AUSARBEITUNG Thema: Menschenrechte und Kriegsrecht Fachbereich II Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Tel.: Verfasser/in: Abschluss der Arbeit: 3. März 2006 Reg.-Nr.: WF II - 040/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Verhältnis zwischen Kriegsrecht und völkerrechtlichem Menschenrechtsschutz 4 2. Ausrufung des Kriegsrechts 6 3. Der russisch-tschetschenische Konflikt 6 3.1. Rechtsgrundlagen des sog. ersten Tschetschenien-Krieges (1994 – 1996) 6 3.2. Der sog. zweite Tschetschenienkrieg (ab 1999) 8 3.3. Tschetschenien in der VN-Menschenrechtskommission 9 4. Das Recht von Kriegsgefangenen auf Anhörung und ein faires Gerichtsverfahren 9 5. Soldaten, Zivilisten und ungesetzliche Kombattanten 10 5.1. Kombattanten 10 5.2. Nicht-Kombattanten 11 5.3. Zivilisten 11 5.4. „Ungesetzliche Kombattanten“ 12 6. Der Begriff des ungesetzlichen Kombattanten im Recht der USA 14 7. Begriffsbestimmung „ungesetzlicher Kombattant“ und „spoiler acteur“ 17 8. Rechtmäßigkeit der Aktivitäten illegaler Kombattanten 17 9. Völkergewohnheitsrecht zum Schutz „ungesetzlicher Kombattanten“ 17 10. Der Einfluss ungesetzlicher Kombattanten auf die menschenrechtliche Situation in bewaffneten Konflikten 18 11. Einordnung des „Krieges gegen den Terror“ als Krieg mit internationalem Charakter 19 - 3 - 12. Völkerrechtliche Begründung der USA für die Inhaftierung von Verdächtigen in Guantánamo 20 13. Begründung der US-Regierung für das Fehlen von Anklagen gegen die Gefangenen in Guantanamo 21 14. Begründung für die Verweigerung des Kontakts mit unabhängigen humanitären Organisationen 26 15. Literaturangaben 27 - 4 - 1. Verhältnis zwischen Kriegsrecht und völkerrechtlichem Menschenrechtsschutz Das Völkerrecht unterscheidet das „ius ad bellum“, das Recht militärische Gewalt anzuwenden , und das „ius in bello“, nämlich die Regeln, die die Art und Weise der Kriegführung verbindlich einschränken.1 Das Recht, im zwischenstaatlichen Bereich militärische Gewalt anzuwenden, beschränkt die VN-Charta auf die vom Sicherheitsrat zu beschließenden Maßnahmen der kollektiven Sicherheit sowie auf das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung gemäß Art. 51 VN-Charta. Das „ius in bello“, das Kriegsrecht im engeren und eigentlichen Sinne, umfasst diejenigen Völkerrechtsregeln , die während eines bewaffneten Konflikts für die im Konfliktgebiet befindlichen Personen und die völkerrechtliche Beurteilung der Kriegshandlungen gelten. Es setzt jeder militärischen Gewaltanwendung - ob sie nun legal oder illegal ist - zeitliche, räumliche, personelle und inhaltliche Schranken. Das Kriegsvölkerrecht (auch: humanitäres Völkerrecht)2 dient in bewaffneten Konflikten sowohl dem Schutz der beteiligten Soldaten als auch der Zivilbevölkerung, indem es das Verhalten der am Konflikt beteiligten Staaten bestimmten Regelungen unterwirft. Die Rechtsgrundlagen dafür finden sich in einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge, insbesondere in - der Haager Landkriegsordnung von 1899/1907 (HLKO)3, - dem III. Genfer Abkommen (GA III) über die Behandlung von Kriegsgefangenen 4 und dem IV. Genfer Abkommen (GA IV) zum Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten5 von 1949 sowie in - den Zusatzprotokollen I und II von 1977 zu den Genfer Abkommen (ZP I und ZP II)6. 1 Von dem völkerrechtlichen Begriff des Kriegsrechts ist das staatsrechtlich bedeutsame Kriegsrecht zu unterscheiden, das als innerstaatliches Notstandsrecht die kriegsbedingten Änderungen des geltenden nationalen Rechts umfasst. 2 Das Kriegsvölkerrecht beschäftigt sich auch mit Fragen der Neutralität und stellt somit mehr als nur humanitäres Recht dar. 3 Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (IV. Haager Abkommen) v. 18. Oktober 1907 (RGBl. 1910, S. 107). 4 III. Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen v. 12. August 1949 (BGBl. 1954 II, S. 838). 5 IV. Genfer Abkommen zum Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten v. 12. August 1949 (BGBl. 1954 II, S. 917 und 1956 II, S. 1586). - 5 - Zu unterscheiden sind zwischenstaatliche und innerstaatliche Konflikte. Bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen souveränen Staaten wird die vorherige Ausrufung des Kriegszustandes heute nicht mehr als notwendige Voraussetzung angesehen, so dass grundsätzlich bei jedem Waffeneinsatz auf fremdem Gebiet das humanitäre Völkerrecht anzuwenden ist.7 Auch bei innerstaatlichen Konflikten, also bewaffneten Auseinandersetzungen innerhalb eines Staates (z.B. Bürgerkriegen), findet das humanitäre Völkerrecht Anwendung. Voraussetzung dafür ist ein gewisser Organisationsgrad der Parteien, der sie zu anhaltenden und koordinierten militärischen Operationen befähigt , sowie die Dauer und Intensität der Gewaltanwendung.8 Die heute herrschende Auffassung charakterisiert die Regeln und Prinzipien des humanitären Völkerrechts als spezielle Ausformungen des Menschenrechtsschutzes in internationalen bewaffneten Konflikten.9 Somit bleiben Regelungen zum Schutz der Menschenrechte grundsätzlich auch im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbar, sie werden aber durch die spezielleren Regeln des humanitären Völkerrechts, die ebenfalls dem Individualschutz dienen, verdrängt.10 Allerdings verliert ein „harter Kern“ von Menschenrechten auch in Zeiten bewaffneter Konflikte und auch unter Geltung des Kriegsrechts nicht seine Geltungskraft (sog. „menschenrechtlicher Mindeststandard“).11 Weist das humanitäre Völkerrecht Lücken auf oder bedient sich unbestimmter Rechtsbegriffe, können menschenrechtliche Standards herangezogen werden, um diese Lücken zu schließen oder um die unbestimmten Rechtsbegriffe zu konkretisieren.12 6 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte v. 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551); Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte v. 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1637). 7 Werle, S. 317 f., Rz. 817. 8 Auswärtiges Amt (Humanitäres Völkerrecht) [Im Internet: http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/vn/voelkerrecht/hum_vr_html] (Stand aller Internet-Angaben: 2.03.2006); vgl. auch Art. 1 Abs. 4 ZP I (Anwendung auf nationale Befreiungskriege ) und Art. 8 Abs. 2 f S. 2 IStGH-Statut. 9 Eine mittlerweile überkommene Auffassung hielt das humanitäre Völkerrecht und den völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz für zwei strikt voneinander zu trennende Rechtsbereiche, vgl. dazu Heintschel von Heinegg, S. 322 Rz. 643 f. 10 Heintschel von Heinegg, S. 322 Rz. 643 m.w.N.; vgl. auch VN-Generalversammlung, Res. 3319 (XXIX) v. 14. Dezember 1974. 11 Auswärtiges Amt (Humanitäres Völkerrecht) [Im Internet: http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/vn/voelkerrecht/hum_vr_html]. 