Einzelfragen zur Budgethilfe in der Entwicklungspolitik - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 2 - 040/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Ausarbeitung WD 2 - 040/07 Abschluss der Arbeit: 12. März 2007 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Das Instrument der Budgethilfe Bei der Budgethilfe handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, dessen Anwendung auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit nicht von einem bestimmten Zeitpunkt an oder aufgrund eines bestimmten Vertrages erfolgte. Vielmehr steht der zunehmende Einsatz dieses Instruments im Zusammenhang mit der so genannten Agenda 211, deren Ziele für die Entwicklungszusammenarbeit in der Pariser Erklärung2, der Formulierung der Millenniumsentwicklungsziele3, dem „Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik4“ (Anlage 1[Zusammenfassung]) usw. konkretisiert sind. Diese Erklärungen erheben die Forderung, die Entwicklungszusammenarbeit an den übergeordneten Zielen der Armutsbekämpfung und der Nachhaltigkeit auszurichten. Dabei wird die Budgethilfe als ein Mittel bezeichnet, das zur Erreichung der genannten Ziele eher geeignet sei als einzelne, isolierte Entwicklungsprojekte. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass die Budgethilfe zur Stärkung der Eigenverantwortung (Ownership) auf der höchsten Aggregationsebene (Regierungsebene) beitrage. 2. Deutsche Budgethilfeleistungen an einzelne Länder Derzeit wird Budgethilfe an insgesamt 16 Partnerländer geleistet (siehe die als Anlage 2 beigefügte interne Liste des Referats 220 des BMZ). 2.1. Uganda 2.1.1. Aktuelle politische Lage5 Nach der Machtübernahme Musevenis hatte sich die politische und wirtschaftliche Lage Ugandas zunächst deutlich verbessert. Einige Jahre lang galt Uganda internationalen Bewertungen zufolge als ein Musterland, das zu einem bevorzugten Adressaten vielfäl- 1 Deutsche Übersetzung der Agenda 21 [http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/agenda21.pdf] 2 Pariser Erklärung [http://www.oscepa.org/admin/getbinary.asp?FileID=112] 3 Vgl.: [http://www.dgvn.de/pdf/Publikationen/BI-Millenniumsziele-V3.pdf] 4 Europäischer Konsens - Zusammenfassung [http://ec.europa.eu/development/body/development_policy_statement/docs/edp_summary_de.pdf] Vollständiger Text des Konsens aus Amtsblatt der Europäischen Union C46/1 vom 24. Februar 2006 [http://ec.europa.eu/development/body/development_policy_statement/docs/edp_statement_oj_24_0 2_2006_de.pdf] 5 Vgl.: [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Uganda/Innenpolitik.html] - 4 - tiger Entwicklungsbemühungen der Gebergemeinschaft wurde. In den letzten Jahren hat sich die Lage in Uganda aber wieder verschlechtert. Abgesehen von der weiterhin verbreiteten Armut kommt dies vor allem in kriegerischen Auseinandersetzungen der ugandischen Regierung mit der Rebellenbewegung im Norden des Landes („Lord’s Resistance Army") und steigendem Flüchtlingselend mit etwa 1,4 Mio. Betroffenen zum Ausdruck. Kritik zieht Uganda aber auch wegen stark verbreiteter Korruption sowie unbefriedigender Regierungsführung auf sich. Auf diese Situation haben einige Geberländer mit einer Kürzung ihrer Budgethilfe reagiert. Derzeit steht Uganda immer noch in vieler Hinsicht besser da als die meisten seiner Nachbarländer. Sicht der internationalen Unterstützung ist es, demokratisches Bewusstsein in der Bevölkerung und im Umgang der politischen Kräfte miteinander zu verankern , in befriedeten Teilen des Nordens die Menschen bei der Rückkehr in ihre Dörfer zu unterstützen sowie die Infrastruktur und vor allem die Energieversorgung nachhaltig zu verbessern. 