© 2015 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 044/14 Rechtsfragen betreffend das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens EU-USA (TTIP) Roman Schmidt-Radefeldt Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/14 Seite 2 Rechtsfragen betreffend das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens EU-USA (TTIP) Verfasser: Regierungsdirektor Priv.-Doz. Dr. Roman Schmidt-Radefeldt Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 044/14 Abschluss der Arbeit: 26. März 2014 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: +49 (30) 227-38622 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ratifizierung 4 2. Vorläufige Anwendung 5 3. Innerstaatliche Zustimmung 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/14 Seite 4 1. Ratifizierung Ein Vertragsentwurf für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) liegt derzeit noch nicht vor, so dass im folgenden nur der mutmaßliche Ratifizierungsprozess aufgezeigt werden kann. Der Vertragstext zum EU-USA-Freihandelsabkommen wird auch das Inkrafttreten des Abkommens regeln. Noch nicht abschließend geklärt ist hier die Frage, ob es sich bei TTIP um ein sog. „gemischtes Abkommen“ handeln wird.1 Gemischte Abkommen sind völkerrechtliche Übereinkommen, an denen auf europäischer Seite sowohl die Europäische Union als auch die Mitgliedsstaaten als Parteien beteiligt sind. Beispiele sind Assoziierungs- und Kooperationsabkommen , aber auch multilaterale Verträge, wie etwa das WTO-Übereinkommen und verschiedene Rohstoffübereinkommen.2 Ist dies der Fall, so erfolgt der Ratifizierungsprozess auf zwei Ebenen: Für den Bereich, wo die EU Zuständigkeiten besitzt (z.B. für den gesamten Bereich der Handelspolitik), muss die EU ratifizieren. Erforderlich ist dazu ein (qualifizierter Mehrheits-)Beschluss des Rates sowie die Zustimmung des Europäischen Parlaments (Art. 207 Abs. 4 und 5, 218 Abs. 6 UAbs. 2 lit. (a) AEUV). Dort, wo Handelsabkommen Bestimmungen enthalten, die in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fallen (etwa im Bereich der nicht harmonisierten Steuern, des Strafrechts oder in Fragen der außenpolitischen oder kulturellen Zusammenarbeit)3 – und somit eine „gemischte Kompetenz“ vorliegt – müssen alle EU-Mitgliedstaaten das Abkommen einzeln ratifizieren. Für das deutsche Recht bedeutet dies, dass der Deutsche Bundestag dem Abkommen gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zustimmen muss. Der Rechtsweg für Unternehmen richtet sich nach der Zuständigkeit für die jeweilige Rechtsmaterie des TTIP: Geht es um eine handelspolitische Streitigkeit, so sind die europäischen Gerichte, also der EuGH bzw. das EuG 1. Instanz zuständig. Bei Streitigkeiten, welche Rechtsmaterien betreffen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, ist der Rechtsweg an die nationalen Gerichte zu beschreiten. 1 Die Bundesregierung geht offenbar davon aus, dass es sich bei dem US-EU-Freihandelsabkommen um ein gemischtes Abkommen handeln wird (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ernst, Dehm, Ulrich und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/351 v. 28.1.2014, S. 8); vgl. zu dieser Fragestellung aber auch die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/828 v. 17.3.2014 (Fragen 2 und 5). 2 EuGH, Gutachten 2/91 (ILO Übereinkommen), Slg. 1993, I- 1061 Rn 12; Sattler, Gemischte Abkommen und gemischte Mitgliedschaften der EG und ihrer Mitgliedsstaaten, 2007, S. 72. 3 Welche Bereiche dies konkret sind, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten – vgl. dazu die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/828 v. 17.3.2014 (Frage 6). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 044/14 Seite 5 2. Vorläufige Anwendung Der Ratifizierungsprozess auf mitgliedsstaatlicher Ebene kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Viele Unternehmen würden aber gerne schon von dem Abkommen profitieren, ehe alle EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert haben. Insoweit besteht die Möglichkeit, bestimmte (handelsrechtliche) Vorschriften des Abkommens, welche in die EU-Kompetenz fallen , schon vorläufig anzuwenden. Die vorläufige Anwendbarkeit braucht nicht den gesamten Vertrag zu erfassen, sondern kann sich auch auf einzelne seiner Bestimmungen beschränken. Voraussetzung für eine vorläufige Anwendung eines Vertrages ist zum einen, dass eine entsprechende Klausel über die vorläufige Anwendbarkeit nach Maßgabe von Art. 25 der Wiener Vertragsrechtskonvention in das Freihandelsabkommen aufgenommen wird. Zum anderen müsste das Abkommen auf EU-Seite vollständig ratifiziert worden sein. Erforderlich ist dabei neben der Zustimmung des Europäischen Parlaments die entsprechende Billigung durch den Rat der EU. Hierbei reicht eine qualifizierte Mehrheit, so dass einzelne Mitgliedstaaten das Freihandelsabkommen nicht blockieren könnten. Die vorläufige Anwendbarkeit eines Freihandelsabkommens wurde in der Praxis zuletzt in Art. 330 Abs. 2 und 3 des EU-Handelsabkommens mit Peru und Kolumbien vereinbart.4 Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments und der Ratifikation durch Peru erfolgte hier die vorläufige Anwendung im Verhältnis zu Peru für die Vertragsteile, die in der Kompetenz der EU liegen. 3. Innerstaatliche Zustimmung Bei Abkommen, für die ein Zustimmungsgesetz (und demnach die Zustimmung des Bundesrates ) erforderlich ist,5 darf die Bundesregierung die Rechte der Gesetzgebungsorgane nicht durch eine vorläufige Anwendung beschränken. Für Deutschland kommt daher eine vorläufige Anwendung erst in Betracht, nachdem das innerstaatliche Verfahren, das der völkerrechtlichen Ratifikation vorausgeht, abgeschlossen ist. Schmidt-Radefeldt 4 Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits, ABl. EU L 56/1 v. 21.12.2012, http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:354:0003:2607:DE:PDF. Vgl. dazu näher Arndt Felix, Gutachten WD 2 – 3000 – 022/12 v. 18.3.2013. 5 Ob und wieweit dies der Fall ist, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten - vgl. dazu die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/828 v. 17.3.2014 (Fragen 5 und 8).