12 Heintschel von Heinegg, S. 327, Rz. 654. - 6 - 2. Ausrufung des Kriegsrechts Die Ausrufung des Kriegsrechts stellt eine Erscheinung des innerstaatlichen Notstandsrechts dar. Somit ist es von den verfassungsrechtlichen Grundlagen des jeweiligen Staates abhängig, welche Notstandsbefugnisse der Exekutive zustehen und unter welchen Bedingungen das Kriegsrecht (oder der Ausnahmezustand) verhängt werden kann. Über die einzelnen nationalstaatlichen Regelungen hinaus ermöglicht bereits Art. 15 Abs. 1 der „Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK)“ den Vertragsparteien, unter Notstandsbedingungen von den in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen in gewissem Umfang abzuweichen.13 3. Der russisch-tschetschenische Konflikt Die Tschetscheno-Inguschetische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (TschI ASSR) hatte schon vor dem Untergang der UdSSR und Gründung der GUS im Dezember 1991 die Forderung nach nationaler und staatlicher Eigenständigkeit erhoben. Der am 27. Oktober 1991 gewählte Präsident Dudajew14 erklärte am 1. November 1991 einseitig die Unabhängigkeit der Republik Tschetschenien von der UdSSR.15 Völkerrechtlich wurde die Republik bislang nicht als eigener Staat anerkannt16, und auch die westlichen Staaten haben die Unabhängigkeit Tschetscheniens nicht gefordert. 3.1. Rechtsgrundlagen des ersten Tschetschenien-Krieges (1994 – 1996) Nachdem Tschetschenien den Beitritt zum Föderationsvertrag mit Russland verweigert und Dudajew 1993 das Parlament aufgelöst hatte und sich seit Herbst 1994 ein Bürgerkrieg in der Region abzeichnete, erließ der russische Präsident Jelzin am 1. Dezember 13 Ebenso Art. 4 Abs. 1 „Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ v. 19.12.1966 und Art. 30 Abs. 1 „Europäische Sozialcharta“ v. 18.10.1961. 14 Dieser hatte seinen Amtseid auf den Koran geleistet und damit den Wandel der innertschetschenischen Verhältnisse hin zum Islam unterstrichen. Der Volksdeputiertenkongress der RSFSR erklärte die Wahlen am gleichen Tag für ungesetzlich, vgl. hierzu und zum Folgenden Wagensohn, S. 22. 15 Es ist fraglich, ob der Austritt Tschetscheniens aus der UdSSR rechtswirksam war, da das Föderationsrecht der Verfassung von 1978 den Austritt nur Unionsrepubliken erlaubte, nicht aber Autonomen Republiken. Vgl. dazu Wagensohn, S. 22, 50 ff.; Bischof, S. 14. 16 Nur Estland, Litauen, Iran und Türkei haben Tschetschenien als souveränen Staat anerkannt. - 7 - 1994 unter Berufung auf die Notstandsklausel des Art. 88 der russischen Verfassung das Dekret Nr. 2137 „Über Maßnahmen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Gesetzlichkeit und der Rechtsordnung auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik“. Am 9. Dezember 1994 unterzeichnete Präsident Jelzin nach Beratungen im Sicherheitsrat das Dekret 2166 „Über Maßnahmen zur Unterbindung der Tätigkeit illegaler bewaffneter Verbände auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik und in der Zone des ossetisch-inguschischen Konflikts“. Vom gleichen Tag datiert die Verordnung Nr. 1360 der Regierung der Russischen Föderation „Über die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und der territorialen Einheit der Russischen Föderation, der Gesetzlichkeit, der Rechte und Freiheiten der Bürger und der Entwaffnung illegaler bewaffneter Verbände auf dem Territorium der Tschetschenischen Republik und in den angrenzenden nord-kaukasischen Regionen“.17 Darin war insbesondere der Einsatz der Militärgewalt in Tschetschenien vorgesehen. Daneben wurde die Schließung der dortigen Grenzen angeordnet, die Verwaltungsbehörden wurden zur Anwendung von Waffengewalt bei der Entwaffnung ungesetzlicher Verbände sowie zu weiteren Einzelmaßnahmen (Durchsuchungen, Festnahmen, Abschiebungen) ermächtigt. Am 11. Dezember 1994 begann die militärische Intervention russischer Armee-Einheiten.18 Der Streitkräfteeinsatz und andere außerordentliche Maßnahmen wurden von der Exekutive außerhalb des formell verhängten Notstandes und ohne Mitwirkung des Parlaments beschlossen und durchgeführt. Das russische Verfassungsgericht hat in dem sog. Tschetschenien-Urteil die Normativakte des Präsidenten und der Regierung überprüft, die als Rechtsgrundlage für den ersten Kampfeinsatz der Streitkräfte der Föderation ab Ende 1994 in Tschetschenien dienten. Dabei wurde festgestellt, dass Dekret Nr. 2166 in Einklang mit der russischen Verfassung stand, Dekret Nr. 1360 dagegen mit russischem Recht unvereinbar war.19 Am 22. August 1996 unterzeichneten der Tschetschenien-Beauftragte Präsident Jelzins, Alexander Lebed, und der tschetschenische Generalstabschef Maschadow ein Abkommen über das Ende aller Kampfhandlungen und den Abzug der russischen Truppen. Die 17 Veröffentlichung der Dekrete im „Bundesgesetzblatt der Russischen Föderation“ (Sobranije Zakonodatelstwa Rossijskoj Federacii, SZRF), Nr. 33, Pos. 3424, Pos. 3422 und Pos. 3454; vgl. Beknazar , S. 169. 18 Bischof, S. 11. 19 Beknaza, S. 161, der neben dem seinerzeit geltenden russischen Recht auch das Urteil vom 31. Juli 1995 (Az.: 10-P) in einer deutschen Übersetzung wiedergibt (S. 180 ff.). - 8 - Präsidentschaftswahlen am 27. Januar 1997 gewann Maschadow, der aber von Russland nicht anerkannt wurde. Am 12. Mai 1997 unterzeichneten er und der russische Präsident Jelzin einen knappen Friedensvertrag, der in fünf Punkten festlegte, alle Konflikte künftig auf dem Verhandlungsweg nach den Regeln des Völkerrechts zu lösen. Das Kriegsrecht war in diesem Konflikt nicht ausgerufen worden. 3.2. Der zweite Tschetschenienkrieg (ab 1999) Nach mehreren Bombenanschlägen in Russland, als deren Urheber Tschetschenen vermutet wurden oder sich bekannten, ging es in der bewaffneten Auseinandersetzung mit Tschetschenien auf russischer Seite nicht länger um Maßnahmen zur Schaffung von Sicherheit in den Grenzregionen. Vielmehr beruht der Einsatz auf dem „Anti-Terror- Gesetz“ vom 25. Juli 199820 mit dem Ziel der „vollständigen Vernichtung der Banden “21 in Tschetschenien. Das Gesetz erlaubt Beschränkungen der bürgerlichen und politischen Rechte und bestimmt in Art. 21, dass die Anti-Terror-Einheiten für Schäden an „Leben, Gesundheit und Eigentum von Terroristen“ juristisch nicht haften.22 Im August 1999 hatte der damalige Ministerpräsident Putin Luftschläge gegen Tschetschenien angekündigt, woraufhin Maschadow den Ausnahmezustand ausrief.23 Bei der Konferenz der OSZE-Staats- und Regierungschefs am 18./19. November 1999 in Istanbul beharrte Moskau auf seinen nationalen Interessen und seinem Kurs in Tschetschenien . Es lehnte Kritik der westlichen Staatschefs unter Verweis auf den Einsatz der NATO im Kosovo kategorisch ab. Die NATO-Staaten hätten kein moralisches Recht mehr, Russland zu belehren, erklärte beispielsweise Duma-Präsident Gennadi Selesnjow . Präsident Jelzin betonte, dass mit dem Einsatz das „Krebsgeschwür des Terrorismus “24 beseitigt werden müsse. Moskau wurde von der westlichen Staatengemeinschaft das Recht zugestanden, den Terrorismus zu bekämpfen und gleichzeitig aufgefordert, dabei die Internationalen Konventionen über Menschenrechte einzuhalten. Anfang Oktober 1999 bezeichnete Putin das 1996 gewählte Republikparlament als einziges legales Machtorgan in Tschetschenien. Alle anderen Staatsgremien und vor 20 Englische Übersetzung in Europarat, Dok. CM/AS(2002)Rec1498 final, 9.12.2002. Dazu Putin in: Die Zeit, Nr. 47, v. 18. November 1999. 