© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 027/16 Die concluding observations des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung und deren Umsetzung in Deutschland und Frankreich unter besonderer Berücksichtigung von hate speech Sachstand Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 2 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Umsetzung der concluding observations in Deutschland 5 3.1. Im Allgemeinen 5 3.1.1. Positive Entwicklungen 5 3.1.2. Besorgniserregende Entwicklungen 7 3.1.3. Empfehlungen 7 3.2. Im Hinblick auf hate speech 7 3.2.1. Positive Entwicklungen 8 3.2.2. Besorgniserregende Entwicklungen 8 3.2.3. Empfehlungen 8 4. Umsetzung der concluding observations in Frankreich 12 4.1. Im Allgemeinen 12 4.1.1. Positive Entwicklungen 12 4.1.2. Besorgniserregende Entwicklungen und Empfehlungen 13 4.2. Im Hinblick auf hate speech 13 4.2.1. Positive Entwicklungen 13 4.2.2. Besorgniserregende Entwicklungen 14 4.2.3. Empfehlungen 15 5. Fazit 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 4 1. Einführung Im Jahr 1966 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, ICERD)1. Deutschland ratifizierte das Übereinkommen am 16. Mai 1969. Überwacht wird dessen Umsetzung durch den gemäß Art. 8 ICERD errichteten Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (Committee on the Elimination of Racial Discrimination, CERD). Dieser behandelt an ihn herangetragene Staaten- und Individualbeschwerden und veröffentlicht sogenannte Abschließende Bemerkungen (concluding observations) zu von den Vertragsstaaten eingereichten Berichten. Zudem kann er präventiv Frühwarnmaßnahmen und Eil-Verfahren (early warning measures / urgent procedures) auf den Weg bringen.2 Der vorliegende Sachstand befasst sich mit Inhalt und Bedeutung der concluding observations (2.) sowie mit deren Umsetzung in Deutschland und Frankreich (3.). Besondere Berücksichtigung finden dabei die Empfehlungen zur Eindämmung sogenannter Hassreden (hate speeches). 2. Inhalt und Bedeutung der concluding observations 2.1. Inhalt Gemäß Art. 9 ICERD sind die Vertragsstaaten verpflichtet, in regelmäßigen Abständen über den Generalsekretär der Vereinten Nationen beim CERD Berichte einzureichen, in denen sie darzulegen haben, welche Maßnahmen sie in den Bereichen Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung und in sonstigen Bereichen getroffen haben, um den Bestimmungen des Übereinkommens Wirkung zu verleihen (Staatenberichte). Der erste Staatenbericht ist innerhalb eines Jahres nach dem Beitritt zum Übereinkommen fällig. Anschließend ist alle zwei Jahre erneut Bericht zu erstatten. In der Praxis wird diesen Fristen allerdings nur bedingt Beachtung geschenkt. Die Vertragsstaaten fassen in der Regel mindestens zwei Berichtsperioden zusammen und berichten mithin effektiv alle vier bis fünf Jahre. Der Ausschuss prüft die Staatenberichte im Rahmen seiner – zweimal jährlich stattfindenden – Sitzungen und verabschiedet sodann auf die Berichte bezogene concluding observations. Diese bestehen aus einer Auflistung positiver und besorgniserregender Entwicklungen sowie aus Empfehlungen an die jeweilige Regierung. Anschließend erhält der betreffende Vertragsstaat Gelegenheit, zu diesen Stellung zu nehmen. Oft hebt der Ausschuss einzelne Empfehlungen besonders hervor und fordert den betreffenden Vertragsstaat auf, ihm binnen zwei 1 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966, BGBl. 1969 II S. 961. 2 Nähere Ausführungen dazu finden sich auf der Website des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/CERD/Pages/EarlyWarningProcedure .aspx#about (Stand: 3. März 2016). Im Wege des Eilverfahrens verfasste der CERD am 28. September 2009 einen an Frankreich gerichteten Brief, der behauptete Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Uraniumgewinnung durch das französische Staatsunternehmen AREVA zum Gegenstand hatte; dieser ist online abrufbar unter http://www2.ohchr.org/english/bodies/cerd/docs/early_warning/France28092009.pdf (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 5 Jahren in einer gesonderten Stellungnahme zu berichten, ob er diese hervorgehobenen Empfehlungen berücksichtigt hat. Ferner erwartet der Ausschuss, dass der betreffende Vertragsstaat im folgenden regulären Staatenbericht auch zu den übrigen Empfehlungen berichtet. 