© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 042/18 Deutschlands Bewerbung um einen nichtständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat im Kontext seiner außenpolitischen Interessen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 2 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Europäische Integration und Europäische Union 8 2.2.2. Transatlantische Partnerschaft 8 2.2.3. Engagement für Frieden und Sicherheit 8 2.2.4. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte 8 2.2.5. Globalisierung und internationale Ordnung 8 2.2.6. Auswärtige Kultur-und Bildungspolitik (AKBP) 9 2.2.7. Außenwirtschaftspolitik 9 2.3. Offizielle Darstellung deutscher Interessen: Bundesministerium der Verteidigung 9 2.4. Zusammenfassung: sechs identifizierbare Interessen der Bundesrepublik 10 3. Bewerbung um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat 11 3.1. Leitbegriffe der Bundesregierung für ihre VN-Politik 12 3.1.1. Frieden 12 3.1.2. Gerechtigkeit 12 3.1.3. Innovation 13 3.1.4. Partnerschaft 13 3.2. Chancen und Einflussmöglichkeiten Deutschlands im Sicherheitsrat 13 Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 4 1. Einführung Dieser Sachstand befasst sich mit der Bewerbung der Bundesrepublik Deutschland um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Zeitraum 2019 – 2020 im Kontext deutscher außenpolitischer Interessen. Nach einer kurzen Charakterisierung der öffentlichen Debatte zum Themenkomplex deutsche Interessen und Grundprinzipien deutscher Außenpolitik werden diese Grundprinzipien und Interessen Deutschlands anhand der offiziellen Verlautbarungen der Bundesregierung dargestellt und herausgearbeitet. Nach kurzer Befassung mit der aktuellen Bewerbung um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat und der von der Bundesregierung geplanten Initiativen im Falle ihres Erfolges werden die von Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik ausgearbeiteten Empfehlungen für eine mögliche Mitgliedschaft dargelegt. Grundsätzlich ist die Befassung mit den außenpolitischen Interessen Deutschlands schwierig, da die Bundesregierung bei der Formulierung eigener, fester außenpolitischer Interessen oft im Vagen bleibt und überdies die öffentliche Debatte von einer starken Polarisierung geprägt ist. Allerdings sind Ziele und Interessen deutscher Außenpolitik durchaus identifizierbar. Die Debatte unter Experten wird dabei viel weniger kontrovers geführt als im politischen Feld und in den Medien. Im Sinne einer möglichst kompakten Darlegung beschränkt sich dieser Sachstand auf relativ wenige Quellen. 2. Grundsätze und Interessen deutscher Außenpolitik 2.1. Charakteristika der Debatte Mindestens seit dem ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr im Jahre 1990 wird in Politik und Wissenschaft verstärkt über die außenpolitischen Ziele und Interessen der Bundesrepublik diskutiert.1 Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges, dem 2-plus-4-Vertrag und der Wiedervereinigung veränderte sich die außen- und sicherheitspolitische Rolle Deutschlands stark. Die Teilnahme Deutschlands an internationalen Militäreinsätzen (auch rein friedenssichernden Missionen unter VN-Mandat) wurde zu Beginn äußerst kontrovers debattiert und wird von Teilen der deutschen Politik, z.B. der Partei Die Linke, auch heute noch regelmäßig stark und grundsätzlich kritisiert. Laut einer Studie der Körber-Stiftung aus dem Jahre 2017 wünschen sich nur 43 Prozent aller Deutschen eine stärkere Rolle Deutschlands in der Welt, 52 Prozent meinen, Deutschland solle sich „zurückhalten.“2 1 Siehe zu dieser Debatte den Beitrag von Hans W. Maull, Nationale Interessen! Aber was sind sie?, IP – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, am 1. Oktober 2006, https://zeitschriftip .dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/archiv/jahrgang-2006/oktober/nationale-interessen-aber-was-sind-sie (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 2 Körber-Stiftung, “The Berlin Pulse. German Foreign Policy in Perspective”, S.8 ff., 2017, https://www.koerberstiftung .de/fileadmin/user_upload/koerber-stiftung/redaktion/berliner-forum-aussenpolitik/pdf/2017/The- Berlin-Pulse.pdf (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 5 Das steht im Gegensatz zur Meinung fast aller Außenpolitikexperten.3 Es lässt sich feststellen, dass in der öffentlichen Diskussion häufig ein Gegensatz von Interessen und Werten konstruiert wird. Zum Extrem getrieben, werden Interessenorientierung und Werteorientierung als unvereinbar