21 Jelzin, zitiert nach: „Russland tritt in Istanbul kämpferisch auf“, FAZ v. 19. November 1999. 22 Kosmehl, S. 1066, 1073 23 Wagensohn, S. 38. - 9 - allem die Wahl Maschadows zum Präsidenten verstießen gegen das russische Recht. Am Tag nach Putins Äußerung verhängte Maschadow das Kriegsrecht in Tschetschenien .25 Bis heute betrachtet Russland den Tschetschenien-Konflikt als „anti-terroristische Operation “ und als „innere Angelegenheit“. Nach dem 11. September 2001 hat Russland gefordert, vor dem Hintergrund der unabweisbaren Verbindungen der tschetschenischen Rebellen zu den Taliban und dem El Qaida-Netzwerk die Notwendigkeit und Angemessenheit des russischen Vorgehens in Tschetschenien anzuerkennen.26 3.3. Tschetschenien in der VN-Menschenrechtskommission Die Vereinten Nationen haben sich in mehreren Dokumenten mit der Situation in Tschetschenien befasst. Insbesondere der VN-Hochkommissar für Menschenrechte hat wiederholt die Besorgnis über das militärische Vorgehen Russlands in Tschetschenien ausgedrückt.27 Die Grundlagen für das Vorgehen Russlands wurden jedoch, soweit hier bekannt, keiner Bewertung unterzogen. 4. Das Recht von Kriegsgefangenen auf Anhörung und ein faires Gerichtsverfahren Die Behandlung von Kriegsgefangenen ist im III. Genfer Abkommen (GA III) vom 12. August 1949 geregelt. Danach haben Kriegsgefangene einen Anspruch auf ein faires Verfahren. Gemäß Art. 84 Abs. 2 GA III darf ein Kriegsgefangener „auf keinen Fall vor ein Gericht gestellt werden, das nicht die allgemein anerkannten wesentlichen Garantien der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit bietet und dessen Verfahren nicht die in Artikel 105 (dieses Abkommens) vorgesehenen Rechte und Mittel der Verteidigung zusichert“. Zu den Verfahrensrechten des Gefangenen gehört u.a. auch das Recht auf 24 Beim OSZE-Gipfel in Istanbul, FAZ v. 19. November 1999. 25 „Maschadow ruft zum ‚Heiligen Krieg’ auf“, FAZ v. 7. Oktober 1999; Wagensohn, S. 41. 26 So das Auswärtige Amt (Tschetschenien) [im Internet: http://www.auswaertigesamt .de/www/de/aussenpolitik/menschenrechte/mr_inhalte_ziele/mrb6/teil_c/europa/nachfolgestaate n_su_html]. 27 Vgl. Vereinte Nationen, Dok. A/55/36, Chechnya, S. 3-4. - 10 - „einen geeigneten Anwalt seiner Wahl“ (Art. 105 Abs. 1 GA III), aus dem zumindest mittelbar auch das Recht auf Anhörung abzuleiten ist. Nach Art. 129 GA III verpflichten sich die Vertragsparteien, alle notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die eine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen des vorliegenden Abkommens begehen oder zu einer solchen Verletzung den Befehl erteilen. Der Entzug des Anrechts auf ein ordentliches und unparteiisches Gerichtsverfahren stellt eine schwere Verletzung i.S.d. Art. 129 GA III dar (vgl. Art. 130 GA III). Rechtlich kann Kriegsgefangenen somit ein faires Verfahren nicht verweigert werden. 5. Soldaten, Zivilisten und ungesetzliche Kombattanten Die Begriffe „Soldaten“, „Kämpfer“, „Zivilisten“ und „ungesetzliche Kombattanten“ sind nicht durchgehend definiert. 5.1. Kombattanten Das internationale Recht kennt enthält vier Kriterien für eine rechtmäßige Kriegführung : Gemäß Art. 4 A 2 GA III müssen rechtmäßige Kombattanten 1. an ihrer Spitze eine für die Kämpfer verantwortliche Person haben, 2. sich äußerlich erkennbar (z.B. durch das Tragen einer Uniform) von der Zivilbevölkerung unterscheiden, 3. ihre Waffe während militärischer Einsätze offen tragen und 4. bei ihren Operationen die Gesetze und Gebräuche des Krieges einhalten. Zu den Kombattanten zählen in erster Linie alle Angehörigen der regulären Streitkräfte der am Konflikt beteiligten Staaten (vgl. Art. 43 ZP I). Die Streitkräfte setzen sich aus „der Gesamtheit der organisierten bewaffneten Verbände, Gruppen und Einheiten zusammen , die einer Führung unterstehen, welche diesem Staat für das Verhalten ihrer Untergebenen verantwortlich ist“ (Art. 43 Abs. 1 ZP I). Eingegliedert werden können Milizen und Freiwilligenkorps (vgl. Art. 4 A Nr. 1 GA III). Voraussetzung für den - 11 - Kombattanten-Status ist stets die Zugehörigkeit zu einer Konfliktpartei, deren Regierung aber nicht von den anderen Konfliktparteien anerkannt sein muss.28 Fallen Kombattanten in die Hand des Gegners, haben sie einen völkerrechtlichen Anspruch darauf, als Kriegsgefangene behandelt zu werden (vgl. Art. 44 Abs. 1 ZP I).29 Gemäß Art. 4 GA III besteht die Verpflichtung, die durch den Kriegsgefangenenstatus geschützten Personen „jederzeit mit Menschlichkeit“ zu behandeln. „Jede Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten“ (Art. 13 Abs. 1. GA III). Kriegsgefangene unterstehen der Disziplinar- und Strafgewalt des Gewahrsamstaates, genießen jedoch bei der Durchsetzung dieser Gewalt bestimmte Verfahrensgarantien (Art. 82-88 GA III). Für die Teilnahme an Kampfhandlungen dürfen sie nicht bestraft werden, solange sich ihre Beteiligung im Rahmen des Kriegsrechts hielt.30 5.2. Nicht-Kombattanten Art. 3 HLKO bezeichnet die nicht zur kämpfenden Truppe gehörenden Angehörigen der Streitkräfte als Nicht-Kombattanten. Dazu zählen neben dem Sanitäts- und Seelsorgepersonal u. a. auch Militärrichter.31 Hinzu kommen Einheiten, die zwar nicht in die Streitkräfte eingegliedert sind, jedoch zu deren Unterstützung eingesetzt werden, wie z.B. Wartungspersonal oder Kriegsberichterstatter (sog. Gefolge der Streitkräfte). Auch verwundete Soldaten sowie „nicht-aggressive“ Soldaten, die z.B. nach dem Abschuss ihres Flugzeuges mit dem Fallschirm landen, zählen zu den Nicht-Kombattanten. 5.3. Zivilisten Art. 3 GA IV definiert Zivilisten als „Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die infolge Krankheit, Verwundung, Gefangen- 28 Stein/v. Buttlar, S. 484 Rz. 1249; Werle, S. 330 ff., Rz. 852 ff. 29 Stein/v. Buttlar, S. 486 Rz. 1259. 30 Bothe, in: Vitzthum, S. 642 Rz. 80. 