2.2. Bedeutung Anders als die Bestimmungen des ICERD selbst sind die concluding observations des CERD völkerrechtlich nicht verbindlich, weshalb ihre Nichtbeachtung keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen hat. Da sie die Auffassung eines unter der Ägide der Vereinten Nationen errichteten und auf die Anwendung des ICERD spezialisierten Vertragsorgans abbilden, haben sie gleichwohl einiges Gewicht bei der Auslegung der Bestimmungen des ICERD. Zudem sprechen außenpolitische Erwägungen dafür, ihnen zumindest in gewissem Maß nachzukommen, da dies sowohl die Durchsetzungskraft des – von Deutschland mitgetragenen – ICERD als auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands innerhalb der Vereinten Nationen stärkt. 3. Umsetzung der concluding observations in Deutschland 3.1. Im Allgemeinen Wie sich aus den jüngsten concluding observations3 des CERD (zum 19. bis 22. deutschen Staatenbericht ) ergibt, scheint Deutschland bestrebt zu sein, den Verpflichtungen aus dem ICERD nachzukommen und setzt dabei auch teilweise die Empfehlungen des Ausschusses um. 3.1.1. Positive Entwicklungen In den genannten concluding observations wies der Ausschuss auf etliche positive Entwicklungen hin: Die seit den vorangehenden concluding observations4 (zum 18. deutschen Staatenbericht) eingetretenen gesetzgeberischen und politischen Entwicklungen im Hinblick auf die Bekämpfung von Rassendiskriminierung stellten sich nach Auffassung des Ausschusses insgesamt als positiv dar. In diesem Zusammenhang erwähnte der Ausschuss zunächst die – entgegen gewichtiger Kritik5 – verabschiedete Ergänzung der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB haben die Strafgerichte bei der Bestimmung der Strafhöhe die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dieser Grundsatz wurde durch einen Passus ergänzt, 3 CERD, concluding observations vom 13. Mai 2015, CERD/C/DEU/CO/19-22 (nicht redigierte Version), online abrufbar unter http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno =CERD%2FC%2FDEU%2FCO%2F19-22&Lang=en (Stand: 3. März 2016). 4 CERD, concluding observations vom 13. August 2008, CERD/C/DEU/CO/18, online abrufbar unter http://tbinternet .ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno =CERD%2fC%2fDEU%2fCO%2f18&Lang=en (Stand: 3. März 2016). 5 Siehe etwa die jeweiligen schriftlichen Stellungnahmen der Richter am Bundesgerichtshof Radtke und Graf, des Staatsanwalts Lehmann, des Rechtsanwalts Stolle und der Rechtsanwältin Keiser zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 13. Juni 2012, online abrufbar unter http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=2406&id=1193 (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 6 dem zu Folge „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende “ Beweggründe und Ziele des Täters zu berücksichtigen sind. Die vollzogene Gesetzesänderung entspricht dem Geist der Empfehlung unter Randnummer 15 der concluding observations zum 18. deutschen Staatenbericht. Des Weiteren lobte der Ausschuss die Abschaffung eines in Baden-Württemberg verwendeten speziellen Fragebogens, den Angehörige der 57 Mitgliedsstaaten der Organisation für islamische Zusammenarbeit ausfüllen mussten, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit beantragten. Damit kam Deutschland der Empfehlung unter Randnummer 19 der concluding observations zum 18. deutschen Staatenbericht nach. Darüber hinaus begrüßte der Ausschuss die Ratifizierung einer Reihe internationaler Übereinkommen . Ferner nahm der Ausschuss wohlwollend die Absicht Deutschlands zur Kenntnis, den nationalen Aktionsplan gegen Rassismus zu überarbeiten. Schließlich hob der Ausschuss lobend die Bemühungen der deutschen Bundeskanzlerin während des sechsten Integrationsgipfels hervor, den Begriff der „Integration“, der von Minderheiten als Anpassungsaufforderung verstanden werden könne, durch die Begriffe „Inklusion“, „Teilhabe “ und „Respekt“ zu ersetzen. Hingegen fand die durch Gesetz vom 16. März 20116 mit Wirkung vom 22. März 2011 erfolgte Änderung des § 130 StGB (Volksverhetzung) keine ausdrückliche Erwähnung. Ausweislich der Überschrift