WD 2 – 3000 - 042/16 (4. März 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die vorliegende Kurzinformation befasst sich mit der Frage, inwieweit Vorgaben seitens des Europarates bestehen, die eine Anpassung der Ausbildungs- und Vergütungsbedingungen für deutsche Gerichtsvollzieher erforderlich machen. Entscheidungsorgan des Europarates ist das Ministerkomitee. Dieses setzt sich aus den Außenministern der Mitgliedstaaten des Europarates (bzw. deren Stellvertretern) zusammen, tagt mindestens zweimal jährlich und kann alle die Mitgliedstaaten interessierenden politischen Fragen – mit Ausnahme von Verteidigungsfragen – beraten. Unterstützt wird das Ministerkomitee von den Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten, die zur Sicherung der Arbeitskontinuität regelmäßig zusammentreffen. Jeweils für ein halbes Jahr hat ein Mitgliedstaat den Vorsitz im Ministerkomitee inne. Zur Beschlussfassung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, bei wichtigen Fragen Einstimmigkeit. Beschlüsse werden für die Mitgliedstaaten aber erst rechtswirksam, wenn sie gemäß den innerstaatlichen Verfahren ratifiziert worden sind. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. Die Beschlüsse des Ministerkomitees werden von Berichterstattern und Arbeitsgruppen vorbereitet, denen keine eigene Entscheidungsgewalt zukommt. Mit Beschluss vom 18. September 2002 – Res(2002)12 – richtete das Ministerkomitee die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) ein. Am 9. September 2003 beschloss das Ministerkomitee ferner eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung betreffend die Vollstreckung zivilrechtlicher Entscheidungen – Res(2003)17. Die CEPEJ schuf eine Arbeitsgruppe zur Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (CEPEJ-GT-EXE), die Leitlinien für eine bessere Umsetzung der betreffenden Empfehlung des Ministerkomitees erarbeitete. Am 9./10. Dezember 2009 nahm die CEPEJ diese Leitlinien an. Sowohl nach der genannten Empfehlung des Ministerkomitees als auch nach den zugehörigen Leitlinien sollten Gerichtsvollzieher für die Ausübung ihrer Tätigkeit qualifiziert sein und besondere Prüfungen durchlaufen müssen, die der Einschätzung ihrer theoretischen und praktischen Kenntnisse dienen. Des Weiteren sollten sie sich auch nach Abschluss der Ausbildung kontinuierlich fortbilden müssen, wobei Aus- und Fortbildung klar definierten und strukturierten Zielen folgen sollten. Schließlich sollte der Staat den Gerichtsvollziehern angemessene Arbeitsbedingungen bieten, ihnen ausreichende materielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen und ihre Tätigkeit angemessen vergüten. Die Leitlinien enthalten zum Teil nähere Ausführungen zu diesen Grundsätzen. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Vorgaben des Europarates zur Ausbildung und Vergütung deutscher Gerichtsvollzieher Vorgaben des Europarates zur Ausbildung und Vergütung deutscher Gerichtsvollzieher Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Der Beschluss des Ministerkomitees vom 9. September 2003 Res(2003)17 ist für die Mitgliedstaaten schon deshalb völkerrechtlich nicht bindend, weil er bloße „Empfehlungen“ ausspricht. Erst recht gilt dies für die Leitlinien der CEPEJ, die lediglich Vorbereitungsarbeiten für einen – bislang nicht gefassten – weiteren Beschluss des Ministerkomitees im Bereich der zivilrechtlichen Vollstreckung darstellen. Gleichwohl haben die Empfehlungen einiges Gewicht, da sie die Auffassung eines völkervertragsrechtlich geschaffenen Organs wiedergeben. Zudem sprechen außenpolitische Erwägungen dafür, sie zumindest in gewissem Maß zu berücksichtigen, da dies das Ansehen des – von Deutschland mitgetragenen – Europarates und die Glaubwürdigkeit Deutschlands innerhalb des Ministerkomitees stärken würde. Ungeachtet ihrer Bedeutung zeichnen sich die Empfehlungen des Ministerkomitees, aber auch die Leitlinien des CEPEJ durch die Verwendung etlicher offener Rechtsbegriffe (qualifiziert, angemessen , ausreichend usw.) aus, die Raum für unterschiedliche Auslegungen durch die Mitgliedstaaten bieten. Eine kürzlich im Auftrag der CEPEJ erstellte Studie zur Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Europa (https://www.coe.int/t/dghl/cooperation/cepej/series/Etudes8Execution_en.pdf) bietet unter anderem Anhaltspunkte dafür, welche Bedingungen in den Mitgliedstaaten des Europarates für Gerichtsvollzieher gelten. Im Hinblick auf Deutschland ist insoweit zu berücksichtigen , dass die betreffenden Regelungen in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen und sich in Folge dessen erheblich voneinander unterscheiden. Im Land Berlin gilt beispielsweise Folgendes : Wer Gerichtsvollzieher werden möchte, muss die allgemeinen beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, bereits mindestens drei Jahre dauerhaft im Land Berlin als Justizfachangestellter beschäftigt gewesen sein (die Ausbildungszeit wird dabei nicht angerechnet) und mindestens mit der Note B beurteilt worden sein. Die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher dauert weitere 1,5 Jahre und gliedert sich in drei Abschnitte von vier Monaten (zwei Wochen Lehrgang, die restliche Zeit in der Praxis), zehn Monaten (Unterricht an verschiedenen Gerichten) und erneut vier Monaten (zunächst in der Praxis, die letzten beiden Wochen Lehrgang). Die Vergütung eines ausgebildeten Gerichtsvollziehers richtet sich nach der Landesbesoldungsgruppe A8 nebst Zulagen. Hinzu kommt ein Auslagenersatz. Setzt man die Empfehlung einer „angemessenen Vergütung“ durch den Europarat mit der Vorgabe des Grundgesetzes nach einer „amtsangemessenen Besoldung “ gleich, mag fraglich erscheinen, ob eine solche in Deutschland gewährleistet ist. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 – 2 BvL 17/09 u.a. – ist jedenfalls die Besoldung anderer deutscher Justizbediensteter, nämlich der Richter, nicht mehr durchgängig „amtsangemessen“. Allerdings sind nach dem genannten Urteil stets die Umstände des Einzelfalles (konkrete Besoldungshöhe, Beihilfeleistungen, aktuelle Lebenshaltungskosten, familiäre Situation des Beamten u.s.w.) entscheidend. Eine allgemeine Aussage lässt sich insoweit nicht treffen . Ende der Bearbeitung