© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 - 027/20 Die Volksrepublik China und der internationale Menschenrechtsschutz Die chinesische Haltung zu Menschenrechten am Beispiel von Menschenrechtsverträgen und internationalen Organisationen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Grundrechte in der chinesischen Verfassung 5 3. Menschenrechtliche Verträge 6 3.1. Ratifizierung von Menschenrechtsverträgen 6 3.2. Vorbehalte 9 3.3. Ratifizierung von Zusatzprotokollen 10 4. Internationale Menschenrechtserklärungen 11 5. Chinas Verhalten in den Vereinten Nationen 12 5.1. Abstimmungsverhalten und Stellungnahmen im Menschenrechtsrat 12 5.2. Abstimmungsverhalten in der Generalversammlung zu Menschenrechtsthemen 15 5.3. Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat zu Menschenrechtsthemen 16 5.4. Die „Universal Periodic Review“ des Menschenrechtsrats 18 6. Fazit 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 4 1. Einführung Menschenrechten wird oftmals Universalität und Transkulturalität zugesprochen. 1 Hingegen wird in der Literatur teils angemerkt, dass Menschenrechte aufgrund der unterschiedlichen philosophischen Grundlagen, nicht zuletzt in China, als Import aus anderen Kulturkreisen gelten.2 So verwundert es nicht, dass sich die Herleitung der Menschenrechte in den westlichen und chinesischen Philosophien wesentlich unterscheidet. In der westlichen Welt beruht das Verständnis von Menschenrechten maßgeblich auf den Ideen der Aufklärung und der Naturrechte . Im Gegensatz dazu ist der Konfuzianismus aus chinesischer Perspektive prägend.3 Mit Blick auf die Menschenrechte stehen heute einheitliche, internationale Normen, die durch völkerrechtliche Verträge und unter der Schirmherrschaft internationaler Organisationen, wie den Vereinten Nationen, entwickelt wurden im Mittelpunkt des rechtlichen Diskurses. Dabei hat auch die Perspektive und Haltung der Volksrepublik China Einfluss auf die dynamische Entwicklung von Menschenrechtsstandards auf internationaler Ebene. Gleichzeitig zeigen sich NGOs, wie Human Rights Watch und Amnesty International, alarmiert über eine mangelnde Achtung von Menschenrechten innerhalb Chinas.4 Kritisiert wird beispielsweise der derzeitige Umgang mit den Uiguren in der Provinz Xinjiang. Daneben bestehen etwa hinsichtlich Tibet, Hong Kong und Taiwan geo- und ordnungspolitische Schwierigkeiten sowie Territorialkonflikte, welche die chinesische Politik und das Verhältnis zu der internationalen Staatengemeinschaft mitbestimmen. Bestrebungen, den Menschenrechtsschutz in China zu fördern, führten in der Vergangenheit unter anderem zur Gründung bilateraler Foren, darunter etwa der „deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog “, der auf Vorschlag der Bundesregierung seit 2000 im jährlichen Austausch stattfindet .5 Allerdings behält sich die chinesische Regierung die Absage des Treffens vor, wie es in den 1 Marcel Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Auflage 2016, S. 133 (209 f.). 2 Gan Shaoping, Menschenrechte in China – Von der Idee zur Realität, in: Brunozzi/Dhouib/Pfannkuche (Hrsg.), Transkulturalität der Menschenrechte, 2013, S. 243 (245). 3 Ibid, S. 243 (246 ff.); Heiner Roetz, Menschenrechte und Konfuzius, Zeit Nr. 24/1995, vom 9. Juni 1995, https://www.zeit.de/1995/24/Menschenrechte_und_Konfuzius/komplettansicht. 4 Amnesty International, „China 2019“ vom 29. Januar 2020, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2019/china. Human Rights Watch, „World Report 2020: Die globale Bedrohung der Menschenrechte durch China“, https://www.hrw.org/de/world-report/2020/country-chapters/337674. 5 Vgl. Website des BMJV, „Der deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog“, https://www.bmjv.de/DE/Themen/EuropaUndInternationaleZusammenarbeit/DeutschChinesischerRechtsstaats dialog/DeutschChinesischerRechtsstaatsdialog_node.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 5 Jahren 2017 und 2019 geschah, wenn deutsche Delegierte sich in internationalen Foren zuvor kritisch zur Menschenrechtslage in China äußern.6 Vor diesem Hintergrund setzt sich die vorliegende Ausarbeitung mit der chinesischen Herangehensweise an den internationalen Menschenrechtsdiskurs auseinander. Hierbei werden die chinesische Politik sowie Chinas Verpflichtungen im Kontext des internationalen Menschenrechtsschutzes analysiert und eingeordnet. Leitende Fragestellung ist, wie China sich auf internationalem „Parkett“ zu Menschenrechten positioniert. Die Untersuchung beschränkt sich weitgehend auf die völkerrechtliche Perspektive. Dazu wird zunächst dargelegt, inwiefern sich menschenrechtliche Verpflichtungen aus der chinesischen Verfassung und aus internationalen Menschenrechtsverträgen ergeben. Ferner wird auf Chinas Beitrag zu internationalen Menschenrechtserklärungen eingegangen. Schließlich wird das Auftreten der Volksrepublik auf internationaler Ebene näher betrachtet, insbesondere das chinesische Verhalten in verschiedenen Gremien der Vereinten Nationen. 2. Grundrechte in der chinesischen Verfassung Die Verfassung der Volksrepublik China stammt aus dem Jahr 19827 und behandelt in ihrem Zweiten Kapitel die Grund- und Menschenrechte chinesischer Staatsbürger. In Artikel 33 Abs. 3 bekräftigt sie, dass der Staat Menschenrechte respektiert und einhält. Dieses programmatische Bekenntnis zum Schutz der Menschenrechte wurde im Zuge der Verfassungsänderung von 2004 aufgenommen.8 Die darauffolgenden Artikel 34 ff. der Verfassung enthalten Ausgestaltungen spezifischer Rechte der chinesischen Staatsbürger. Darunter sind sowohl Menschenrechte bürgerlicher und politischer als auch wirtschaftlicher und sozialer Art. Dabei garantieren viele der Artikel nicht nur Rechte, sondern legen im Gegenzug auch Pflichten der Bürger fest, wie aus Artikel 33 Abs. 4 und den Artikeln 52 ff. hervorgeht. Diese Pflichten des Menschen gegenüber der Gesellschaft bilden den Kern der chinesischen Philosophie.9 6 TAZ Online, „Menschenrechtsdialog in der Sackgasse - Peking sagt Dialog mit Berlin ab“, https://taz.de/Menschenrechtsdialog-in-der-Sackgasse/!5647972/. 7 Der Text der Verfassung der VR China in englischer Übersetzung findet sich unter, https://npcobserver.files.wordpress.com/2018/12/PRC-Constitution-2018.pdf. 8 Vgl. Schulte-Kulkmann/Shih/Heilmann, Änderungen der Verfassung der Volksrepublik China (2004), Übersetzung und Kommentar, China Analysis No. 32, April 2004, S. 10 ff., http://www.chinapolitik.org/files/no_32_aktualisiert.pdf. 9 Gan Shaoping, „Menschenrechte in China – Von der Idee zur Realität“, in: Brunozzi/Dhouib/Pfannkuche (Hrsg.), Transkulturalität der Menschenrechte, 2013, S. 243 (247, 249). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 6 Darüber hinaus bestimmt Artikel 51 der chinesischen Verfassung, dass die Ausübung von Grundrechten und Freiheiten durch den Einzelnen die Interessen des Staates, der Gesellschaft und der Gemeinschaft nicht beeinträchtigen darf.10 Problematisch gestaltet sich allerdings die Durchsetzbarkeit der in der Verfassung garantierten Rechte, da den chinesischen Gerichten eine unmittelbare Anwendung der Verfassungsnormen grundsätzlich verwehrt bleibt.11 Eine gerichtliche Kontrolle der Vereinbarkeit von einfachen Gesetzen mit der chinesischen Verfassung ist nicht vorgesehen.12 Die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ist nicht vorgesehen. Aus diesem Grund existiert insofern kaum nennenswerte Verfassungsrechtsprechung.13 3. Menschenrechtliche Verträge 3.1. Ratifizierung von Menschenrechtsverträgen Auf internationaler Ebene existieren zahlreiche völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschenrechte . Dabei können verschiedene Kategorien von Menschenrechtsverträgen unterschieden werden: Universelle Verträge (insbesondere der VN Zivil- und Sozialpakt), Verträge, die eine bestimmte Gruppierung schützen (wie etwa die VN-Kinderrechtskonvention) sowie Verträge, die bestimmte Verhaltensweisen unterbinden (VN-Antifolterkonvention). Mit der Ratifizierung des jeweiligen Vertrags werden die darin festgelegten Pflichten völkerrechtlich verbindlich angenommen . Die Einhaltung der in den Verträgen vorgesehenen Garantien wird von einem dafür eingerichteten Ausschuss überwacht. Die Volksrepublik China ist Vertragsstaat vieler bedeutender, internationaler Menschenrechtsverträge .14 Hervorzuheben ist, dass China den Zivilpakt (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, IPbpR), einen der zentralen Menschenrechtsverträge mit 173 Vertragsstaaten, zwar unterzeichnet, aber bislang nicht ratifiziert hat. Dass China den Sozialpakt (Internationaler 10 Text der Verfassung der VR China in englischer Übersetzung, https://npcobserver.files.wordpress.com/2018/12/PRC-Constitution-2018.pdf. 11 Sanzhuan Guo, Implementation of Human Rights Treaties by Chinese Courts: Problems and Prospects, Chinese Journal of International Law (2009), Vol. 8, No. 1, S. 161 (168), https://academic.oup.com/chinesejil/article/8/1/161/311412. 12 Michael Davis, Chinese Perspectives on Human Rights, in: ders. (Hrsg.), Human Rights and Chinese Values – Legal, Philosophical, and Political Perspectives, 1995, S. 9. 13 Sanzhuan Guo, Implementation of Human Rights Treaties by Chinese Courts: Problems and Prospects, Chinese Journal of International Law (2009), Vol. 8, No. 1, S. 161 (171 ff., 178), https://academic.oup.com/chinesejil/article/8/1/161/311412. 14 Eine Übersicht findet sich unter, https://treaties.un.org/Pages/Treaties.aspx?id=4&subid=A&clang=_en. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 7 Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, IPwskR) dagegen ratifiziert hat, signalisiert eine Präferenz und Priorisierung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte. Diese deutliche Präferenz der Kollektivrechte gegenüber Individualrechten15 in der chinesischen Herangehensweise im Menschenrechtsdiskurs ergibt sich daraus, dass aus der Perspektive der VR China nicht das Individuum, sondern die Gesellschaft und Gemeinschaft im Vordergrund stehen .16 Diese Sichtweise entspringt der Tradition des Konfuzianismus, der die chinesische Kultur und Gesellschaft seit Jahrhunderten prägt. Dem einzelnen Bürger obliegt es nach dieser Philosophie, nach Harmonie im Gemeinwesen zu streben.17 Von besonderer Bedeutung ist dabei auch die Stabilität von Ordnung und Hierarchie.18 Die konfuzianische Denkweise basiert nicht auf den Kategorien von Institutionen und Recht, sondern dem Mensch als Teil der Gesellschaft.19 Sie kennt zwar die Inhalte, die das Konzept der Menschenrechte auszeichnen, betrachtet dieses aber aus dem Blickwinkel der Verpflichtung und nicht der Berechtigung20, wobei der Staat das Wohlbefinden der Bürger garantiert und reguliert.21 Aufgrund dessen scheinen die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die gemäß Artikel 22 des Sozialpakts schrittweise zu realisieren sind, der chinesischen Denkweise vertrauter zu sein, als die stärker auf das Individuum bezogenen politischen und bürgerlichen Rechte, die als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert sind und damit zur Beschränkung von staatlichen Eingriffen in die Freiheit des Individuums dienen. Diese konfliktive Konzeption lässt sich mit der dargestellten chinesischen Philosophie nicht in Einklang bringen.22 15 Sonya Sceats / Shaun Breslin, “China and the International Human Rights System”, Chatham House, Oct. 2012, S. 8 f., https://www.chathamhouse.org/sites/default/files/public/Research/International%20Law/r1012_sceatsbreslin.p df. 16 Gan Shaoping, Menschenrechte in China – Von der Idee zur Realität, in: Brunozzi/Dhouib/Pfannkuche (Hrsg.), Transkulturalität der Menschenrechte, 2013, S. 243 (247, 249). 17 Ibid, S. 243 (247). 18 Ibid, S. 243 (254). 19 Heiner Roetz, „Menschenrechte und Konfuzius“, Zeit Nr. 24/1995, https://www.zeit.de/1995/24/Menschenrechte_und_Konfuzius/komplettansicht. 20 Ibid. 21 Ibid. Margaret Ng, Are Rights Culture-Bound?, in: Michael Davis (Hrsg.), Human Rights and Chinese Values – Legal, Philosophical, and Political Perspectives, S. 66 f. 22 Ibid, S. 59 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 8 Die VR China ratifizierte zahlreiche völkerrechtliche Verträge innerhalb von etwa ein bis zwei Jahren nach Inkrafttreten des jeweiligen Menschenrechtsinstruments und damit relativ schnell. Die Bundesrepublik benötigte für die Ratifizierung einiger dieser Konventionen zwischen zwei und vier Jahren, während sie andere Verträge ebenfalls vor oder kurz nach Inkrafttreten ratifizierte . Im Hinblick auf die 1951 in Kraft getretene Völkermordkonvention ergibt sich allerdings für China eine erhebliche Verzögerung von 32 Jahren, die zwischen Inkrafttreten und Ratifizierung des Vertrags lagen. Den Sozialpakt ratifizierte die Volksrepublik erst 2001 und damit etwa 25 Jahre nach dessen Inkrafttreten im Jahr 1976. Insbesondere völkerrechtliche Verträge, die zwischen 1949 und 1979 entstanden, ratifizierte China mit größeren Verzögerungen. Erst im Zuge der Phase der Reform- und Öffnungspolitik Chinas , die 1978 ihren Anfang nahm23, wurde mit Beginn der 80er-Jahre eine deutlich schnellere Reaktion der Umsetzung internationaler Menschenrechtsinstrumente erkennbar, was sich etwa im Hinblick auf die von China bereits 1980 ratifizierte Frauenrechtskonvention manifestierte, die seit 1979 zur Unterzeichnung aufliegt.24 Maßgeblich ist auch, dass die Volksrepublik China erst seit der Übernahme des Sitzes von Taiwan (Republik China) 1971 als chinesische Repräsentantin bei den Vereinten Nationen auftritt. Nach der Übernahme des VN-Sitzes durch die VR China erklärte die Regierung alle Ratifizierungen durch Taiwan für ungültig.25 Seither begegnet China dem Völkerrecht mit einiger Vorsicht. 