des Änderungsgesetzes diente dieses zwar der Umsetzung von Vorgaben der Europäischen Union und des Europarates.7 Es trägt aber zugleich der Stoßrichtung des ICERD Rechnung: Nach der novellierten Fassung können beide Tatbestandsvarianten des § 130 Abs. 1 StGB8 nicht mehr nur gegenüber einem „Teil der Bevölkerung“, sondern ebenso gegenüber „einer nationalen, rassischen, religiösen oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmten Gruppe“ oder „einem Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe“ begangen werden. Möglicherweise hängt die fehlende positive Erwähnung dieser Gesetzesänderung damit zusammen, dass eine Bestrafung nach wie vor voraussetzt, dass das in § 130 Abs. 1 StGB beschriebene Ver- 6 BGBl. 2011 I S. 418. 7 Einerseits diente die Gesetzesänderung der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Andererseits diente sie der Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Cyberkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art. 8 Diese betreffen das Aufstacheln zum Hass / das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen (§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) bzw. einen Angriff auf die Menschenwürde durch Beschimpfen / böswilliges Verächtlichmachen / Verleumden (§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 7 halten „in einer Weise (erfolgt), die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Im Individualbeschwerdeverfahren zum Aktenzeichen CERD/C/82/D/48/2010 („Fall Sarrazin“)9 hatte der Ausschuss einen Verstoß gegen die Bestimmungen des ICERD angenommen und dies unter anderem mit der Existenz ebendieses Tatbestandsmerkmals begründet.10 Auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates (European Commission against Racism and Intolerance, ECRI) hält die deutsche Gesetzeslage in diesem Punkt für kritisch: In ihrem Bericht zu Deutschland aus dem Jahr 2013 empfahl sie, den betreffenden Passus abzuschaffen.11 3.1.2. Besorgniserregende Entwicklungen Der Ausschuss machte in seinen jüngsten concluding observations aber auch auf 12 Kategorien besorgniserregender Entwicklungen aufmerksam, darunter die Lage von Asylantragstellern und geduldeten Migranten, die Situation der Sinti und Roma, die Praxis des racial profiling sowie die Situation im Bereich von hate speech. 3.1.3. Empfehlungen Zu jeder der 12 als besorgniserregend gekennzeichneten Kategorien gab der Ausschuss eine oder mehrere Empfehlungen ab. Auf Grund ihres erheblichen Gesamtumfanges wird im Rahmen des vorliegenden Sachstandes von einer umfassenden Darstellung abgesehen. 3.2. Im Hinblick auf hate speech Zum Thema hate speech findet sich in den jüngsten concluding observations des Ausschusses Folgendes: 9 Der Fall betraf die Einstellung eines wegen türkisch- bzw. arabischkritischer Äußerungen eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Dr. Thilo Sarrazin durch die Berliner Justiz. 10 In seiner Stellungnahme (opinion) vom 26. Februar 2013 (online abrufbar unter http://www2.ohchr.org/English /bodies/cerd/docs/CERD-C-82-D-48-2010-English.pdf – Stand: 3. März 2016) verwies der CERD auf eine frühere Stellungnahme, wonach es nicht ausreiche, dass rassendiskriminierende Handlungen auf dem Papier unter Strafe gestellt seien. Vielmehr verlangten Artt. 2 Abs. 1 lit. d), 4 und 6 ICERD, dass Strafgesetze oder andere Vorschriften von den zuständigen staatlichen Gerichten und Institutionen auch wirksam umgesetzt würden . Dem habe Deutschland im konkreten Fall nicht genügt. 11 ECRI, Report on Germany (fifth monitoring cycle), S. 14 Rn. 10, online abrufbar unter https://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Germany/DEU-CbC-V-2014-002-ENG.pdf (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 8 3.2.1. Positive Entwicklungen Unter Randnummer 5 (f) lobte der Ausschuss die Ratifizierung12 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität (betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art). Damit kam Deutschland Satz 3 der Empfehlung unter Randnummer 16 der vorangehenden concluding observations nach. 3.2.2. Besorgniserregende Entwicklungen Unter Randnummer 9 erklärte der Ausschuss, er sei sehr besorgt über die Verbreitung rassistischer Ideen durch bestimmte politische Parteien und Bewegungen und den Mangel an effizienten Maßnahmen zur strengen Sanktionierung und Verhinderung entsprechender Äußerungen und Verhaltensweisen. Zudem sei er über die zunehmenden Auswirkungen solcher Äußerungen auf rassistisch motivierte Taten besorgt. 