© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 037/18 Das politische System der Demokratischen Volksrepublik Korea Mit Hintergrundinformationen zum nordkoreanischen Diplomaten Ri Su-yong und seinen persönlichen Beziehungen zum Machthaber Kim Jong-un Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Das politische System der Demokratischen Volksrepublik Korea 4 2.1. Zur Menschenrechtslage in Nordkorea 6 2.2. Zum nordkoreanischen Nuklearwaffen- und Raketenprogramm 7 3. Hintergrundinformationen zum nordkoreanischen Diplomaten Ri Su-yong und seinen persönlichen Beziehungen zum Machthaber Kim Jong-un 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 4 1. Einführung Der vorliegende Sachstand befasst sich zunächst mit dem politischen System der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea (DVRK) und seiner Struktur. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Besuches des nordkoreanischen Diplomaten Ri Su Yong in der Bundesrepublik Deutschland liefert diese Arbeit anschließend Informationen zu seinem politischen Werdegang und zu seinen persönlichen Beziehungen zum nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un. 2. Das politische System der Demokratischen Volksrepublik Korea Offiziell stellt sich das politische System in Nordkorea als demokratisch dar. Dies zeigt sich am offiziellen Namen des Staates – Demokratische Volksrepublik Korea. Das Land in Ostasien, auf der nördlichen Seite der koreanischen Halbinsel, wird jedoch diktatorisch regiert. Nordkorea gilt als Land mit dem weltweit restriktivsten politischen System; die schweren Menschenrechtsverletzungen (siehe Ziff. 2.1) und das militärische Nuklearprogramm (Ziff. 2.2) haben Nordkorea weitgehend isoliert. 1 Laut ihrer Verfassung von 1972 war die Demokratische Volksrepublik Korea zunächst ein sozialistischer , nach dem Vorbild der Sowjetunion aufgebauter Staat. 2 1977 ersetzte Staatsgründer Kim Il-sung jedoch die marxistisch-leninistische Ideologie durch die von ihm entwickelte Chuch‘e-Ideologie 3, die der Marx‘schen Lehre in einigen Punkten widerspricht. 4 Die neue Ideologie stellte die Entwicklung der eigenen Nation höher als die internationale kommunistische Bewegung und betonte die Rolle Nordkoreas als Mittelpunkt der Welt. Außerdem bezog die Chuch‘e-Ideologie die Intellektuellen des Landes in die Politik ein. Mit dieser auf Autarkie von anderen Ländern abzielenden Ideologie isolierte sich Nordkorea bis heute in starkem Maße von der Außenwelt. 5 Mit der Erweiterung der Macht von Kim Il Sung und seiner Familie, etablierte sich die Partei der Arbeit Koreas (PdAK) de facto zur einzigen Partei im Staat. 6 Diese Partei kontrolliert sämtliche 1 Vgl. Politisches System in Nordkorea - Die Situation. Abrufbar unter: http://www.asklubo.com/karriere-erfolg/bildung /politisches-system-in-nordkorea-die-situation/177.254 (letzter Zugriff: 27. März 2018). 2 Vgl. Ideologie und Staatsaufbau. Abrufbar unter: http://nordkorea.npage.de/innenpolitik/ideologie-staatsaufbau .html (letzter Zugriff: 27. März 2018). 3 Chuch’e (auch Juch’e) = Autarkie. 4 Vgl. Ideologie und Staatsaufbau. Abrufbar unter: http://nordkorea.npage.de/innenpolitik/ideologie-staatsaufbau .html (letzter Zugriff: 27. März 2018). 5 Vgl. ebenda. 