31 Stein/v. Buttlar, S. 485 Rz. 1254. - 12 - nahme oder irgendeiner anderen Ursache außer Kampf gesetzt wurden“. Sie sollen „unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt“ werden. Zivilisten sind danach Personen, die während eines Krieges keiner Armee oder sonstigen Streitkräfteorganisation angehören. Sie dürfen zu ihrem eigenen Schutz nicht an Kampfhandlungen teilnehmen .32 Die Haager Landkriegsordnung, das IV. Genfer Abkommen sowie die Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen enthalten detaillierte Vorschriften zum Schutz und zur Schonung von Zivilisten in Kriegszeiten.33 Zivilpersonen, die trotzdem zu den Waffen greifen, ohne sich den Streitkräften anzuschließen, besitzen keinen Kombattantenstatus .34 Vielmehr verlieren sie ihren Status als Zivilisten und können als Partisanen (oder ungesetzliche Kämpfer) für die unzulässige Teilnahme an Kriegshandlungen nach nationalem Recht bestraft werden.35 Gleichzeitig ist jedoch allgemein anerkannt, dass sich Zivilisten insbesondere gegen rechtswidrige Übergriffe verteidigen dürfen.36 5.4. „Ungesetzliche Kombattanten“ Die Begriffe ungesetzlicher / illegaler / irregulärer Kombattant bzw. Kämpfer unlawful / illegal / unprivileged combatant franc-tireur, free-shooter unprivileged / dishonorable / unlawful belligerent werden im internationalen Recht synonym verwendet.37 Eine normierte Definition des Begriffes existiert nicht: „The terms ‘unlawful combatant ’, ‘unprivileged combatant/belligerent’ do not appear in the treaties of international humanitarian law. They have, however, been frequently used at least since the beginning of the last century in legal literature, military manuals and case law”.38 Das „Handbuch des humanitären Rechts in bewaffneten Konflikten” stellt fest: „Nehmen (…) Personen, die keinen Kombattantenstatus haben, unmittelbar an Feindseligkeiten teil, dann werden sie, soweit sie in die Hand des Konfliktgegners fallen, als Freischärler 32 Doehring, S. 263 Rz. 600. 33 Doehring, S. 264 Rz. 601. 34 Stein/v. Buttlar, S. 485 Rz. 1254. 35 Doehring, S. 263 Rz. 600. 36 Heintschel von Heinegg, S. 356 Rz. 698. 37 Bialke, S. 3 unter II A 3. 38 Dörmann, S. 46. - 13 - behandelt.“39 Unrechtmäßige Kombattanten dürfen grundsätzlich wie reguläre Streitkräfte bekämpft werden.40 Umstritten ist der Status von ungesetzlichen Kombattanten, die nicht die Voraussetzungen des Art. 4 A Abs. 2 lit. a-d des III. GA erfüllen.41 Zu ihnen zählen Partisanen, Guerillakämpfer , Freischärler und auch Söldner.42 Die Unterscheidung von der Zivilbevölkerung ist im Einzelfall schwierig. Sie soll einerseits die Zivilbevölkerung vor Übergriffen der regulären Soldaten und andererseits die regulären Soldaten schützen, die aus einer zivilen Menschenmenge keine Angriffe befürchten müssen. Das völkerrechtliche Perfidieverbot (Art. 38 ZP I; § 8 Abs.2 e ix IStGH-Statut) untersagt es diesen ungesetzlich kämpfenden Personen, das durch spezifische, völkerrechtswidrige Handlungen erschlichene Vertrauen des Gegners auszunutzen.43 Verboten ist danach das Töten eines feindlichen Soldaten, dem der illegale Kämpfer zuvor in Zivilkleidung und mit verborgener Waffe begegnet oder dem gegenüber er sich zuvor als Verwundeter ausgegeben hat. Bloße Kriegslisten sind dagegen zulässig. Teilweise wird in der Bundesrepublik die Rechtsauffassung vertreten, dass diese Personen weitgehend rechtlos gestellt sind und ihnen nicht der Schutz des IV. Genfer Abkommens zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten zukommt.44 Im Falle der Ratifizierung des Zusatzprotokolls wird ihnen lediglich gemäß Art. 75 ZP I ein Minimum an menschlicher Behandlung garantiert. Art. 75 ZP I bestimmt: „Soweit Personen von einer in Artikel 1 genannten Situation (bewaffneter Konflikt, d. Verf.) betroffen sind, werden sie, wenn sie sich in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei befinden und nicht auf Grund der Abkommen oder dieses Protokolls eine günstigere Behandlung geniessen, unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt und geniessen zumindest den in diesem Artikel vorgesehenen Schutz, ohne jede nachteilige Unterscheidung (…).“ Daraus ergibt sich, dass ungesetzliche Kombattanten zwar nicht den 39 Fleck, S. 58. 40 Kurth, ZRP 2002, S. 404 (406). 41 Herdegen, S. 371 Rz. 8. 42 Söldner haben grundsätzlich nicht die Staatsangehörigkeit der Partei, für die sie kämpfen, noch sind sie in die regulären Streitkräfte eingegliedert (vgl. Art 47 Abs. 2 ZP I). Sie haben keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines Kriegsgefangenen (Art. 47 Abs. I ZP). 43 Dazu Werle, S. 388, Rz. 1034 ff.: Verboten ist danach das Töten eines feindlichen Soldaten, dem der illegale Kämpfer in Zivilkleidung und mit verborgener Waffe begegnet oder dem gegenüber er sich zuvor als Verwundeter ausgegeben hat. Vgl. auch Kurth, ZRP 2002, S. 404 (406). 44 Bothe, in: Vitzthum, S. 644 Rz. 80, 83. - 14 - Status von Kriegsgefangenen genießen, aber trotzdem zumindest menschliche Behandlung erwarten dürfen. Nach anderer Ansicht unterstehen auch die „irregulären Kämpfer“ grundsätzlich dem Schutz des IV. Genfer Abkommens zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten.45 Dieses bestimmt in Art. 5, dass „solche Personen dennoch mit Menschlichkeit behandelt werden müssen“. Nach ihrer Festsetzung vom Gegner können sie gegebenenfalls nach dessen Gesetzen zur Verantwortung gezogen werden.46 Im Falle einer gerichtlichen Verfolgung darf ihnen jedoch nicht „ihr Recht auf ein gerechtes und ordentliches Verfahren , wie es das vorliegende Abkommen vorsieht, entzogen werden“ (vgl. Art. 5 Abs. 3 i.V.m. 64 f. des IV. GA). Unabhängig von dem Streit, welcher Status Kampfbeteiligten nach dem Recht der Genfer Abkommen zukommt, genießen auch die „irregulären Kämpfer“ in jedem Fall den allgemeinen Menschenrechtsschutz und haben insbesondere das Recht auf einen fairen Prozess.47 6. Der Begriff des ungesetzlichen Kombattanten im Recht der USA Die Begriffe „unlawful combatant, illegal combatant, unprivileged combatant, enemy combatant, franc-tireur, free-shooter, unprivileged belligerent, dishonorable belligerent, unlawful belligerent“ werden auch in der amerikanischen Literatur synonym verwendet .48 Auch in der internationalen Völkerrechtsliteratur findet sich die Aussage: „Unlawful combatants (…) are not, if captured, entitled to prisoner of war status. (…) They are often summarily tried and enjoy no protection under international law.”49 Das Handbuch der US-Airforce definiert: „An unlawful combatant is an individual who is unauthorized to take a direct part in hostilities but does.”50 45 Herdegen, S. 371 Rz. 8; Stein/ v. Buttlar, 486 Rz. 1259. 46 Stein/v. Buttlar, S. 485 Rz. 1251. 47 Herdegen, S. 371 Rz. 8; Werle, S. 332, Rz. 857; Naqvi, S. 571 ff. 48 Bialke, S. 3 unter II A 3. 49 DeLupis, S. 148; ebenso Dörmann, S. 46; Aldrich, S. 892. 