© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 043/13 Völkerrechtliche Grundlagen der humanitären Hilfe unter besonderer Berücksichtigung Syriens Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 2 Völkerrechtliche Grundlagen der humanitären Hilfe unter besonderer Berücksichtigung Syriens Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 043/13 Abschluss der Arbeit: 3. Juni 2013 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Völkerrechtlicher Rahmen humanitärer Hilfe 5 2.1. Schutzverantwortung 5 2.2. Menschenrechte 7 2.3. Humanitäres Völkerrecht 8 2.4. Grundsätze der humanitären Intervention 11 2.5. Allgemeines Völkerrecht 13 2.6. Besondere Rechtsgrundlagen der Hilfe durch internationale Organisationen 14 2.6.1. VN-Nebenorgane und VN-Sonderorganisationen 15 2.6.2. Internationale Organisation für Migration 17 3. Resolutionen von VN-Organen 18 3.1. Resolutionen des VN-Sicherheitsrats 18 3.2. Resolutionen der VN-Generalversammlung 19 3.3. Resolutionen des VN-Menschenrechtsrats 21 4. Rechtsgrundlagen aus dem Bereich der Europäischen Union 22 4.1. Vertrag über die EU 23 4.2. Vertrag über die Arbeitsweise der EU 23 4.3. EU-Sekundärrecht 24 5. Besondere Aspekte der Hilfe durch staatliche Einrichtungen Deutschlands 25 6. Besondere Aspekte der Hilfe durch deutsche und internationale Nichtregierungsorganisationen 26 6.1. Allgemeine völkerrechtliche Aspekte 26 6.2. Immunitäten 27 6.3. Internationales Komitee des Roten Kreuzes 28 6.4. EU-rechtlicher Rahmen für NGOs 28 6.5. Deutsche NGOs 29 7. Literatur 31 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 4 1. Einführung Der Begriff der „humanitären“ Hilfe ist auf völkerrechtlicher Ebene nicht abschließend geklärt. Eine weithin akzeptierte Formulierung beschreibt Begriff und Gegenstand humanitärer Hilfe wie folgt: „Humanitarian assistance“ means all acts, activities and the human and material resources for the provision of goods and services of an exclusively humanitarian character, indispensable for the survival and the fulfillment of the essential needs of the victims of disasters. a) “Goods” includes foodstuffs, drinking water, medical supplies and equipment , means of shelter, clothing, bedding, vehicles, and all other goods indispensable for the survival and the fulfillment of the essential needs of the victims of disasters; this term never includes weapons, ammunition or any other military material. b) “Services” means the means of transport, tracing services, medical services, religious, spiritual and psychological assistance, reconstruction, de-mining, decontamination, voluntary return of refugees and internally displaced persons , and all other services indispensable for the survival and the fulfilment of the essential needs of the victims of disasters. 2. „Disaster“ means calamitous events which endanger life, health, physical integrity, or the right not to be subjected to cruel, inhuman or degrading treatment, or other fundamental human rights, or the essential needs of the population, whether - of natural origin (such as earthquakes, volcanic eruptions, windstorms, torrential rains, floods, landslides, droughts, fires, famine, epidemics), or - man-made disasters of technological origin (such as chemical disasters or nuclear explosions), or - caused by armed conflicts or violence (such as international or internal armed conflicts, internal disturbances or violence, terrorist activities).”1 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der humanitären Hilfe oft ein breites Spektrum von Maßnahmen zugerechnet: Dieses reicht von kurzfristiger Nothilfe über Wiederaufbauhilfe bis hin zu Maßnahmen der zivilen Konfliktprävention. Das weite Verständnis führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber der Entwicklungshilfe. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen daher auf einem engeren und klareren Verständnis des Begriffs, das sich auf Notfallmaßnahmen zur unmittelbaren Stillung existentieller menschlicher Bedürfnisse in Krisensituationen beschränkt; hu- 1 Institute of International Law, Bruges Session 2003, 16th Commission, Humanitarian Assistance, Resolution vom 2. September 2003, http://www.idi-iil.org/idiE/resolutionsE/2003_bru_03_en.PDF (letzter Zugriff 29.05.2013). Vgl. zu Begriff und Gegenstand humanitärer Hilfe auch den Bericht der Bundesregierung über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland 2006 bis 2009. S. 10 ff., http://www.auswaertigesamt .de/cae/servlet/contentblob/344844/publicationFile/54405/Bericht2006-2009.pdf (letzter Zugriff 29.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 5 manitäre Hilfe in diesem Sinne ist geprägt von den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit.2 Die Rechtsgrundlagen der humanitären Hilfe in Bürgerkriegssituationen sind auf völkerrechtlicher Ebene bisher nicht kodifiziert, nur fragmentarisch geregelt und speisen sich aus einer Vielzahl von Rechtsquellen. Allgemeines Völkerrecht (Völkergewohnheitsrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze , Immunitäten, Recht der Staatenverantwortung usw.) bleibt anwendbar. Neben dem humanitären Völkerrecht spielen besondere vertragliche Vereinbarungen zwischen den Vereinten Nationen (VN) und den Gast- bzw. Einsatzstaaten der humanitären Hilfe eine entscheidende Rolle (u.a. die „Status of Mission Agreements“, SOMA). Besondere multilaterale Vertragsregime regeln Einzelaspekte3. Schließlich zählen zu den Quellen, die den völkerrechtlichen Rahmen für humanitäre Hilfe umschreiben, auch bindende Resolutionen des VN-Sicherheitsrats sowie die Empfehlungen anderer VN-Einrichtungen, die ihre rechtliche Steuerungswirkung eher indirekt entfalten (Resolutionen der VN-Generalversammlung und des VN-Menschenrechtsrats). Bei der Frage nach den völkerrechtlichen Grundlagen der humanitären Hilfe überschneiden sich zwei Themenkreise: das Recht zum Einsatz und das Recht im Einsatz. Ein weiteres Grundproblem bei der rechtsdogmatischen Einordnung der Rechtsgrundlagen ist deren bisweilen nicht abschließend geklärte Einordnung als Handlungspflichten oder Eingriffsrechte. Die nachfolgenden Ausführungen zu den völkerrechtlichen Grundlagen der humanitäre Hilfe in Syrien sind eine Momentaufnahme. Rechtliche oder tatsächliche Entwicklungen können das anwendbare Recht jederzeit wesentlich ändern. So würden etwa eine Resolution des VN- Sicherheitsrats nach Kapitel VII der VN-Charta oder die faktische Ausweitung der Auseinandersetzung zu einem internationalen bewaffneten Konflikt im Sinne der Genfer Konventionen auch die Rechtsgrundlagen der humanitären Hilfe modifizieren. 2. Völkerrechtlicher Rahmen humanitärer Hilfe 2.1. Schutzverantwortung Die Schutzverantwortung („responsibility to protect“) ist ein völkerrechtlicher Grundsatz, der in den letzten Jahren als Rechtsgrundlage humanitärer (Hilfs-)Maßnahmen der Staatengemeinschaft 2 Vgl. Budislav Vukas, Humanitarian Assistance in Cases of Emergency, Rz. 4 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: März 2011), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e823&recno=2&searchType=Quick&query=humanitarian+assistance (letzter Zugriff 27.05.2013); Heike Spieker, Humanitarian Assistance, Access in Armed Conflict and Occupation, Rz. 1 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: Juni 2009), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1701&recno=3&searchType=Quick&query=humanitarian+assistance (letzter Zugriff 28.05.2013). 3 Siehe z.B. das Übereinkommen von Tampere über die Bereitstellung von Telekommunikationsmitteln für Katastrophenschutz und Katastrophenhilfseinsätze, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/5F48E46576376BA5C125740A0032C58F-UN_jun1998.pdf (letzer Zugriff 30.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 6 zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Schutzverantwortung beruht auf einer Weiterentwicklung des traditionellen Verständnisses der staatlichen Souveränität: Die staatliche Pflicht zur Einhaltung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht wird als immanente Schranke der Souveränität begriffen. Der Grundsatz erstreckt sich in materieller Hinsicht auf Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen. Die Schutzverantwortung umfasst eine Verantwortung zur Prävention (responsibility to prevent), zur Reaktion (responsibility to react) und zum Wiederaufbau (responsibility to rebuild). Der Staatengemeinschaft erlegt die Schutzverantwortung in erster Linie die Verantwortung auf, unterstützende Maßnahmen zu ergreifen, humanitäre Hilfe zu leisten und den VN bei der Einrichtung von Frühwarn-Kapazitäten zur Seite zu stehen. Die Staatengemeinschaft steht in der Verantwortung, diplomatische, humanitäre und friedliche Mittel in Übereinstimmung mit der VN-Charta zu nutzen , um die Zivilbevölkerung weltweit vor Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnischen Säuberungen zu schützen. Im Extremfall kann die Schutzverantwortung aber auch als Rechtfertigung eines militärischen Einschreitens herangezogen werden, wenn dieses durch den VN-Sicherheitsrat auf der Grundlage von Kapitel VII der VN-Charta4 ausdrücklich autorisiert wird.5 Eine maßgebliche Formulierung der Grundlagen der Schutzverantwortung findet sich im Abschlussdokument des VN-Weltgipfels 2005: “Responsibility to protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity 138. Each individual State has the responsibility to protect its populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. This responsibility entails the prevention of such crimes, including their incitement , through appropriate and necessary means. We accept that responsibility and will act in accordance with it. The international community should, as appropriate, encourage and help States to exercise this responsibility and support the United Nations in establishing an early warning capability. 