6 Zwar existieren noch zwei andere Parteien (die Koreanische Demokratische Partei und die Chondoistische Ch'ŏngu-Partei), doch diese werden nur zur Wahrung des Scheins eines demokratischen Systems aufrechterhalten. In Artikel 11 der nordkoreanischen Verfassung ist die PdAK als einzige Partei verankert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 5 Aktivitäten im Land. Dazu hat sie ein System entwickelt, das eine Überwachung der gesamten Bevölkerung, sei es im ländlichen oder städtischen Raum, ermöglicht. Außerdem koordiniert sie die etwa 100 Massenorganisationen, die den Zielen der Partei dienen. Mit einer Verfassungsänderung wurde im Jahr 2009 in Ergänzung zur Chuch‘e-Ideologie die sogenannte Songun-Politik als Leitlinie der Politik Nordkoreas eingeführt. 7 Sie räumt der Verteidigungsbereitschaft angesichts einer angenommenen militärischen Bedrohung des Staates durch die „imperialistischen Mächte“ USA und Japan sowie durch deren „Marionettenstaat“ Südkorea höchste Priorität ein. Hierbei dürfe keinerlei Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen genommen werden. Allerdings sei das Militär, so der Ostasienwissenschaftler Rüdiger Frank, „ein Instrument , das sich in den Händen des Führers und der Partei befindet. Nordkorea wird mit dem Militär regiert, nicht vom Militär.“8 Dies zeigt, dass Partei und Militär in Nordkorea nur zwei Säulen der Macht darstellen. Die wirkliche Macht hält bis heute das Komitee für Staatsangelegenheiten der DVRK 9 in der Hand, 10 dessen symbolischer „ewiger Vorsitzender“ Kim-Jong-il ist, Sohn des 1994 verstorbenen Staatsgründers Kim Il-sung und Vater des heute regierenden Kim Jong-un. Letzterer ist seit dem Tod seines Vaters am 17. Dezember 2011 der Vorsitzende dieses Komitees und damit Staatsoberhaupt und Oberkommandierender der Streitkräfte. Das Komitee ist das höchste Regierungsorgan und damit das Zentrum der Macht. Artikel 109 der Verfassung erlaubt dem Komitee, alle Beschlüsse anderer Staatsorgane aufzuheben. Neben dem Vorsitzenden gehören dem Gremium mehrere Vizevorsitzende und mehrere Mitglieder an, die entweder zum Clan der Familie Kim gehören oder zu seinen engsten Vertrauten zählen. Eines dieser Mitglieder ist Ri Su-yong (zur Person siehe Ziff. 3). Im Gegensatz zum „Komitee für Staatsangelegenheiten“ verfügen das Parlament, die Oberste Volksversammlung, und sein Präsidium de facto über keine Macht. Zwar ist das für fünf Jahre gewählte Parlament formell das höchste Machtorgan des Landes. Die Oberste Volksversammlung kommt jedoch nur ein- bis zweimal im Jahr zusammen. Eigentliche Regierung dieses Landes ist das Präsidium der Obersten Volksversammlung und damit formelles Staatsoberhaupt Kim Jongnam , der Vorsitzende des Präsidiums. Jedoch übt dieser das Amt nur protokollarisch aus. Offizielles Staatsoberhaupt ist noch immer der 1994 verstorbene Staatsgründer Kim Il-sung. 11 7 The Purpose of Revised Constitution. Daily NK vom 29. September 2009. Abrufbar unter: http://english.dailynk .com/english/read.php?cataId=nk00400&num=5468 (letzter Zugriff: 27. März 2018). 8 Vgl. Naß, Matthias (2015): Nordkorea – Gruseln reicht nicht. Zeit-Online vom 23. April 2015. Abrufbar unter: http://www.zeit.de/2015/15/nordkorea-sachbuch-ruediger-frank (letzter Zugriff: 27. März 2018). 9 Die offizielle Bezeichnung lautete zunächst „Nationale Verteidigungskommission“ (NVK). Dann wurde diese am 19. Juni 2016 auf der 4. Sitzung der 13. Obersten Volksversammlung in „das „Komitee für Staatsangelegenheiten der Demokratischen Volksrepublik Korea“ umbenannt. 