50 United States, Department of the Air Force, International Law, The Conduct of Armed Conflict and Air Operations, Dokument AFP 110-31, Punkt 3.3a. - 15 - Im amerikanischen Recht wird bei der Unterscheidung von lawful und unlawful combatants vornehmlich auf die Auswirkungen auf die eigenen Soldaten abgestellt: Jeder rechtliche Schutz von ungesetzlichen Kämpfern steigere die Risiken für die rechtmäßigen Streitkräfte in nicht akzeptabler Weise („placing the conventional soldier in a situation of unacceptable risk“).51 Die Diskussion um die „unlawful combatants“ wird aktuell in Zusammenhang mit den Kämpfern der Taliban und der Al Khaida geführt. Dabei wird darauf hingewiesen, dass es sich beim militärischen Vorgehen gegen diese Gruppen um einen asymetrischen, im Völkerrecht so nicht erwähnten bewaffneten Konflikt handele. Während die Taliban teilweise als faktische staatliche Vertretung Afghanistans angesehen werden, stelle Al- Khaida ein weltweites nicht-staatliches Terrornetzwerk dar. Bereits aus diesem Grunde sei GA III auf Kämpfer der Al-Khaida nicht anwendbar. Zudem würden sie ersichtlich gegen alle vier Kriterien für eine rechtmäßige Kriegführung (oben 5.1.) verstoßen und könnten auch deshalb nach der Gefangennahme den Kriegsgefangenenstatus nicht zugesprochen bekommen. Die Taliban stellten zwar als staatlich organisierte Macht eine offizielle Kriegspartei dar, so dass die Genfer Konventionen grundsätzlich anwendbar seien, sie hielten sich aber nicht an die völkerrechtlichen Regeln der Kriegführung und könnten daher ebenfalls nicht den Status von Kriegsgefangenen beanspruchen.52 Präsident Bush zufolge genießen ungesetzliche Kombattanten, obwohl sie nicht den Status von Kriegsgefangenen (POW, Prisoner of war) haben, die Behandlung und den Schutz, der Kriegsgefangenen zusteht:53 „The President has determined that the Geneva Convention applies to the Taliban detainees , but not to the al-Qaida detainees. Al-Qaida is not a state party to the Geneva Convention; it is a foreign terrorist group. As such, its members are not entitled to POW status. Although we never recognized the Taliban as the legitimate Afghan government, Afghanistan is a party to the Convention, and the President has determined that the Taliban 51 Whitson, S. 4. 52 Bialke, S. 3, unter I A 2. 53 Vereinigte Staaten, White House, Fact Sheet: Status of Detainees at Guantanamo [im Internet: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/02/print/20020207-13.html]; ebenso United States, Operational Law Handbook, US Army, 2003, S. 23; Bialke, S. 3 Fn. 5. - 16 - are covered by the Convention. Under the terms of the Geneva Convention, however, the Taliban detainees do not qualify as POWs. Therefore, neither the Taliban nor al-Qaida detainees are entitled to POW status. Even though the detainees are not entitled to POW privileges, they will be provided many POW privileges as a matter of policy.” Die Anwälte des als „amerikanischer Taliban“ bezeichneten John Walker Lindh dagegen hat die Taliban als „regular armed force“ bezeichnet, auf die Art. 4 Abs. 2 GA III nicht anwendbar sei, da die in Art. 4 festgelegten Kriterien nur für irreguläre Kämpfer gelten würden.54 Art. 44 Abs. III ZP schränkt die Kriterien zur Unterscheidbarkeit der unrechtmäßigen Kombattanten von anderen Gruppen insofern ein, als unter dort genannten Umständen („um den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken“) auch unrechtmäßige bewaffnete Kombattanten den Kombattantenstatus erhalten können. Die USA haben ZP I nicht ratifiziert. Der Grund liegt in dieser Fassung von Art. 44 Abs. 3, der es den unrechtmäßigen Kombattanten vorübergehend erlaubt, gegen das Kriterium der äußeren Unterscheidbarkeit zu verstoßen.55 Sie wenden sich gegen diese „Ausnahmeregel für Guerilleros “, die eigentlich nur Befreiungskriege iSv Art. 1 Abs. 4 erfassen soll. In der Bundesrepublik stößt die offizielle amerikanische Ansicht auch politisch auf Kritik. Zuletzt hat sich das Parlamentarische Kontrollgremium in seiner Unterrichtung dazu geäußert: „Die Einstufung der Verdächtigen als ‚ungesetzliche Kämpfer’ (‚unlawful combatants’) bzw. ‚feindliche Kombattanten’ (‚enemy combatants’) mit der Folge, dass sie keinen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben, ist nach Auffassung des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit dem geltenden Völkerrecht nicht in Einklang zu bringen. Diese Position hat auch der Deutsche Bundestag in seinem Beschluss vom 26. Januar 2006 zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat er nochmals seine grundsätzliche Auffassung zur Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten von Gefangenen bekräftigt.“56 54 United States v. Lindh, 212 F. Supp. 541, 557 n.35 (E.D. Va. 2002). 55 Dazu ausführlich Bialke, S. 7, unter B III sowie Fn. 30 - . 56 Deutscher Bundestag, Drs. 16/800 v. 24.02.2006, S. 35. - 17 - 7. Begriffsbestimmung „ungesetzlicher Kombattant“ und „spoiler acteur“ Der Begriff „spoiler acteur“ ist hier nicht bekannt. 8. Rechtmäßigkeit der Aktivitäten illegaler Kombattanten Siehe dazu die Ausführungen unter 5. und 6. 9. Völkergewohnheitsrecht zum Schutz „ungesetzlicher Kombattanten“ Für die Entstehung und den Bestand von Völkergewohnheitsrecht sind zwei Merkmale konstitutiv: Eine allgemeine Übung (Staatenpraxis) und deren Anerkennung als Recht (opinio juris). Um als allgemeine Übung Anerkennung zu finden, muss die Staatenpraxis von gewisser Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung sein.57 Die für die Entstehung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts erforderliche Zeitdauer lässt sich allerdings nicht abstrakt und generell festlegen, sondern kann von Fall zu Fall erheblich variieren. Ein geringer Zeitumfang steht somit nicht von vornherein der Annahme einer gewohnheitsrechtlichen Übung entgegen.58 Das Völkerrecht befindet sich in einem ständigen Anpassungsprozess. Allerdings sei auch nicht auszuschließen, dass „Fortentwicklungen “ des Völkerrechts mitunter über einen sehr kurzen Zeitraum erfolgen und in manchen Fällen sogar „spontanes“ Völkerrecht („instant custom“) entstehen kann.59 Die Einheitlichkeit der Übung verlangt, dass sich eine repräsentative Anzahl von Völkerrechtssubjekten in einem bestimmten Bereich weitestgehend gleich verhält.60 Auch die Verbreitung der jeweiligen allgemeinen Übung ist nur im Hinblick auf die entsprechende Regel zu bestimmen. Generell gilt, dass der ganz überwiegende Teil der betroffenen Staaten beteiligt sein muss, wobei die Betroffenheit sich wiederum danach richten kann, ob die Interessen des Staates im bezeichneten Sachverhalt berührt werden .61 Neben dieser einheitlichen Staatenpraxis als Ausdruck der allgemeinen Übung muss die Überzeugung treten, dass dieses Verhalten rechtlich geboten ist (opinio juris). 57 Stein/v. Buttlar, S. 45 Rz. 128. 58 Ipsen, S. 215 Rz. 8. 59 Diese Auffassung ist jedoch streitig, vgl. Eick, S. 200. 