139. The international community, through the United Nations, also has the responsibility to use appropriate diplomatic, humanitarian and other peaceful means, in accordance with Chapters VI and VIII of the Charter, to help to protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. In this context, we are prepared to take collective action, in a timely and decisive manner, through the Security Council, in accordance with the Charter, including Chapter VII, on a case-by-case basis and in cooperation with relevant regional organizations as appropriate, should peaceful means be inadequate and national authorities are manifestly failing to protect their populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. We stress the need for the General Assembly to continue consideration of the responsibility to protect populations from genocide, war 4 Charta der Vereinten Nationen, http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf (letzter Zugriff 23.05.2013). 5 Vgl. etwa die Libyen Resolution des VN-Sicherheitsrats S/Res/1973 (2011) vom 11. März 2011, S. 1 und Nr. 4, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/1973%282011%29 (letzter Zugriff 03.06.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 7 crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity and its implications, bearing in mind the principles of the Charter and international law. We also intend to commit ourselves, as necessary and appropriate, to helping States build capacity to protect their populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity and to assisting those which are under stress before crises and conflicts break out.6 Rechtsdogmatisch ist noch nicht abschließend geklärt, wie weit die Schutzverantwortung völkerrechtliche Handlungspflichten und/oder Eingriffsrechte normiert. Gleichwohl wird sie zur Begründung von staatlichen Maßnahmen, aber auch von politischen Forderungen nach weiteren humanitären Schritten, immer wieder herangezogen. 2.2. Menschenrechte Humanitäre Notfallsituationen stellen stets eine konkrete Gefahr für fundamentale Menschenrechte dar. Handelt es sich um nicht-internationale bewaffnete Konflikte, so ist zu befürchten, dass die Konfliktparteien u.a. die Menschenrechte auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit verletzen.7 Nach gegenwärtigem Stand des Völkerrechts fällt der Schutz der Menschenrechte nicht mehr in die alleinige Zuständigkeit der einzelnen Staaten, mithin auch nicht in die ausschließliche Zuständigkeit eines Staates, in dem eine humanitäre Notfallsituation entstanden ist. Die bewusste und gewollte Duldung von Menschenrechtsverletzungen bzw. die Unterlassung möglicher und zumutbarer Abwehrmaßnahmen durch Drittstaaten wird in der Völkerrechtslehre zum Teil ihrerseits als Menschenrechtsverletzung gewertet.8 Aus der Pflicht der Staatengemeinschaft, die Menschenrechte weltweit zu achten, zu schützen und zu erfüllen („respect, protect, fulfill“) leitet die Völkerrechtswissenschaft in humanitären Krisensituationen zum Teil eine völkerrechtliche Pflicht der einzelnen Staaten ab, humanitäre Hilfe zu leisten, sofern diese das einzig mögliche Mittel ist, die fundamentalen Menschenrechte der individuell Betroffenen zu schützen.9 In der Literatur wird auch ein spezifisches Menschenrecht auf humanitäre Hilfe erörtert.10 Abgeleitet wird dieses bisweilen aus der Schutzverantwortung11 sowie aus der Zusammenschau zahl- 6 Siehe 2005 World Summit Outcome, UN General Assembly, A/Res/60/1, para. 139. ff., http://daccess-ddsny .un.org/doc/UNDOC/GEN/N05/487/60/PDF/N0548760.pdf?OpenElement (letzter Zugriff 27.05.2013). 7 Vgl. im Einzelnen die Angaben der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navi Pillay zu Syrien vom 27.05.2013, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=45005&Cr=Syria&Cr1=#.UaTM3ax5_-I (letzter Zugriff 28.05.2013). 8 Vgl. Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 4. 9 Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 9 ff. 10 Naomi Roht-Arriaza / Sara C. Aminzadeh, Solidarity Rights (Development, Peace, Environment, Humanitarian Assistance), Rz. 16 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: April 2007), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1470&recno=1&searchType=Quick&query=solidarity+rights (letzter Zugriff 29.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 8 reicher Resolutionen des VN-Sicherheitsrats und der VN-Generalversammlung.12 Ein besonderes, rechtlich selbständiges Menschenrecht auf humanitäre Hilfe ist jedoch gegenwärtig noch nicht vertraglich geregelt und wird auch gewohnheitsrechtlich - soweit ersichtlich - von der Staatengemeinschaft noch nicht als individueller Rechtsanspruch anerkannt. 2.3. Humanitäres Völkerrecht Das humanitäre Völkerrecht regelt, welche Rechte und Pflichten die Parteien eines nationalen oder internationalen bewaffneten Konflikts gegenüber der Zivilbevölkerung haben („ius in bello“). Internationale Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten, die sich allein aus anderen Gründen , etwa durch Naturkatastrophen, existentiell bedroht sehen, unterfallen dem humanitären Völkerrecht nicht ausdrücklich. Wenn entsprechende Maßnahmen als humanitär bezeichnet werden, so weicht dieser Sprachgebrauch von der herkömmlichen völkerrechtlichen Begrifflichkeit ab. Die Abgrenzung kann jedoch im Einzelfall schwierig sein. Das humanitäre Völkerrecht ist auf die Rechtsverhältnisse zwischen den Konfliktparteien und zwischen diesen und der Zivilbevölkerung fokussiert. Die Rechtsstellung Dritter (also auch von Staaten oder Nichtregierungsorganisationen , die humanitäre Hilfe zu leisten bereit sind) ist hingegen nicht sein zentrales Anliegen .13 Der rechtliche Rahmen für den Zugang von Zivilisten zu humanitärer Hilfe ist bei nichtinternationalen bewaffneten Konflikten - im Vergleich zu den Regelungen im Falle internationaler bewaffneter Konflikte14 - nur fragmentarisch geregelt.15 Die Völkerrechtswissenschaft geht davon aus, dass bestimmte vertragliche Regeln für internationale bewaffnete Konflikte sich gewohnheitsrechtlich so sehr verfestigt haben, dass sie auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten zu beachten sind.16 Als Beispiel hierfür sei angeführt, dass weithin akzeptiert wird, dass auch bei nicht-internationalen bewaffneten Konflikten Güter der humanitären Hilfe ausgenommen sind von Beschlagnahmen, Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, Zöllen und Transitgebühren .17 Ein starkes Anzeichen dafür, dass eine vertragliche Regelung für internationale bewaffnete 11 Siehe oben, Kapitel 2.1. 12 VN-Sicherheitsrat Res 688 (1991), http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/688%281991%29; VN-Sicherheitsrat Res 1701 (2006), http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/688%281991%29; VN-Generalversammlung Res 43/131, http://www.un.org/documents/ga/res/43/a43r131.htm; VN-Generalversammlung Res 45/100, http://www.un.org/documents/ga/res/45/a45r100.htm (letzter Zugriff jeweils 28.05.2013). 13 Ausführlich Dieter Fleck (Hrsg.), The Handbook of International Humanitarian Law, 2. Auflage, Oxford 2008. 14 Siehe im einzelnen Heike Spieker (Anm. 2), Rz. 6-26. 15 Siehe im einzelnen Heike Spieker (Anm. 2), Rz. 27-32. 16 Tullio Treves, Customary International Law, Rz. 34 und 91, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public Internatio nal Law (online edition; Stand des Artikels: November 2006), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1393&recno=1&searchType=Quick&query=customary+international+law (letzter Zugriff 27.05.2013). 17 Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 23 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 9 Konflikte völkergewohnheitsrechtlich auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten Anwendung findet, ist deren Aufnahme in das „Manual of the Law of Non-International Armed Conflict“ des International Institute of Humanitarian Law.18 Die in dem Manual aufgelisteten völkerrechtlichen Grundsätze für humanitäre Hilfe gelten unabhängig von der (kriegs- oder naturbedingten ) Ursache der humanitären Notlage.19 Der bewaffnete Konflikt innerhalb Syriens hat zunehmend auch internationale Aspekte, die vor allem den Iran, die Türkei, Israel und den Libanon erfassen.20 Gleichwohl dürfte der Grad der Internationalisierung bisher noch nicht die Schwelle überschritten haben, jenseits derer der Konflikt auf syrischem Territorium aus völkerrechtlicher Sicht als internationaler bewaffneter Konflikt zu bezeichnen wäre. Vielmehr ist er zur Zeit wohl noch als nicht-internationaler Konflikt im Sinne der Genfer Konventionen (GK) zu betrachten. Daher gilt Abs. 2 des gemeinsamen Art. 3 GK: Eine unparteiische humanitäre Organisation, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, kann den am Konflikt beteiligten Parteien ihre Dienste anbieten .21 Abs. 2 des gemeinsamen Art. 3 GK findet sowohl auf staatliche Kräfte als auch Rebellen Anwendung . Die Vorschrift normiert für sich allein genommen erkennbar keine Pflicht der Konfliktparteien , die Dienste des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Bei einer Auslegung im Lichte der Schutzverantwortung22 scheint es allerdings wissenschaftlich vertretbar, eine solche Pflicht zu postulieren. Bei nicht-internationalen bewaffneten Konflikten ist grundsätzlich auch das Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (ZP II)23 einschlägig. Dieses wurde von Syrien nicht ratifi- 18 Michael N. Schmitt/Charles H.B. Garraway/Yoram Dinstein, The Manual of the Law of Non-International Armed Conflict, International Institute of Humanitarian Law, San Remo 2006, http://www.iihl.org/iihl/Documents/The%20Manual%20on%20the%20Law%20of%20NIAC.pdf (letzter Zugriff 30.05.2013). Siehe hierzu auch Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 16. 19 A.a.O. (Anm. 18), Abs. 5.1.3. 20 Vgl. u.a.: FAZ, Tripoli: Schwere Kämpfe syrischer Kriegsparteien im Libanon, 23.05.2013, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/tripoli-schwere-kaempfe-syrischer-kriegsparteien-imlibanon -12192195.html; FAZ, Sorge über Hizbulla-Unterstützung für Assad, 22.05.2013, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/syrien-sorge-ueber-hizbullah-unterstuetzung-fuer-assad- 12191161.html; FAZ, Golan: Israel erwidert Beschuss aus Syrien, 21.05.2013, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/golan-israel-erwidert-beschuss-aus-syrien- 12189818.html (letzter Zugriff jew. 23.05.2013). 