26 Mit der Unterzeichnung und Ratifizierung menschenrechtlicher Verträge, signalisiert China zwar eine grundsätzliche Bereitschaft, das Völkerrecht zu achten. Hinter diesem Verhalten vermuten etwa Schulte-Kulkmann/Shih/Heilmann allerdings politische Gründe mit dem Ziel der Wahrung der eigenen Reputation auf internationaler Ebene.27 Denn durch eine allgemeine Achtung des Völkerrechts kann sich China sein internationales Ansehen, auf das es viel Wert legt, erhalten,28 eine stärkere Integration in die internationale (Wirtschafts-)Gemeinschaft erreichen und gleichzeitig internationaler Kritik vorbeugen. 23 Katie Lee, China and the International Covenant on Civil and Political Rights: Prospects and Challenges, Chinese Journal of International Law (2007), Vol. 6, No. 1, S. 445 (446). 24 Zum Stand der Ratifikationen der Konvention vgl., https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-8&chapter=4&clang=_en. 25 Vgl. UN Treaty Collection, Status of Treaties – Historical Information, https://treaties.un.org/Pages/HistoricalInfo.aspx?clang=_en#China. 26 Aarshi Tirkey, Charting China’s Approach to International Law, Observer Research Foundation, vom 23. Mai 2018, https://www.orfonline.org/expert-speak/charting-chinas-approach-to-international-law/. 27 Vgl. Schulte-Kulkmann/Shih/Heilmann, Änderungen der Verfassung der Volksrepublik China (2004), Übersetzung und Kommentar, China Analysis No. 32, April 2004, S. 10, http://www.chinapolitik.org/files/no_32_aktualisiert.pdf. 28 Vgl. Tim Rühlig, „How China Approaches International Law: Implications for Europe”, European Institute for Asian Studies, Mai 2018, S. 14, https://www.eias.org/eu-asia-at-a-glance/how-china-approaches-internationallaw -implications-for-europe/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 9 3.2. Vorbehalte Über die Erklärung sog. Vorbehalte kann ein Staat – unter gewissen Voraussetzungen – die Geltung eines völkerrechtlichen Vertrags für sich selbst einschränken.29 Die Erklärung von Vorbehalten ist gängige Praxis und wird von einer Vielzahl von Staaten genutzt, um menschenrechtliche Verpflichtungen an nationale Haltungen und Besonderheiten anzupassen. Dabei nutzt die Bundesrepublik Deutschland das Instrument für menschenrechtliche Verträge weit weniger weitreichend als beispielsweise die USA, die Vorbehalte regelmäßig verwendet, um extensive Einschränkungen herbeizuführen.30 Die VR China erklärte, mit Ausnahme der Behindertenrechtskonvention, Vorbehalte in Bezug auf alle Menschenrechtsverträge. Diese verfolgen häufig das Ziel, eine im Vertrag vorgesehene Streitbeilegung durch den Internationalen Gerichtshof bzw. einer Schiedsgerichtsbarkeit auszuschließen . Für die Völkermordkonvention erfolgte ein Ausschluss von Artikel IX31, für die Anti-Rassismus- Konvention ein Ausschluss von Artikel 2232, für die Frauenrechtskonvention ein Ausschluss von Artikel 29 Abs. 133 und für die Antifolterkonvention ein Ausschluss von Artikel 30 Abs. 134. Diese Artikel sehen allesamt eine Unterwerfung unter die Zuständigkeit der vertraglich vorgesehenen Spruchkörper vor. Durch den Ausschluss der Streitbeilegungsklauseln verhindert China, dass internationale Spruchkörper sich mit Streitigkeiten befassen können, die das Land betreffen und sichert sich gegen solche Verfahren ab. Im Hinblick auf die Antifolterkonvention erklärte China ferner, die Kompetenz des Antifolterausschusses gemäß Artikel 20 der Konvention, Informationen über systematische Folterpraktiken zu prüfen und ggf. weiter zu untersuchen sowie die Verpflichtung der Staaten zur Kooperation mit dem Ausschuss, nicht anzuerkennen.35 29 Vgl. Artikel 19 ff. der Vienna Convention on the Law of Treaties (angenommen am 23. Mai 1969, in Kraft getreten am 27. Januar 1980), https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%201155/volume-1155-I-18232- English.pdf. 30 Eine Übersicht findet sich unter: https://treaties.un.org/Pages/Treaties.aspx?id=4&subid=A&clang=_en. 31 Vgl. https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-1&chapter=4&clang=_en. 32 Vgl. https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-2&chapter=4&clang=_en. 33 Vgl. https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-8&chapter=4&clang=_en. 34 Vgl. https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-9&chapter=4&clang=_en. 35 Vgl. https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-9&chapter=4&clang=_en. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 10 Bezüglich der Kinderrechtskonvention erklärte China hinsichtlich Artikel 6 (Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung von Kindern) einen Vorbehalt dahingehend, dass die Grundsätze der Vorschrift mit Artikel 25 der chinesischen Verfassung (Familienplanung) übereinstimmen müssten .36 Hinsichtlich des Sozialpakts erklärte China, dass die Anwendung des Artikels 8 Abs. 1 lit. a (Gründung von und das Beitreten zu Gewerkschaften) mit den relevanten nationalen Vorschriften im Einklang stehen müsse. Dieser Vorbehalt betrifft eine Garantie aus dem Sozialpakt, die gerade keiner progressiven Umsetzung bedarf und veranschaulicht dabei erneut Chinas Präferenz positiver Leistungsrechte, bei denen der Staat als Garant statt als „Gefährder“ menschenrechtlicher Freiheit (Abwehrrechte) auftreten kann.37 3.3. Ratifizierung von Zusatzprotokollen Blickt man auf die Zusatzprotokolle völkerrechtlicher Verträge, wird deutlich, dass China lediglich das 1. und 2. Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention (Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten bzw. Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornographie) ratifizierte, hingegen nicht die Zusatzprotokolle zum VN-Sozialpakt, der Antifolterkonvention, der Behindertenrechtskonvention sowie das 3. Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention.38 Diese nicht-ratifizierten Zusatzprotokolle betreffen allesamt die Einrichtung von Mechanismen zur Kontrolle der Umsetzung und Einhaltung der entsprechenden Konventionsgarantien, etwa die Ermöglichung von Individualbeschwerden. Eine Überprüfung chinesischer Einzelfälle durch diese Organe ist damit ausgeschlossen. Im Rahmen der ratifizierten Verträge obliegt China dennoch eine regelmäßige Berichterstattung. Auf diese Weise ist das Land gezwungen, mit den Ausschüssen , die für die Überwachung der Verträge zuständig sind, zu interagieren. Bei alledem lässt sich eine rote Linie erkennen: China unterwirft sich einer großen Anzahl an Menschenrechtsverträgen, akzeptiert jedoch nicht die Kompetenzen internationaler Spruchkörper und Gremien zur Überprüfung der Umsetzung und Einhaltung dieser Verträge. Diese Praxis ermöglicht eine Interpretation und Umsetzung nach eigenen Werten und Standards. Sie verdeutlicht auch, dass dem Prinzip der Staatensouveränität ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine ausschließlich chinesische Praxis. Auch andere wichtige Staaten, wie die USA oder Russland, haben teilweise die gleichen Zusatzprotokolle nicht ratifiziert. 