© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 035/18 Synopse der Traditionserlasse der Bundeswehr vom 20. September 1982 und vom 28. März 2018 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 2 Synopse der Traditionserlasse der Bundeswehr vom 20. September 1982 und vom 28. März 2018 Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 035/18 Abschluss der Arbeit: 28. März 2018 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Vergleichende Gegenüberstellung der Traditionserlasse der Bundeswehr vom 20. September 1982 und vom 28. März 2018 5 3. Die Wehrmacht und die ehemalige „Nationale Volksarmee“ (NVA) im neuen Traditionserlass 8 4. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 4 1. Einführung Am 28. März 2018 hat die Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen, in Hannover im Rahmen eines Festakts zur Umbenennung der Liegenschaft der „Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr“ 1 den neuen Traditionserlass der Bundeswehr 2 in Kraft gesetzt. Die Überarbeitung des Vorgängererlasses „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ vom 20. September 1982 sei notwendig geworden, so das Bundesministerium der Verteidigung, weil die Bundeswehr von heute mittlerweile eine andere geworden sei als vor mehr als 35 Jahren. Die Bundeswehr habe sich nach dem Mauerfall hin zur „Armee der Einheit“ grundlegend weiterentwickelt. Veränderungen der gesellschaftspolitischen sowie der sicherheits- und militärpolitischen Rahmenbedingungen wie das Ende des Kalten Krieges, neue Herausforderungen wie die Auslandseinsätze sowie strukturelle Anpassungen wie die Aussetzung der Wehrpflicht haben der Truppe ein neues Gesicht gegeben. 3 Anlass und Anstoß für die Überarbeitung des Vorgängererlasses gaben jedoch erkannte Unsicherheiten mit der Traditionspflege in der Truppe im Jahr 2017. 4 Vor diesem Hintergrund stellt der vorliegende Sachstand den neuen Traditionserlass der Bundeswehr dem Vorgängererlass vom 20. September 1982 gegenüber. 5 1 Am 28. März 2018 wurde in Hannover die Liegenschaft der Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr von Emmich-Cambrai-Kaserne in Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne umbenannt. Tobias Lagenstein ist ein im Jahr 2011 in Afghanistan gefallener Soldat der Bundeswehr. 2 Die Tradition der Bundeswehr – Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege. Traditionserlass der Bundesministerin der Verteidigung vom 28. März 2018. Abrufbar unter: https://www.bmvg.de/resource /blob/23234/6a93123be919584d48e16c45a5d52c10/20180328-die-tradition-der-bundeswehr-data.pdf (letzter Zugriff: 28. März 2018). 3 Vgl. Der Weg zum neuen Traditionserlass. Abrufbar unter: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/der-weg-zum-neuentraditionserlass -22358 (letzter Zugriff: 26. März 2018). 4 „Von der Leyen hatte den Anstoß zur Neuformulierung des Traditionserlasses gegeben, nachdem im vergangenen Frühjahr rechtsextremistische Verdachtsfälle in einem deutschen Jägerbataillon bekannt geworden waren, das zur deutsch-französischen Brigade gehört. Die Vorfälle boten den Anlass zu einer Durchsuchung in sämtlichen Bundeswehr -Liegenschaften, die ein paar hundert militärische Erinnerungsstücke zu Tage förderten, welche zu großen Teilen aus den Beständen der Wehrmacht aus den Zeiten des Nationalsozialismus stammten (Helme, Karabiner, Abzeichen), teilweise aber bis in die Zeit der Befreiungskriege zurückreichten (Säbel).“ Vgl. Leithäuser, Johannes (2018): Traditionen der Bundeswehr: Taugt die NVA als Vorbild für unsere Truppe? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, zuletzt aktualisiert am 20. Januar 2018. Abrufbar unter: http://www.faz.net/ aktuell/politik/inland/traditionserlass-bundeswehr-aendert-den-traditionsbezug-15459186.html (letzter Zugriff: 26. März 2018). 5 Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr. Traditionserlass des Bundesministers der Verteidigung vom 20. September 1982. Abrufbar unter: https://www.bundeswehr.de/portal /a/bwde/start/streitkraefte/grundlagen/geschichte/tradition/traditionserlass/!ut/p/z1/hU5PC4IwHP0sHbzutya VddMiKBQMhXSXmLpmsZzM5fr4GZ6CpHd7f3lAIQPasP4mmLmphsmB53R5CbwwDcmakDTe7vAhcoNgfi Ik2mE4_wvQwcYT8DEkFYd82FhNbey3C0iAAr2znr1Qq7SR3CBWfh5CXrOmkjxWpT8KR6BCqmK87jeF6wmgml- 55ho99SDXxrTdxsEOttYioZSQHFXcwb8ateoMZF9BaB-Zxe5C9qE_ewMuZlu_/dz/d5/L2dBI- SEvZ0FBIS9nQSEh/#Z7_B8LTL2922TPCD0IM3BB1Q22FC5 (letzter Zugriff: 26. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 5 2. Vergleichende Gegenüberstellung der Traditionserlasse der Bundeswehr vom 20. September 1982 und vom 28. März 2018 Traditionserlass 20. September 1982 „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ Hans Apel Traditionserlass 28. März 2018 „Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ Ursula von der Leyen gesellschafts- und sicherheitspolitische Rahmenbedingungen • Aufkommen der Friedensbewegung, sicherheitspolitisch dominantes Thema: NATO-Doppelbeschluss • Anlass zur Neufassung: öffentliche Diskussion zur 25-Jahr- Feier der Bundeswehr und zu Veranstaltungen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit; Kritik an öffentlicher Erscheinung der Traditionspflege als unzulässiger Überhöhung des Soldatendienstes • Einladung des Wehrmachtsoffiziers Hans-Ulrich Rudel zu einem Traditionstreffen der Bundesluftwaffe im Jahr 1976 • veränderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen und Axiome (Ende des Kalten Krieges, Überwindung der deutschen Teilung, Auslandseinsätze , „Armee der Einheit“) sind berücksichtigt • Aufstellung multinationaler Großverbände • Öffnung aller Laufbahnen für Frauen und die wachsende Diversität in den Streitkräften • Auslöser der Überarbeitung: Verstöße gegen die Bestimmungen zur Traditionspflege, Vorfälle von Rechtsextremismus und Wehrmachtsdevotionalien im April/ Mai 2017 militärpolitische Rahmenbedingungen • unklare Abgrenzung zur Wehrmacht • Stärkung der Verhaltenssicherheit der verantwortlichen militärischen Führer im Umgang mit Traditionsfragen • Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht • tiefe Einbindung in multinationale Strukturen • erfolgreiche Hilfeleistung in Notsituationen im In- und Ausland • Integrationsleistung der Bundeswehr als Armee der Einheit • Beitrag der Bundeswehr zum internationalen Krisenmanagement sowie die Bewährung in Einsätzen und im Gefecht • Aufstellung neuer Organisationsbereiche • 60 Jahre Bundeswehr Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 6 Traditionserlass 20. September 1982 „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ Hans Apel Traditionserlass 28. März 2018 „Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ Ursula von der Leyen Struktur und Sprache • drei Teile: - Grundsätze - Zielsetzungen - Hinweise Traditionspflege • durch inkonsequente Textredaktion mangelnde Stringenz sowie inhaltliche Vermischung von Traditionsverständnis und Traditionspflege • stilistisch orientiert sich der Erlass an dem Erfordernis, Tradition, (Militär-) Geschichte, historische Bildung und Brauchtum für einen Laien verständlich darzulegen und abzugrenzen. • Gliederung in vier stringente und logisch aufeinander aufbauende Kapitel (gedankliche Orientierung an vier Leitfragen): - Leitfrage 1: Was ist