10 Nordkorea: So funktioniert die Diktatur von Kim Jong Un. Abrufbar unter: https://web.de/magazine/politik/nordkorea -funktioniert-diktatur-kim-jong-un-30771996 (letzter Zugriff: 27. März 2018). 11 Vgl. Politisches System in Nordkorea - Die Situation, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 6 2.1. Zur Menschenrechtslage in Nordkorea Die Menschenrechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea ist laut Berichten der Vereinten Nationen 12 sowie von Menschenrechtsorganisationen 13 sehr ernst, Nordkorea zählt zu jenen Ländern, in denen die Menschenrechte am wenigsten geachtet werden. Bereits wenige Jahre nach der Staatsgründung begann die politische Führung, jegliche Opposition im Lande auszuschalten . „Klassenfeinde müssen ohne Ansehung der Person bis ins dritte Glied ausgemerzt werden “, so Kim Il-sung, der erste Diktator Nordkoreas, im Jahre 1958. 14 „Nordkorea ist ein absolutistischer, diktatorischer Staat, der das absolute Recht, das Volk zu kommandieren, ausübt. Die nordkoreanische Führung hat alle Einwohner einer kollektiven Sklaverei unterworfen. Jedermann ist seit langem seiner Menschenrechte beraubt und das Regime übt eine totale Kontrolle aus.“ 15 Zur Ausschaltung jeglicher Opposition wurden seit Ende der 1950er Jahre mehrere Konzentrations - und Umerziehungslager (GULAG) eingerichtet, in denen – ohne (faire) Gerichtsverfahren und die meisten von ihnen ohne Aussicht auf eine Entlassung – hauptsächlich politische Gefangene und Menschen, die aufgrund ihres Glaubens verhaftet wurden, „unter offenbar fürchterlichen Bedingungen“ 16 inhaftiert sind. Der jüngste Bericht von Amnesty International zu Nordkorea 17 spricht von mindestens vier bekannten Straflagern für politische Gefangene und einer Reihe weiterer Umerziehungslager, in denen weiterhin bis zu 120.000 Erwachsene und Kinder 18 – meist verschwinden ganze Familien 12 Report of the commission of inquiry on human rights in the Democratic People’s Republic of Korea. Hrsg.: United Nations General Assembly, 7. Februar 2014. Abrufbar unter: https://www.igfm.de/fileadmin/igfm.de/pdf/Laender /Nordkorea/UN-Untersuchungskommission-Menschenrechte-Nordkorea-Bericht-A.HRC.25.63.pdf (letzter Zugriff : 28. März 2018). 13 Bspw. Korea (Nord) 2017. Hrsg.: Amnesty International, 17. Mai 2017. Abrufbar unter: https://www.amnesty .de/jahresbericht/2017/korea-nord (letzter Zugriff: 28. März 2018). 14 Vgl. „Haben Menschen wie Tiere behandelt“: Wärterin berichtet aus Nordkoreas Todeslager. Focus Online vom 3. Mai 2017. Abrufbar unter: https://www.focus.de/politik/ausland/nordkorea/nordkorea-waerterin-erzaehlt-vonerlebnissen -in-straflagern_id_7067516.html (letzter Zugriff: 28. März 2018). 15 Zitat von Hans Meretzky, letzter Botschafter der DDR in Nordkorea. Vgl. Hafen, Karl (2013): Ein Volk von Sklaven – über 150.000 politische Gefangene in Nordkorea. Hrsg.: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), September 2013. Abrufbar unter: https://www.igfm.de/nordkorea /nordkorea-ein-volk-von-sklaven/ (letzter Zugriff: 28. März 2018). 16 Amnesty-Bericht: Blick in Nordkoreas grausame Straflager. Stern.de vom 28. November 2016. Abrufbar unter: https://www.stern.de/politik/ausland/nordkorea--blick-in-die-grausamen-straflager-7211530.html (letzter Zugriff: 28. März 2018). 