36 Vgl. https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-11&chapter=4&clang=_en. 37 Katie Lee, China and the International Covenant on Civil and Political Rights: Prospects and Challenges, Chinese Journal of International Law (2007), Vol. 6, No. 1, S. 445 (467). 38 Eine Übersicht findet sich unter: https://treaties.un.org/Pages/Treaties.aspx?id=4&subid=A&clang=_en. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 11 4. Internationale Menschenrechtserklärungen Neben menschenrechtlichen Verträgen existieren verschiedene internationale Menschenrechtserklärungen . Bei diesen Erklärungen handelt es sich um Erkenntnisse und Ergebnisse internationaler Konferenzen im Rahmen internationaler Organisationen. Als solche sind sie zwar rechtlich nicht bindend, können aber dennoch Einfluss auf den internationalen Menschenrechtsschutz ausüben, insbesondere bei der Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht. China beteiligte sich im Rahmen der „World Conference on Human Rights“ im Juni 1993 an der sog. Wiener Erklärung (Vienna Declaration and Programme of Action), die unter anderem die Universalität der Menschenrechte betont sowie die Pflicht aller, ohne Anschauung der jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systeme, Menschenrechte zu schützen.39 Dies spricht zunächst dafür, dass China ein solches Verständnis von Menschenrechten nicht kategorisch ablehnt. Eine etwas andere Sichtweise auf die Menschenrechte zeigt sich hingegen in der sog. Bangkok- Erklärung, die im Zuge des regional-asiatischen Treffens zur Vorbereitung auf die World Conference on Human Rights im April 1993 unter Mitwirkung Chinas entstand.40 Dort wird zwar die Universalität und Objektivität der Menschenrechte anerkannt, dabei jedoch ein Schwerpunkt auf die Staatensouveränität gelegt. Dies wird bereits in der Präambel deutlich: „Stressing the universality, objectivity and non-selectivity of all human rights and the need to avoid the application of double standards in the implementation of human rights and its politicization, (…) Recognizing that the promotion of human rights should be encouraged by cooperation and consensus, and not through confrontation and the imposition of incompatible values […]“ Auch im weiteren Text der Erklärung wird betont, dass jeder Staat sein eigenes politisches System entwerfen könne und Menschenrechte nicht als Instrument für politischen Druck oder als Bedingung zur Gewährung von Entwicklungshilfe genutzt werden sollten.41 Zudem wird klargestellt , dass die dynamische normative Entwicklung internationaler Menschenrechtsstandards verschiedene nationale und regionale Besonderheiten und historische, kulturelle und religiöse Hintergründe berücksichtigen müsse.42 39 Vgl. World Conference on Human Rights, „Vienna Declaration and Programme of Action, Adopted by the World Conference on Human Rights in Vienna on 25 June 1993”, https://www.ohchr.org/en/professionalinterest/pages/vienna.aspx. 40 World Conference on Human Rights, „Final Declaration of the Regional Meeting for Asia of the World Conference on Human Rights“, A/CONF.157/ASRM/8, vom 7. April 1993, https://undocs.org/en/A/CONF.157/ASRM/8. 41 Vgl. Punkt 4 der Bangkok-Erklärung, https://undocs.org/en/A/CONF.157/ASRM/8. 42 Vgl. Punkt 8 der Bangkok-Erklärung, https://undocs.org/en/A/CONF.157/ASRM/8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 12 Diese Aspekte deuten auf eine gewisse Vorsicht gegenüber dem internationalen Menschenrechtsschutz hin. Sie zeigen vor allem eine Skepsis der teilnehmenden asiatischen Staaten dahingehend , dass Menschenrechte als politisches Druckmittel eingesetzt werden könnten. Daneben hat die VN-Generalversammlung am 4. Dezember 1986 die „Declaration on the Right to Development“43 verabschiedet, welcher laut eines chinesischen White Papers aus dem Jahr 2016 große Bedeutung beigemessen wird.44 Darin erklärt China, es habe einen wichtigen Beitrag zur Entstehung dieser Erklärung geleistet und zum internationalen Diskurs beigetragen, indem es das Recht auf Entwicklung auch im Menschenrechtsrat und seinem Vorgängerkomitee unterstützte. In der Politik der chinesischen Regierung spielt das Recht auf Entwicklung seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle. Das Recht auf Entwicklung sei ein primäres, grundlegendes Menschenrecht und die Entwicklung sei der Schlüssel zur Realisierung weiterer Menschenrechte. In diesem Sinne betont die VR China, dass sie große Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut erzielt habe, indem sie 700 Millionen Menschen zu Wohlstand verholfen habe. Diese Bemühungen sieht China als großen Erfolg für die Menschenrechte: „The poverty reduction campaign in China is the most significant sign of China’s progress in human rights.“45 Dies lässt erneut den Gedanken der chinesischen Philosophie zur Rolle des Staats als Garant für die Versorgung der Bürger erkennen. 5. Chinas Verhalten in den Vereinten Nationen 5.1. Abstimmungsverhalten und Stellungnahmen im Menschenrechtsrat Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (United Nations Human Rights Council, UNHRC) wurde 2006 durch Resolution 60/251 der VN-Generalversammlung gegründet46 und ist für die 43 UN General Assembly, „Declaration on the Right to Development“, der Text findet sich im Annex zur Resolution 41/128, vom 4. Dezember 1986, https://undocs.org/A/RES/41/128. 44 Vgl. The State Council Information Office of the People’s Republic of China, „The Right to Development: China ’s Philosophy, Practice and Contribution“, vom 2. Dezember 2016, http://www.scio.gov.cn/32618/Document/1534069/1534069.htm. 45 Ibid. 46 UN General Assembly, Resolution 60/251, vom 15. März 2006, https://undocs.org/A/RES/60/251. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 13 weltweite Förderung des Menschenrechtsschutzes zuständig.47 China war für einen Großteil der Zeit seit der Gründung Mitglied des Rates, zuletzt im Zeitraum von 2017-2019.48 In den Sitzungen des Menschenrechtsrats verabschieden die Mitglieder Resolutionen nach ausführlicher Beratung im Konsens. Die Volksrepublik stimmte während ihrer Mitgliedschaft gegen einige Resolutionen, die sich auf bestimmte Länder und spezifische Situationen bezogen.49 Aus der Betrachtung des chinesischen Verhaltens im Menschenrechtsrat geht hervor, dass China insgesamt eine eher ablehnende Haltung zu länderspezifischen Resolutionen einnimmt50, wobei das Land sich mit Entwicklungsländern solidarisiert. 