werden Widerrufsvorbehalte für rechtlich nicht notwendig erachtet, da ein Anspruch auf eine Ausfuhrgenehmigung nicht besteht17 und eine bereits erteilte Ausfuhrgenehmigung jederzeit widerrufen werden kann (§ 7 Abs. 1 KWKG). Stattdessen werden Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen auf zwei Jahre befristet. An einen während dieses Zeitraums erfolgten Widerruf knüpft § 9 KWKG einen spezialgesetzlich geregelten Entschädigungsanspruch des antragstellenden Unternehmens.18 Im Ergebnis spricht einiges dafür, dass Rüstungsexportgenehmigungen auf der Grundlage des KWKG nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden dürfen.19 Das KWKG bildet insoweit ein Sonderregime für Kriegswaffenexporte, welches spezielle Regelungen über die Erteilung, den Widerruf (einschließlich der damit einhergehenden Entschädigung) von Exportgenehmigungen enthält. Das Instrument der zeitlichen Befristung von Genehmigungen bietet überdies effektive behördliche Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten angsichts einer sich 14 Heinrich, in: Steindorf, Waffenrecht, 10. Auflage (2015), § 10 KrWaffG, Rdnr. 1. 15 So Pottmeyer, KWKG Kommentar, Köln u.a.: Carl Heymanns, 2. Auflage (1994), § 10 Rdnr. 68. 16 Vgl. Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Kriegswaffengesetz), 3.2.1960, BT-Drs. 3/1589, S. 19, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/03/015/0301589.pdf. 17 § 6 KWKG enthält lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (so Pottmeyer, KWKG Kommentar, 2. Auflage (1994), § 6 Rdnr. 9). 18 Vgl. zur staatlichen Entschädigungspflicht – einschließlich Überlegungen zur gesetzgeberischen Dispositionsbefugnis de lege ferenda – das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste vom 26.1.2016, „Entschädigung beim Widerruf von Rüstungsexportgenehmigungen“, WD 2 – 3000 – 009/16, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/412798/1889bd849d3b02af915fb9b098b66621/wd-2-009-16-pdfdata .pdf (als Anlage). 19 So Pottmeyer, KWKG Kommentar, 2. Auflage (1994), § 10 Rdnr. 76. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 8 ändernden Sach- und Rechtslage. 2.2. Rüstungsexporte nach dem AWG Da das AWG – anders als das KWKG – keine speziellen Vorschriften für die Aufhebung einer Genehmigung für Exporte von sonstigen Rüstungsgütern vorsieht, sind die allgemeinen Vorschriften für die Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten (§§ 48, 49 VwVfG) anwendbar . Eine Rüstungsausfuhrgenehmigung ist für das antragstellende Rüstungsunternehmen ein begünstigender Verwaltungsakt, sodass ein Widerruf der Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG möglich ist; diese sind aus Sicht der Behörde rechtlich strenger als die Möglichkeit eines jederzeitigen Widerrufs in § 7 KWKG. § 14 Abs. 1 S. 1 AWG sieht ausdrücklich vor, dass die zuständige Behörde Ausfuhrgenehmigungen mit Nebenbestimmungen versehen kann. Als Unterart der Nebenbestimmung wird auch der Widerrufsvorbehalt von § 14 Abs. 1 S. 1 AWG erfasst (vgl. § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 VwVfG). Widerrufsvorbehalte sind bei Ausfuhrgenehmigungen auf der Grundlage des AWG – anders als nach dem KWKG – also rechtlich grundsätzlich möglich. Für die zuständige Behörde (das BAFA) würde ein Widerrufsvorbehalt den Vorteil bieten, dass die Exportgenehmigung bei einer Änderung der Sachlage unter den vereinfachten Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG aufgehoben werden kann. Fraglich ist allerdings, inwieweit sich dieser Gewinn an Flexibilität nicht auch durch eine zeitlich befristete Genehmigung erzielen lässt. Abgesehen davon sieht § 4 Abs. 4 AWG als Ausfluss der Außenwirtschaftsfreiheit vor: „Beschränkungen und Handlungspflichten sind nach Art und Umfang auf das Maß zu begrenzen, das notwendig ist, um den in der Ermächtigung angegebenen Zweck zu erreichen. Sie sind so zu gestalten, dass in die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung so wenig wie möglich eingegriffen wird.“ Vor diesem Hintergrund plädiert die rechtswissenschaftliche Literatur dafür, bei Exportgenehmigungen nach dem AWG von Widerrufsvorbehalten abzusehen.20 Ein solcher Verzicht vermeidet zugleich Wertungswidersprüche zwischen AWG und KWKG, die mit Blick auf die Entschädigungspflicht nach dem KWKG entstehen würden (vgl. dazu 4.). 