dargestellt. Tatsächlich lässt sich ja leicht ein Widerspruch zwischen z.B. der Orientierung an den Menschenrechten und der Pflege guter Beziehungen zu Staaten wie Saudi- Arabien oder China im Interesse deutscher Wirtschaftsstärke identifizieren. Die Diskussionen über diese Frage sind sehr komplex und würden weit über die ursprüngliche Fragestellung dieses Gutachtens hinausgehen. Die Charakteristika der Debatte machen es jedoch schwer, Interessen und Ziele – die die Bundesrepublik, wie jeder andere Staat auch, selbstverständlich hat – von Seiten der Politik klar auszuformulieren, da oft schon der Versuch kritisiert wird. Insbesondere, wenn impliziert wird, dass deutsche Interessen auch militärisch durchgesetzt werden könnten, fällt die öffentliche Kritik meist sehr scharf aus: So führte 2010 eine Bemerkung von Bundespräsident Horst Köhler, die als Billigung militärischer Mittel zum Schutze deutscher Wirtschaftsinteressen verstanden werden konnte, zu einer heftigen Debatte in Politik und Medien4 und zu so starker und langanhaltender Kritik am Bundespräsidenten, dass dieser zurücktrat.5 Dabei wurden zumindest in früheren Ausgaben des „Weissbuches“ des Bundesministeriums der Verteidigung Interessen und Ziele noch deutlicher benannt, als es z.B. 2006 der Fall war.6 Zugespitzt könnte man sagen: In dem Maße, in dem die Frage nach den Interessen der Bundesrepublik aufgrund deren wachsender internationaler Bedeutung und der sich verstärkenden Dynamik internationaler Entwicklungen7 dringlicher gestellt wird, werden die offiziellen Antworten darauf vager.8 3 Annegret Bendiek, „Review 2014“: Grundpfeiler deutscher Außenpolitik und weltweite Erwartungen, S.8, SWP, Mai 2015, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/arbeitspapiere/IFRI_Beitrag.pdf (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 4 Wolfgang Jaschensky, Köhler: Krieg für freien Handel, Süddeutsche Zeitung am 21. März 2012, http://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehreinsaetze-koehler-wirtschaftsinteressen-militaerischdurchsetzen -1.950594 (zuletzt abgerufen am 17. April 2018) sowie 5 Bundespräsident Köhler tritt zurück, Die Zeit am 31. Mai 2010, http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010- 05/koehler-ruecktritt (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 6 Vgl. Hans W. Maull (Anm. 1), der die Entwicklung der Aussagen des Weissbuches von 1994 bis 2006 nachzeichnet. 7 Man denke an den schnellen Aufstieg Chinas, dessen Bedeutung vor 20 Jahren noch weitaus geringer war als heute, wo das Land ein Global Player geworden ist, bzw. ganz grundsätzlich an die unübersichtlicheren politischen Verhältnisse in einer multipolaren Welt. 8 Vgl. die Aussagen von Ulrich Schlie (seinerzeit Leiter Planungsstab BMVg) in: 135. Bergedorfer Gesprächskreis Interessen und Partner der deutschen Außenpolitik, S. 49, Körber-Stiftung, Oktober 2006, https://www.koerberstiftung .de/fileadmin/user_upload/koerber-stiftung/redaktion/bergedorfergespraechskreis /pdf/import/bnd_135_de_text.pdf (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 6 In der bestehenden Fachliteratur existiert zwar auch kein vollständiger Konsens über diese Antworten, die von den verschiedenen Experten vorgenommenen Einschätzungen werden aber von ihnen deutlich weniger kontrovers diskutiert als in der Politik und in den Medien.9 Laut Hans W. Maull folgen den Grundwerten die Interessen, diesen wiederum die Ziele. Allerdings „…sind die Begriffe „Ziele“ und „Interessen“ in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht völlig trennscharf zu unterscheiden (..) „Ziele“ werden eindeutig von der Politik formuliert. In einem demokratischen Politikverständnis sind „Interessen“ daher die umfassendere Kategorie; sie müssen von der Regierung in Zielsetzungen umgegossen werden.“10 Interessen sind aus politisch nicht oder kaum veränderbaren Gegebenheiten (etwa Geographie und Geschichte, aber auch die Interdependenz mit Bündnispartnern) ableitbar, unterliegen jedoch auch politischen Wertentscheidungen.11 Ziele erwachsen den politischen Reaktionen auf und Schlussfolgerungen aus Interessen. