WD 2 – 3000 - 043/16 (08.03.2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Formen von sexualisierter Gewalt werden in folgenden internationalen Übereinkommen ausdrücklich als Kriegsverbrechen1 eingeordnet: - Art. 8 Abs. 2 b xxii) des Römischen Statuts zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH): „Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen darstellt;“ - Art. 76 Abs. 1 i. V. m. Art. 85 Abs. 3 a, 4 c, Abs. 5 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen (GK) betreffend den Schutz der Opfer in internationalen bewaffneten Konflikten (ZP I)2 Die ausdrückliche Aufnahme sexualisierter Kriegsgewalt in das Römische Statut fußt maßgeblich auf der Rechtsprechung der Ad-hoc-Tribunale zu Jugoslawien (JStGH), Ruanda (RStGH) und Sierra Leone (SCSL), die teilweise auf den jeweiligen Statuten, teilweise auf dem Gemeinsamen Artikel 3 der GK beruht.3 Zum gewohnheitsrechtlichen Status des Verbots sexualisierter Gewalt 1 Zur weiteren Klassifizierung von Formen sexualisierter Gewalt durch internationale Vorschriften und Gerichte als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als Folter und als Begehungsform von Genozid siehe statt vieler Kai Ambos, Sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten und Völkerstrafrecht, ZIS 5/2011, S. 287–299, sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Aydin ./. Türkei und der Inter-Amerikanischen Kommission in Rachel de Mejia ./. Peru. 2 Siehe ferner Art. 8 Abs. 2 e vi) des Römischen Statuts zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), den Gemeinsamen Art. 3 der GK, Art. 27 II der IV. Genfer Konvention und Art. 4 Abs. 2 e des Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen betreffend den Schutz der Opfer in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten (ZP II), dazu ausführlich Kathrin Greve, Sexuelle Gewalt gegen Frauen vor internationalen Strafgerichten, http://epub .uni-regensburg.de/10550/1/kathringreve_dissertation.pdf (2006), S. 227. 3 Zentral waren hier u. a. folgende Fälle: RStGH, Prosecutor vs. Jean-Paul Akayesu; Prosecutor v. Alfred Musema; JStGH, Prosecutor v. Dusko Tadic; Prosecutor v. Anto Furundzija; Prosecutor v. Zejnil Delalic, Zdravko Mucic, Hazim Delic, Esad Landzo (Celebici-Fall); Prosecutor v. Dragoljub Kunarac, Radomir Kovac, Zoran Vukovic (Foca-Fall). Ausführlich zu den einzelnen Tatbeständen und Urteilen Greve, Fn. 2, ab S. 198, bes. 221 ff.; ferner überblicksartig die Nachweise bei Ambos, Fn. 1, S. 289. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Rechtsgrundlagen für die Einstufung bestimmter Formen von sexualisierter Gewalt als Kriegsverbrechen Kurzinformation Rechtsgrundlagen für die Einstufung bestimmter Formen von sexualisierter Gewalt als Kriegsverbrechen Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 in internationalen und nicht-internationalen bewaffneten Konflikten siehe die Regel 93 des Handbuchs des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC), das weitere Nachweise zur Qualifizierung sexualisierter Gewalt durch Staaten und Organe Internationaler Organisationen – darunter Europarat und EU – als Kriegsverbrechen enthält.4 Folgende Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) verstehen – aufbauend auf der grundlegenden Resolution 1325 (2000) – sexualisierte Gewalt als Kriegsverbrechen: Resolutionen 1820 (2008), 1888 (2009), 1960 (2010), 2106 (2013) sowie 2122 (2013).5 Berichte und Stellungnahmen zur Thematik finden sich unter anderem auf den Internetauftritten diverser VN- Kampagnen und Mandate, darunter Office of the Special Representative of the Secretary-General on Sexual Violence in Conflict (SRSG-SVC) und Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences. Ferner gibt es einen Special Adviser on Gender Crimes des IStGH.6 Schutzlücken werden u. a. in der mangelnden ausdrücklichen Berücksichtigung als „schwere Verletzung“ (grave breach) des humanitären Völkerrechts i. S. v. Art. 3 GK (was u. U. eine verpflichtende Strafverfolgung vor nationalen Gerichten nach sich zöge), in der Unschärfe der Tatbestände und der Verbindung von Gewalt mit dem Ehrbegriff gesehen.7 Kritisiert wird ferner die mangelnde Strafverfolgung von sexualisierter Kriegsgewalt durch internationale und nationale Strafgerichte („Verfolgungslücke“) sowie die prozessualen Hindernisse, insbesondere im Beweisverfahren , beim Schutz von Zeuginnen und Zeugen und bei der Begleitung von Betroffenen.8 Ende der Bearbeitung 4 ICRC, Customary IHL, Rule 93. Rape and Other forms of Sexual Violence, https://www.icrc.org/customaryihl /eng/docs/v1_rul_rule93 (letzter Zugriff: 08.03.2016). 5 Erhältlich via: http://www.un.org/sexualviolenceinconflict/key-documents/resolutions/; siehe ferner http://www.un.org/press/en/2008/sc9364.doc.htm und http://www.ohchr.org/en/newsevents/pages/rapeweaponwar .aspx; für eine kurze Beschreibung siehe http://www.un.org/sexualviolenceinconflict/key-documents/resolutions / (letzter Zugriff jeweils: 08.03.2016). 6 http://www.un.org/sexualviolenceinconflict/, http://www.ohchr.org/EN/Issues/Women/SRWomen/Pages /SRWomenIndex.aspx; http://www.ohchr.org/EN/Issues/Women/SRWomen/Pages/SRWomenIndex.aspx; siehe ferner die Aufzählung bei http://www.un.org/en/preventgenocide/rwanda/about/bgsexualviolence.shtml (letzter Zugriff jeweils: 08.03.2016). 7 Sarah Schadendorf, Sexuelle Gewalt im bewaffneten Konflikt – Zeit für eine Änderung des humanitären Völkerrechts , 08.03.2013, http://www.juwiss.de/sexuelle-gewalt-im-bewaffneten-konflikt-zeit-fur-eine-anderung-deshumanitaren -volkerrechts/#more-4768 (letzter Zugriff: 08.03.2016); Ambos, Fn. 1, S. 287, 288 f. 8 Siehe z.B. medica mondiale, Pressemitteilung: 10 Jahre Internationaler Strafgerichtshof – sexualisierte Kriegsgewalt darf kein Randthema bleiben!, 26.06.2012, http://www.medicamondiale.org/was-wir-tun/aktuelles/nachrichten -details/pressemitteilung-10-jahre-internationaler-strafgerichtshof-sexualisierte-kriegsgewalt-darfkein .html; Monika Hauser, Auf einem Auge blind? : 10 Jahre Internationaler Strafgerichtshof, in: Streit: feministische Rechtszeitschrift, 3/2012, S. 99–102; m. w. N. Alexander Schwarz, Die Verfolgung sexualisierter Gewalt im Völkerstrafrecht (Exposé, 2013), http://www.department-ambos.uni-goettingen.de/data/documents/Forschung /Einzelvorhaben/Promotion/Schwarz.pdf; Ambos, Fn. 1, S. 298; Anna von Gall, Transitional Justice und Gender – Erfolge im Internationalen Strafrecht?, http://www.gwi-boell.de/de/2012/01/24/transitional-justiceund -gender-erfolge-im-internationalen-strafrecht (letzter Zugriff jeweils: 08.03.2016).