3.2.3. Empfehlungen Unter Randnummer 9 nahm der Ausschuss zunächst Bezug auf seine Allgemeine Empfehlung Nr. 35 aus dem Jahr 2013 über die Bekämpfung von Hassreden.13 In deren Randnummer 7 findet sich eine Umschreibung von hate speech: Diese könne mannigfaltige Formen annehmen und sei insbesondere nicht auf ausdrückliche rassistische Bemerkungen beschränkt. Vielmehr könnten auch indirekte, Ziel und Zweck verschleiernde Angriffe auf bestimmte rassische oder ethnische Gruppen als hate speech einzuordnen sein. Die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 beziehe sich auf jegliche Form von hate speech unabhängig davon, ob sie von Individuen oder Personengruppen ausgehe, und ohne Rücksicht darauf, ob sie mündlich, gedruckt, mit Hilfe elektronischer Medien oder nonverbal erfolge. Nonverbale Formen von hate speech könnten insbesondere das Zeigen rassistischer Symbole, Bilder oder Posen im Rahmen öffentlicher Zusammenkünfte – einschließlich Sportveranstaltungen – darstellen. Durch die Bezugnahme auf die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 gilt deren Definition von hate speech auch im Rahmen der sie in Bezug nehmenden concluding observations. Zudem wiederholte der Ausschuss seine Empfehlung unter Randnummer 16 der vorangehenden concluding observations. In deren Satz 1 war Deutschland nahegelegt worden, seine Anstrengungen zu erhöhen, rassistisch motivierten Straftaten, einschließlich hate speech und rassistischer Propaganda im Internet, vorzubeugen und sicherzustellen, dass die entsprechenden strafrechtlichen Vorschriften wirksam angewendet werden. Satz 2 enthielt eine Wiederholung des bereits unter Randnummer 26 der Allgemeinen Empfehlung Nr. 35 erfolgten Hinweises, dass die 12 Das Zusatzprotokoll wurde von Deutschland am 10. Juni 2011 ratifiziert und trat am 1. Oktober 2011 in Kraft. Zum übrigen Ratifizierungsstand siehe die Übersicht auf der website des Europarates, online abrufbar unter http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/189/signatures?p_auth=BXgK743Y (Stand: 3. März 2016). 13 CERD, general recommendation vom 26. September 2013 (CERD/C/GC/35), online abrufbar unter http://tbinternet .ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CERD%2fC%2fGC%2f35&Lang=en (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 9 Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung besondere Verantwortung mit sich bringe, insbesondere die Verpflichtung, keine rassistischen Ideen zu verbreiten. Des Weiteren empfahl der Ausschuss, dass Deutschland Themen angehe, die die ethnischen Minderheiten in der Bevölkerung betreffen, und dadurch seinen politischen Willen verdeutliche, gegenseitiges Verständnis und Toleranz zwischen der Mehrheitsbevölkerung und den verschiedenen ethnischen Gruppierungen zu fördern. Darüber hinaus empfahl er Deutschland, (a) seine Anstrengungen zu verstärken und alle möglichen Mittel zu ergreifen, um gegen die Welle von Rassismus anzukämpfen, insbesondere alle rassistischen Äußerungen von Behörden, politischen Führungspersonen und sonstigen in der Öffentlichkeit stehenden Personen strengstens zu verurteilen, auch durch die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen; (b) eine umfassende Strategie – einschließlich zwingender Fortbildungsmaßnahmen – zu entwickeln , mit der das Verständnis des Begriffs der Rassendiskriminierung und der Wege zu ihrer Bekämpfung unter Polizisten, Staatsanwälten und Richtern gestärkt werden, und mit der sichergestellt wird, dass jede Tat, der rassistische Motive zu Grunde liegen könnten, wirksam verfolgt, angeklagt und gegebenenfalls bestraft wird; (c) sachdienliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung von rassistischen Taten und sonstigen Erscheinungsformen von Rassismus im Internet zu bekämpfen, unter anderem durch das Sperren von Internetauftritten, die sich darauf konzentrieren, zu Rassendiskriminierung und Rassenhass anzustacheln; (d) mit dem nächsten periodischen Bericht statistische