17 Korea (Nord) 2017, a.a.O. 18 Der Geschäftsführer der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bezifferte im September 2013 die Zahl der politischen Gefangenen in Nordkorea sogar mit über 150.000. Vgl. Hafen (2013), a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 7 in Sippenhaft in den nordkoreanischen GULAG 19 – inhaftiert sind, Zwangsarbeit leisten müssen, gefoltert und systematisch vergewaltigt werden sowie hungernd und ohne medizinische Versorgung ums Überleben kämpfen. Seit Bestehen der Lager sind dort nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen mindestens 500.000 Menschen ums Leben gekommen, ein nicht unbeträchtlicher Teil von ihnen wurde aufgrund geringer Vergehen hingerichtet. Viele Hinrichtungen finden öffentlich statt. Dieses Instrument nutzt die nordkoreanische Führung weiterhin in erheblichem Umfang, um „ihre Bürger auf Linie zu halten“. 20 In seinem Bericht zu den Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea stellt Amnesty International ferner fest, dass • die nordkoreanischen Behörden unverändert Menschen willkürlich festnahmen und inhaftierten, • die Medien vollständig vom Staat kontrolliert wurden, • das Recht auf freie Meinungsäußerung weiterhin drastisch eingeschränkt war, • der Zugang zu internationalen Internetseiten und E-Mail-Diensten weitgehend und • das Recht auf Bewegungsfreiheit gänzlich verwehrt wurde. 21 2.2. Zum nordkoreanischen Nuklearwaffen- und Raketenprogramm Am 9. Oktober 2006 hat Nordkorea, das 1985 den Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty – NPT) unterzeichnet und am 10. Januar 2003 wieder gekündigt hatte, trotz internationaler Proteste zum ersten Mal eine Kernwaffe getestet. Bis zum 3. September 2017 folgten fünf weitere Tests. 22 Trotz der als Reaktion auf diese Atomwaffentests erlassenen internationalen Sanktionen (bspw. Resolution 2375 des VN-Sicherheitsrates vom 11. September 2017) stellt die Führung Nordkoreas die Entwicklung von Nuklearwaffen und ballistischen Raketen weiterhin als zentrale Aufgabe für seine militärische Macht und sein internationales Überleben dar. Allerdings 19 Vgl. Nass, Matthias (2014): Der Alptraum im Lager 14. Die Zeit vom 13. März 2014, S. 8. Abrufbar unter: http://www.zeit.de/2014/12/nordkorea-gulag-ueberlebende (letzter Zugriff: 28. März 2018). 20 Vgl. Südkorea nennt Hinrichtungszahlen – Brutales Regime: So viele seiner Bürger tötete Nordkorea in den letzten Jahren. Focus Online vom 6 Juli 2015. Abrufbar unter: https://www.focus.de/politik/ausland/nordkorea/160-oeffentliche -exekutionen-in-einem-jahr-nordkorea-hat-in-den-letzten-jahren-fast-als-1400-seiner-buerger-hingerichtet _id_4797961.html (letzter Zugriff: 29. März 2018). 21 Rund 30.000 Nordkoreaner sind erfolgreich in den Süden geflüchtet. Aber unter der aktuellen nordkoreanischen Führung ging die Zahl erfolgreicher Fluchtversuche deutlich zurück. Vgl. Perlez, Jane; Lee Su-Hyun (2018): „We Are Ready to Die.“ Five North Korean Defectors Who Never Made It. New York Times vom 25. März 2018. Abrufbar unter: https://www.nytimes.com/2018/03/25/world/asia/north-korea -defectors.html (letzter Zugriff: 29. März 2018). 22 atomwaffen A-Z – Nordkorea. Abrufbar unter: http://www.atomwaffena-z.info/heute/atomwaffenstaaten/nordkorea .htm (letzter Zugriff: 23.03.2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 8 bestehen unterschiedliche Meinungen zum Fortschritt des Nuklearwaffenprogramms; einige Experten vertreten die Ansicht, dass Nordkorea nach wie vor nicht in der Lage ist, aus dem verfügbaren Kernmaterial eine funktionsfähige Atomwaffe herzustellen. 