51 Im September 2019 stimmte China etwa gegen Resolutionen im Hinblick auf Situationen in Myanmar , Venezuela, Syrien, Jemen und Burundi52, welche allesamt entweder Aufforderungen an die genannten Regierungen beinhalteten, bestimmte Menschenrechtsverletzungen zu unterlassen, Verstöße zu verurteilen oder eine mangelnde Achtung von Menschenrechten festzustellen. Unterstützt wurden lediglich Entwürfe bezüglich Palästina oder solche, die eine Assistenz und Kooperation mit dem betroffenen Mitgliedsstaat vorsehen. Hinsichtlich länderübergreifender Themen stimmte China etwa gegen eine Resolution, die sich für die Abschaffung bzw. Einschränkung der Todesstrafe aussprach53 und bemühte sich während mehrerer Sitzungsperioden, um die Aufnahme einer Passage in den Text, dass die Anwendung 47 Vgl. Website des UN Human Rights Council, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/AboutCouncil.aspx. 48 Vgl. Office of the High Commissioner for Human Rights (kurz: OHCHR; deutsch: Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte), List of Past Members of the Human Rights Council, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/PastMembers.aspx. Das OHCHR unterstützt die Arbeit des UN Human Rights Council und fungiert als dessen Sekretariat, vgl. https://www.ohchr.org/EN/AboutUs/Pages/WhatWeDo.aspx. 49 Vgl. Universal Rights Group, Country Voting History Portal – China, https://www.universal-rights.org/countryvoting -history-portal/country/?country=China. 50 Katrin Kinzelbach, „Chinas Menschenrechtspolitik in den UN“, in: Zeitschrift für die Vereinten Nationen, 2/2013, S. 57 (58 ff.), https://zeitschrift-vereintenationen .de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2013/Heft_2_2013/03_kinzelbach_VN_2-13_2-4- 2013.pdf. 51 Siehe dazu Sonya Sceats / Shaun Breslin, China and the International Human Rights System, Chatham House, Oct. 2012, S. 20 ff., https://www.chathamhouse.org/sites/default/files/public/Research/International%20Law/r1012_sceatsbreslin.p df. 52 Vgl. UN Human Rights Council, Resolution 42/3, 26. September 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/42/3; UN Human Rights Council, Resolution 42/25, 27. September 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/42/25; UN Human Rights Council, Resolution 42/27, 27. September 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/42/27; UN Human Rights Council, Resolution 42/2, 26. September 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/42/2; UN Human Rights Council, Resolution 42/26, 27. September 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/42/26. 53 UN Human Rights Council, Resolution 42/24, 27. September 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/42/24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 14 der Todesstrafe auf einer nationalen Entscheidung beruhen müsse bzw. Staaten das Recht behalten müssten, innerhalb ihres Rechtssystems selbst angemessene Strafen zu verhängen.54 Auch heute wird die Todesstrafe in China in einer großen Anzahl an Fällen verhängt und vollstreckt.55 Ein ähnliches Abstimmungsverhalten des Landes lässt sich in vorherigen Sitzungsphasen feststellen . Auch hier sind unter den von China abgelehnten Resolutionen nur vereinzelt themenbezogene , darunter etwa solche zu Fragen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität .56 In Stellungnahmen und Reden verwendet die Volksrepublik ein sich wiederholendes Argumentationsschema : So kritisierte ein chinesischer Vertreter in seiner Rede vor dem Menschenrechtsrat im Februar 2020, stellvertretend für die Gruppe der „like-minded countries“, etwa die Politisierung von Menschenrechten, Doppelstandards und die Praxis des „naming and shaming“.57 In einer Rede aus dem Jahr 2018 monierte ein chinesischer Vertreter die Praxis einiger Staaten, andere Staaten an den eigenen Standards zu messen und betonte, dass Menschenrechte keine Instrumente für „Angriffe“ sein sollten.58 In einer weiteren Stellungnahme stellt China fest, dass die Bekämpfung von Armut und damit eine voranschreitende Entwicklung zentral für den Schutz von Menschenrechten seien. Auch diesbezüglich verweist es aber darauf, dass jedes Land das Recht habe, auf Grundlage nationaler Bedingungen einen eigenen Ansatz zu verfolgen.59 54 UN Human Rights Council, Amendment to Draft Resolution A/HRC/42/L.37, 25. September 2019, https://digitallibrary.un.org/record/3847877?ln=en; UN Human Rights Council, Amendment to Draft Resolution A/HRC/36/L.6, 27. September 2017, https://digitallibrary.un.org/record/1305894?ln=en; UN Human Rights Council, Amendment to Draft Resolution A/HRC/30/L.11, 30. September 2015, https://digitallibrary.un.org/record/811125?ln=en; UN Human Rights Council, Amendment to Draft Resolution A/HRC/30/L.11, 30. September 2015, https://digitallibrary.un.org/record/811124?ln=en; UN Human Rights Council, Amendment to Draft Resolution A/HRC/26/L.8, 25. Juni 2014, https://digitallibrary.un.org/record/775671?ln=en. 55 Amnesty International, „Death Sentences and Executions 2018“, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5098702019ENGLISH.PDF. 56 UN Human Rights Council, Resolution 41/18, 12. Juli 2019, https://undocs.org/A/HRC/RES/41/18. 57 Permanent Mission of the People’s Republic of China to the United Nations Office at Geneva and Other International Organizations in Switzerland, „China Speaks on behalf of Like-Minded Countries in Calling for the High Commissioner for Human Rights to Heed the Voice of Developing Countries and Advance Human Rights Governance in a Balanced Way“, vom 27. Februar 2020, http://www.china-un.ch/eng/hom/t1750600.htm. 58 Permanent Mission of the People’s Republic of China to the United Nations Office at Geneva and Other International Organizations in Switzerland, „Win-Win Cooperation for the Common Cause of Human Rights“, vom 1. März 2018, http://www.china-un.ch/eng/dbtyw/rqrd_1/thsm/t1538784.htm. 59 Permanent Mission of the People’s Republic of China to the United Nations Office at Geneva and Other International Organizations in Switzerland, „Working Together To Eliminate Poverty and Promoting the International Human Rights Cause“, vom 14. September 2018, http://www.chinaun .ch/eng/dbtyw/rqrd_1/thsm/t1595843.htm. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 15 Eine ähnliche Rhetorik nutzt China, um Kritik am eigenen Vorgehen zurückzuweisen und diese als ungerechtfertigten Angriff darzustellen. Nachdem mehrere Staaten ihre Besorgnis über das Vorgehen Chinas gegen die Uiguren in der Provinz Xinjiang Ausdruck verliehen60, wandte sich der chinesische Vertreter bei den Vereinten Nationen in Genf mit einem Brief an den Präsidenten des Menschenrechtsrats, in welchem er sich über eine „Politisierung“ von Menschenrechten und den „Eingriff in die inneren Angelegenheiten“ empört zeigte.61 Aus diesen Gründen unterstützt China zwar die internationale Menschenrechtsagenda, allerdings stets unter dem Vorbehalt der Einbeziehung nationaler Realitäten.62 Oberste Priorität des Landes ist dabei die wirtschaftliche Entwicklung63, womit sich China gleichzeitig als Entwicklungsland geriert. Auf Grundlage seines Entwicklungsprozesses kann es dann argumentieren, dass es an der progressiven Verbesserung und Einhaltung der Menschenrechte arbeitet und somit seinen internationalen Verpflichtungen gerecht wird. 64 Im gleichen Zug kann damit Verständnis für die nationale Lage eingefordert und Kritik, insbesondere im Bereich der Bürgerrechte, zurückgewiesen werden. 