60 Ipsen, S. 216 Rz. 10. - 18 - Für die Beurteilung dieser opinio juris ist nicht die Rechtsauffassung jedes einzelnen Staates maßgeblich, sondern eine übereinstimmende Grundhaltung der Staatengemeinschaft . Die meisten Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, insbesondere die Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen des Kriegs (GA IV), stellen heute unabhängig von der vertraglichen Bindung ein für alle Staaten geltendes Völkergewohnheitsrecht dar.62 Ob diese Vorschriften jedoch überhaupt auf „ungesetzliche Kombattanten“ anwendbar sind, ist umstritten (vgl. oben 5. und 6.). Die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 stellen das Völkerrecht vor neue Herausforderungen. Es befinde sich „nach wie vor in einem höchst umstrittenen, diffus verlaufenden Änderungsprozess“.63 Inwieweit sich jedoch durch die bisherige Staatenpraxis eine völkergewohnheitsrechtliche Regelung herausbilden wird, die den „ungesetzlichen Kombattanten“ über das kodifizierte Recht hinaus schützt oder aber ihn rechtlos stellt, kann zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. 10. Der Einfluss ungesetzlicher Kombattanten auf die menschenrechtliche Situation in bewaffneten Konflikten Militärische Operationen und Angriffe dürfen sich nur gegen militärische Ziele sowie die regulären Streitkräfte, die Kombattanten, richten. Die Zivilbevölkerung ist soweit als möglich von den Auswirkungen der Kampfhandlungen fern zu halten. Die Bestimmungen zum Schutze der Zivilbevölkerung können jedoch nur dann Wirkung entfalten, wenn Kombattanten als solche zu erkennen sind (vgl. oben 5.1). Zivilisten dürfen sich in keiner Form an den Kampfhandlungen beteiligen, ansonsten verlieren sie ihren Status als Zivilperson. Die Privilegien des Status der Zivilbevölkerung im Kriegsrecht kommen nur Personen zu, die dieses Kriegsrecht ihrerseits beach- 61 Zum Folgenden: Stein/v. Buttlar, S. 45 Rz. 128. 62 Auswärtiges Amt (Humanitäres Völkerrecht) [Im Internet: http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/vn/voelkerrecht/hum_vr_html]. - 19 - ten. Niemand könne gleichzeitig Angehöriger der Streitkräfte und Zivilpersonen sein, ebenso wenig kann stetig zwischen beiden Formen gewechselt werden.64 Unrechtmäßige Kombattanten unterscheiden sich also nicht von den Zivilpersonen bzw. geben sich nicht als Angehörige der regulären Streitkräfte zu erkennen. Die Gefahr besteht darin, dass Zivilisten für unrechtmäßige Kombattanten gehalten werden. Können gegnerische Streitkräfte keine Gewissheit über die Zugehörigkeit zur Zivilbevölkerung haben, wird es im Rahmen von Kampfhandlungen schwierig, diese Kämpfer von Zivilisten zu unterscheiden und vor den Auswirkungen der Kampfhandlungen zu bewahren . In letzter Konsequenz kann die fehlende Unterscheidbarkeit von unrechtmäßigen Kombattanten und Zivilbevölkerung die gegnerischen Streitkräfte dazu bewegen, ihrerseits auf die Unterscheidung keinerlei Rücksicht zu nehmen, um ihre eigenen Streitkräfte vor Schäden zu bewahren.65 In der Folge besteht die Gefahr, dass die Bestimmungen zum Schutze der Zivilbevölkerung geringere Wirkung entfalten könnten. Hier ist aber zu Bedenken, dass die menschenrechtlichen Mindeststandards auch in bewaffneten Konflikten gelten (vgl. oben 1.). Verstöße hiergegen sind generell strafbar. 11. Einordnung des „Krieges gegen den Terror“ als Krieg mit internationalem Charakter Die Frage nach der Qualifizierung des „Krieg gegen den Terrorismus“ ist insoweit von Bedeutung, als sie der Ausgangspunkt für die Diskussion ist, inwieweit Kriegsrecht auf Handlungen und Gefangennahmen in diesem Konflikt anwendbar ist. Für den Begriff des internationalen bewaffneten Konfliktes gibt es keine allgemeingültige Definition. Ursprünglich waren die HLKO sowie GA III und IV für bewaffnete Auseinandersetzungen mit offizieller Kriegserklärung verfasst, in denen auf beiden Seiten Staaten als Konfliktparteien auftraten.66 Auch im weitesten Sinne verstanden, 63 So der Berliner Staats- und Verwaltungsrechtler Battis (Humboldt-Universität), in: Schmidt, „Ein Urteil und seine Interpretation, Tagesspiegel v. 21.02.2006, S. 5. 64 Feinstein, S. 4 (62). 65 Peal, S. 1629 (1639). 66 Ipsen, § 64, Rz. 1. - 20 - lösten die Anschläge vom 11. September keinen internationalen Kriegszustand aus, da Al-Khaida nicht im Namen eines Staates handelte.67 Dagegen sehen die USA die Auseinandersetzung als Konflikt mit internationaler Dimension . Die am 13. November 2001 von Präsident Bush herausgegebene military order „Detention, treatment, and trial of certain non-citizens in the war against terrorism ”68 stelllt in § 1 fest: „International terrorists, including members of al Qaida, have carried out attacks on United States diplomatic and military personnel and facilities abroad and on citizens and property within the United States on a scale that has created a state of armed conflict that requires the use of the United States Armed Forces.” 12. Völkerrechtliche Begründung der USA für die Inhaftierung von Verdächtigen in Guantánamo Die USA berufen sich bei der fortdauernden Inhaftierung von Gefangenen auf das Kriegsvölkerrecht, das auch in Art. 118 GA III enthalten ist. Danach sei die Freilassung (sowohl von lawful als auch von unlawful combatants) erst „nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten“ zwingend.69 Die Inhaftierten stellten eine große Bedrohung für die Sicherheit amerikanischer wie internationaler Rechtsgüter dar. Um Informationen über bereits erfolgte und noch geplante Anschläge zu erlangen, müssten die Inhaftierten befragt werden. So stellte Verteidigungsminister Rumsfeld am 13. Februar 2004 fest: “Detaining enemy combatants (...) provides us with intelligence that can help us prevent future acts of terrorism. It can save lives and indeed I am convinced it can speed victory. For example, detainees currently being held at Guantanamo Bay have revealed al Qaida leadership structure, operatives, funding mechanisms, communication methods , training and selection programs, travel patterns, support infrastructures and plans for attacking the United States and other friendly countries. They've provided information on al Qaida front companies and on bank accounts, on surface to air missiles, improvised explosive devices, and tactics that are used by terrorist elements. And they 67 Peal, S. 1629 (1633); Jinks, S. 1 (12). 