23 Erfolgreich scheint die nordkoreanische Rüstungsindustrie – allerdings wohl mit ausländischer Unterstützung – bei der Entwicklung ballistischer Raketen zu sein. Nach dem erfolgreichen Test einer Hwasong-15-Interkontinentalrakete Ende November 2017 hatte Nordkorea erklärt, der Flugkörper könne das Festland der USA erreichen. Es war in diesem Jahr der 20. Start einer nordkoreanischen ballistischen Rakete. Auch hier reagierte die internationale Staatengemeinschaft unmittelbar mit Sanktionen; der VN-Sicherheitsrat verabschiedete am 22. Dezember 2017 Resolution 2397; China hatte bereits vorher als Reaktion auf die Raketentests die Ausfuhr von Diesel und Benzin nach Nordkorea gestoppt. Es wird angenommen, dass heute die Russische Föderation der einzig verbliebene Treibstofflieferant ist, der, von Wladiwostok aus, mit Tankschiffen nordkoreanische Häfen versorgt, ohne dass diese internationale Gewässer befahren müssen. 24 Zuletzt zeichnete sich – nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang im Februar 2018, bei denen Sportler beider koreanischer Staaten unter einer gemeinsamen Flagge antraten – eine leichte Entspannung ab. Ebenso könnte die erste Auslandsreise von Kim Jong-un Ende März 2018 nach China, bei der er mit Staatspräsident Xi über den Atomwaffen- und Raketenkonflikt sprach und seine Bereitschaft betonte, sich auch mit den Präsidenten Südkoreas und der USA, Moon Jae-In und Donald Trump, zu treffen, 25 darauf hindeuten, dass sich die Chancen auf eine künftige Konfliktlösung verbessert haben. 23 Vgl. The International Institute for Strategic Studies IISS (2018): The Military Balance 2018 – The Annual Assessment of Global Military Capabilities and Defence Economics, S. 274 f. 24 Warrick, Joby (2017): National Security – How Russia quietly undercuts sanctions intended to stop North Korea’s nuclear program. Washington Post vom 11. September 2017. Abrufbar unter: https://www.washingtonpost .com/world/national-security/how-russia-quietly-undercuts-sanctions-intended-to-stop-north-koreas-nuclearprogram /2017/09/11/f963867e-93e4-11e7-8754-d478688d23b4_story.html?utm_term=.57fac522a30c (letzter Zugriff: 28. März 2018). 25 Nach neuesten Medieninformationen wollen sich der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in am 27. April 2018 zu einem Gipfel in der demilitarisierten Zone treffen. Vgl. Gipfeltreffen – Nord- und Südkorea treffen sich am 27. April. Htagesschau.de vom 29. März 2018. Abrufbar unter: http://www.tagesschau.de/ausland/kim-183.html (letzter Zugriff: 29. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 9 3. Hintergrundinformationen zum nordkoreanischen Diplomaten Ri Su-yong und seinen persönlichen Beziehungen zum Machthaber Kim Jong-un Der 1940 geborene Ri Su-yong (auch: Ri Chol) 26 begann seinen beruflichen Aufstieg im nordkoreanischen Außenministerium, wo er 1972 Büroleiter und 1974 Generaldirektor des Büros für Protokoll und Internationale Organisationen wurde. Nach dem 6. Parteikongress im Oktober 1980 wurde er Stellvertretender Leiter des Privatsekretariats von Kim Jong-il, dem Sohn des damals noch amtierenden Staatsgründers Kim Il-sung, und gleichzeitig Stellvertretender Direktor der für die Organisatorische Steuerung der Partei der Arbeit Koreas zuständigen PdAK-Abteilung. Noch im selben Jahr wurde Ri nach Genf versetzt, wo er den Posten eines Botschaftsrats in der Ständigen