21 http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_518_12/a3.html (letzter Zugriff 27.05.2013), in Syrien seit 1954 in Kraft (a.a.O.) 22 S.o., Kapitel 2.1. 23 Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte, http://www.admin.ch/ch/d/sr/i5/0.518.522.de.pdf (letzter Zugriff 30.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 10 ziert, ist also derzeit nicht direkt anwendbar. Allerdings hat, wie bereits ausgeführt, der Kernbestand der Normen des vertragsbasierten humanitären Völkerrechts zum Teil den Status von Völkergewohnheitsrecht erlangt, so dass dieser Kern auch in Nicht-Vertragsstaaten zu berücksichtigen ist. Eine abschließende Bewertung dieses Punktes ist im vorliegenden Zusammenhang nicht möglich, müsste aber jedenfalls auch folgende Vertragsbestimmungen in Betracht ziehen: Art. 3 ZP II 1. Dieses Protokoll darf nicht zur Beeinträchtigung der Souveränität eines Staates oder der Verantwortung der Regierung herangezogen werden, mit allen rechtmäßigen Mitteln die öffentliche Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder die nationale Einheit und territoriale Unversehrtheit des Staates zu verteidigen. 2. Dieses Protokoll darf nicht zur Rechtfertigung einer wie immer begründeten unmittelbaren oder mittelbaren Intervention in den bewaffneten Konflikt oder in die inneren oder äußeren Angelegenheiten der Hohen Vertragspartei herangezogen werden, in deren Hoheitsgebiet dieser Konflikt stattfindet.“ Art. 18 ZP II 1. Die im Hoheitsgebiet der Hohen Vertragspartei gelegenen Hilfsgesellschaften , wie die Organisationen des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) können ihre Dienste anbieten, um ihre herkömmlichen Aufgaben gegenüber den Opfern des bewaffneten Konflikts zu erfüllen. Die Zivilbevölkerung kann auch von sich aus ihre Bereitschaft erklären, Verwundete , Kranke und Schiffbrüchige zu bergen und zu pflegen. 2. Erleidet die Zivilbevölkerung übermäßige Entbehrungen infolge eines Mangels an lebensnotwendigen Versorgungsgütern wie Lebensmitteln und Sanitätsmaterial , so sind mit Zustimmung der betroffenen Hohen Vertragspartei Hilfsaktionen rein humanitärer unparteiischer Art zugunsten der Zivilbevölkerung ohne jede nachteilige Unterscheidung durchzuführen.24 Im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 ZP II ist zu unterstreichen, dass nach dieser Norm nur die nationalen , nicht die internationalen Zweige der genannten humanitären Einrichtungen berechtigt sind. Obwohl Syrien nicht Vertragspartei ist, dürften einer Berufung Syriens auf die in Art. 3 ZP II enthaltenen Grundsätze im Ergebnis keine durchgreifenden rechtlichen Gründe entgegenstehen, da diese Grundsätze dem aktuellen Stand des Völkergewohnheitsrecht weitgehend entsprechen. So tritt etwa an die Stelle des Zustimmungsvorbehalts nach Art. 18 Abs. 2 ZP II der allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung, einschließlich dessen mittler- 24 A.a.O. (Anm. 23). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 11 weile gewohnheitsrechtlich verfestigten Einschränkungen:25 Demnach wäre die Zustimmung Syriens bzw. der Rebellen grundsätzlich erforderlich, dürfte von diesen aber nicht willkürlich verweigert werden.26 Auch der Grundsatz, dass humanitäre Hilfe neutral und unparteiisch im Hinblick auf die Konfliktparteien sein muss und nicht auf der Grundlage unzulässiger Kriterien (z.B. Volkszugehörigkeit , Religion, Geschlecht) diskriminieren darf, dürfte gewohnheitsrechtlich anerkannt sein.27 Zum humanitären Völkergewohnheitsrecht, das in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten Anwendung findet, werden oft folgende Grundsätze gezählt: Die Konfliktparteien müssen humanitäres Hilfspersonal respektieren und vor Einschüchterungen, Drangsalierung, willkürlichen Verhaftungen und physischer oder psychische Gewalt schützen; nur bei unabweisbarer militärischer Notwendigkeit darf die körperliche Bewegungsfreiheit des humanitären Hilfspersonals eingeschränkt werden.28 2.4. Grundsätze der humanitären Intervention Die Frage nach den völkerrechtlichen Grundlagen der humanitären Hilfe berührt auch den Themenkreis der humanitären Intervention, also der Hilfe, die nur durch gewaltsames Eingreifen möglich ist. Als Ausgangspunkt ist das völkerrechtliche Interventionsverbot festzuhalten; dieses ist einer der elementaren Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts; die VN-Charta bekräftigt das Interventionsverbot .29 Alle Resolutionen von Einrichtungen der VN zur aktuellen Lage in Syrien nehmen ausdrücklich darauf Bezug.30 25 Vgl. hierzu auch Artikel 2 Nr. 1 und 7 VN-Charta, http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf (letzter Zugriff 29.05.2013). Zu den aktuellen Grenzen des Grundsatzes der Nichteinmischung siehe Katja S. Ziegler, Domaine Réservé, Rz. 11 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: April 2008), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1398&recno=1&searchType=Quick&query=domaine+reserve#law-9780199231690-e1398-titleGroup-5 (letzter Zugriff 28.05.2013). Heike Spieker (Anm. 2), Rz. 35, führt aus: „It is debated whether State practice and opinio iuris have abandoned the precondition of consent in case the receiving State refuses such agreement arbitrarily, and whether a right to impose humanitarian assistance, under certain circumstances, regardless of considerations of national sovereignty has been established.” 26 Ausführlich hierzu Melissa T. Labonte/Anne C. Edgerton, Towards a Typology of Humanitarian Access Denial, in: Third World Quarterly, Vol. 34, No.1, 2013, S. 39 ff., http://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/01436597.2012.755015 (letzter Zugriff 31.05.2013). 27 Vgl. Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 19. 28 Heike Spieker (Anm. 2), Rz. 32; vgl. Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 19. 29 Siehe Art. 2 VN-Charta, insbesondere dessen Abs. 4, http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf (letzter Zugriff 29.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 12 Nicht in den Anwendungsbereich des Interventionsverbots fallen allerdings staatliche Maßnahmen auf Einladung des Staates, dessen Bevölkerung der humanitären Hilfe bedarf. Die „Intervention auf Einladung“ wird nicht als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet, ist mit der Souveränität und territorialen Integrität des einladenden Staates vereinbar und völkerrechtlich unbedenklich.31 Zu der Frage, ob der Einladung auch dann eine legitimierende Wirkung zugeschrieben wird, wenn sie von einer nicht-legitimierten Staatsführung ausgesprochen wird, hat sich – soweit ersichtlich – noch kein völkerrechtlicher Konsens entwickelt. Bei der humanitären Intervention gebraucht der intervenierende Staat Gewalt (einschließlich militärischer Mittel) gegen einen anderen Staat, um Menschenrechtsverletzungen und/oder ausgedehnte und systematische Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht innerhalb dieses Staates zu beenden. Als äußerster Eingriff in die staatliche Souveränität sind humanitäre Interventionen in der Regel äußerst umstritten, nur selten gibt es hierzu einen Konsens der Staatengemeinschaft. Mangels einheitlicher Staatenpraxis hat sich bisher kein Völkergewohnheitsrecht zu den rechtlichen Voraussetzungen der humanitären Intervention herauskristallisieren können. Auch die Einschätzungen in der Völkerrechtswissensschaft, die die humanitäre Intervention bisweilen als äußersten Anwendungsfall der Schutzverantwortung32 diskutiert, sind uneinheitlich. Im Ergebnis ist nach gegenwärtigem Stand des Völkerrechts davon auszugehen, dass eine humanitäre Intervention nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen Einzelfallermächtigung durch den VN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der VN-Charta völkerrechtlich zulässig ist.33 Die wissenschaftliche Literatur geht zwar vereinzelt weiter und will die Gewaltanwendung im Rahmen einer humanitäre Intervention auch ohne Ermächtigung durch den VN-Sicherheitsrat zulassen, Vertragsrecht und Staatenpraxis folgen dieser Ansicht jedoch nicht.34 Eingehend hierzu Philip Kunig, Intervention, Prohibition of, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: April 2008), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1434&recno=2&searchType=Quick&query=intervention (letzter Zugriff 29.05.2013). Siehe auch Stephan Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9. Auflage, Tübingen 2008, S. 353 ff. 30 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3. 31 Eingehend hierzu Georg Nolte, Intervention by Invitation, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: Januar 2010), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1702&recno=3&searchType=Quick&query=intervention (letzter Zugriff 29.05.2013). 32 Siehe Kapitel 2.1. 