© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 029/20 Geltung des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts für Duldung der US-Drohneneinsätze über die Militärbasis Ramstein Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 029/20 Seite 2 Geltung des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts für Duldung der US-Drohneneinsätze über die Militärbasis Ramstein Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 029/20 Abschluss der Arbeit: 17. April 2020 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 029/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung und Fragestellung 4 2. Prüfungsmaßstab des Parlamentsvorbehalts 4 3. Kein Parlamentsvorbehalt im konkreten Fall 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 029/20 Seite 4 1. Einführung und Fragestellung Die Militärbasis in Ramstein wird, soweit ersichtlich, durch die USA als eine sog. Relaisstation benutzt, die das aus den USA ausgehende Funksignal in das Einsatzgebiet der ferngesteuerten Drohnen durchleitet. Auf diese Weise wird technisch gewährleistet, dass US-Militärangehörige, ohne vor Ort zu sein, in Echtzeit bewaffnete Drohnen steuern können, die etwa in Irak, Syrien oder Jemen Waffengewalt gegenüber Personen oder anderen militärischen Zielen anwenden.1 Gefragt wird, ob es aus verfassungstheoretischen Gründen, insbesondere aus den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts denkbar ist, eine parlamentarische Beteiligungspflicht für eine Duldung solcher Drohneneinsätze durch die Bundesregierung2 herzuleiten. 2. Prüfungsmaßstab des Parlamentsvorbehalts Die Reichweite des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts für die Einsätze der Bundeswehr ist zunächst in der Rechtsprechung des BVerfG3 umrissen und dann in dem Art. 1 Abs. 2 iVm Art. 2 des im Jahr 2005 verabschiedeten Parlamentsbeteiligungsgesetzes (PalrBetG)4 geregelt worden. Danach bedarf der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte außerhalb Deutschlands der Zustimmung des Bundestages. Ein solcher Einsatz liegt gem. Art. 2 Abs. 1 ParlBetG vor, wenn Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung zu erwarten ist. Von der Zustimmung ausgenommen sind gem. Art. 2 Abs. 2 ParlBetG etwa Vorbereitungseinsätze und humanitäre Hilfseinsätze. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch die Kommentarliteratur sind sich einig, dass die genannten Zustimmungsvoraussetzungen weit auszulegen seien. So soll der Parlamentsvorbehalt ermöglichen, dass der Bundestag im Vorhinein eine echte Entscheidung über einen bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr zum Schutz der Grundrechte der deutschen Soldaten treffen kann. Denn ist der Einsatz faktisch bereits angefangen, so bestimmt sich seine Weiterführung 1 So der ehemalige US-Drohnenpilot Brandon Bryant im Interview mit Süddeutscher Zeitung vom 4. April 2014, US-Drohnenkrieg, „Immer fließen die Daten über Ramstein“, https://www.sueddeutsche.de/politik/us-drohnenkrieg -immer-fliessen-die-daten-ueber-ramstein-1.1929160 (letzter Zugriff: 17. April 2020). 2 Zur Rolle der Bundesregierung - noch nicht rechtskräftig - OVG Münster, Urteil vom 19. März 2019 – 4A 1361/15, BecksRS 2019, 5665. Das Gericht hat den US-Drohneneinsatz in Jemen im Jahr 2012 für nicht völkerrechtskonform befunden und dessen Duldung durch die Bundesregierung als nicht vereinbar mit der aus Art. 2 Abs. 1 GG resultierenden Schutzpflicht des Staates für das Leben der Menschen – in diesem Fall in Drohneneinsatzgebieten – festgestellt. Zu diesem Urteil ausführlich und kritisch Heinemann, Patrick, NVwZ 2019, 1580; Aust, Helmut Philipp, JZ 2020, 303; sowie zustimmend Scheytt, Yolande, Ramstein, Verfassungsblog vom 8. Januar 2020, https://verfassungsblog.de/ramstein-deutschlands-mitverantwortung-fuer-voelkerrechtswidrigedrohnenangriffe / (letzter Zugriff: 17. April 2020) 3 Siehe insb. sog. erste AWACS-Entscheidung des BVerfG, Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92, BVerfGE 90, 286. 4 Bundesgesetzblatt 2005, Teil I Nr. 17, S. 775. http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&jumpTo=bgbl105s0775.pdf (letzter Zugriff: 17. April 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 029/20 Seite 5 nach der militärischen Zweckmäßigkeit, ohne dass eine echte Entscheidung über mögliche Folgen des Einsatzes durch das Parlament noch möglich ist.5 Nach diesen Grundsätzen besteht weitgehend Einigkeit, dass etwa der Einsatz von Drohnen im Ausland, ferngesteuert durch deutsche Soldaten aus Deutschland, dem Parlamentsvorbehalt unterliegen würde.6 3. Kein Parlamentsvorbehalt im konkreten Fall Die hier aufgeworfene Frage betrifft indessen einen anderen Fall. Denn deutsche Militärangehörige beteiligen sich – soweit aus dem oben unterstellten Sachverhalt ersichtlich – weder an der Drohnensteuerung noch an der technischen Weiterleitung des Funksignals. Eine mögliche Duldung entsprechender amerikanischer Handlungen kann aber auch unter Anwendung der weiten Maßstäbe von Rechtsprechung und Literatur aus Sicht des Autors7 nicht als dem Parlamentsvorbehalt unterliegend angesehen werden. Denn eine Duldung, also das Unterlassen von bestimmten Maßnahmen durch die Bundesregierung, entspricht nicht einem – begriffsnotwendig aktiven – Einsatz des Bundeswehrpersonals.8 Eine konkrete Möglichkeit, wie deutsche Streitkräfte hierbei in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden können, ist nicht ersichtlich. Dies gilt auch dann, wenn US-Drohnen im bewaffneten Konflikt eingesetzt werden. Zwar könnte ein am Konflikt beteiligtes Land möglicherweise die US-Militärbasis in Ramstein als militärisches Ziel angreifen. Jedoch wären davon unmittelbar nur US-Militärangehörige in Ramstein und gerade keine deutschen Staatsbürger konkret betroffen. *** 5 BVErfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03, BVerfGE 121, 135; ausführlich Epping, Volker, in: Epping/Hillhuber , BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand 1. Dezember 2019, Art 87a GG Rn. 24 ff; Burkiczak, Christian, Parlamentsbeteiligungsgesetz , Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 2 Rn. 2 ff. 6 Siehe bereits die Ausarbeitung „Kampfdrohnen aus völkerrechtlichen Sicht“ (WD 2 – 300 – 118/12) vom 27. September 2012, https://www.bundestag.de/resource/blob/406736/945fddf928288908c6cc2e924cd0a5a6/WD-2- 118-12-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 17. April 2020); ferner Frau/Robert/Gauseweg, Simon, https://www.juwiss .de/90-2014/ (letzter Zugriff: 17. April 2020). 7 Soweit ersichtlich, gibt es zu der Fragestellung noch keine direkten Stellungnahmen in der Kommentarliteratur oder in der Rechtsprechung. 8 So lehnt auch das OVG Münster (Fn. 2) einen aktiven Grundrechtseingriff ab und stellt lediglich auf die (passive ) Verletzung der Schutzpflicht durch die Bundesregierung ab.