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat im Jahre 2013 mit der Forderung nach „Selbstverständigung über die Perspektiven deutscher Außenpolitik“, die ihre Umsetzung in dem Projekt „Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken“ fand, den Anstoß dazu gegeben, dass sich die deutsche Politik transparenter und ehrlicher mit der Frage nach deutschen Interessen befasst.12 Wie unten gezeigt wird, ist die öffentliche, offizielle Darstellung dieser Interessen jedoch weiterhin zurückhaltend, bzw. werden Interessen nicht als solche bezeichnet, sondern als „Grundprinzipien“, „Grundwerte“ etc., oder mit diesen vermischt. Dabei ist nachvollziehbar, dass Grundprinzipien zwar als solche identifiziert werden, Ziele jedoch nicht. Beispielsweise identifizieren sowohl AA als auch BMVg die regelbasierte internationale Ordnung und die Festigung der transatlantischen Partnerschaft als 9 Im selben Jahr wie Maull (2006) kam August Pradetto jedoch zu einer völlig anderen Einschätzung: nicht nur seien Deutschlands Interessen klar formuliert, die wissenschaftliche Debatte sei viel kontroverser als die politische. Der Autor dieses Sachstandes kann Pradettos Ausführungen jedoch nicht zustimmen. Pradetto vermischt Grundprinzipien und Interessen und verkennt deren Unterschiede. Die von deutschen Regierungen der letzten 25 Jahre benannten außenpolitischen Grundprinzipien sind tatsächlich gleich geblieben (ungeachtet der jeweiligen Koalition). Grundprinzipien, d.h. letztlich Wertentscheidungen, überlagern sich u.U. mit Interessen, sind jedoch nicht dasselbe. Sie sind auch keine Ziele. Verkürzt ausgedrückt: Grundprinzipien sind fundamentaler, Interessen strategischer und Ziele taktischer Natur. In der Rückschau (insbesondere auf Angelegenheiten der EU) kann man Pradettos Ausführungen hinsichtlich Deutschlands angeblich konsequenter „Durchsetzung“ seiner Interessen ohnehin nicht mehr zustimmen. Vgl.: August Pradetto, Ganz und gar nicht ohne Interessen, IP – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, am 1. Januar 2006 (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 10 Hans W. Maull (Anm.1). 11 Zu den in der Wissenschaft verbreiteten drei unterschiedlichen Definitionen von „nationalem Interesse“ siehe Maull (Anm. 1). Maull führt aus, dass die Wissenschaft keine eindeutige Handlungsanweisung für die Identifizierung von Interessen und die Formulierung von Zielen geben kann. Interessen gehen zwar – anders als Grundwerte, die rein politisch-philosophischer Natur sind – in der Regel von konkreten und wenig veränderbaren Gegebenheiten aus, doch ist es letztlich eine politische Entscheidung, ob und wenn ja welches nationale Interesse besteht und welche politische Priorität ihm ggf. eingeräumt wird. 12 Annegret Bendiek, S. 2 (Anm. 3). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 7 Grundprinzipien deutscher Politik und konstatieren, dass sich im Zuge der weltweiten Digitalisierung auch neue Formen von Konflikten herausbilden; schon aus diplomatischen Gründen könnte die Bundesregierung jedoch nie ausformulieren, dass, ausgehend von diesen Prinzipien und dieser Entwicklung, z.B. eine Schwächung der russischen Kapazitäten zur informationellen Kriegsführung und Propaganda ein Ziel ihrer Außen- und Verteidigungspolitik sein könnte. Ebenso wenig könnte sich die Bundesregierung erlauben, öffentlich den Wahlsieg eines bestimmten Kandidaten in einem anderen Staat als Interesse der Bundesrepublik zu bezeichnen, selbst, wenn dies offenkundig der Fall sein sollte. Hier wären ggf. Abgeordnete des Bundestages, der in der Verfassungswirklichkeit zwar die Politik der Bundesregierung kontrolliert, die deutsche Außenpolitik aber nicht maßgeblich bestimmt13, in ihren Äußerungen freier als Mitglieder der Bundesregierung. Interessen und Ziele können auf verschiedenen Wegen durchgesetzt bzw. erreicht werden – diese Wege zu finden, ist Aufgabe der Politik. In den folgenden Abschnitten werden die offiziellen Verlautbarungen der Bundesregierung zur außenpolitischen Orientierung der Bundesrepublik dargestellt. 2.2. Offizielle Darstellung der Grundwerte deutscher Außenpolitik: Auswärtiges Amt14 Das Auswärtige Amt (AA) führt in seiner offiziellen Darstellung deutscher Außenpolitik nicht die Orientierung an „Interessen“, sondern an „Grundwerten“ als Leitbild an. Diese werden im Folgenden dargelegt. Das AA stellt die deutsche Außenpolitik als einen aus fünf Grundprinzipien zusammengesetzten Grundpfeiler dar, der von zwei Säulen flankiert wird. Eine dieser Säulen ist lautet AA die Außenwirtschaftspolitik. Diese ist das einzige wirklich konkret formulierte Interesse in der Selbstdarstellung der Außenpolitik der Bundesregierung – und es ist auffällig, dass ihm auf der entsprechenden Webseite des AA im Vergleich zu den fünf Komponenten des außenpolitischen Grundpfeilers nur eine sehr kurze Beschreibung beigefügt wird. Es ist naheliegend, hierin die diskursiven Schwierigkeiten, denen sich Deutschlands Politik bei der Ausformulierung deutscher Interessen (oder zumindest der Benennung von Interessen als solcher) gegenübersieht, widergespiegelt zu sehen. 