Tradition und warum braucht die Bundeswehr Tradition? Kapitel 1 erläutert die Grundsätze. Die Tradition wird definiert, die Voraussetzungen benannt, Eigenschaften und Zweck sowie Aufgabe geklärt und die Wirkung erläutert. - Leitfrage 2: Weshalb gibt es keine ungebrochene deutsche Militärtradition? Kapitel 2 benennt prägnant die besonderen Historischen Grundlagen. Diese Erläuterungen verweisen auf das Verhältnis von Tradition der Bundeswehr und deutscher (Militär-)Geschichte. - Leitfrage 3: Was ist das Traditionsverständnis der Bundeswehr? Kapitel 3 klärt Das Traditionsverständnis der Bundeswehr. Dieser Abschnitt ist kompakt gehalten, um den Wesenskern eines grundsätzlich offenen Traditionsverständnisses verständlich und übersichtlich darzustellen . - Leitfrage 4.: Wie pflegt die Bundeswehr ihre Tradition Kapitel 4 setzt Vorgaben für die Traditionspflege in der Bundeswehr Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 7 Traditionserlass 20. September 1982 „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ Hans Apel Traditionserlass 28. März 2018 „Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ Ursula von der Leyen inhaltliche Aussagen • Wertorientierung der Tradition der Bundeswehr: Maßstab Grundgesetz und die Verpflichtung auf Frieden und freiheitlich -demokratisches Selbstverständnis • Bundeswehr ist Verteidigungsarmee • Würdigung als erste demokratische Wehrpflicht-Armee • Unrechtsregime „Drittes Reich“ kann Tradition nicht begründen (keine eindeutige Aussage, dass die Bundeswehr nicht in Tradition zur Wehrmacht steht); Streitkräfte in Nationalsozialismus „teils schuldhaft verstrickt, teils schuldlos missbraucht “ • keine Hervorhebung des Widerstandes im Dritten Reich • Hervorhebung der eigenen Tradition der Bundeswehr • Symbole und Formen als Mittel/ Wege der Traditionspflege • keine Würdigung der Inneren Führung als Traditionsgut der Bundeswehr • Benennung von Kasernen und andere Einrichtungen der Bundeswehr mit Zustimmung des Bundesministers der Verteidigung nach Persönlichkeiten , die sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit und Recht verdient gemacht haben. • Traditionspflege in der Verantwortung der Kommandeure und Einheitsführer • Wertorientierung der Tradition der Bundeswehr (unverändert): Maßstab Grundgesetz und die Verpflichtung auf Frieden und Menschenrechte • Junktim von Militärgeschichte, historischer Bildung, Museumswesen , Symbolen und Tradition • eigene Geschichte als zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr Betonung der bundeswehreigenen Tradition, u.a. aus dem Kalten Krieg und aus den Auslandseinsätzen • Die ganze deutsche Militärgeschichte ist Resonanzraum der Tradition der Bundeswehr, aber klare Ausschlüsse: - „Drittes Reich“ und Wehrmacht sind nicht traditionswürdig. - Die ehemalige Nationale Volksarmee (NVA) der DDR ist nicht traditionswürdig (siehe Ziff. 3, Aussagen des Erlasses zur NVA) • Die Traditionswürdigkeit der preussischen Heeresreformen und des militärischen Widerstands gegen das NS-Regime (letzterer wird explizit genannt) ergibt sich aus der Systematik des Erlasses. • Würdigung der Aufbaugeneration der Bundeswehr • eindeutige Abgrenzung von vorbildlichem und traditionsstiftendem Verhalten. Beispiele für Tapferkeit nicht automatisch traditionswürdig Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 8 Traditionserlass 20. September 1982 „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ Hans Apel Traditionserlass 28. März 2018 „Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ Ursula von der Leyen inhaltliche Aussagen (Fortsetzung) • Erläuterung der Unterschiede