33 Siehe zur humanitären Intervention im einzelnen: Vaughan Lowe / Antonios Tzanakopoulos, Humanitarian Intervention, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition ; Stand des Artikels: Mai 2011), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law- 9780199231690-e306&recno=8&searchType=Quick&query=humanitarian+assistance (letzter Zugriff 28.05.2013); ausführlich zur humanitären Intervention (ihren Voraussetzungen, dem Stand der wissenschaftliche Diskussion , den Kodifikationsbemühungen) auch Heike Spieker (Anm. 2), insbesondere Rz. 35 f. 34 Siehe ausführlich zum Stand der Diskussion Vaughan Lowe/Antonios Tzanakopoulos (Anm. 33), Rz. 26-35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 13 2.5. Allgemeines Völkerrecht Neben den bisher genannten besonderen Elementen des völkerrechtlichen Rahmens für humanitäre Hilfe bilden auch Rechtsgrundsätze und Leitideen des allgemeinen Völkerrechts sowie das Völkergewohnheitsrecht wesentliche Rahmenbedingungen für gewaltfreie Einsätze in humanitären Notfallsituationen. In diesem Zusammenhang wird nicht unterschieden, ob es sich um naturbedingte oder durch menschliches Verhalten verursachte Notfallsituationen handelt. Hervorzuheben ist, dass die gewohnheitsrechtlich verankerten Grundsätze der Staatenverantwortung ihre Gültigkeit behalten:35 Ein seine Hilfe anbietender Staat würde also nach den allgemeinen Grundsätzen haften, wenn er im Rahmen eines völkerrechtsgemäßen humanitären Einsatzes im Einsatzland völkerrechtswidrig Schäden verursachte.36 Zu den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts, die anwendbar bleiben, zählt z.B. die Pflicht zur Achtung elementarer Erwägungen der Menschlichkeit, die als gewohnheitsrechtlich verankert gilt.37 Auch das völkerrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit bindet die Akteure einer humanitären Hilfsmaßnahme.38 Die Solidarität zwischen den Völkern ist eine Leitidee des Völkerrechts , die u.a. bei der rechtlichen Begründung von Hilfe in humanitären Notlagen in Bezug genommen wird und als Interpretationsmittel rechtliche Steuerungswirkung entfalten kann.39 35 Ausführlich hierzu siehe James A. Crawford, State Responsibility, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: September 2006), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1093&recno=2&searchType=Quick&query=state+responsibility (letzter Zugriff 30.05.2013). Zu den Besonderheiten der Haftung internationaler Organisationen, einschließlich der Frage der Durchgriffshaftung der Mitgliedstaaten, siehe Matthias Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: Mai 2011), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law- 9780199231690-e509&recno=3&searchType=Quick&query=state+responsibility (letzter Zugriff 30.05.2013). 36 Vgl. zur Reichweite der Staatenverantwortung den Entwurf zur Kodifizierung des Gewohnheitsrechts vorgelegt von der International Law Commission, Draft articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, with commentaries, 2001, http://untreaty.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/9_6_2001.pdf (letzter Zugriff 31.05.2013). 37 Tullio Treves, (Anm. 16), Rz. 20, mit Verweis auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Fall Nicaragua v. USA vom 27. Juni 1986, Abs. 215 ff., http://www.icj-cij.org/docket/files/70/6503.pdf (letzter Zugriff 30.05.2013). 38 Allgemein zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Völkerrecht Emily Crawford, Proportionality, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: Mai 2011), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1459&recno=1&searchType=Quick&query=proportionality#law-9780199231690-e1459-titleGroup-12 (letzter Zugriff 30.05.2013). 39 Danio Campanelli, Solidarity, Principle of, Rz. 14, 21 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: März 2011), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e2072&recno=1&searchType=Quick&query=solidarity#law-9780199231690-e2072-titleGroup-5 (letzter Zugriff 30.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 14 Das Angebot eines Staates, in einem anderen Staat humanitäre Hilfe zu leisten, wird für sich selbst genommen gewohnheitsrechtlich nicht als völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des zweiten Staates oder als unfreundlicher Akt gegen diesen betrachtet; allerdings ist der seine Hilfe zur Verfügung stellende Staat bei der tatsächlichen Umsetzung seiner humanitären Aktion verpflichtet, sich jeder weiteren Einmischung in die inneren Angelegenheiten des unterstützten Staates zu enthalten und bei der Durchführung mit dessen Behörden zusammenzuarbeiten.40 Ferner ist der helfende Staat gewohnheitsrechtlich dafür verantwortlich, Maßnahmen zu ergreifen, um die Unterschlagung von humanitären Hilfsgütern zu verhindern und eine Verteilung der humanitären Hilfsgüter sicherzustellen, die nicht in unzulässiger Weise – etwa anhand ethnischer oder religiöser Kriterien – diskriminiert.41 Sofern die humanitäre Hilfsaktion an sich berechtigt ist, ist der unterstützte Staat im Zuge der Durchführung verpflichtet, die Hilfe des eingreifenden Staates nicht zu behindern und, soweit notwendig, Überflug- und Landerechte, Zugang zu Telekommunikationseinrichtungen und die erforderlichen Immunitäten zu gewähren.42 Eine gewisse Steuerungswirkung entfalten auch die nicht unmittelbar völkerrechtlich bindenden, gleichwohl für die Feststellung und Dokumentation der rechtlichen Auffassung der Staatengemeinschaft überaus relevanten „Prinzipien und Gute Praxis Humanitärer Geberschaft“43, die „Guidelines on the Use of Foreign Military and Civil Defence Assets In Disaster Relief (Oslo Guidelines )“44, die „Guidelines on the Use of Military and Civil Defence Assets to Support United Nations Humanitarian Activities in Complex Emergencies“.45 2.6. Besondere Rechtsgrundlagen der Hilfe durch internationale Organisationen Die VN-Generalversammlung verabschiedete 1988 und 1991 Resolutionen, in denen sie Richtlinien für humanitäre Hilfe im Falle von Naturkatastrophen und anderen Notfällen empfiehlt; die- 40 Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 22 f. 41 Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 23. 42 Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 23. 43 Principles and Good Practice of Humanitarian Donorship, http://www.goodhumanitariandonorship.org/gns/principles-good-practice-ghd/overview.aspx (letzter Zugriff 01.06.2013). Die Grundsätze wurden 2003 von Vertretern Australiens, Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, der Europäischen Kommission, Finnlands, Frankreichs, Großbritanniens, Irlands, Japans, Kanadas, Luxemburgs, Norwegen, Schwedens, der Schweiz und der USA unterstützt. Vgl. hierzu auch BT Drucksache 16/3777 vom 07. 12. 2006, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland 2002 bis 2005, S. 8, 10 und 21, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/037/1603777.pdf (letzter Zugriff 01.06.2013). 44 UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), Guidelines on the Use of Foreign Military and Civil Defence Assets In Disaster Relief ("Oslo Guidelines"), November 2007, http://www.refworld.org/cgibin /texis/vtx/rwmain?docid=47da87822 (letzter Zugriff 01.06.2013). 45 http://www.humanitarianinfo.org/iasc/pageloader.aspx?page=content-products-products&productcatid=8 (letzter Zugriff 01.06.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 15 se Richtlinien sprechen ausdrücklich auch internationale Organisationen, insbesondere Einrichtungen des VN-Systems an.46 In der völkerrechtswissenschaftlichen Literatur werden im wesentlichen gleichlautende Leitprinzipien für die Arbeit internationaler Organisationen in humanitären Krisen beschrieben: Mit Einwilligung des betroffenen Staates dürfen internationale Einrichtungen humanitäre Hilfe leisten , nach ihren Statuten müssen sie dies gegebenenfalls tun; die Pflicht zur Hilfeleistung gibt kein Recht zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten des betroffenen Staates; bei der praktischen Durchführung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den internationalen Organisationen und dem betroffenen Staat anzustreben; dieser ist gehalten, den internationalen Organisationen die Erfüllung ihrer humanitären Aufgaben zu ermöglichen und zu erleichtern, z.B. durch Überflugrechte, die Bereitstellung von Telekommunikationseinrichtungen und die Anerkennung erforderlicher Immunitäten; internationale Organisationen sind verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass humanitäre Hilfsgüter nicht veruntreut werden oder in diskriminierender, menschenrechtswidriger Weise eingesetzt oder verteilt werden.47 Die Immunitäten der Mitarbeiter internationaler Organisationen, die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen zum Einsatz kommen, richten sich nach den allgemeinen multilateralen Immunitätsvereinbarungen zugunsten der VN-Mitarbeiter, insbesondere dem Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der VN und beigeordnetem Personal.48 Eine besondere Rolle für die Reichweite der Privilegien und Immunitäten spielen die entsprechenden bilateralen Verträge zwischen den VN und den Einsatzstaaten. Die sogenannten „Status of Mission Agreements“ (SOMA) regeln stets auch diesen Aspekt des humanitären Einsatzes. Die Syrien-Resolution des VN-Sicherheitsrats vom 21. April 2012 spricht die Immunitäten als Gegenstand eines zukünftigen SOMA an.49 2.6.1. VN-Nebenorgane und VN-Sonderorganisationen Unter den wichtigsten Nebenorganen der VN („subsidiary organs“), die bei der humanitären Hilfe in Notfallsituationen eine besondere Rolle spielen, ist das VN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, OCHA) zu nennen; OCHA ist Teil des VN-Generalsekretariats und dient bei humanitären Einsätzen in erster Linie als Koordinierungsstelle, in deren Rahmen die unterschiedlichen Hilfsorganisationen ihre einzelnen Beiträge abstimmen.50 Rechtliche Grundlage für die Einrichtung von OCHA ist eine Resolution 46 A/RES/43/131 vom 8. Dezember 1988, http://www.un.org/documents/ga/res/43/a43r131.htm (letzter Zugriff 29.05.2013); A/RES/26/182 vom 19. Dezember 1991, http://www.un.org/documents/ga/res/46/a46r182.htm (letzter Zugriff 29.05.2013). 47 Budislav Vukas (Anm. 2), Rz. 23. 48 Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal, BGBl. 1997 II 230; 2051 UNTS 363, http://www.admin.ch/ch/d/as/2007/6919.pdf (letzter Zugriff 23.05.2013). 49 S/RES/2043 (2012), Nr. 7, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/2043%282012%29 (letzter Zugriff 27.05.2013). 50 Siehe im einzelnen die Angaben auf der OCHA-Webseite, http://www.unocha.org/ (letzter Zugriff 30.