5.2. Abstimmungsverhalten in der Generalversammlung zu Menschenrechtsthemen Innerhalb der Generalversammlung der Vereinten Nationen befasst sich der Dritte Hauptausschuss mit den Bereichen Menschenrechte und Humanitäres. Er dient den Staaten vor allem als Plattform für die Erörterung länderübergreifender Themen, wie etwa der Rechte von Frauen, Kindern, indigenen Völkern und Flüchtlingen. Daneben werden in kleinerem Umfang länderspezifische Fragestellungen thematisiert.65 60 UN Human Rights Council, „Letter dated 8 July 2019 from the Permanent Representatives of Australia, Austria, Belgium, Canada, Denmark, Estonia, Finland, France, Germany, Iceland, Ireland, Japan, Latvia, Lithuania, Luxembourg, the Netherlands, New Zealand, Norway, Spain, Sweden, Switzerland and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland to the United Nations Office at Geneva addressed to the President of the Human Rights Council“, A/HRC/41/G/11, vom 23. Juli 2019, https://undocs.org/A/HRC/41/G/11. 61 UN Human Rights Council, „Letter dated 6 July 2019 from the Permanent Representative of China to the United Nations Office at Geneva addressed to the President of the Human Rights Council“, A/HRC/41/G/22 vom 9. August 2019, https://undocs.org/a/hrc/41/g/22. 62 Surya Subedi, “China’s Approach to Human Rights and the UN Human Rights Agenda”, in: Chinese Journal of International Law (2015), Vol. 14, No. 3, S. 437 (439 ff. 462). 63 Ibid, S. 437 (461). 64 Ibid, S. 437 (440 ff.). 65 UN General Assembly, „Social, Humanitarian & Cultural Issues (Third Committee)“ vom 3. Februar 2020, https://www.un.org/en/ga/third/index.shtml. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 16 Von den in der aktuellen, 74. Generalversammlung durch Abstimmung angenommenen Resolutionsentwürfen im Dritten Hauptausschuss erhielt die Mehrheit die Zustimmung der chinesischen Vertreter66, darunter finden sich vor allem länderübergreifende Themen, wie etwa die Bekämpfung von Rassismus, Förderung kultureller Diversität, Recht auf Entwicklung, Recht auf Nahrung, aber auch der Demokratieförderung. China stimmte auch einem Entwurf zum Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes zu.67 Dagegen votierte es gegen länderspezifische Resolutionsentwürfe, die Myanmar, Iran, Syrien und die Krim (Sewastopol) betrafen.68 Damit zeigt die Volksrepublik, wie bereits durch sein Abstimmungsverhalten im Menschenrechtsrat, dass sie Verurteilungen länderspezifischer Situationen durch die internationale Gemeinschaft auf Grundlage einheitlicher, universaler Standards nicht gutheißt. Im Rahmen der Debatte um die Annahme der länderspezifischen Resolutionsentwürfe gab ein chinesischer Vertreter ausdrücklich zu verstehen, dass China gegen die Verabschiedung länderspezifischer Resolutionen sowie gegen die Politisierung von Menschenrechten und den Einsatz von Menschenrechten zur Ausübung politischen Drucks sei und sich für einen Dialog auf der Basis von Gleichheit und gegenseitigem Respekt einsetzen wolle.69 In der wiederkehrenden Ablehnung länderspezifischer Resolutionen spiegelt sich einerseits die Bedeutung der Staatensouveränität sowie andererseits die Achtung nationaler Realitäten als wichtige Grundlagen des internationalen Menschenrechtsdiskurses aus chinesischer Sicht wider. Der Ansicht, bei der Einhaltung von Menschenrechten handele es sich um eine Angelegenheit von internationalem Belang, steht China mehr als skeptisch gegenüber. Das Land kritisiert die internationale Gemeinschaft, die Menschenrechtsverletzungen häufig als Einfallstor nutzt, sich in staatsinterne Angelegenheiten „einzumischen“. 5.3. Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat zu Menschenrechtsthemen Auch die Resolutionen des VN-Sicherheitsrats weisen regelmäßig menschenrechtliche Bezüge auf. China, als eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats70, nutzte sein 66 Eine Übersicht findet sich unter, https://www.un.org/en/ga/third/74/votingsheets.shtml. 67 Eine Übersicht findet sich unter, https://www.un.org/en/ga/third/74/docs/voting_sheets/A.C.3.74.L.58.pdf. 68 Übersichten finden sich unter, https://www.un.org/en/ga/third/74/docs/voting_sheets/A.C3.74.L.29.pdf; https://www.un.org/en/ga/third/74/docs/voting_sheets/A.C3.74.L.27.pdf; https://www.un.org/en/ga/third/74/docs/voting_sheets/A.C3.74.L.30.Rev.1.pdf; https://www.un.org/en/ga/third/74/docs/voting_sheets/A.C3.74.L.28.pdf. 69 UN General Assembly, Summary Record – 45th Meeting: Third Committee, A/C.3/74/SR.45, vom 5. Februar 2020, https://undocs.org/en/A/C.3/74/SR.45. 70 Vgl. dazu Artikel 23 Abs. 1 und Artikel 27 Abs. 3 der Charta der Vereinten Nationen und Statut des Internationalen Gerichtshofs (angenommen am 26. Juni 1945, in Kraft getreten am 24. Oktober 1945), eine deutsche Übersetzung der Charta findet sich unter: https://unric.org/de/wp-content/uploads/sites/4/2020/01/charta-1.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 17 Vetorecht in den letzten Jahren insbesondere im Rahmen von Resolutionsentwürfen im Hinblick auf den bewaffneten Konflikt in Syrien und Konflikte im Nahen Osten.71 Darunter fanden sich 2019 beispielsweise Entwürfe zur Situation in Syrien, die für dortige Menschenrechtsverletzungen klare Worte fanden und die Achtung der Menschenrechte durch die syrische Regierung einforderten .72 Zur Begründung seiner Vetos brachte China in seinen diesbezüglichen Stellungnahmen vor,73 dass es die Konfliktparteien zwar zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards auffordern wolle, die Politisierung humanitärer Angelegenheiten aber ablehne (Stichwort: Staatensouveränität). China sprach sich ferner dagegen aus, den Internationalen Strafgerichtshofs mit den in Syrien mutmaßlich begangenen Verbrechen zu befassen und begründete dies mit dem Respekt vor justizieller Souveränität eines jeden Staates. Mithin lehnt es China nicht grundsätzlich ab, dass sich die internationale Gemeinschaft mit humanitären Angelegenheiten und menschenrechtlichen Themen befasst. So fanden zahlreiche, seit Ende der 90er-Jahre verabschiedete Resolutionen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten chinesische Zustimmung.74 Diese Resolutionen halten die betroffenen Staaten zunächst dazu an, die Menschenrechte ihrer Zivilbevölkerung zu schützen, signalisieren darüber hinaus aber auch die Bereitschaft des Sicherheitsrats, ggf. die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen , sollten Zivilisten zum Ziel von Angriffen werden. Und obwohl China dem Prinzip der Schutzverantwortung im Rahmen des World Summit 2005 ursprünglich zustimmte75, nehmen Vertreter des Landes in ihren Reden vor dem VN- Sicherheitsrat diesbezüglich regelmäßig eine kritischere Haltung ein und betonen, dass die 71 Eine Übersicht findet sich unter, http://research.un.org/en/docs/sc/quick/. 