13 „Dieses geringe Interesse der Außenpolitikforschung an der Bedeutung des Bundestages reflektiert den unstrittigen Befund, dass es die Bundesregierung und nicht der Bundestag ist, der im politischen System Deutschlands die bei Weitem stärksten außenpolitischen Kompetenzen zugeordnet sind.“ Vgl. Vgl.: Thomas Jäger, Kai Oppermann, Alexander Höse und Henrieke Viehrig, Die Salienz außenpolitischer Themen im Bundestag : Ergebnisse einer Befragung der Mitglieder des 16. Deutschen Bundestages, 2006, https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/21836/ssoar-2006-jager_et_aldie _salienz_auenpolitischer_themen_im.pdf?sequence=1 (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 14 Alle Informationen und Zitate dieses Abschnittes entstammen der offiziellen Darstellung des AA: Auswärtiges Amt, Grundprinzipien deutscher Außenpolitik, 13. März 2017, https://www.auswaertigesamt .de/de/aussenpolitik/themen/grundprinzipien-deutscher-aussenpolitik/216474#content_0 (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 8 2.2.1. Europäische Integration und Europäische Union Die Europäische Integration und die Europäische Union bilden laut AA „Rahmen und Richtung der deutschen Außenpolitik.“ Sowohl die innere Vertiefung der EU als auch die Stärkung der außen- und sicherheitspolitischen Fähigkeiten der EU haben für die deutsche Außenpolitik eine sehr hohe Priorität. 2.2.2. Transatlantische Partnerschaft „Die transatlantische Partnerschaft ist neben der europäischen Integration der wichtigste Pfeiler der deutschen Außenpolitik.“ Die Beziehung zu den USA als wichtigstem nichteuropäischem Verbündeten der Bundesrepublik und als wichtigstem NATO-Mitglied ist für Deutschland auf allen Ebenen von großer Bedeutung. Insbesondere für die Sicherheit Deutschlands, aber auch seine Wirtschaftsbeziehungen sind die transatlantische Partnerschaft und ein gutes Verhältnis zu den USA unabdingbar. Dabei verweist das AA darauf, dass beide Länder zwar in einzelnen Fragen verschiedener Auffassung sein könnten, dies aber nicht das gegenseitige Vertrauen grundsätzlich in Frage stellen könne. 2.2.3. Engagement für Frieden und Sicherheit Deutschland gestaltet seine Friedens- und Sicherheitspolitik vor allem multilateral, d.h. im Rahmen von internationalen Institutionen und Strukturen wie Europäische Union, NATO, Vereinte Nationen, OSZE, G7 und G20. Sie gründet sich nicht vorrangig auf die militärische Stärke der Bundesrepublik; militärisches Engagement kommt für Deutschland erst nach dem Scheitern politischer Lösungsversuche von Konflikten in Frage und „wenn es unumgänglich ist.“ Ein wichtiger Bestandteil deutscher Friedenspolitik ist der Einsatz für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Waffen und Rüstungsgütern. Neben der konventionellen Rüstungskontrolle ist eine Welt ohne Nuklearwaffen langfristiges Ziel deutscher Außenpolitik. Nach deutscher Auffassung gehören zur Friedens- und Sicherheitspolitik ebenso Beiträge zu Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und humanitärer Hilfe. Deutschland ist heute einer der größten Geber humanitärer Hilfe weltweit und leistet darum nach eigener Auffassung auch viel für die globale Friedenspolitik. 2.2.4. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte „Deutsche Außenpolitik setzt sich weltweit für die Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten ein. Deutschland engagiert sich für diese Prinzipien nicht nur aus Überzeugung oder weil es sich dabei um universelle Werte handelt. Die Förderung dieser Prinzipien liegt auch im außenpolitischen Interesse Deutschlands. Frieden, Sicherheit, Stabilität und nachhaltige Entwicklung kann es langfristig nur dort geben, wo demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze gelten und Menschenrechte respektiert werden.“ 2.2.5. Globalisierung und internationale Ordnung In diesem Abschnitt wird das AA vergleichsweise explizit, was Deutschlands Interessen betrifft: Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 9 „Deutsche Außenpolitik setzt sich dafür ein, die Globalisierung gerecht und nachhaltig zu gestalten. Globale Gerechtigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für internationalen Frieden und Sicherheit. Daher nimmt deutsche Außenpolitik auch Themen wie Flucht und Migration, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, Energie- und Rohstoffsicherheit, Klimaschutz, Umwelt- und Wasserfragen, Digitalisierung, Internetfreiheit und Cyber-Sicherheit sowie Urbanisierung in den Blick. (…) Da es wie kaum ein zweites Land mit der Welt vernetzt ist, liegt eine belastbare, regelbasierte internationale Ordnung im ureigenen außenpolitischen Interesse Deutschlands. Deutsche Außenpolitik setzt dabei auf die Stärkung bewährter und unverzichtbarer Institutionen und Strukturen wie EU, NATO, Vereinte Nationen, OSZE sowie G7 (…) das wichtigste Prinzip für internationale Ordnung ist und bleibt für Deutschland der Multilateralismus.