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 16 der VN-Generalversammlung.51 Die Koordinierungsaufgaben erfüllt OCHA in erster Linie durch den Ständigen interinstitutionellen Ausschuss (Inter-Agency Standing Committee, IASC), dessen Vorsitz der Koordinator für Notfallhilfe (Emergency Relief Coordinator, ERC) führt. Das VN-Flüchtlingshilfswerk (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) leistet innerhalb des VN-Systems einen entscheidenden Beitrag in humanitären Notsituationen. Wesentliche völkerrechtliche Grundlage der Tätigkeit des UNHCR ist eine Resolution der VN- Generalversammlung aus dem Jahr 1950, die als Annex das Gründungsstatut des UNHCR enthält .52 Die Arbeit des UNHCR basiert auf einem weiten Verständnis des Schutzes der Zivilbevölkerung („protection mandate“).53 Angesichts der aktuellen humanitären Krise in Syrien hat der UNHCR ein multisektorielles Notfall-Programm entwickelt, das er im Rahmen des „Syria Humanitarian Response Plan“ der VN gemeinsam mit der syrischen Regierung und dem Syrisch- Arabischen Roten Halbmond umsetzt.54 Auf der Grundlage seines allgemeinen Mandats - und offensichtlich im Einverständnis mit den nationalen Regierungen - leistet der UNHCR im Augenblick humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge und Binnenvertriebene vor allem in Syrien, Jordanien , im Libanon, der Türkei und im Irak.55 Humanitäre Hilfe wird im Rahmen der VN in erheblichem Umfang vom VN-Welternährungsprogramm (World Food Programme, WFP) geleistet.56 Völkerrechtliche Grundlage der Tätigkeit des WFP sind zwei Resolutionen der VN-Generalversammlung.57 Das WFP leistet zur Zeit umfangreiche humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge und Binnenvertriebene.58 51 A/RES/26/182 vom 19. Dezember 1991, http://www.un.org/documents/ga/res/46/a46r182.htm (letzter Zugriff 29.05.2013). Die Bezeichnung OCHA wurde allerdings erst 1998 eingeführt, als im Zuge VN-interner institutioneller Reformen die Abteilung für humanitäre Angelegenheiten des VN-Generalsekretariats in das OCHA überführt wurde, siehe zur Entwicklungsgeschichte http://www.unocha.org/about-us/who-we-are/history (letzter Zugriff 30.05.2013). 52 Resolution der VN-Generalversammlung 428 (V) vom 14. Dezember 1950, http://daccess-ddsny .un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/060/26/IMG/NR006026.pdf?OpenElement (letzter Zugriff 30.05.2013). 53 Siehe im einzelnen die Angaben auf der Webseite des UNHCR, http://www.unhcr.org/pages/49c3646cc8.html (letzter Zugriff 30.05.2013). 54 Siehe im einzelnen die Angaben auf der Webseite des UNHCR, http://www.unhcr.org/cgibin /texis/vtx/page?page=49e486a76&submit=GO (letzter Zugriff 30.05.2013). 55 Siehe im einzelnen die Angaben auf der Webseite des UNHCR, http://www.unhcr.org/pages/4f86c2426.html (letzter Zugriff 30.05.2013). 56 Siehe im einzelnen die Angaben auf der Webseite des WFP, http://www.wfp.org/ (letzter Zugriff 30.05.2013). 57 A/RES/1714 (XVI) vom 19. Dezember 1961, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/1714%28XVI%29&Lang=E&Area=RESOLUTION (letzter Zugriff 30.05.2013) sowie A/RES/1914 (XVIII) vom 5. Dezember 1963, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/1914%28XVIII%29&Lang=E&Area=RESOLUTION (letzter Zugriff 30.05.2013). 58 Siehe im einzelnen die Angaben auf den Webseiten des WFP http://de.wfp.org/themenseite-krise-syrien, http://www.wfp.org/countries/syria sowie http://www.wfp.org/crisis/syria (jew. letzter Zugriff 30.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 17 Das Kinderhilfswerk der VN (United Nations Children’s Fund, UNICEF) ist ein weiteres Nebenorgan der VN, das einen wesentlichen Beitrag zur humanitären Hilfe in Notfallsituationen leistet .59 Völkerrechtliche Grundlage für die Gründung und Tätigkeit des (UNICEF) ist eine Resolution der VN-Generalversammlung vom 11. Dezember 1946.60 Im Augenblick konzentriert sich UNICEF in Syrien auf den Schutz von Leben und Gesundheit von Kindern in schwer umkämpften Gebieten.61 Unter den VN-Sonderorganisationen („specialized agencies“) spielt vor allem die Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation der VN (Food and Agriculture Organization, FAO) eine wichtige Rolle bei der Durchführung humanitärer Hilfsmaßnahmen.62 Völkerrechtliche Grundlage der Tätigkeit der FAO ist ihre am 16. Oktober 1945 angenommene Verfassung.63 In Syrien widmet sich die FAO zur Zeit u.a. humanitären Programmen zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung der vom bewaffneten Konflikt betroffenen Bevölkerung.64 2.6.2. Internationale Organisation für Migration Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist eine selbständige internationale Organisation , die nicht Teil der VN-Familie ist, mit dieser aber eng zusammenarbeitet und daher z.B. ständigen Gaststatus im Rahmen des OCHA-IASC65 genießt. Die IOM bietet Hilfe, um die Flucht bzw. die Rückführung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen praktisch zu ermöglichen und hierbei deren Sicherheit zu gewährleisten. Die IOM übernimmt für die internationale Gemeinschaft oft die Koordination und das Management von Flüchtlings-Camps, baut Notunterkünfte, organisiert die medizinische Grundversorgung usw. Deutschland ist Mitgliedstaat der IOM, Syri- 59 Allgemein zu UNICEF siehe http://www.unicef.org/index.php (letzter Zugriff 30.05.2013). 60 A/RES/57 (I), http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/57%28I%29&Lang=E&Area=RESOLUTION (letzter Zugriff 30.05.2013). Zu weiteren maßgeblichen Grundlagendokumenten siehe die Angaben auf der UNICEF- Webseite http://www.unicef.org/about/history/index_docs_reports.html (letzter Zugriff 30.05.2013). 61 Siehe die Angaben auf den UNICEF-Webseite zu Syrien http://www.unicef.org/infobycountry/syria.html sowie http://www.unicef.org/media/media_69276.html (jeweils letzter Zugriff 30.05.2013). 62 Allgemein siehe die Webseite der FAO, http://www.fao.org/index_en.htm (letzter Zugriff 30.05.2013). 63 FAO (Hrsg.), Basic Texts oft he Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2013, Vol. I S. 3, http://www.fao.org/docrep/meeting/022/K8024E.pdf (letzter Zugriff 30.05.2013). 64 Siehe die Angaben der FAO auf ihren Webseiten http://www.fao.org/countryprofiles/index/en/?iso3=SYR sowie http://www.fao.org/emergencies/countries/detail/en/c/161538/ (jeweils letzter Zugriff 30.05.2013). 65 Siehe oben, Kapitel 2.6.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 18 en jedoch nicht.66 Völkerrechtliche Grundlage der Tätigkeit der IOM ist in erster Linie ihr Gründungsstatut (Constitution of the International Organization for Migration).67 3. Resolutionen von VN-Organen 3.1. Resolutionen des VN-Sicherheitsrats Die Resolutionen des VN-Sicherheitsrats auf der Grundlage von Kapitel VII der VN-Charta68 können ohne weitere nationale Rechtsakte zur Umsetzung innerstaatlich anwendbar sein und Rechte und Pflichten der Staaten unmittelbar begründen. Wie weit einzelne Staaten oder internationale Organisationen im Einzelfall durch entsprechende Resolutionen gegenüber einem darin namentlich angesprochenen Staat zu Eingriffen ermächtigt oder verpflichtet werden, ergibt sich aus dem spezifischen und ausdrücklichen Wortlaut der konkreten Resolution.69 S/Res/2042 (2012) In einer Resolution vom 14. April 2012 fordert der VN-Sicherheitsrat die unverzügliche und umfassende Umsetzung des „Sechs-Punkte-Plans“ des gemeinsamen Syrien-Sondergesandten von VN und der Liga der arabischen Staaten.70 Der Plan ist der Resolution als Annex beigefügt. Er zielt darauf ab, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen sofort zu beenden und den Zugang humanitärer Hilfe zu ermöglichen.71 Ferner ruft der VN-Sicherheitsrat Syrien auf, den unverzüglichen , uneingeschränkten und ungehinderten Zugang des humanitären Personals zur gesamten Bevölkerung zu gestatten; von allen Konfliktparteien verlangt der VN-Sicherheitsrat, mit den VN 66 Siehe http://www.iom.int/cms/fr/sites/iom/home/about-iom-1/members-and-observers/governments/memberstates .html (letzter Zugriff 27.05.2013). 67 Siehe insbesondere Art. 1 der IOM-Verfassung, http://www.iom.int/jahia/webdav/site/myjahiasite/shared/shared/mainsite/about_iom/iom_constitution_eng_b ooklet.pdf (letzter Zugriff 30.05.2013). 68 VN-Charta, http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf (letzter Zugriff 29.05.2013). 69 Im einzelnen hierzu siehe Sir Michael Wood, United Nations, Security Council, Rz. 23 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: Juli 2007), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e561&recno=1&searchType=Quick&query=security+council+resolutions#law-9780199231690-e561-titleGroup-7 (letzter Zugriff 29.05.2013): „[T]he fact that a resolution adopted under Chapter VII UN Charter is mandatory, that is to say, imposes legal obligations, does not mean that States are entitled to use force to enforce the resolution , any more than the fact that a State is in breach of a treaty means that force can be used against it. “ 70 S/Res/2042 (2012), Nr. 1, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_12/sr2042.pdf (letzter Zugriff 28.05.2013). 71 S.o. (Anm. 70), Annex Abs. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 19 und humanitären Organisationen uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, um die effektive Durchführung von humanitären Hilfsmaßnahmen zu erleichtern.72 S/Res/2043 (2012) In einer Resolution vom 21. April 2012 ruft der VN-Sicherheitsrat die Konfliktparteien dazu auf, die Sicherheit des Personals der VN-Mission in Syrien zu gewährleisten und dessen Bewegungsfreiheit zu respektieren.73 Alle VN-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Mission zu unterstützen .74 Ferner fordert die Resolution von Syrien den unverzüglichen, vollen und ungehinderten Zugang humanitären Personals zur gesamten Bevölkerung und von allen Konfliktparteien die volle Zusammenarbeit mit den VN und anderen humanitären Organisationen bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe.75 Desweiteren bekräftigt der VN-Sicherheitsrat seine Forderung nach der unverzüglichen und umfassenden Umsetzung des „Sechs-Punkte-Plans“ des gemeinsamen Syrien -Sondergesandten von VN und der Liga der arabischen Staaten.76 3.2. Resolutionen der VN-Generalversammlung Resolutionen der VN-Generalversammlung begründen keine unmittelbar anwendbaren Rechte und Pflichte für die VN-Mitgliedstaaten, tragen aber als „soft law“ und Ausdruck der rechtlichen Überzeugung der Staatengemeinschaft ebenfalls zur Bestimmung der völkerrechtlichen Rahmenbedingungen bei.77 Von grundlegender Bedeutung, wenngleich ohne ausdrücklichen Bezug zur aktuellen Lage in Syrien, ist zunächst die von der VN-Generalversammlung 1988 verabschiedete Resolution zur „Humanitarian assistance to victims of natural disasters and similar emergency situations“, in der die VN-Generalversammlung die Pflichten der Staaten sowie der internationalen Organisati- 72 S.o. (Anm. 70), Nr. 10. 