2.1.2. Entwicklungs- und humanitäre Zusammenarbeit6 Seit der Wiederaufnahme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Uganda im Jahre 1986 wurden bilateral über 500 Mio. EUR zugesagt. Die im Mai 2004 vereinbarte Dreijahreszusage für den Zeitraum 2004-2007 beläuft sich auf 45,2 Mio. EUR einschl. 12 Mio. EUR Budgethilfe. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Uganda in den Schwerpunktsektoren Wasserver- und Abwässerentsorgung, Förderung der beruflichen Bildung und Finanzsystementwicklung. Hinzu kommen Maßnahmen in den Bereichen erneuerbare Energien/Energieeffizienz, Förderung der Rechtsstaatlichkeit und Krisenprävention. Neben der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW, finanzielle Zusammenarbeit) sind der Deutsche Entwicklungsdienst (DED), der zivile Friedensdienst (ZFD), das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM), politische Stiftungen (Friedrich Ebert-, Konrad Adenauerund Hans-Seidel-Stiftung), InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung) und der Senior Experten Service (SES) in Uganda aktiv. Nichtregierungsorganisationen und Kirchen leisten, oft mit Mitteln der Bundesregierung, wertvolle Beiträge zur Entwicklung des Landes. Hierzu gehört auch die Rückführung von Binnenflüchtlingen im Norden des Landes in ihre angestammten Dörfer. 6 Vgl.: [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Uganda/Bilateral.html] - 5 - 2.1.3. Budgethilfe7 Die zwischen Entwicklungspartnern und ugandischer Regierung vereinbarten „Partnership Principles" (2003) sehen Budgethilfe als grundsätzlich zu bevorzugende Form der Entwicklungshilfe vor. Aufgrund der Nichterfüllung von zwei als „Prior Actions" bezeichneten Auszahlungsvoraussetzungen (Höhe der öffentlichen Ausgaben, Korruptionsbekämpfung ) hat die Weltbank ihre an Uganda geleistete Budgethilfe 2005 um 10 Prozent - das entspricht 15 Mio. US$ - gekürzt. Einige bilaterale Geber (Großbritannien, Norwegen, Irland, Niederlande) hatten schon vorher Budgethilfekürzungen beschlossen. In den meisten Fällen handelt es sich jedoch nicht um Kürzungen im engen Sinn des Wortes, sondern um Umwidmungen zugunsten humanitärer Hilfsprojekte in Norduganda . Die Mittel blieben dem Land demnach zumeist erhalten. Andere Geberländer – darunter auch Deutschland – folgten dem Beschluss der Weltbank. Insgesamt blieb die tatsächlich von der internationalen Gebergemeinschaft geleistete Budgethilfe gut 50 Mio. Euro hinter dem ursprünglich in Aussicht gestellten Leistungsbetrag zurück. Dass diese Maßnahmen keine spürbar negativen Auswirkungen auf die makroökonomische Stabilität Ugandas hatten, liegt an drei Gegebenheiten: - Die Negativwirkungen werden (z. T.) durch „The Multilateral Debt Relief Initiative" aufgefangen; - Die Bank of Uganda verfügt über mehr als ausreichende Reserven (laut IWF inzwischen über 1,3 Mrd. US$); - Das Finanzministerium rechnet bei der Budgetplanung mit einem „Budget Support Discount Factor", d. h. es geht von vornherein davon aus, dass nur ein Teil der in Aussicht gestellten Budgethilfe realisiert wird (Anlage 3). 2.2. Ruanda8 Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands mit Ruanda basiert auf dem Rahmenabkommen zur Entsendung von Entwicklungshelfern (DED) vom 12. Februar 1971, dem Abkommen im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) vom 10. November 1977 und dem Abkommen im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit (TZ) vom 22. November 1979. Weitere bilaterale Wirtschafts- und Handelsabkommen existieren nicht. Deutschland hat seit Beginn der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Jahr 7 Vgl.: Bundesagentur für Außenwirtschaft / Stand 2. Juni 2006 [http://www.bfai.de/fdb-SE,MKT20060601105554,google.html] 8 Homepage des Auswärtigen Amtes / Stand 6. März 2007 [http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ruanda/Bilateral.html] - 6 - 1962 bis heute ca. 283 Mio. € für die FZ und 255 Mio. € für die TZ zur Verfügung gestellt . Nach dem Ende des Bürgerkrieges 1994 war Deutschland im April 1995 der erste Geber , der Regierungsverhandlungen mit der neuen Regierung führte. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit konzentrierte sich zunächst auf Landwirtschaft, Infrastrukturvorhaben sowie das Erziehungs- und das Gesundheitswesen. Unmittelbar nach Kriegsende begann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Nothilfe- und Rehabilitierungsmaßnahmen (Wasser- und Stromversorgung u. a.). Insgesamt wurden seit Kriegsende 145,2 Mio. € zugesagt oder umprogrammiert. Mit der Aufnahme Ruandas im Jahr 2001 in die Kategorie der Schwerpunktpartnerländer des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde der dritte Schwerpunktsektor „Wirtschaftsreformen/marktwirtschaftliche Strukturen" neben den bestehenden Sektoren „Demokratieförderung, Zivilgesellschaft und öffentliche Verwaltung" und „Basisgesundheit-HIV/AIDS-Bekämpfung" festgelegt. Ab 2007 soll Ruanda in zunächst kleinem Umfang Budgethilfe auf bilateraler Basis gewährt werden. Neben den Durchführungsorganisationen GTZ und DED/Ziviler Friedensdienst sowie Experten des Centrums für Migration und Entwicklung (CIM) sind heute die Deutsche Welthungerhilfe und das Deutsche Rote Kreuz ständig vor Ort vertreten (Anlage 4). In der unter Punkt 1.2 genannten Liste ist Ruanda nicht verzeichnet. Allerdings ist auf der Homepage der Ruandischen Botschaft ein mit dem 28. Januar 2006 datierter Artikel folgenden Inhalts eingestellt (Anlage 5): „Ende November 2005 haben in Kigali/Ruanda Regierungsverhandlungen zwischen Deutschland und Ruanda stattgefunden. Die Verhandlungen wurden von Vertretern des ruandischen Außenministeriums und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geführt .... Für Maßnahmen mit diesen drei Schwerpunkten sagt Deutschland 13 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre zu, damit bleiben die Ausgaben für das zentralafrikanische Land auf dem Niveau der letzten zwei Jahre. Voraussichtlich wird erstmals ein Teil des Geldes als Budgethilfe gezahlt werden, es geht also nicht an bestimmte Projekte, sondern direkt an das ruandische Finanzministerium. Zur Verwendung der Budgethilfe hat die ruandische Regierung einen genauen Plan vorgelegt ...“ - 7 - 3. Norwegen Das Finanzierungsinstrument der Budgethilfe ist in seiner Wirkung im Hinblick auf die angestrebten und in den jeweiligen Armutsreduzierungsstrategiepapieren (PRSP) definierten Ziele von der öffentlichen Haushaltsführung und Haushaltsdisziplin der Partnerländer abhängig. Viele der stark geberabhängigen Staaten z. B. in Subsahara-Afrika weisen starke Defizite in der öffentlichen Haushaltsführung auf. Dies hat teilweise zur Aussetzung der Budgethilfe geführt; so z. B. im Jahre 2001 in Malawi, das u. a. von Norwegen Budgethilfe erhält.9 Die staatlichen Entwicklungspolitiken von Norwegen und der Bundesrepublik Deutschland gestalten sich im Bezug auf das Instrument der Budgethilfe ähnlich, Unterschiede gibt es nur bei der konkreten Ausgestaltung. Ausgehend von dem in der Entwicklungsforschung und -politik in der jüngeren Vergangenheit verstärkt propagierten Prinzip der Ownership, setzen sich auch die Regierungen der beiden oben genannten Länder zunehmend für die Verankerung der Budgethilfe in der Entwicklungszusammenarbeit