“ 2.2.6. Auswärtige Kultur-und Bildungspolitik (AKBP) Die AKBP wird vom AA als eine der beiden den Grundpfeiler deutscher Außenpolitik (der von den oben dargelegten Grundprinzipien gebildet wird) flankierenden Säulen charakterisiert. Akademischer Austausch, das Auslandsschulwesen sowie die Förderung von Deutsch als Fremdsprache gehören zur AKPB, die durch Förderung des interkulturellen Dialogs ein Fundament für die internationalen Beziehungen und Vertrauen in Deutschland schafft. Die AKPB fördert damit die sogenannte Soft Power Deutschlands, d.h. seine intellektuelle, kulturelle, und wissenschaftliche Strahlkraft, die seine Einflussmöglichkeiten durch Hebung von Deutschlands Ansehen in der Welt erweitert. 2.2.7. Außenwirtschaftspolitik Knapp charakterisiert das AA die zweite „Säule neben dem Grundpfeiler“: „Als Exportweltmeister hat Deutschland ein besonderes Interesse an einer effektiven Außenwirtschaftspolitik, die Unternehmen dabei hilft, Auslandsmärkte zu erschließen und die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu verbessern.“ 2.3. Offizielle Darstellung deutscher Interessen: Bundesministerium der Verteidigung15 In der jüngsten Ausgabe des „Weissbuch zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr“ aus dem Jahre 2016 werden die sicherheits- und außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik zwar klar als solche16 benannt, eine Abgrenzung zu den „Grundprinzipien“ laut AA wird allerdings nicht vorgenommen. Tatsächlich überschneiden sich vier der genannten 15 Alle Informationen dieses Abschnittes: Bundesministerium der Verteidigung, Weissbuch zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr, 2016, https://www.bmvg.de/resource/blob/13708/015be272f8c0098f1537a491676bfc31/weissbuch2016-barrierefreidata .pdf (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 16 Allerdings bezeichnet das Weissbuch diese Interessen als Ziele, was gemäß Darlegung von Abschnitt 2.1 nicht ganz stimmig ist. Offensichtlich unterscheiden sich Politik und Wissenschaft nicht nur in der jeweiligen Debatte über Ziele und Interessen, sondern schon in der Benutzung der Begrifflichkeiten. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 10 Grundprinzipien mit den sechs Interessen, die das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) nennt. Diese Interessen werden im Weissbuch nur knapp und ohne weitere Ausführungen aufgelistet (Hervorhebungen kennzeichnen die Unterschiede zur Darstellung des AA): - Schutz der Bürger sowie der Souveränität und territorialen Integrität - Schutz der territorialen Integrität, der Souveränität sowie der Bürger der Verbündeten - Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung - Wohlstand durch Prosperität der Wirtschaft und freien, ungehinderten Welthandel - Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und knappen Gütern in der Welt - Vertiefung der europäischen Integration - Festigung der transatlantischen Partnerschaft. Wie ersichtlich, widerspricht die Darstellung des BMVg der des AA nicht, sondern ergänzt sie. 2.4. Zusammenfassung: sechs identifizierbare Interessen der Bundesrepublik Fasst man die vom AA benannten Grundwerte und die vom Weissbuch bezeichneten Interessen zusammen und zieht die rein sicherheitspolitischen ab, so ergibt sich eine Auflistung von sechs Interessen der Bundesrepublik. Diese werden auch in der wissenschaftlichen Literatur so oder ganz ähnlich genannt.17 Der Übersichtlichkeit halber seien diese sechs Interessen noch einmal zusammen aufgelistet: 1) Europäische Integration und Europäische Union 2) Transatlantische Partnerschaft 3) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht 4) Internationale, regelbasierte Ordnung für alle globalen und zwischenstaatlichen Belange 5) Sicherung des deutschen Wohlstandes und daraus resultierend Förderung, Sicherung und multilaterale Reglementierung des Welthandels 6) Nachhaltige Nutzung und Schutz von knappen Ressourcen, wozu auch Güter wie intakte Umwelt, Klima usw. zählen. Als siebtes Interesse könnte man, den Wert der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik betrachtend, noch die Stärkung und Sicherung von Deutschlands Soft Power hinzunehmen. Es ließe sich aber argumentieren, dass sich dies – neben der erwähnten AKBP sowie des guten Rufes 17 Beispielsweise bei Maull (siehe Anm. 1), der 2006 dieselben sechs Interessen identifizierte. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 11 deutscher Produkte, deutscher Kultur etc. – gerade durch eine konsequente, verlässliche und partnerschaftliche Durchsetzung der obigen Interessen und deren Wirkung in der Öffentlichkeit bewerkstelligen ließe. Soft Power, d.h. politische und kulturelle Strahlkraft, entfaltet sich für den äußeren Betrachter Deutschlands durch die Vorbildhaftigkeit dessen Handelns, lässt sich also nicht von dem außenpolitischen Handeln Deutschlands und damit vom Streben nach der Verwirklichung der oben genannten Interessen trennen.18 Die Operationalisierung und Verwirklichung der sechs Interessen ist Sache der deutschen Politik. Eines der Foren, in denen Deutschland sich derzeit um Einfluss bemüht, ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Darstellung der Bewerbung der Bundesrepublik um einen nichtständigen Sitz in diesem Gremium folgt im nächsten Abschnitt. 3. Bewerbung um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) hat fünf ständige (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China) sowie zehn nichtständige Mitglieder.19 Jedes Jahr werden fünf nichtständige Mitglieder für die Dauer von zwei Jahren durch die Generalversammlung neu gewählt.20 Dabei werden die zu vergebenden Sitze proportional auf die fünf VN-Regionalgruppen verteilt.21 Der afrikanische Block hat Anspruch auf drei Sitze. Jeweils zwei Sitze erhalten Asien, die Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen Staaten und die Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten.22 Osteuropa hat Anspruch auf einen Platz. Wie alle acht Jahre bewirbt sich Deutschland auch 2018 wieder um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der VN. Die Bundesrepublik Deutschland war in der Vergangenheit bereits fünf Mal nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates.23 18 Siehe dazu auch Huberta v. Voss-Wittig, Soft Power, Aktueller Begriff der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, 3. November 2006, https://www.bundestag.de/blob/189706/8c40cb75069889f8829a5a0db838da1f/soft_power-data.pdf (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 19 United Nations Security Council, Current Members, 2018, http://www.un.org/en/sc/members/ (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 20 United Nations Security Council (Anm.15). 21 United Nations – Dag Hammarskjöld Library, How are the non-permanent members of the Security Council selected?, 2018, http://ask.un.org/faq/14382 (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 22 Die anderen Staaten sind die Türkei, Israel, Kanada, Australien und Neuseeland. Die Türkei partizipiert darüber hinaus in der Regionalgruppe Asien, hat aber nur in der Regionalgruppe „Western and Other Group“ (WEOG) Wahlrechte. Siehe United Nations Department für General Assembly and Conference Management, United Nations Regional Groups of Member States, 2018, http://www.un.org/depts/DGACM/RegionalGroups.shtml (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). 23 In den Jahren 1977-1978, 1987-1988, 1995-1996 sowie 2011-2012. Die DDR war in den Jahren 1980 und 1981 nichtständiges Mitglied. Siehe United Nations Security Council, Countries Elected Members of the Security Council, 2018, http://www.un.org/en/sc/members/elected.asp (zuletzt abgerufen am 13. April 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 12 In der offiziellen Broschüre zu ihrer Bewerbung führt die Bundesregierung aus: „Als größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Land in Europa verfügt die Bundesrepublik sowohl über die materiellen Fähigkeiten als auch über den politischen Willen, um international Verantwortung zu übernehmen.“24 Begründet wird die Bewerbung zum einen mit der internationalen Bedeutung Deutschlands als einer der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt sowie seiner zentralen politischen Bedeutung für die Europäische Union. Die Erfolge der zurückliegenden Mitgliedschaften werden herausgestrichen, etwa der Vorsitz Deutschlands in der Sicherheitsrats-Arbeitsgruppe „Kinder und bewaffnete Konflikte“ sowie des Taliban/Al-Qaida-Sanktionsausschusses. Ferner werden die Beiträge der Bundesrepublik für die VN, die von ihr geleistete Entwicklungszusammenarbeit sowie das Engagement für internationale Abkommen (z.B. im Klimaschutz) herausgestrichen. 