73 S/Res/2043 (2012), Abs. 9, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/2043%282012%29 (letzter Zugriff 27.05.2013). 74 A.a.O. (Anm. 73), Nr. 12. 75 A.a.O. (Anm. 73), Nr. 11. 76 A.a.O. (Anm. 73), Nr. 1. 77 Zu den Befugnissen der VN-Generalversammlung siehe Art. 10 ff. VN-Charta, http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf (letzter Zugriff 29.05.2013); eine wissenschaftliche Bewertung ihrer Rechtsakte gibt Christian Tomuschat, United Nations, General Assembly, Rz. 23 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: April 2011), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e555&recno=1&searchType=Quick&query=united+nations%2C+general+assembly#law-9780199231690-e555- titleGroup-5 (letzter Zugriff 29.05.2013); zur rechtlichen Wirkung der Resolutionen der Generalversammlung als „soft law“ siehe Daniel Thürer, Soft Law, Rz. 11 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: März 2009), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e1469&recno=1&searchType=Quick&query=soft+law#law-9780199231690-e1469-titleGroup-6 (letzter Zugriff 29.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 20 onen anspricht.78 Weitere allgemeine Richtlinien für humanitäre Hilfseinsätze im Falle von Naturkatastrophen und anderen Notfällen, die sich nicht auf den aktuellen Konflikt in Syrien beziehen , aber Allgemeingültigkeit beanspruchen, finden sich in einer Resolution der VN- Generalversammlung aus dem Jahr 1991 mit dem Titel „Strengthening of the coordination of humanitarian emergency assistance of the United Nations“.79 A/RES/66/176 In einer Resolution vom 19. Dezember 2011 zur Situation in Syrien bekräftigt die VN- Generalversammlung, dass alle VN-Mitgliedstaaten in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder auf sonstige Weise mit den Zielen der VN unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt unterlassen sollen.80 Diese Bekräftigung verdeutlicht die Grenzen des Handelns einzelner Staaten zu humanitären Zwecken. A/Res/66/253 In einer Resolution vom 16. Februar 2012 zur Situation in Syrien bekräftigt die VN- Generalversammlung ihr nachdrückliches Bekenntnis zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit der Arabischen Republik Syrien.81 Dadurch werden die völkerrechtlichen Grenzen legitimer humanitärer Maßnahmen bestätigt. Die VN-Generalversammlung ersucht den VN-Generalsekretär und alle zuständigen VN-Organe, Unterstützung für die Anstrengungen der Liga der arabischen Staaten zu gewähren, indem sie Gute Dienste sowie technische und materielle Hilfe zur Förderung einer friedlichen Lösung der syrischen Krise leisten.82 Zur materiellen Hilfe in diesem Sinne zählt auch die Bereitstellung humanitärer Hilfe. 78 A/RES/43/131 vom 8. Dezember 1988, http://www.un.org/documents/ga/res/43/a43r131.htm (letzter Zugriff 29.05.2013). 79 A/RES/26/182 vom 19. Dezember 1991, http://www.un.org/documents/ga/res/46/a46r182.htm (letzter Zugriff 29.05.2013). 80 A/RES/66/176, S. 2, http://www.un.org/Depts/german/gv-66/band1/ar66176.pdf (letzter Zugriff 27.05.2013). 81 A/Res/66/253, Nr. 1, http://www.un.org/depts/german/gv-66/band3/ar66253.pdf (letzter Zugriff 27.05.2013). 82 A.a.O. (Anm. 81), Nr. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 21 3.3. Resolutionen des VN-Menschenrechtsrats Wie die Resolutionen der VN-Generalversammlung begründen auch diejenigen des VN- Menschenrechtsrats (MRR) keine unmittelbar anwendbaren Rechte und Pflichten; gleichwohl tragen auch sie zur Bestimmung des völkerrechtlichen Rahmens bei.83 A/HRC/RES/S-18/1 In einer Resolution vom 2. Dezember 2011 zur Lage der Menschenrechte in Syrien bestätigt der MRR die Verpflichtung aller Staaten, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen; zugleich erinnert der MRR daran, dass alle VN-Mitgliedstaaten sich in ihren auswärtigen Beziehungen der Androhung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit anderer Staaten enthalten sollen.84 Derr MRR fordert Syrien dazu auf, den Zugang zu medizinischer Hilfe ohne jede Diskriminierung oder Kontrolle zu gewährleisten, Menschenrechtsaktivisten zu respektieren und deren Zusammenarbeit mit internationalen Untersuchungen nicht zu ahnden, einen schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang von humanitärem Personal sowie medizinischen und humanitären Gütern sicherzustellen.85 Der MRR ersucht die Einrichtungen der VN sowie Regionalorganisationen, Anstrengungen zum unverzüglichen Schutz der syrischen Bevölkerung zu unterstützen.86 A/HRC/RES/19/22 In einer Resolution vom 23. März 2012 bekräftigt der MRR einerseits, dass alle Akteure der Krise in Syrien an die Menschenrechte gebunden sind; andererseits unterstreicht der MRR in der Resolution auch die Bedeutung der Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Integrität Syriens.87 Der MRR betont, dass die ausgedehnte und systematische Gewaltanwendung gegen syrische Zivilisten gegen internationales Recht verstößt und strafrechtlich verfolgt werden muss.88 Ferner äußert er seine Bedenken hinsichtlich der humanitären Lage und drängt Syrien dazu, den schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für alle humanitären Akteure zu gewährleisten und den sicheren Transport von medizinischen und humanitären Gütern in das 83 Siehe im einzelnen Beate Rudolf, United Nations Commission on Human Rights/United Nations Human Rights Council, Rz. 20 ff., in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: September 2008), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e883&recno=1&searchType=Quick&query=human+rights+council#law-9780199231690-e883-titleGroup-13 (letzter Zugriff 29.05.2013). 84 A/HRC/RES/S-18/1, http://daccess-ddsny .un.org/doc/RESOLUTION/GEN/G11/172/09/PDF/G1117209.pdf?OpenElement (letzter Zugriff 29.05.2013). 85 S.o. (Anm. 84), Nr. 4 (e), (g) und (h). 86 S.o. (Anm. 84), Nr. 14 (a). 87 A/HRC/RES/19/22, http://daccess-ddsny .un.org/doc/UNDOC/GEN/G12/130/34/PDF/G1213034.pdf?OpenElement (letzter Zugriff 29.05.2013). 88 S.o. (Anm. 87), Nr. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 22 Land zu garantieren.89 Der MRR lädt alle humanitären Einrichtungen der VN, insbesondere das Flüchtlingshilfswerk der VN (UNHCR) dazu ein, syrische Flüchtlinge und deren Fluchtländer zu unterstützen.90 A/HRC/RES/S-19/1 In einer Resolution vom 1. Juni 2012 bekräftigt der MRR abermals die Souveränität, Unabhängigkeit , Einheit und territorialen Integrität Syriens.91 Der MRR fordert Syrien auf, den Menschenrechtseinrichtungen der VN unverzüglich vollen und freien Zugang innerhalb Syriens zu gestatten .92 Der MRR unterstreicht, dass unverzüglich internationale, transparente und unabhängige Untersuchungen eingeleitet werden müssen, um die Verletzungen humanitären Völkerrechts strafrechtlich zu verfolgen.93 Der MRR fordert alle VN-Mitgliedstaaten dazu auf, auf Syrien Einfluss zu nehmen, um die VN bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu unterstützen.94 Der MRR ersucht andere Einrichtungen der VN um Zusammenarbeit in geeigneter Weise.95 A/HRC/23/L.1 In einer Resolution vom 29. Mai 2013 verlangt der MRR, dass Syrien den VN und den humanitären Organisationen freien und ungehinderten Zugang zu allen Zivilisten, die von der Gewalt in Syrien betroffen sind, einräumt.96 4. Rechtsgrundlagen aus dem Bereich der Europäischen Union Die Europäische Union (EU) hat keine Kompetenz zur Regelung völkerrechtlicher Eingriffsgrundlagen in Drittstaaten, auch nicht im humanitären Bereich. Rechtsvorschriften der EU können nur insofern als rechtliche Grundlage von humanitärer Hilfe in Syrien bezeichnet werden, als sie die unionsinternen Rechtsverhältnisse und Zuständigkeiten regeln und/oder selbst auferlegte Bindungen zum Gegenstand haben. 89 S.o. (Anm. 87), Nr. 9. 90 S.o. (Anm. 87), Nr. 1. 91 A/HRC/RES/S-19/1, www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/SpecialSession/Session19/A-HRC-RES- S-19-1_en.pdf (letzter Zugriff 29.05.2013). 92 S.o. (Anm. 91), Nr. 6. 93 S.o. (Anm. 91), Nr. 7. 94 S.o. (Anm. 91), Nr. 10. 95 S.o. (Anm. 91), Nr. 12. 96 A/HRC/23/L.1., in der Schriftfassung noch nicht veröffentlicht, im mündlichen Wortlaut zu finden auf http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=13376&LangID=E (letzter Zugriff 30.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 23 4.1. Vertrag über die EU Insofern, als humanitäre Maßnahmen in Drittstaaten Teil der auswärtigen Beziehungen der EU sind, gilt hierfür Art. 21 Vertrag über die EU (EUV)97: Danach lässt sich die EU bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von folgenden Grundsätzen leiten: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Achtung der Menschenwürde, Gleichheit, Solidarität sowie der Grundsätze der VN-Charta98 und des Völkerrechts . Ein Ziel der gemeinsamen Politik sowie der Maßnahmen der EU im auswärtigen Bereich ist es, „den Völkern, Ländern und Regionen, die von Naturkatastrophen oder von vom Menschen verursachten Katastrophen betroffen sind, zu helfen.“99 Im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann der Rat auch Missionen beschließen, die mit den Grundsätzen der VN-Charta übereinstimmen und humanitären Zwecken dienen (Art. 42 und 43 EUV). Dabei kann der Rat die Durchführung einer humanitären Mission an eine Gruppe von EU-Mitgliedstaaten übertragen (Art. 44 EUV). 4.2. Vertrag über die Arbeitsweise der EU Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sieht vor, dass sich die Zuständigkeit der EU im Bereich der humanitären Hilfe darauf erstreckt, „Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu verfolgen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten hindert, ihre Zuständigkeit auszuüben.