72 UN Security Council, Draft Resolution 2019/756, 19. September 2019, https://undocs.org/en/S/2019/756; UN Security Council, Draft Resolution 2019/961, 20. Dezember 2019, https://undocs.org/en/S/2019/961. 73 UN Security Council, Verbatim Records – 8697th Meeting, 20. Dezember 2019, https://undocs.org/en/S/PV.8697; UN Security Council, Verbatim Records – 8623rd Meeting, 19. September 2019, https://undocs.org/en/S/PV.8623; UN Security Council, Verbatim Records – 7180th Meeting, 22. Mai 2014, https://undocs.org/en/S/PV.7180. 74 Vgl. insbes. UN Security Council, Resolution 1265 (1999), 17. September 1999, https://undocs.org/S/RES/1265(1999); UN Security Council, Resolution 1674 (2006), 28. April 2006, https://undocs.org/S/RES/1674(2006); UN Security Council, Resolution 1894 (2009), 11. November 2009, https://undocs.org/s/res/1894(2009). 75 Vgl. Resolution 60/1 zum Ergebnis des World Summit 2005, vom 16. September 2005, S. 27, https://www.un.org/Depts/german/gv-60/band1/ar60001.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 18 Hauptverantwortung zum Schutz der Bevölkerung bei der nationalen Regierung liege und Souveränität und territoriale Integrität respektiert werden müssten.76 Mit noch deutlicheren Worten verurteilte China 1999 das Vorgehen der NATO im Kosovo.77 Die folgende Stellungnahme im Sicherheitsrat charakterisiert die chinesische Haltung zu humanitären Interventionen im Allgemeinen: „In essence, the ‘human rights over sovereignty’ theory serves to infringe upon the sovereignty of other states and to promote hegemonism under the pretext of human rights.“78 China wehrt sich damit gegen eine vermeintliche Instrumentalisierung der Menschenrechte zum Zwecke der Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten. Auch im Rahmen der Mandatierung von Friedenssicherungseinsätzen lehnt China ein einheitliches Vorgehen ab; vielmehr muss aus chinesischer Sicht stets auf die Umstände des Einzelfalls eingegangen werden. Priorisiert wird auch hier die Souveränität der Staaten. Tunlichst soll es vermieden werden, Präzedenzfälle zu schaffen, auf deren Grundlage sich die Vereinten Nationen etwa mit der Tibet-Frage befassen könnten. Mithin zeigt sich auch hier Chinas Angst, dass eigene ordnungspolitische Probleme weiter in den internationalen Fokus geraten könnten. 5.4. Die „Universal Periodic Review“ des Menschenrechtsrats Entsprechend seiner staatlichen Pflichten wirkt China grundsätzlich bei der vertraglich vorgesehenen Berichterstattung hinsichtlich der Menschenrechtslage im eigenen Land mit.79 In den letzten Jahren erstellte China Berichte hinsichtlich der Anti-Rassismus-Konvention, Antifolterkonvention , Frauenrechtskonvention sowie des Sozialpakts. Im Rahmen dessen führt das Land eine Reihe von Maßnahmen auf, die aus chinesischer Sicht zur Einhaltung der Konventionen dienen. 76 UN Security Council, Verbatim Records – 4046th Meeting, 16. September 1999, https://undocs.org/en/S/PV.4046; UN Security Council, Verbatim Records – 5476th Meeting, 28. Juni 2006, https://undocs.org/en/S/PV.5476; UN Security Council, Verbatim Records – 5577th Meeting, 4. Dezember 2006, https://undocs.org/en/S/PV.5577; UN Security Council, Verbatim Records – 6216th Meeting, 11. November 2009, https://undocs.org/en/S/PV.6216. 77 UN Security Council, Verbatim Records – 3988th Meeting, 24. März 1999, https://undocs.org/en/S/PV.3988. 78 UN Security Council, Verbatim Records – 4011st Meeting, 10. Juni 1999, S. 9, https://undocs.org/en/S/PV.4011. 79 Vgl. Katie Lee, “China and the International Covenant on Civil and Political Rights: Prospects and Challenges”, in: Chinese Journal of International Law (2007), Vol. 6, No. 1, S. 445 (448). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 19 China nahm zuletzt 2018 an der Universal Periodic Review des VN-Menschenrechtsrats teil. Diese Berichterstattung der Staaten ermöglicht es dem Menschenrechtsrat auf regelmäßiger Basis, die menschenrechtliche Lage im jeweiligen Staat zu beurteilen und Empfehlungen auszusprechen.80 Dabei sammeln VN-Organe und nicht-staatliche Akteure die Stellungnahmen des Staates und beurteilen auch diese. Nach Aussprache im Menschenrechtsrat kann der beurteilte Staat zu den Empfehlungen des Rates selbst Stellung beziehen. In seinem zuletzt erstellten Staatenbericht betont China erneut, nationale Bedingungen müssten die jeweilige Basis bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen bilden und kritisiert die „Politisierung“ der Menschenrechte. Nichtsdestotrotz geht aus dem Bericht auch hervor , aufgrund welcher Empfehlungen des Rates aus der letzten Universal Periodic Review zahlreiche Verbesserungen im menschenrechtlichen Bereich vorgenommen wurden.81 In dem Bericht heißt es: „China opposes human rights politicization and ‘double standards’, and upholds international fairness and justice. It advocates international human rights exchanges and cooperation on the basis of equality and mutual respect, attaches increasing importance to the economic, social and cultural rights and the right to development that are of concern to developing countries, and promotes the comprehensive development of human rights of all kinds.“82 In seiner abschließenden Stellungnahme akzeptiert China 284 der 346 dargestellten Empfehlungen und spricht von seiner Entschiedenheit und seiner aktiven, offenen Haltung zur Förderung und dem Schutz der Menschenrechte.83 62 weitere Empfehlungen werden mit der Begründung abgelehnt, dass diese mit den nationalen Bedingungen unvereinbar seien, im Widerspruch zu chinesischen Gesetzen stünden, politisch voreingenommen oder nicht wahrheitsgetreu seien.84 China geriert sich damit als ein in Bezug auf den internationalen Menschenrechtsschutz an Kooperation und Dialog interessierter Staat. Durch das Hervorheben positiver Entwicklungen in Verbindung mit der Zielsetzung, auch in Zukunft weitere Verbesserungen zu erreichen, wird der Eindruck erweckt, dass der Einhaltung von Menschenrechtsstandards eine hohe Bedeutung bei- 80 Zum Verfahren des Universal Periodic Review vgl. OHCHR Website, „Basic Facts about the UPR“, https://www.ohchr.org/en/hrbodies/upr/pages/basicfacts.aspx. 81 UN Human Rights Council, National Report Submitted in Accordance with Paragraph 5 of the Annex to Human Rights Council Resolution 16/21, A/HRC/WG.6/31/CHN/1, vom 20. August 2018, https://undocs.org/A/HRC/WG.6/31/CHN/1. 