20 Vgl. Epping, in: Wolffgang/Simonsen et al., AWR-Kommentar, Stand Mai 2014, § 14 AWG, Rdnr. 13 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 9 In der Praxis werden Einzelausfuhrgenehmigungen für „sonstige“ Rüstungsgüter nach dem AWG regelmäßig ohne Widerrufsvorbehalt erteilt.21 Damit wird insbesondere dem Vertrauensschutz des Unternehmens Rechnung getragen, welches – anders als bei Exportgenehmigungen nach dem KWKG – grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung hat. Ein Widerspruchsvorbehalt würde hingegen das Vertrauen eines Unternehmens auf den Bestand einer Ausfuhrgenehmigung auf Null reduzieren. Für Unternehmen, die auf dem globalen Markt agieren müssen, würde sich ein Widerrufsvorbehalt wirtschaftlich als Wettbewerbsnachteil erweisen. Statt unter Widerspruchvorbehalt werden Ausfuhrgenehmigungen grundsätzlich auf zwei Jahre befristet erteilt. Sollte sich die sicherheitspolitische Lage im Empfängerland innerhalb dieses Zeitraumes ändern, so erfolgt ein Widerruf der Ausfuhrgenehmigung nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und zieht einen Entschädigungsanspruch des Unternehmens nach sich, der im Grundsatz des Vertrauensschutzes wurzelt. 3. Auflösende Bedingung Weiter ist zu überlegen, ob die Rüstungsexportgenehmigung explizit vom Fortbestand der aktuellen politischen Lage im Empfängerstaat bzw. der daraus resultierenden sicherheitspolitischen Einschätzung abhängig gemacht werden kann, m.a.W. ob sie rechtlich mit einer „Bedingung“ verbunden werden kann. Verwaltungsrechtlich handelt es sich um eine sogenannte auflösende Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 VwVfG – also um eine Bestimmung, nach welcher der Wegfall der Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. Eine Genehmigung wird dann automatisch unwirksam, sofern das künftige ungewisse Ereignis eintritt.22 Dem Gesetzgeber zufolge gehören zu den in § 10 Abs. 1 KWKG genannten „inhaltlichen Beschränkungen“ auch die mit einer Genehmigung verbundenen (auflösenden) Bedingungen.23 Unter den Begriff des „eine Bedingung auslösenden Ereignisses“ fallen nach der Rechtsprechung des BVerwG nur „die von der Außenwelt gleichermaßen wahrnehmbaren bzw. erfassbaren Handlungen oder Geschehnisse“.24 Das Ereignis muss also, auch wenn sein Eintritt ungewiss ist 21 Demengegenüber sollen sog. Sammelausfuhrgenehmigungen (SAG) für Dual-use-Güter, die nach den Vorschriften des Europarechts erteilt werden, laut einem Runderlass aus dem Jahr 2003 unter Widerrufsvorbehalt erteilt werden (vgl. Runderlass Außenwirtschaft Nr. 10/2003 für die Erteilung von Sammelausfuhrgenehmigungen für Dual-use-Güter und für Rüstungsgüter vom 2. Juni 2003 (Bundesanzeiger Nr. 107 vom 12.06.2003), Ziff. III, S. 3, https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aussenwirtschaft/afk_runderlass_aussenwirtschaft.html). 22 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, München: Beck, 19. Auflage (2017), § 12 Rdnr. 6; Pottmeyer, KWKG Kommentar, 2. Auflage (1994), § 10 Rdnr. 75. 23 Pottmeyer, KWKG Kommentar, 2. Auflage (1994), § 10 Rdnr. 75; Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Kriegswaffengesetz), 3.2.1960, BT-Drs. 3/1589, S. 19, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/03/015/0301589.pdf. 24 BVerwG, NVwZ 2015, S. 1764 f. – Rückforderung einer staatlichen Zuwendung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 10 und noch in der Zukunft liegt, für das antragstellende Unternehmen bereits im Vorfeld hinreichend konkret „erfassbar“ und damit „kalkulierbar“ erscheinen. Keinesfalls darf der Eintritt des Ereignisses auf einer „verwaltungsinternen Neubewertung“ beruhen.25 In der Praxis kommt es folglich auf die konkrete Präzisierung des Ereignisses im Empfängerland an. So gehen etwa die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern davon aus, dass Genehmigungen für Exporte nach KWKG und/oder AWG in Drittländer nicht in Betracht kommen, „wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, z. B. bei bewaffneten internen Auseinandersetzungen und bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle“ (Ziff. III Nr. 4). Zwar sind „interne Auseinandersetzungen“ im Empfängerland sowie eine sich „verschlechternde Menschenrechtssituation“ vor Ort aus Sicht des beteiligten Unternehmens und des BAFA „künftige ungewisse Ereignisse“. Ob und wann jedoch in puncto Menschenrechtsverletzungen ein Schweregrad erreicht