68 Bialke, S. 22, unter IV D. 69 Bialke, S. 17, unter III C, m.w.N., obwohl den Gefangenen der Kriegsgefangenenstatus von den USA gerade nicht zugestanden wird. - 21 - have confirmed other reports regarding the roles and intentions of al Qaida and other terrorist organizations. This information is being used by coalition intelligence officials and by our forces on the battlefield and it's been important to our efforts in the war and in preventing further terrorist attacks.”70 Guantánamo stelle derzeit die beste Möglichkeit dar, die Bürger der USA und anderer Nationen zu schützen. Solange der Krieg gegen den Terror andauert, bedürfe es der Festsetzung von Personen, die den Vereinigten Staaten Schaden zufügen könnten.71 Das hohe Gefahrpotential der Inhaftierten erfordere „maximum security“. Teilweise wird sogar davon ausgegangen, dass die hohe Gefährlichkeit zu einer unbestimmten Haftdauer führen könne („not entitled to anything better than indefinite detention“).72 Laut eigener Aussage haben die Vereinigten Staaten aber kein Interesse daran, feindliche Kämpfer länger als notwendig in militärischer Gefangenschaft zu behalten.73 So hätten sie auch allen Häftlingen die Möglichkeit der Untersuchung ihrer Inhaftierung ermöglicht und diejenigen freigelassen, von denen offenbar keine Gefahr mehr ausgegangen sei.74 250 Häftlinge seien bereits aus der Haft entlassen worden, wovon 15 erneut an terroristischen Handlungen teilgenommen hätten. Viele der Inhaftierten hätten aber ihre Absicht bekundet, den Kampf wieder aufzunehmen, sobald sie freigelassen werden würden. 13. Begründung der US-Regierung für das Fehlen von Anklagen gegen die Gefangenen in Guantanamo Dem Präsidenten als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, nach Artikel 2 der Verfassung der Vereinigten Staaten, steht das durch den US-Kongress bewilligte und damit legitimierte Recht zur Bildung militärischer Tribunale zu. Am 13. November 2001 verfügte 70 Rede von Rumsfeld, in: http://www.defenselink.mil/transcripts/2004/tr20040213-0445.html. 71 Aussage des Präsidenten Bush, wiedergegeben in einem Bericht von spiegel-online, 26.01.2006, Europe Welcomes Prisoner Name Ruling. Abrufbar unter www.spiegel-online.de. 72 So Dorf (Professor of Law, Columbia University), im Internet: http://writ.news.findlaw.com/dorf/20020123.html, der sonst nur den Ausweg der Todesstrafe erwähnt . 73 So die Botschafterin der USA in der Schweiz, Pamela Pitzer Willeford, „Die Gründe für Guantánamo “, NZZ vom 21.02.2006, S. 4. - 22 - Präsident Bush mit der military order „Detention, treatment, and trial of certain noncitizens in the war against terrorism”, dass Nicht-Staatsbürger der Vereinigten Staaten, die im In- oder Ausland gefangen genommen würden, sofort der Kontrolle des Verteidigungsministers überstellt würden, um vor einem Militärtribunal für Verbrechen gegen das Recht des Krieges und weiterer anwendbarer Normen angeklagt zu werden.75 Damit würden den Inhaftierten „impartial, full, and fair trials” garantiert werden, die mehr Schutz gewährten als im Völkerrecht vorgesehen.76 Mehr sei nicht möglich, zumal internationalen Terroristen und zivil gekleideten Kämpfern eines untergegangenen Regimes nach der Gefangennahme in einem internationalen Konflikt noch von keinem Staat jemals der Status von Kriegsgefangenen zugebilligt worden sei.77 Viele Kritiker dieses Vorgehens der Vereinigten Staaten fordern aber gerade zumindest die Anerkennung der Gefangenen als Kriegsgefangene im Sinne des Genfer Abkommens über die Behandlung von Kriegsgefangenen, um zumindest dort festgeschriebene Verfahrensrechte zu garantieren.78 Art. 5 Abs. 2 GA III lautet: „Wenn Zweifel bestehen, ob eine Person, die eine kriegerische Handlung begangen hat und in die Hand des Feindes gefallen ist, einer der in Artikel 4 aufgezählten Kategorien angehört, geniesst diese Person den Schutz des vorliegenden Abkommens, bis ihre Rechtsstellung durch ein zuständiges Gericht festgestellt worden ist.“ In den USA wurde anfangs davon ausgegangen dass Art. 5 GA III nicht anwendbar und die gerichtliche Klärung des Status der gefangenen Taliban- und Al-Khaida- Verdächtigen daher auch nicht erforderlich sei: „Art. 5 tribunals would only serve to provide the detainees and their advocates with opportunities to misuse Art. 5. The detainees and their appointed advocates would likely use Art. 5 tribunals, not for any appropriate purpose of providing relevant factual testimony or other direct evidence 74 Interview mit Karen Hughes, Staatssekretärin im US-Außenministerium, spiegel-online vom 20.02.2006. 75 Bialke, S. 22, unter IV D. 76 Bialke, S. 22, unter IV D. 77 Zu den Alternativen (Standrechtliches Verfahren) vgl. Rivkin / Casey / Bartram, S. 9. 78 Kurth, S. 404 (404 f.). - 23 - exonerating the detainees from unlawful combatant status, but rather for illegitimate political and self-rationalizing theological pageantry. The same detainee advocates would then criticize the pre-determined outcomes of the tribunals, such pre-determined outcomes solidly based upon the manifest blatant misconduct of Taliban and al-Qaeda forces in armed conflict and al-Qaeda's classic unlawful combatant status.”79 Später wurde argumentiert, dass ein kriegsgerichtliches Verfahren den Gefangenen von Guantanamo nicht zustehe, da der einschlägige „United States Uniform Code of Military Justice“ nur bei Kriegsgefangenen anwendbar sei, die die Gefangenen gerade nicht seien. Für Gefangene ohne diesen Status seien „military commissions“ oder „military tribunals“ zuständig. Diese würden in Kriegszeiten durch Befehl der Exekutive errichtet, seien auftragsbedingt den militärischen Interessen verpflichtet und wären daher nicht mit Militärgerichten in Friedenszeiten zu vergleichen.80 Ihr Hauptvorteil bestehe darin, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen im Verfahren nicht offen gelegt werden müssten: „The protection of such information from enemy espionage and other enemy strategic intelligence collection efforts would be extremely difficult, if not impossible, in an ‚open and public’ civilian criminal trial.“81 Eine Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit wäre für die Vereinigten Staaten also insofern schwierig, als sie dann den Terrorverdächtigen alles belastende Material - darunter Geheimdienstberichte über Informanten - aushändigen müssten. Ein solches Vorgehen wäre aus Sicht der Regierung unverantwortlich.82 Das Gefangenenlager „Camp X-Ray“ wurde in Kuba errichtet, weil die US-Verfassung in Militärbasen festgehaltene unrechtmäßige Kämpfer von der Teilhabe am US-Prozessrecht ausschließt. Dieses Recht verpflichtet den Staat als Ankläger auch, jedem Angeklagten das gesamte Wissen verfügbar zu machen, auf dem die Anklage beruht. So soll eine faire Verteidigung gewährleistet werden. Im Falle mutmaßlicher Al-Qaida-Angeklagter hätte das bedeutet, ihnen das Wissen der CIA zur Verfügung zu stellen.83 Zur weiteren Begründung des Vorgehens wird angeführt, bei den terroristischen Taten handele es sich um Kriegsverbrechen, die außerhalb der traditionellen Bundesgerichts- 79 Bialke, S. 9, unter III A 2. 