“100 Art. 214 AEUV führt zur humanitären Hilfe aus: (1) Den Rahmen für die Maßnahmen der Union im Bereich der humanitären Hilfe bilden die Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union. Die Maßnahmen dienen dazu, Einwohnern von Drittländern, die von Naturkatastrophen oder von vom Menschen verursachten Katastrophen betroffen sind, gezielt Hilfe, Rettung und Schutz zu bringen, damit die aus diesen Notständen resultierenden humanitären Bedürfnisse gedeckt werden können. Die Maßnahmen der Union und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergänzen und verstärken sich gegenseitig. 97 Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, ABl. C 115/15 vom 9.5.2008, http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:115:0013:0045:DE:PDF (letzter Zugriff 31.05.2013). 98 Dazu zählt in erster Linie das Gewaltverbot gem. Art. 2 Abs. 4 der VN-Charta. Zur Problematik von humanitären Interventionen der EU ohne Autorisierung durch den VN-Sicherheitsrat siehe Rudolf Geiger, Art. 21 EUV Rz. 13, in: ders. u.a. (Hrsg.), Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 5. Auflage, München 2010. 99 Art. 21 Abs. 2 (g) EUV (Anm. 97). 100 Art. 4 Abs. 4 Konsolidierte Fassung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. C 115/49 vom 9.5.2008, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:115:0047:0199:DE:PDF (letzter Zugriff 31.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 24 (2) Die Maßnahmen der humanitären Hilfe werden im Einklang mit den Grundsätzen des Völkerrechts sowie den Grundsätzen der Unparteilichkeit, der Neutralität und der Nichtdiskriminierung durchgeführt. (3) Das Europäische Parlament und der Rat legen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Maßnahmen zur Festlegung des Rahmens fest, innerhalb dessen die Maßnahmen der humanitären Hilfe der Union durchgeführt werden. (4) Die Union kann mit Drittländern und den zuständigen internationalen Organisationen alle Übereinkünfte schließen, die zur Verwirklichung der Ziele des Absatzes 1 und des Artikels 21 des Vertrags über die Europäische Union beitragen. Unterabsatz 1 berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, in internationalen Gremien zu verhandeln und Übereinkünfte zu schließen. (5) Als Rahmen für gemeinsame Beiträge der jungen Europäer zu den Maßnahmen der humanitären Hilfe der Union wird ein Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe geschaffen. Das Europäische Parlament und der Rat legen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen die Rechtsstellung und die Einzelheiten der Arbeitsweise des Korps fest. (6) Die Kommission kann alle Initiativen ergreifen, die der Koordinierung zwischen den Maßnahmen der Union und denen der Mitgliedstaaten förderlich sind, damit die Programme der Union und der Mitgliedstaaten im Bereich der humanitären Hilfe wirksamer sind und einander besser ergänzen. (7) Die Union trägt dafür Sorge, dass ihre Maßnahmen der humanitären Hilfe mit den Maßnahmen der internationalen Organisationen und Einrichtungen, insbesondere derer, die zum System der Vereinten Nationen gehören, abgestimmt werden und im Einklang mit ihnen stehen.101 4.3. EU-Sekundärrecht Zu dem Sekundärrecht der EU, auf das der zitierte Art. 214 Abs. 3 AEUV verweist, zählt in erster Linie die bereits vor Inkrafttreten des AEUV erlassene Verordnung 1257/96 des Rates über die humanitäre Hilfe.102 Nach dieser Verordnung umfasst die humanitäre Hilfe der EU nicht nur zivile Hilfs-, Rettungs- und Schutzmaßnahmen sondern auch Wiederaufbau und präventive Maßnahmen (Art. 1 und 2 VO 1257/96). Die von der EU finanzierten Aktionen der humanitären Hilfe können entweder auf Ersuchen von internationalen oder nichtstaatlichen Einrichtungen und Organisationen eines EU-Mitgliedstaats oder des Empfängerdrittlands oder auf Initiative der EU- 101 A.a.O. (100). 102 Verordnung (EG) Nr. 1257/96 des Rates vom 20. Juni 1996 über die humanitäre Hilfe, ABl. Nr. L 163 vom 02/07/1996 S. 0001 – 0006, http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31996R1257:DE:HTML (letzter Zugriff 31.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 25 Kommission durchgeführt werden (Art. 6 VO 1257/96). Im übrigen regelt die Verordnung vor allem Fragen des Verfahrens bei der Durchführung humanitärer Aktionen (Art. 13 ff. VO 1257/96). Das Amt der Europäischen Gemeinschaft für humanitäre Hilfe (ECHO) wurde 1992 gegründet und 2004 zur Generaldirektion der Kommission für humanitäre Hilfe umgestaltet.103 Ziele, Grundsätze, Verfahren, Standards und Evaluierungskriterien für humanitäre Hilfe der EU spricht auch der „Europäische Konsens über die humanitäre Hilfe“ an.104 5. Besondere Aspekte der Hilfe durch staatliche Einrichtungen Deutschlands Die oben ausgeführten völkerrechtlichen und EU-rechtlichen Grundlagen und Grenzen gelten auch für Deutschland.105 Daneben spielt für humanitäre Missionen, an denen sich staatliche Einrichtungen Deutschlands beteiligen, auch das innerstaatliche Recht eine wesentliche Rolle. Die Anwendung deutschen Rechts führt dazu, dass eine Vielzahl von Regelungen zu beachten ist; beispielhaft sei auf das Dienstrecht der Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen bei Auslandsverwendungen im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen verwiesen.106 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bundeswehr sich an humanitären Hilfsmaßnahmen im Ausland beteiligen darf.107 Nach § 2 Abs. 2 Parlamentsbeteiligungsgesetz bedürfen Einsätze der Streitkräfte keiner Zustimmung des Bundestages, wenn es sich um humanitäre Hilfsdienste und Hilfsleistungen handelt, „bei denen Waffen lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung mitgeführt werden, wenn nicht 103 Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Jahresbericht über die Strategien der Europäischen Union für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz und deren Umsetzung im Jahr 2011, Brüssel, den 6.9.2012, COM(2012) 489 final, S. 2, http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0489:FIN:DE:PDF (letzter Zugriff 31.05.2013). 104 Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, ABl. C 25/1, 30.1.2008, http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:025:0001:0012:DE:PDF (letzter Zugriff 01.06.2013). 105 Siehe oben, Kapitel 2 bis 4. 106 Siehe, statt vieler, nur die Regelung von Auslandszuschlägen an Dienstorten, die von einem bewaffneten Konflikt oder von einer von Menschen verursachten Katastrophe betroffen sind, § 2 Abs. 1 Nr. 2 Auslandszuschlagsverordnung , http://www.gesetze-im-internet.de/auslzuschlv_2010/BJNR117700010.html (letzter Zugriff 31.05.2013). 107 Näher hierzu siehe WD 2, Zur Beteiligung des Bundestages bei der Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr, Sachstand, WD 2 – 3000 – 195/11, vom 11. November 2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 26 zu erwarten ist, dass die Soldatinnen oder Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden.“108 Zu den staatlichen Einrichtungen Deutschlands, die sich an humanitären Hilfsaktionen beteiligen , zählt auch das Technische Hilfswerk (THW). Dieses ist eine Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministerium des Inneren. Rechtsgrundlage der Tätigkeit des THW ist das Gesetz über das Technische Hilfswerk.109 Soweit sich das THW an humanitären Aktionen im Ausland beteiligt, beruht dies auf § 1 Abs.2 Nr. 2 THW Gesetz. Bei der aktuellen Krise in Syrien leistet das THW vor allem humanitäre Hilfe beim Aufbau und Betrieb von Camps für syrische Flüchtlinge im syrisch-jordanischen Grenzgebiet.110 6. Besondere Aspekte der Hilfe durch deutsche und internationale Nichtregierungsorganisationen 6.1. Allgemeine völkerrechtliche Aspekte Auf das Recht der nationalen, im Konfliktgebiet ansässigen Zweige von Hilfsgesellschaften (Rotes Kreuz, Roter Halbmond), ihre humanitären Dienste anzubieten, wurde bereits oben verwiesen.111 Im übrigen sind die Rechte und Pflichten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und ihren Beschäftigten im Rahmen von internationalen humanitären Einsätzen in erster Linie ein Regelungsgegenstand auf nationaler, nicht aber auf völkerrechtlicher Ebene. Im Völkerrecht ist bereits umstritten, ob NGOs auf völkerrechtlicher Ebene überhaupt Subjektqualität zukommt, sie also voll handlungsfähige Rechtspersönlichkeiten sind. Diese Frage wird nach nahezu einhelliger Auffassung für fast alle NGOs verneint.112 Auch das im Rahmen des Europarats vorgelegte Europäische Übereinkommen über die Anerkennung der Rechtspersönlich- 108 Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland vom 18. März 2005 (BGBl. I S. 775), http://www.gesetze-im-internet.de/parlbg/BJNR077500005.html (letzter Zugriff 31.05.2013). 109 THW-Helferrechtsgesetz vom 22. Januar 1990 (BGBl. I S. 118), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2350) geändert worden ist, http://www.gesetze-im-internet.de/thwhelfrg /BJNR001180990.html (letzter Zugriff 31.05.2013). 110 Siehe die entsprechenden Berichte auf der THW-Webseite, http://www.thw.de/SiteGlobals/Forms/Suche/DE/Servicesuche_Formular.html?nn=922396&resourceId=924576 &input_=922396&pageLocale=de&templateQueryString=syrien&sortString=-score_+- dateOfIssue &sortString.HASH=6132fe97f8805fe2cc70&searchArchive=0&searchArchive.HASH=ae94cff614526ee270a2&se archIssued=0&searchIssued.HASH=fc15a7e6145506f27ea5&submit=Suchen (letzter Zugriff 31.05.2013). 111 Siehe Kapitel 2.3. mit Verweis auf Art. 18 ZP II. 112 Eingehend hierzu Stephan Hobe, Non-Governmental Organizations, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law (online edition; Stand des Artikels: März 2010), http://mpepil.com/subscriber_article?script=yes&id=/epil/entries/law-9780199231690- e968&recno=2&searchType=Quick&query=Non-Governmental+Organizations (letzter Zugriff 29.