ein. Darüber hinaus sind die Unterstützung der in den PRSP festgelegten Politiken sowie das Prinzip der Armutsminderung von zentraler Bedeutung. Zudem leisten beide Länder bilaterale und multilaterale Budgethilfe sowie Budgethilfe im Rahmen der Co- Finanzierung von Weltbank-Programmen. Die Organisation Strategic Partnership with Africa, in der einige Geber und Empfänger vertreten sind10, veröffentlichte im Januar 2006 einen Bericht, der auf einer Umfrage unter vielen Gebern und 16 ausgewählten afrikanischen Partnerländern11 beruht. Dem Bericht zufolge schüttete Norwegen im Zeitraum 2004/05 mit 93,26 Mio. US$ deutlich mehr Budgethilfeleistungen an die oben genannten Partnerländer aus als die Bundesrepublik , die im gleichen Zeitraum nur 23,25 Mio. US$ bereitstellte. Auch der Anteil der Budgethilfe an der gesamten ODA ist in Norwegen weit höher als in Deutschland. Im Falle Norwegens beträgt der Anteil 31,9 %, Deutschland hingegen stellte nur 3,4 % im Rahmen von Budgethilfe bereit12 (Auszug als Anlage 6 beigefügt). Außerdem hat der 9 Vgl.: Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe - 14. Bericht; S. 67 [www.tdh.de/content/materialien/neu/shadow2006.htm] 10 IMF, AfDB, World Bank, EC, Belgium, Canada, Denmark, Finland, France, Germany, Ireland, Italy, Japan, Netherlands, Norway, Portugal, Spain, Sweden, Switzerland, UK 11 Benin, Burkina Faso, Cape Verde, Ethiopia, Ghana, Madagascar, Malawi, Mali, Mozambique, Ni ger, Rwanda, Senegal, Sierra Leone, Tanzania, Uganda, Zambia 12 Vgl.: Strategic Partnership with Africa – Survey of Budget Support, 2005. A Report for the SPA Budget Support Working Group. 2006, Table 2.5, S. 43 - 8 - relative Anteil der Budgethilfe an der gesamten geleisteten Entwicklungszusammenarbeit in Norwegen zwischen 2004 und 2005 deutlich zugenommen, während er in Deutschland im gleichen Zeitraum deutlich abgenommen hat. In Deutschland vollzieht sich somit ein ähnlicher Trend wie in Irland, Dänemark und den Niederlanden.13 Im Hinblick auf mehrjährige Zusagen stimmen Deutschland und Norwegen dagegen weitgehend überein. In Deutschland sind 60 Prozent der Zusagen im Bereich der Budgethilfe längerfristig angelegt, in Norwegen sind es mit 50 Prozent unwesentlich weniger. Auch bei der durchschnittlichen Dauer dieser längerfristigen Zusagen gibt es keine wesentlichen Unterschiede (Deutschland ca. 2,7 Jahre, Norwegen 3 Jahre).14 Der Bericht untersuchte außerdem, ob die finanziellen Zusagen der Geber für einen bestimmten Zeitraum vor oder nach der Einbringung des Haushaltsplanes für den entsprechenden Zeitraum im Parlament des Partnerlandes dargelegt wurden. Auch hier ist im Wesentlichen eine Übereinstimmung bei den beiden angesprochenen Ländern zu beobachten. Beide Länder formulierten ihre Zusagen jeweils etwa zur Hälfte vor und nach der entsprechenden Haushaltsdebatte im Partnerland.15 Einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Ländern gibt es wiederum im Hinblick auf die termingerechte Auszahlung von Budgethilfen. Deutschland neigte im Untersuchungszeitraum neben Frankreich und Dänemark besonders zu verspäteter Mittelausschüttung. Etwa 40 Prozent der Mittel wurden dem Partnerland demnach erst im folgenden Finanzjahr zur Verfügung gestellt. Norwegen stellte dagegen 100 Prozent der Mittel im vorgesehenen Finanzjahr zur Verfügung . Gründe für eine verspätete Auszahlung können die Nichteinhaltung vorgegebener Ziele des Empfängers oder interne prozessuale Gründe auf Geberseite sein.16 13 Vgl.: ebd. Figure 2.9, S. 43 14 Vgl.: ebd. Figure 2.11, S. 45 und Figure 2.12, S. 46 15 Vgl.: ebd. Figure 2.17, S. 50 16 Vgl.: ebd. Figure 2.26, S. 59