80 Bialke, S. 20 ff. unter IV B. 81 Bialke, S. 22, unter IV C. 82 „Das Dilemma Guantánamo“, in: Welt am Sonntag vom 19.02.2006. - 24 - barkeit liegen. Darüber hinaus erforderten sicherheitspolitische Erwägungen ein militärisches Vorgehen.84 Inzwischen sind mehrere Entscheidungen amerikanischer Gerichte in der Frage der Zulässigkeit des Festhaltens ohne Verfahren ergangen: In Fall Hamdi v. Rumsfeld entschied der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten 2004, dass einem Gefangenen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, in deren Besitz Hamdi war, aufgrund des in der Verfassung festgeschriebenen Rechtes auf ein faires Verfahren eine wahrnehmbare Möglichkeit eingeräumt werden müsse, vor einer neutralen Stelle seine Internierung überprüfen zu lassen.85 In den Fällen Rasul v. Bush und Odah v. Bush entschied der Oberste Gerichtshof für Gefangene ohne amerikanische Staatbürgerschaft, dass Bundesgerichte für Klagen von Gefangenen zuständig sind, ohne jedoch die genauen Voraussetzungen dafür festzulegen.86 Das Urteil brach mit der amerikanischen Tradition, dass die Garantien der Verfassung für ausländische Kämpfer, die sich zudem außerhalb des amerikanischen Territoriums befinden, keine Anwendung finden. Die gegen das Urteil gerichtete Kritik allerdings war fundamental: „The decision of Rasul v. Bush has reversed 54 years of precedence, opening the federal court system to detainees currently being held at Guantanamo Bay, Cuba, and likely beyond. The Court's decision in Rasul will allow access to federal district courts to all detainees held at Guantanamo Bay, giving them the right to petition for habeas corpus and challenge the basis for their detention. This will deprive the President of one of his most necessary wartime powers, the ability to effectively prosecute the War on Terror unimpeded by litigation from our enemies, and the consequences of that litigation.”87 Im Anschluss an das Urteil des Obersten Gerichtshofes wurden „Combatant Status Review Tribunals“ errrichtet. Gefangene, die keine unrechtmäßigen Kombattanten darstellten, sind von diesen in ihre Heimatländer zurückzuführen oder anderweitig im Einklang mit geltendem Recht zu behandeln.88 Die Tribunale hätten den Status aller 83 Guantanamos Zeit läuft ab, Die Welt v. 10.02.2006. 84 Begründungen wiedergegeben bei: Rishikof, S. 1 (10). 85 Vgl. US Info, unter www.usinfo.state.gov unter Archiv 29. Juni 2004. 86 Urteil v. 28. Juni 2004, Rasul v. Bush, President of the United States, 159 L. Ed. 2d 548 (2004). Vgl. auch US Info, unter www.usinfo.state.gov unter Archiv 29. Juni 2004. 87 Schumann, S. 1, m.w.N. 88 Elsea / Thomas, S. 8. - 25 - Inhaftierten im Hinblick auf den Status als unrechtmäßige Kombattanten überprüft, mit dem Ergebnis, dass 520 Häftlinge als unrechtmäßige Kombattanten eingestuft worden seien. Von den 38 Gefangenen, die nicht als unrechtmäßige Kämpfer eingestuft wurden, seien 23 in ihre Heimatländer zurückgeführt worden.89 In dem Verfahren Hamdan v. Rumsfeld entschied das Berufungsgericht im Juli 2005, dass Hamdan seinen Antrag auf Feststellung des Kriegsgefangenenstatus vor einem Militärtribunal stellen könne und es der Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts nicht bedürfe. Das Gericht stimmte der Auffassung der Regierung zu, dass die Genfer Konvention auf die im Krieg gegen den Terror gefangen genommenen Kämpfer keine Anwendung finde.90 Der Oberste Gerichtshof hat den Fall zur erneuten Überprüfung angenommen .91 In der Verfahrensweise der Militärtribunale hat es nach Angaben des Verteidigungsministeriums leichte Veränderungen gegeben, um ein reibungsloseres und effizienteres Verfahren zu ermöglichen.92 Unter anderem wird das Tribunal ähnliche Aufgaben wie die Jury im Zivilverfahren aufnehmen und der Angeklagte hat nunmehr das ständige Anwesenheitsrecht, es sei denn es handelt sich um vertrauliche Informationen.93 Aufgrund der Entscheidung des Obersten Gerichts, des Rechts auf Vertretung durch Rechtsanwälte und des Besuchs von Abgeordneten, Journalisten und dem Internationalen Roten Kreuz steht das Lager in Guantanamo unter einer gewissen öffentlichen Kontrolle . Der von Präsident Bush aufgrund der öffentlichen Kritik verhängte Aufnahmestopp hat Zeitungsberichten zufolge dazu geführt, dass die Regierung der USA zunehmend Gefangene in das Lager auf dem US-Militärstützpunkt im afghanischen Bagram verbringe. Viele seien auch an andere Staaten übergeben worden, so dass das amerikanische Recht keine Anwendung finden könne.94 89 Elsea / Thomas, S. 7. 90 Vgl. US Info, unter www.usinfo.state.gov unter Archiv 08. September 2005. 91 Elsea / Thomas, S. 10. 92 So der Legal Adviser to the Appointing Authority for Military Commissions Brigadier General T.L. Hemmingway, vgl. Vgl. US Info, unter www.usinfo.state.gov unter Archiv 01. September 2005. 93 Vgl. US Info, unter www.usinfo.state.gov unter Archiv 01. September 2005. 94 Tagesspiegel v. 28.02.2006 „Bagram statt Guantanamo – Neue Vorwürfe gegen USA“. - 26 - Im Rahmen der aufgeführten Entscheidungen und prozessualen Veränderungen ist die eingangs genannte „military order“ vom 13. November 2001 noch wirksam. 14. Begründung für die Verweigerung des Kontakts mit unabhängigen humanitären Organisationen Die Genfer Konvention sieht bestimmte Schutzbestimmungen für Kriegsgefangene vor. Nach Ansicht der USA handelt es sich bei den in Guantánamo Inhaftierten nicht um Kriegsgefangene im Sinne der Genfer Konventionen (vgl. oben 6), so dass diese Schutzbestimmungen keine Anwendung finden könnten. Dennoch würden die Inhaftierten nach den allgemeinen Grundsätzen der Politik der Vereinigten Staaten menschenwürdig behandelt.95 Die USA weisen darauf hin, dass auch das Internationale Rote Kreuz uneingeschränkten Zugang zu den Gefangenen habe und seit Januar 2002 auch eine „permanent mission“ in Guantanamo existiere, ebenso wie es bei regulären Kriegsgefangenen der Fall sei. In Bezug auf Guantánamo, so das State Department, könnten die rechtsstaatlichen Regeln für Menschenrechte in Friedenszeiten keine Anwendung finden. Die USA seien im Krieg, die Vorgehensweisen müssten nach dem Kriegsrecht beurteilt werden. Dies müsse als rechtliche Grundlage anerkannt werden.96 95 Bialke, S. 16, unter III B. Vgl auch die Botschafterin der USA in der Schweiz, Pamela Pitzer Willeford , in der Neuen Züricher Zeitung vom 21.02.2006, S. 4, Die Gründe für Guantánamo. 96 Siehe Spiegel Bericht vom 14.02.2006, Uno-Bericht wirft USA Folter vor, www.spiegel-online.de. - 27 - 15. Literaturangaben Aldrich, George H., The Taliban, Al Qaeda and the determination of illegal combatants , American Journal of International Law, 2002, S. 892 ff. Auswärtiges Amt (Humanitäres Völkerrecht), [im Internet: http://www.auswaertigesamt .de/www/de/aussenpolitik/vn/voelkerrecht/hum_vr_html]. Auswärtiges Amt (Tschetschenien), Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Russische Föderation, Tschetschenien [im Internet: http://www.auswaertigesamt .de/www/de/aussenpolitik/menschenrechte/mr_inhalte_ziele/mrb6/teil_c/europa /nachfolgestaaten_su_html]. 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