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 27 keit internationaler nichtstaatlicher Organisationen113 spricht nur die Anerkennung von NGOs im Rahmen nationaler Gesetzgebung an. Insofern als das Völkerrecht die NGOs nicht als Rechtssubjekte anerkennt, sind diese auch nicht Gegenstand völkerrechtlicher Rechte oder Pflichten. Eine Leitlinie zur Tätigkeit der NGOs bietet allerdings der „Code of Conduct for the International Red Cross and Red Crescent Movement and NGOs in Disaster Relief“, der vom IKRK in Zusammenarbeit mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften ausgearbeitet wurde.114 6.2. Immunitäten Beschäftigte einer deutschen (oder ausländischen) NGO, die im Rahmen einer humanitären Aktion in einem Krisengebiet tätig werden, sind grundsätzlich als Zivilisten zu betrachten. Auf völkerrechtlicher Ebene gibt es für sie keine Vorschriften, die etwaige Privilegien oder Immunitäten vorsähen. Allerdings können Beschäftigte von NGOs, die im Rahmen von internationalen humanitären Einsätzen tätig werden, „beigeordnetes Personal“ im Sinne des Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der VN und beigeordnetem Personal115 sein, wenn sie von einer humanitären nichtstaatlichen Organisation oder Einrichtung im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Generalsekretär der VN oder mit einer Sonderorganisation […] eingesetzt werden, um Tätigkeiten zur Unterstützung der Erfüllung des Mandats eines Einsatzes der VN durchzuführen.116 In diesem Sonderfall können einzelne Beschäftigte einer deutschen (oder ausländischen) NGO, die sich an internationalen humanitären Einsätzen beteiligen, in den Genuss der Vorrechte und Privilegien von VN-Mitarbeitern kommen, sofern diese z.B. auf der Grundlage einer spezifischen vertraglichen Vereinbarung zwischen den VN und Syrien („Status of Mission Agreement“) anwendbar werden sollten.117 113 SEV Nr. 124, in Kraft seit 1991, von Deutschland nicht ratifiziert, siehe http://www.conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=124&CM=8&DF=01/06/2013&CL=GE R (letzter Zugriff 01.06.2013). 114 Code of Conduct for the International Red Cross and Red Crescent Movement and NGOs in Disaster Relief, http://www.ifrc.org/Docs/idrl/I259EN.pdf (letzter Zugriff 28.05.2013). 115 Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal, BGBl. 1997 II 230; 2051 UNTS 363, http://www.admin.ch/ch/d/as/2007/6919.pdf (letzter Zugriff 23.05.2013). 116 Art. 1 b) iii) Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal (Anm. 115). 117 Vgl. Art. 4 des Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal (Anm. 115). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 28 6.3. Internationales Komitee des Roten Kreuzes Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) ist zwar formell betrachtet eine NGO, doch weist ihm die Staatengemeinschaft in den Genfer Konventionen und damit auf völkerrechtlicher Ebene Aufgaben und Zuständigkeiten zu.118 Dem IKRK kommt für die rechtlichen Grundlagen der humanitären Hilfe eine Doppelfunktion zu: Einerseits fungiert das IKRK als Forum zur Erörterung , Feststellung, Entwicklung und ggf. Kodifikation des humanitären Völkerrechts;119 zum anderen ist das IKRK selbst humanitärer Dienstleister und in dieser Funktion an das humanitäre Völkerrecht gebunden. Zu den rechtlichen Instrumenten, die die Tätigkeit des IKRK steuern, zählen u.a. der „Code of Conduct for the International Red Cross and Red Crescent Movement and NGOs in Disaster Relief“120 und die „Principles and action in international humanitarian assistance and protection“.121 6.4. EU-rechtlicher Rahmen für NGOs Da die EU humanitäre Hilfe zu einem beträchtlichen Teil nicht durch eigene Kräfte sondern durch die Finanzierung von anderen staatlichen sowie nichtstaatlichen humanitären Einrichtungen leistet, sind die EU-Vorschriften für humanitäre NGOs von enormer praktischer Relevanz. Von grundlegender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Art. 7 VO 1257/96:122 (1) Die nichtstaatlichen Organisationen, die Finanzmittel der Gemeinschaft für die Durchführung der in dieser Verordnung vorgesehenen Aktionen erhalten können, müssen folgende Kriterien erfüllen: a) Sie sind in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft nach den in dem betreffenden Staat geltenden Rechtsvorschriften als autonome gemeinnützige Organisationen gegründet worden. b) Sie haben ihren Hauptsitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft oder in dem Empfängerdrittland der Hilfe der Gemeinschaft, wobei dieser Sitz das tatsächliche Zentrum für alle Entscheidungen über die gemäß dieser Verordnung finanzierten Aktionen bildet. In Ausnahmefällen darf sich ihr Sitz in einem anderen Drittgeberland befinden. 118 Stephan Hobe (Anm. 112), Rz. 42. 119 Vgl. Report of the Secretary-General, DRAFT, Strengthening of the coordination of emergency humanitarian assistance of the United Nations, Rz. 23, ECOSOC 2002, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/995FFE8CE1BAD6DC85256BB9006F1CC8-ocha-ecosoc- 14may.pdf (letzter Zugriff 01.06.2013). 120 http://www.ifrc.org/Global/Publications/disasters/code-of-conduct/code-english.pdf (letzter Zugriff 01.06.2013). 121 http://www.icrc.org/eng/resources/documents/misc/57jmrx.htm (letzter Zugriff 01.06.2013). 122 Verordnung (EG) Nr. 1257/96 des Rates vom 20. Juni 1996 über die humanitäre Hilfe, ABl. Nr. L 163 vom 02/07/1996 S. 0001 – 0006, http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31996R1257:DE:HTML (letzter Zugriff 31.05.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 29 (2) Bei der Entscheidung, ob eine nichtstaatliche Organisation Finanzmittel der Gemeinschaft erhalten kann, werden folgende Faktoren berücksichtigt: a) ihre Kapazität im Bereich der Verwaltung und des Finanzmanagements; b) ihre technische und logistische Kapazität im Verhältnis zu der geplanten Aktion; c) ihre Erfahrung im Bereich der humanitären Hilfe; d) die Ergebnisse früherer Aktionen, die die betreffende Organisation, insbesondere mit Gemeinschaftsmitteln, durchgeführt hat; e) ihre Bereitschaft, sich erforderlichenfalls an dem Koordinierungssystem zu beteiligen, das im Rahmen einer humanitären Aktion eingerichtet wird; f) ihre Fähigkeit und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den im humanitären Bereich tätigen Akteuren und den Basisgemeinschaften in den betreffenden Drittländern; g) ihre Unparteilichkeit bei der Durchführung der humanitären Hilfe; h) gegebenenfalls ihre früheren Erfahrungen in dem Drittland, in dem die betreffende humanitäre Aktion durchgeführt werden soll. 6.5. Deutsche NGOs Wesentliche Rechtsgrundlagen für die Hilfe durch deutsche NGOs, die im Rahmen eines humanitären Einsatzes tätig werden, finden sich einerseits im deutschen Recht, andererseits im innerstaatlichen Recht des in Aussicht genommenen Einsatzlandes. Angesichts der Fülle einschlägiger Normen sei im vorliegenden Zusammenhang nur auf einige besondere Aspekte des bundesrechtlichen Rahmens für deutsche NGOs verwiesen. Innerhalb Deutschlands kommen bei der Regelung der humanitären Hilfe durch NGOs auch Steuerungsinstrumente der Verwaltung zur Anwendung, die nicht unbedingt die Form klassischer Rechtsakte haben, aber dennoch klare Voraussetzungen für die Einbeziehung von NGOs bestimmen und dabei Bindungswillen erkennen lassen. So ist das „Konzept des Auswärtigen Amtes zur Förderung von Vorhaben der Humanitären Hilfe der Bundesregierung im Ausland“123 ein Leitfaden für die praktische Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen Amt124 und NGOs im Bereich der humanitären Hilfe. Das Konzept soll dazu beitragen, die „Strategie des Auswärtigen Amtes zur Humanitären Hilfe der Bundesregierung im Ausland“125 umzusetzen. Die im Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe zusammengeschlos- 123 http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/361052/publicationFile/ (letzer Zugriff 01.06.2013). 124 Zur Aufgabenteilung bei der humanitären Hilfe zwischen AA (Not- und Soforthilfe) und BMZ (entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe siehe den gemeinsamen Leitfaden von AA und BMZ, http://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/umwelt/Leitfaden_AA_BMZ_Hu manitaere_Hilfe_Uebergangshilfe.pdf (letzter Zugriff 01.06.2013) sowie die Angaben auf der BMZ-Webseite http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/themen/umwelt/naturkatastrophen/hilfe_bei_katastrophen/index.htm l (letzter Zugriff 01.06.2013). 125 http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/631154/publicationFile/174154/121115_AA- Strategie_humanitaere_hilfe.pdf (letzter Zugriff 01.06.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 30 senen Hilfseinrichtungen126 und Bundesministerien haben sich für ihre Zusammenarbeit auf die „Zwölf Grundregeln der Humanitären Hilfe im Ausland“ verständigt.127 Für NGOs, die im Rahmen von humanitären Aktionen Beiträge zur Minen- und Kampfmittelräumung leisten, gelten ferner die „Leitlinien zur Förderung von Projekten der humanitären Minenund Kampfmittelräumung durch das Auswärtige Amt“.128 126 Hierzu zählen der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), GIZ, THW und die NGOs ADRA Deutschland e.V., Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Ärzte der Welt e.V., Ärzte ohne Grenzen e.V., CARE Deutschland e.V., Deutscher Caritasverband (DCV) e.V., Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge e.V. (DKKV), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Deutsche Welthungerhilfe (DHWW) e.V., Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) e.V., HELP – Hilfe zur Selbsthilfe e.V., Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Malteser International, medico international e.V., Plan International Deutschland e.V., terre des hommes Deutschland e.V., World Vision Deutschland e.V. 127 http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/HumanitaereHilfe/Grundregeln_node.html (letzer Zugriff 01.06.2013). 128 http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/HumanitaereHilfe/Minenraeumen/Minen- Foerderrichtlinien_node.html (letzter Zugriff 01.06.2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 043/13 Seite 31 7. 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