ist, der eine Neubewertung der Situation – einschließlich der Genehmigungsentscheidung für den Rüstungsexport dorthin – erforderlich macht, unterliegt der politischen Einschätzung der Behörde, die dabei über Ermessensspielraum verfügt. Die Verschlechterung der menschenrechtlichen Situation im Empfängerland stellt mit anderen Worten erst dann ein verwaltungsrechtlich relevantes – nämlich eine Bedingung auslösendes – Ereignis dar, wenn die Behörde die Situation vor Ort im Sinne der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für gravierend genug erachtet und entsprechend (neu) bewertet. Die vergleichsweise „vage“ Umschreibung der Situation im Empfängerland, wie sie die Politischen Grundsätze der Bundesregierung in Ziff. III Nr. 4 vornehmen, lässt sich daher regelmäßig nicht als ein Ereignis formulieren, das eine Bedingung auszulösen vermag. In der Praxis werden Ausfuhrgenehmigungen daher nicht unter einer auflösenden Bedingung erteilt. 4. Ergebnis Die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von „Vorbehalten“ für Rüstungsexportgenehmigungen angesichts einer möglichen Änderung der sicherheitspolitischen Lage im Empfängerland lässt sich im Ergebnis eher zurückhaltend beantworten. 25 So Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage (2017), § 12 Rdnr. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/19 Seite 11 Auflösende Bedingungen als Nebenbestimmung von Ausfuhrgenehmigungen (dazu 3.) erscheinen jedenfalls für die Praxis kaum praktikabel. Für Exportgenehmigungen für Kriegswaffen (einschließlich einer Widerrufsmöglichkeit und einer damit einhergehenden Entschädigung) enthält das KWKG abschließende Sonderregelungen (dazu 2.1.). Widerrufsvorbehalte erscheinen dabei rechtlich weder zulässig noch notwendig, weil ohnehin kein Anspruch auf eine Genehmigung besteht und diese jederzeit widerrufen werden kann. Vertrauensschutz zugunsten des exportierenden Unternehmens besteht auch angesichts einer bereits erteilten Genehmigung nicht. Für Rüstungsexportgenehmigungen nach dem AWG sind Widerrufsvorbehalte zwar grundsätzlich möglich, geraten aber in Widerspruch zu den Grundsätzen der Außenwirtschaftsfreiheit (§ 4 AWG) und des Vertrauensschutzes. Überdies würden solche Vorbehalte bei AWG- Genehmigungen zu einem gewissen Wertungswiderspruch führen: Während nämlich das KWKG eine spezialgesetzliche Entschädigungsregelung vorsieht, belässt ein Widerrufsvorbehalt, der nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften erfolgt, das wirtschaftliche Risiko beim Antragsteller.26 Ein Unternehmen, welches Kriegswaffen exportiert, würde also für den Fall eines (nachträglichen) Widerrufs der Ausfuhrgenehmigung finanziell entschädigt,27 obwohl der Gesetzgeber die rechtliche Position der Unternehmen im KWKG bewusst schwach ausgestalten wollte. Demgegenüber geht das Unternehmen, welches „sonstige“ (also tendenziell weniger kriegsrelevante ) Rüstungsgüter auf Grundlage des AWG ausführt, im Falle eines Widerrufvorbehalts finanziell leer aus, obwohl der Gesetzgeber die Unternehmen mit einer rechtlich vergleichsweise stärkeren Position ausstatten wollte. Unternehmen, die um ihre finanzielle Entschädigung fürchten , können den Widerrufsvorbehalt als Nebenbestimmung zu einem begünstigenden Verwaltungsakt nach neuerer Rechtsprechung auch isoliert vor dem Verwaltungsgericht anfechten.28 Angesichts des aufgezeigten Wertungswiderspruchs wäre fraglich, ob ein Widerrufsvorbehalt insoweit rechtlich Bestand haben würde. *** 26 § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG lautet insoweit: „Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf (…) ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf (…) im Verwaltungsakt vorbehalten ist.“ § 49 Abs. 6 VwVfG lautet: „Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat“. In den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 findet im Umkehrschluss keine Entschädigung statt. 27 Der Entschädigungsanspruch ersetzt – anders als im Falle des Widerrufs eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach den allgemeinen Vorschriften – nicht das enttäuschte Vertrauen, sondern kompensiert lediglich die vergeblich getätigten Aufwendungen. 28 Vgl. BVerwGE 112, 221 (224). Vgl. zum Streitstand eingehend Maurer, Hartmut / Waldhoff, Christian, Allgemeines Verwaltungsrecht, München: Beck, 19. Aufl. 2017, § 12 Rdnr. 27.