WD 2 - 3000 - 036/20 (30. April 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Das Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention , GFK) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der für Deutschland am 22. April 1954 in Kraft trat.1 Mittlerweile sind der Genfer Flüchtlingskonvention 149 Staaten beigetreten.2 Auf das Genfer Abkommen wird zudem in Art. 78 AEUV und Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verwiesen, wobei der europäische Rechtsrahmen im Vergleich zur GFK einen höheren Schutz-Standard vorsieht.3 Das „Herzstück“ der Genfer Flüchtlingskonvention findet sich in Art. 33, mit dem Verbot der Ausweisung, Zurückweisung oder Abschiebung in einen Verfolgerstaat (sog. Gebot des Non-Refoulemont ).4 Danach darf ein GFK-Vertragsstaat einen Flüchtling nicht über die Grenze in Gebiete aus- oder zurückweisen, in welchen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Ausnahmen hiervon sind gemäß Art. 33 S. 2 GFK nur dann möglich, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens vorliegt oder der Flüchtling aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit des Landes darstellt. Das Refoulemont-Verbot ist völkervertragsrechtlich nicht nur in 1 Gesetz betreffend das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 1. September 1953, BGBl. II, S. 559, in Kraft getreten gem. Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 25. April 1954, BGBl. 1. II, S. 619, http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&jumpTo=bgbl254s0619.pdf. 2 Der Volltext der Genfer Flüchtlingskonvention, des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967, das den zeitlichen und geografischen Anwendungsbereich des Abkommens erweiterte, sowie eine Liste der Vertragsstaaten sind auf der UNHCR Website zu finden, https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites /27/2017/03/GFK_Pocket_2015_RZ_final_ansicht.pdf. 3 Vgl. Schmahl/Jung, Die Genfer Flüchtlingskonvention, „Magna Charta“ des Flüchtlingsrechts, NVwZ-Extra 2018, 1 ff., 8. 4 Siehe dazu ausführlich, Zimmermann, The 1951 Convention relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol , A Commentary, 1. Aufl. 2011, Article 33, para. 1. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Schutzumfang der Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland Kurzinformation Schutzumfang der Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland Fachbereich WD 2 (Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 der GFK niedergelegt, sondern ebenfalls Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts, sodass es in Deutschland gemäß Art. 25 S. 2 GG Vorrang vor einfachgesetzlichen Normen genießt.5 Die Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention kommen Personen zu, die dem Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A Ziff. 2 GFK unterfallen. Als Flüchtlinge gelten demnach Menschen, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen oder politischer Überzeugung verfolgt werden. Eine rechtmäßige Einreise, ein Aufenthaltstitel oder die formelle Gewährung von Asyl ist nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Refoulement-Verbots .6 Die Genfer Flüchtlingskonvention kennt keine zeitliche Befristung des Rechts auf Asyl bzw. des Refoulemont-Verbots. In Art. 1 C. Ziff. 1 - 6 GFK sind jedoch materielle Gründe für die Beendigung des Flüchtlingsstatus normiert. Solche Gründe können sich sowohl aus dem individuellen Verhalten des Flüchtlings ergeben, etwa bei einer freiwilligen Rückkehr ins Herkunftsland, dem Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit (Ziff. 1 - 4), als auch in Veränderungen im Herkunftsstaat liegen, nämlich dem Wegfall der Fluchtumstände oder der nachhaltigen Veränderung der dortigen Lage (Ziff. 5 und 6). In diesen Fällen kommt es zu einem automatischen Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft.7 In der europäischen Praxis ist eine Beendigung des Aufenthalts des Schutzsuchenden jedoch auch nach nachhaltigen Veränderungen im Herkunftsland sehr selten, da flankierende Vorschriften des nationalen Asyl- und Aufenthaltsrechts den Aufenthalt dann weiterhin gestatten.8 *** 5 Vgl. hierzu Göbel-Zimmermann/Eichhorn/Beichel-Benedetti, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 1. Aufl. 2017, Teil II B. Rn. 39 m.w.N. 6 Siehe Göbel-Zimmermann/Eichhorn/Beichel-Benedetti (Fn. 5), Rn. 39. 7 Schmahl/Jung, (Fn. 3), S. 6 m.w.N.; ausführlich Bank, Die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nach der „Wegfall-der-Umstände“-Klausel, NVwZ 2011, 401 ff. 8 Siehe Schmahl/Jung, (Fn. 3), S. 6.