zwischen Tradition, historischer Bildung , Museumswesen, Brauchtum und Totengedenken im alltäglichen Dienst • bestehende Benennungen von Liegenschaften, Kasernen und Verbänden /Dienststellen in Übereinstimmung mit dem Erlass • Verantwortung für Traditionspflege und historische Bildung erweitert auf Inspekteure und Leiter*Innen der Organisationsbereiche • Hinweis auf Beratungsleistungen des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) zu Fragen der Traditionspflege Tabelle 1: Synopse der Traditionserlasse von 1982 und 2018 6 3. Die Wehrmacht und die ehemalige „Nationale Volksarmee“ (NVA) im neuen Traditionserlass Während die „Nationale Volksarmee“ (NVA) im Traditionserlass der Bundeswehr aus dem Jahre 1982 – also acht Jahre vor der Wiedervereinigung – keine Erwähnung fand, wird im neuen Erlass sowohl im Kapitel 2. „Historische Grundlagen“ als auch im Kapitel 3. „Das Traditionsverständnis der Bundeswehr“ auf die ehemalige NVA rekurriert. Die folgende Übersicht stellt Aussagen des neuen Erlasse zur historischen Einordnung und zur Traditionswürdigkeit von Wehrmacht und NVA gegenüber. 6 Vom Verfasser dieses Sachstands auf Grundlage einer Zuarbeit aus dem Bundesministerium der Verteidigung erarbeitete Synopse. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 9 Aussagen des Traditionserlasses vom 28. März 2018 zur Wehrmacht zur Nationalen Volksarmee Kapitel 2 „Historische Grundlagen“ Kapitel 2.3. „Deutsche Streitkräfte zwischen 1919 und 1945“: „Mit Wiedereinführung der Wehrpflicht im Nationalsozialismus ging 1935 aus der Reichswehr die Wehrmacht hervor. Die Wehrmacht diente dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und war in dessen Verbrechen schuldhaft verstrickt, die in ihrem Ausmaß, in ihrem Schrecken und im Grad ihrer staatlichen Organisation einzigartig in der Geschichte sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie zu einem Instrument der rassenideologischen Kriegsführung.“ Kapitel 2.4.1. „Nationale Volksarmee“ „Die Nationale Volksarmee (NVA) war eine sozialistische Klassen- und Parteiarmee , die mit ihrer Aufstellung fest in das Bündnissystem der sozialistischen Staaten, den Warschauer Pakt, eingefügt wurde. Ihr Selbstverständnis orientierte sich an der Staatsideologie der DDR. Die NVA wurde von der SED geführt, handelte im Sinne ihrer Politik und trug maßgeblich zu ihrer Herrschaftssicherung bei. Während der Friedlichen Revolution 1989 ging sie jedoch nicht gegen das Freiheitsstreben der Bevölkerung vor. Ausgewählte ehemalige NVA- Angehörige wurden 1990 in die Bundeswehr übernommen und trugen zum Gelingen der Deutschen Einheit bei.“ Kapitel 3 „Das Traditionsverständnis der Bundeswehr“ Kapitel 3.4. „Ausschlüsse“: „Die Bundeswehr pflegt keine Tradition von Personen, Truppenverbänden und militärischen Institutionen der deutschen (Militär-)Geschichte, die nach heutigem Verständnis verbrecherisch, rassistisch oder menschenverachtend gehandelt haben.“ Kapitel 3.4.1. „Wehrmacht“: „Der verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig . Gleiches gilt für ihre Truppenverbände sowie Organisationen, die Militärverwaltung und den Rüstungsbereich. Die Aufnahme einzelner Angehöriger der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundeswehr ist dagegen grundsätzlich möglich . Voraussetzung ist dafür immer eine eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen. Dieses Abwägen muss die Frage persönlicher Schuld berücksichtigen und eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am militärischen Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr .“ Kapitel 3.4.2. „Nationale Volksarmee“ „Die NVA begründet als Institution und mit ihren Verbänden und Dienststellen keine Tradition der Bundeswehr. In ihrem eigenen Selbstverständnis war sie Hauptwaffenträger einer sozialistischen Diktatur. Sie war fest in die Staatsideologie der DDR eingebunden und wesentlicher Garant für die Sicherung ihres politisch-gesellschaftlichen Systems. Grundsätzlich ist jedoch die Aufnahme von Angehörigen der NVA in das Traditionsgut der Bundeswehr möglich. Sie setzt ebenfalls immer eine eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen voraus . Dieses Abwägen muss die Frage nach persönlicher Schuld berücksichtigen und eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Auflehnung gegen die SED-Herrschaft oder besondere Verdienste um die Deutsche Einheit.“ Tabelle 2: Wehrmacht und NVA im Traditionserlass von 28. März 2018 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 035/18 Seite 10 4. Fazit Der neue Erlass „Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege “ vom 28. März 2018 zielt auf die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und erläutert, was im 21. Jahrhundert für alle Angehörigen der Bundeswehr traditionswürdig ist. Der Erlass, zu dem gravierende Veränderungen der gesellschaftspolitischen sowie der sicherheits- und militärpolitischen Rahmenbedingungen zwangen und im Jahre 2017 erkannte Unsicherheiten im Umgang mit der Traditionspflege in der Truppe letztendlich Anlass und Anstoß gaben, berücksichtigt das Ende des Kalten Krieges, die Wiederherstellung der Deutschen Einheit sowie die Entwicklung der Bundeswehr zur Armee im Einsatz und zur Freiwilligenarmee . Der neue Erlass schreibt den aus dem Jahr 1982 fort. Das Verständnis der Bundeswehr von Tradition bleibt unverändert. Der neue Erlass schließt jedoch vorhandene Regelungslücken und schafft mehr Handlungssicherheit in der praktischen Traditionspflege. Er schafft Freiräume, aber zieht dort, wo notwendig, die erforderlichen Grenzen. Zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr ist künftig ihre eigene Geschichte. „Gleichzeitig öffnet der neue Erlass die gesamte deutsche Militärgeschichte als Resonanzraum dieser Tradition.“7 Diese bleibt jedoch wertegebunden, wie schon im Erlass von 1982. So bindet auch der neue Traditionserlass das Traditionsverständnis und die Traditionspflege der Bundeswehr in zeitloser Gültigkeit an die Werte und Normen der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Somit – und dies stellt der neue Erlass heraus – sind die Wehrmacht und die Nationale Volksarmee als Institutionen nicht traditionswürdig. Das Wertefundament des Grundgesetzes wird in dem neuen Erlass systematischer abgeleitet. So hebt er hervor, dass die Werte des Grundgesetzes weit älter als dieses selbst sind. Damit lässt sich Erinnerungs- und Bewahrungswürdiges aus allen Epochen der deutschen Militärgeschichte in das Traditionsgut der Bundeswehr übernehmen. Ihr Traditionskanon bleibt grundsätzlich offen, und die Verengung der deutschen Militärgeschichte auf wenige Traditionslinien wird beseitigt. 8 Das wesentlich Neue des Erlasses vom 28. März 2018 ist folglich die zentrale Stellung der eigenen Geschichte der Bundeswehr bei gleichzeitiger Wiedergewinnung der gesamten deutschen (Militär-)Geschichte als Resonanzraum der Tradition der Bundeswehr. *** 7 Vgl. Entwurf mit klarer Signalfunktion. Generalleutnant Klaus von Heimendahl zum Entwurf Traditionserlass. 22. Februar 2018. Abrufbar unter: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/entwurf-mit-klarer-signalfunktion-22364 (letzter Zugriff: 26. März 2018). 8 Vgl. Der Weg zum neuen Traditionserlass, a.a.O.