Mission Nordkoreas bei den Vereinten Nationen übernahm. Für diese heikle Position wurde er von Jang Song-thaek, dem Schwager Kim Jong-ils, ausgewählt. In Europa nahm Ri im Auftrag von Mitgliedern der nordkoreanischen Führungsriege mehrere persönliche Aufgaben wahr, so verwaltete er unter anderem die persönlichen Finanzen Kim Jong-ils und Kim Il-sungs. Ebenfalls übernahm er die Rolle des Ziehvaters des ältesten Sohn Kim Il-sungs, Kim Jong-nam, der in den 1980er Jahren in der Schweiz studierte. Im September 1987 wurde Ri zum Ständigen Vertreter der Demokratischen Volksrepublik Korea bei den Vereinten Nationen in Genf und im Januar 1988 zum Botschafter in der Schweiz ernannt. Mit seiner Akkreditierung als Botschafter zog er nach Bern um. Dort übernahm er gleichzeitig die Verantwortung für die drei Kinder aus Kim Jong-ils dritter Ehe, die alle an Schweizer Schulen im Raum Bern studierten, unter ihnen Kim Jong-un. Kim Jong-un, der laut „North Korea Leadership Watch“ von etwa 1996 bis 2000 – wahrscheinlich unter dem Pseudonym Pak U’n – an Schweizer Schulen eingeschrieben war, verbrachte regelmäßig Zeit mit Ri; sie trafen sich mehrfach zum Essen. 27 Ri, der sich gemäß westlicher Diplomaten stets für eine Öffnung seines Landes eingesetzt hatte, blieb ein enger Vertrauter Kim Jong-uns. Er kehrte 2010 nach Nordkorea zurück, wo er zunächst damit beauftragt war, Fremdinvestitionen für Nordkorea zu mobilisieren. 2014 ernannte ihn Kim Jong-un zum Außenminister. Während seiner Amtszeit strukturierte er das Außenministerium um und führte eine Reihe personeller Veränderungen im Außenministerium und im diplomatischen Korps Nordkoreas durch. Ziel hierbei war es u.a., eine neue Generation von Diplomaten heranzuziehen. In seiner bis 2016 dauernden Amtszeit als Außenminister unternahm er zahlreiche Auslandsreisen und traf sich mit Dutzenden von Staats- und Regierungschefs. 26 Alle Informationen zum Werdegang sind der von „North Korea Leadership Watch“ erstellten Biographie von Ri Su-jong entnommen. Vgl. Ri Chol (a.k.a. Ri Su Yong). Hrsg.: North Korea Leadership Watch. Abrufbar unter: http://www.nkleadershipwatch .org/leadership-biographies/ri-chol/ (letzter Zugriff: 28. März 2018). 27 Mast, Matthias (2017): Heute droht er mit Atomwaffen und provoziert mit Raketen. Das trieb Diktator Kim als Bub in Bern. Publiziert vom Blick am 30. August 2017 und aktualisiert am 31. August 2017. Abrufbar unter: https:// www.blick.ch/news/schweiz/bern/heute-droht-er-mit-atomwaffen-und-provoziert-mit-raketen-das-trieb-diktatorkim -als-bub-in-bern-id7227156.html (letzter Zugriff: 28. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 037/18 Seite 10 Anschließend wechselte Ri in das Zentralkomitee der Partei der Arbeit (PdAK). Während des 7. Parteikongresses wurde Ri zum Direktor der Parteiabteilung „Internationale Angelegenheiten “, zum Stellvertretenden Parteivorsitzenden sowie zum Vollmitglied im Politbüro der Partei ernannt. Während der 5. Sitzung der 13. Obersten Volksversammlung wurde er ferner zum Vorsitzenden der Diplomatischen Kommission der Obersten Volksversammlung berufen; diese Position ermöglicht ihm, weiterhin mit ausländischen Funktionsträgern zu interagieren. Ri ist darüber hinaus bis heute Mitglied im Komitee für Staatsangelegenheiten der DVRK, dem höchsten Regierungsorgan (vgl. Ziff. 2). Seit wann er diese Mitgliedschaft innehat, konnte nicht recherchiert werden. ***