3.1. Leitbegriffe der Bundesregierung für ihre VN-Politik Zu den Zielen der deutschen Mitgliedschaft sagt die Bundesregierung: „Deutschland ist fähig und bereit, Verantwortung zu übernehmen und einen eigenen Beitrag für Frieden und Sicherheit zu leisten. Im Herzstück der internationalen Friedensordnung, dem Sicherheitsrat in New York, möchten wir 2019-20 unsere Leitbegriffe für eine vorwärtsgewandte VN-Politik – Frieden, Gerechtigkeit, Innovation, Partnerschaft – konkret mit Leben füllen.“ In den darauffolgenden Abschnitten werden diese Leitbegriffe jeweils mit der Nennung bestimmter Vorhaben etwas konkreter ausgeführt. 3.1.1. Frieden Deutschland verfolgt laut Bundesregierung einen „umfassenden Friedensansatz, der zivilen Maßnahmen den gleichen Stellenwert bei der Bewältigung von Konflikten einräumt [wie militärischen Maßnahmen].“ Ferner wird die besondere Rolle von Frauen in Konflikten bzw. deren Beilegung herausgestellt. Zentrales Anliegen Deutschlands sei die Rüstungskontrolle: „Mit Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung können wir zu Sicherheit und Vertrauen beitragen. Wir treten nachdrücklich für die Stärkung und Ausweitung bestehender Rüstungskontrollregime ein.“ 3.1.2. Gerechtigkeit Die Bundesregierung führt aus: „Menschenrechte sind das Fundament unseres globalen Miteinanders. Sie sind universell und unteilbar. Wenn die Würde von Menschen verletzt wird, wenn die Rechte des Einzelnen systematisch bedroht und missachtet werden, müssen wir handeln.“ Es wird dargelegt, daß Deutschlands Menschenrechtsbilanz hervorragend sei und es sich daher glaubwürdig für die Menschenrechte einsetzen könne und werde. Desweiteren engagiere Deutschland sich bereits im Menschenrechtsrat und in der Generalversammlung „…für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wie die Rechte auf Wasser und Sanitärversorgung 24 Alle Informationen dieses Kapitels, sofern nicht durch Fußnote anders vermerkt: Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen, Deutschland, eine Stimme für Frieden, Gerechtigkeit, Innovation und Partnerschaft in den Vereinten Nationen, 2018, https://www.auswaertigesamt .de/blueprint/servlet/blob/216860/9c6f37d447fb4345413fb592a4c25ff5/un-kandidatursr-data.pdf (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 13 und angemessenes Wohnen.“ Deutschland sei „…überzeugt, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Schutz der Menschenrechte und der Wahrung von Frieden und Sicherheit besteht.“ Deswegen setze Deutschland sich für eine verstärkte Zusammenarbeit von Sicherheitsrat und Menschenrechtsrat ein. 3.1.3. Innovation In diesem Abschnitt wird die Bundesregierung besonders konkret, was den Sicherheitsrat als solchen angeht: „Die Legitimität und Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrates werden durch seine überkommene Struktur zunehmend in Frage gestellt. Seine Zusammensetzung und Arbeitsweise müssen an die globalen Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Gemeinsam mit Partnern macht sich Deutschland für eine strukturelle Reform des Sicherheitsrats stark, um das wichtigste Gremium der internationalen Friedensordnung repräsentativer und effizienter zu machen.“25 Weiterhin bekräftigt die Bundesregierung ihr Festhalten an den Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SGDs) und dem Klimavertrag von Paris. Deutschland sei dazu bereit, seine Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten des Klima- und Umweltschutzes mit seinen Partnern zu teilen. 3.1.4. Partnerschaft Laut Broschüre sind gutnachbarschaftliche Beziehungen „die Richtschnur unseres außenpolitischen Handelns.“ Die Bundesregierung verstehe Entwicklungspolitik als Investition in die Zukunft; Entwicklungspolitik heiße vor allem, Strukturen zu schaffen, Wissen und Ideen zu teilen sowie Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Daher werde Deutschland seinen Entwicklungshilfe-Etat „in den nächsten Jahren“ substanziell steigern. Deutschland übernehme „Verantwortung für einen gerechten und menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen;“ die Lösung für die gegenwärtigen Probleme, die durch starke Migrationsbewegungen entstehen, sei die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. Ferner sei der Klimawandel eine weitere Herausforderung, auf die nur alle Staaten gemeinsam eine Antwort finden könnten. Die Bundesregierung betrachte den Klimawandel als außen- und sicherheitspolitisches Problem und werde sich daher dafür einsetzen, den Klimawandel zum ständigen Thema des VN-Sicherheitsrates zu machen. 