82 Ibid, S. 3 f. 83 UN Human Rights Council, Report of the Working Group on the Universal Periodic Review – China – Addendum – Views on Conclusions and/or Recommendations, Voluntary Commitments and Replies Presented by the State under Review, A/HRC/40/6/Add.1, vom 15. Februar 2019, https://undocs.org/A/HRC/40/6/Add.1. 84 Ibid, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 20 gemessen wird. Gleichzeitig werden allerdings deutliche Grenzen gesetzt, indem moniert wird, der Austausch zwischen verschiedenen Staaten finde nicht auf gleichem Niveau statt und der Menschenrechtsschutz werde als politisches Instrument verwendet. In Bezug auf Deutschlands 2018 abgeschlossene Berichterstattung, merkte China etwa an, es sei über Rassismus und Xenophobie im Land beunruhigt und gab entsprechende Empfehlungen.85 Hinsichtlich des Universal Periodic Review der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 2015 empfahl China die Ratifizierung verschiedener Menschenrechtsverträge, die Bekämpfung von Rassismus, kritisierte Folterpraktiken, Massenüberwachung und fehlende Rechte ethnischer Minderheiten.86 Im Rahmen des 2018 durchgeführten Universal Periodic Review Russlands hingegen zeigte sich China erfreut über russische Errungenschaften in den Bereichen Lebensstandard, Schutz von gefährdeten Gruppen und die Verbesserung prozessrechtlicher Garantien. Im Rahmen seiner Empfehlungen beschränkte es sich auf ökonomische und soziale Aspekte.87 Auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, insbesondere auf Gesundheitswesen und Bildung, bezogen sich auch die chinesischen Empfehlungen hinsichtlich Nordkoreas Universal Periodic Review aus 2019.88 Mithin stellt die Volksrepublik bei der Betrachtung der Menschenrechtslage in anderen nichtwestlichen Staaten wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in den Vordergrund und meidet gleichzeitig kritische Äußerungen zu bürgerlichen und politischen Rechten in Russland oder Nordkorea, wie sie westliche Staaten häufig üben. 6. Fazit Aus chinesischer Sicht erscheinen Menschenrechte eher als „politische oder ideelle Ziele“ denn als präzise und rechtsverbindliche Normen. Zweifellos achtet China das Völkerrecht, soweit dies der eigenen politischen Reputation dient, nutzt aber gleichzeitig die Ermessensspielräume, Grauzonen und Lücken im Recht politisch für eigene Zwecke.89 85 UN Human Rights Council, Report of the Working Group on the Universal Periodic Review – Germany, A/HRC/39/9, vom 11. Juli 2018, https://undocs.org/a/hrc/39/9. 86 UN Human Rights Council, Report of the Working Group on the Universal Periodic Review – United States of America, A/HRC/30/12, vom 20. Juli 2015, https://undocs.org/A/HRC/30/12. 87 UN Human Rights Council, Report of the Working Group on the Universal Periodic Review – Russian Federation, A/HRC/39/13, vom 12. Juni 2018, https://undocs.org/A/HRC/39/13. 88 UN Human Rights Council, Report of the Working Group on the Universal Periodic Review – Democratic People’s Republic of Korea, A/HCR/42/10, 25. Juni 2019, https://undocs.org/A/HRC/42/10. 89 So Tim Rühlig, „How China Approaches International Law: Implications for Europe“, Mai 2018, European Institute for Asian Studies, S. 7, 10 f., 14, https://www.eias.org/eu-asia-at-a-glance/how-china-approachesinternational -law-implications-for-europe/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 027/20 Seite 21 So plädiert China u.a. dafür, auf internationaler Ebene keine einheitlichen Standards anzuwenden , sondern die Situation in den einzelnen Ländern stärker zu berücksichtigen. Überdies zeigt sich China ausgesprochen skeptisch gegenüber menschenrechtlichen Überprüfungsmechanismen durch internationale Spruchkörper, Menschenrechtsausschüsse oder internationale Gerichte. Dies schließt die potentielle Weiterentwicklung von Menschenrechtsbindungen oder die gewohnheitsrechtliche Verfestigung von menschenrechtlichem soft law durch die Spruchpraxis von Menschenrechtsausschüssen und internationalen Gerichten ein. Schließlich zeigt China eine ausgeprägte Präferenz für wirtschaftliche und soziale Menschenrechte gegenüber bürgerlichen und politischen Rechten. Hervorzuheben ist dabei das sog. „Menschenrecht auf Entwicklung“.90 Die Volksrepublik China beteiligt sich u.a. durch die Ratifizierung von Menschenrechtsverträgen, durch Berichterstattung gegenüber den zuständigen Ausschüssen oder durch die Mitwirkung an menschenrechtsbezogenen Resolutionen am System des internationalen Menschenrechtsschutzes . Gleichzeitig versucht China, die Reichweite des Menschenrechtsschutzes politisch einzuschränken , um internationaler Kritik an der menschenrechtlichen Situation im eigenen Lande vorzubeugen bzw. zurückzuweisen. China partizipiert damit aus wohlverstandenem Eigeninteresse am internationalen Menschenrechtsschutz – etwa durch Berichterstattung gegenüber den Menschenrechtsausschüssen sowie durch Kooperation mit anderen menschenrechtlichen Gremien – verwahrt sich aber so weit wie möglich gegen eine Einmischung in innere Angelegenheiten .91 Die Vorstellung, Menschenrechte seien ein „international concern“ der Staatengemeinschaft oder der Vereinten Nationen stößt in China nach wie vor auf Widerstand. China wird dabei nicht müde, das Prinzip der Staatensouveränität zu betonen und es als Grenze des internationalen Menschenrechtsschutzes politisch zu instrumentalisieren. Das Abstimmungsverhalten Chinas im VN-Sicherheitsrat oder in internationalen Gremien zu Menschenrechtsfragen lässt sich nicht erklären, ohne dabei die Existenz geopolitischer und menschenrechtlicher „Konfliktherde“ wie Tibet, Xinjiang (also die autonome Region der Uigurischen Nationalität), das wirtschaftlich autonome Hongkong92 oder auch den Konflikt mit Taiwan ordnungspolitisch in Rechnung zu stellen.93 90 Vgl. zum Recht auf Entwicklung u.a. die Erklärung der VN-Generalversammlung 41/128 vom 4. Dezember 1986, https://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar41128.pdf. Franz Nuscheler, „Recht auf Entwicklung: Ein ´universelles Menschenrecht` ohne universelle Geltung“, in: Sabine v. Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, Berlin, Heidelberg: Springer 2003, S. 305-317. Andreas Auprich, Das Recht auf Entwicklung als kollektives Menschenrecht, Frankfurt: Lang, 2000. 91 So Katie Lee, “China and the International Covenant on Civil and Political Rights: Prospects and Challenges”, in: Chinese Journal of International Law (2007), Vol. 6, No. 1, S. 445 (456). 92 Vgl. dazu Gutachten Wissenschaftliche Dienste WD 2 – 3000 – 082/19, „Zum völkerrechtlichen Status Hongkongs “ vom 26. August 2019, https://www.bundestag.de/resource/blob/662176/d984edc6a13a8b55815479a58e814cf6/WD-2-082-19-pdfdata .pdf. 93 Surya Subedi, “China’s Approach to Human Rights and the UN Human Rights Agenda”, in: Chinese Journal of International Law (2015), Vol. 14, No. 3, S. 437 (447, 459).