3.2. Chancen und Einflussmöglichkeiten Deutschlands im Sicherheitsrat Über die Möglichkeiten, die sich der Bundesrepublik im Sicherheitsrat böten, haben sich jüngst Marianne Beisheim, Christian Schaller und Judith Vorrath von der Stiftung Wissenschaft und 25 Zwar wird die Broschüre hier am konkretesten, doch ist eine Realisierung der Reformen, die Deutschland anstrebt, angesichts der bisherigen Haltung der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder äußerst unwahrscheinlich. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 14 Politik in einem Beitrag vom Oktober 2018 geäußert (siehe Fußnote als weiterführenden Literaturhinweis).26 Die Autoren arbeiten vier Empfehlungen an die mögliche deutsche Delegation heraus. Dabei legen sie zugrunde, dass eine Mitgliedschaft 2019 – 2020 unter anderen Vorzeichen stünde als die letzte. Durch den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) wird die Rolle Frankreichs als „Sprachrohr der EU“ im Sicherheitsrat an Bedeutung zunehmen. Desgleichen wäre aber bei einer erfolgreichen Bewerbung Deutschlands auch die Rolle der Bundesrepublik als nichtständiges Mitglied bedeutender als noch im letzten Zeitraum, in der sie dem Gremium angehörte (2011 - 2012). Dies gilt zumal, als Deutschland und Frankreich als „Herzkammer“ oder „Motor“ der EU gelten, Großbritannien hingegen gerade in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eher interner Störfaktor als deren Vertreter im Sicherheitsrat war. 1) Der laufende Betrieb des Sicherheitsrates bietet den nichtständigen Mitgliedern nur wenige Chancen zur Profilierung. Sie nutzen daher die Monate ihrer Präsidentschaft27, um bestimmte Themen in den Fokus zu rücken. In der Vergangenheit hat Deutschland dies z.B. mit dem Sicherheitsaspekt des Klimawandels getan. Sollte die jetzige Bewerbung erfolgreich sein, könnte Deutschland versuchen, Klima-, Umwelt-, Migrations- und Menschenrechtsaspekten globaler Sicherheitspolitik Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dabei könnte Deutschland an Initiativen anderer nichtständiger Mitglieder anknüpfen und sich z.B. beim Thema Klimaschutz im Sicherheitsrat mit China und Frankreich abstimmen. 2) Deutschland sollte seine bestehenden Einflussmöglichkeiten auf bestimmten Themenfeldern durch die Mitgliedschaft stärken, anstatt diese dazu nutzen, ganz neue Themen anzureißen und zu versuchen, die ganze Bandbreite der Tätigkeiten des Sicherheitsrates abzudecken. Ein Beispiel wäre die Vermittlerrolle, die Deutschland beim Atomstreit mit dem Iran einnahm – im Sicherheitsrat könnte die Bundesrepublik eine ähnliche, vermittelnde und moderierende, Position mit dem Ziel der Konfliktbeilegung und Friedenssicherung einnehmen. 3) Bei seiner Arbeit im Sicherheitsrat sollte Deutschland die Agenda 2030, d.h. sowohl die Umsetzung der SDGs als auch die dafür notwendigen, vom Generalsekretär 26 Alle Informationen dieses Abschnittes: Marianne Beisheim, Christian Schaller und Judith Vorrath, Deutschlands UN-Engagement stärker strategisch gestalten, in: Kooperation in einer führungslosen Welt, SWP, Oktober 2017 (nicht öffentlich als Download verfügbar). 27 Der Vorsitz wechselt jeden Monat nach alphabetischer Reihenfolge (gemäß der englischen Bezeichnung der Mitgliedsstaaten). Siehe United Nations Security Council, Security Council Presidency in 2018, 2018, http://www.un.org/en/sc/presidency/ (zuletzt abgerufen am 17. April 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 - 042/18 Seite 15 vorgeschlagenen und von Deutschland unterstützten VN-Strukturreformen,28 in den Fokus rücken. 4) Die Arbeit im Sicherheitsrat muss nicht zuletzt durch eine deutlich stärkere Vernetzung der Arbeit von Bundesregierung und Bundestag mit der Ständigen Vertretung in New York sowie durch eine bessere Abstimmung der Ressorts hierzulande unterstützt werden, damit die Anstrengungen Deutschlands im Sicherheitsrat nicht durch eine faktisch zuwiderlaufende Politik in Deutschland selbst konterkariert werden. *** 28 Auswärtiges Amt, Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, 2018, https://www.auswaertigesamt .de/de/aussenpolitik/internationale-organisationen/uno/05-reform-sicherheitsrat/205630 (zuletzt abgerufen am 13. April 2018). Siehe auch United Nations General Assembly, Restructuring of the United Nations peace and security pillar, Dok.-Nr. A/72/525, 13. Oktober 2017, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/72/525 (zuletzt abgerufen am 17. April 2018).