Informationen betreffend die Entwicklungen bei Fällen rassistischer Hassreden und rassistischer Gewalt, einschließlich islamfeindlicher Entwicklungen, zur Verfügung zu stellen, um es zu ermöglichen, die Auswirkungen der von Deutschland getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von rassistischen Hassreden zu beurteilen . Der Empfehlung zu Randnummer 9 (b) dürfte eine mit Wirkung vom 1. August 2015 erfolgte Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) Rechnung getragen haben. Seither bestimmt Nr. 15 Abs. 5 RiStVB ausdrücklich, dass Ermittlungen dann, wenn Anhaltspunkte für rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe bestehen, auf solche Tatumstände zu erstrecken sind. Gemäß Nr. 86 Abs. 2 RiStBV ist das öffentliches Interesse an der Verfolgung von Privatklagedelikten regelmäßig zu bejahen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzen hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Nach der Neufassung dieser Richtlinie sind rassistische , fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe des Täters hierfür ausdrücklich ein Beispiel. Gemäß Nr. 234 Abs. 1 S. 1 RiStBV gilt gleiches für die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Verfolgung der einfachen Körperverletzung (§ 230 Abs. 1 StGB). Soweit die Empfehlung zu Randnummer 9 (b) verpflichtende Fortbildungen für Richter vorsieht, gilt es zwar zu bedenken, dass deutsche Richter im Hinblick auf den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit kaum wirksam dazu verpflichtet werden können, an Fortbildungen zu bestimmten Inhalten teilzunehmen. Selbst fakultative Fortbildungen, die sich ausdrücklich Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 10 dem Thema Rassendiskriminierung widmen, werden aber derzeit nicht flächendeckend angeboten .14 Der Gehalt der Empfehlung zu Randnummer 9 (d) muss anhand ihrer Vorgeschichte erschlossen werden: Bereits in der Empfehlung unter Randnummer 18 der vorangehenden concluding observations hatte der Ausschuss erklärt, über bekannt gewordene rassistische Vorfälle besorgt zu sein und Deutschland in diesem Zusammenhang unter anderem empfohlen, ihm Jahresstatistiken zu liefern , die – getrennt nach Alter, Geschlecht und nationaler oder ethnischer Herkunft der Opfer – die Anzahl und Art angezeigter Hassverbrechen (hate crimes), die dazu eingeleiteten Ermittlungen und die erfolgten Verurteilungen nebst Strafmaß ausweisen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Begriff des hate crime weiter ist als der der hate speech, da erster auch auf Hass beruhende Gewaltanwendung umfasst, während letzterer nur von Hass getriebene Äußerungen bezeichnet . Im 19. bis 22. deutschen Staatenbericht hatte die Bundesregierung sodann darauf hingewiesen, dass Daten zu Ermittlungsverfahren, die Straftaten mit rassistischem Hintergrund zum Gegenstand haben, durch das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesjustizverwaltungen erhoben würden. Tatsächlich werden auf Bundesebene die folgenden vier Statistiken geführt: Der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK), ein seit 2001 gebräuchlicher Meldedienst von Bund und Ländern,15 erfasst alle bei der Polizei eingehenden Fälle politisch motivierter Gewalt (sog. Eingangsstatistik). Dort werden die Taten vier Phänomenbereichen (PMK-rechts, PMK-links, PM-Ausländerkriminalität, PMK-sonstige) zugeordnet und in bestimmte Deliktsfelder eingeteilt.16 Nach den Ausführungen der Bundesregierung im 19. bis 22. deutschen Staatenbericht wird eine Tat in das Deliktsfeld „Hasskriminalität“ eingeordnet, wenn die Tatumstände oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie auf Grund der politischen Einstellung, der Nationalität, der Volkszugehörigkeit, der Rasse, der Hautfarbe, der Religion, der Weltanschauung, der Herkunft, der sexuellen Orientierung, der Behinderung, des äußeren Erscheinungsbildes oder des gesellschaftlichen Status einer Person begangen worden ist. Nach Auffassung der Bundesregierung hat sich diese Art der Erfassung bewährt und ermöglicht die mehrdimensionale Erfassung einer einzigen Tat etwa sowohl als „fremdenfeindlich “ als auch als „rassistisch“. 14 Weder die Deutsche Richterakademie noch – exemplarisch – die Justizakademie Berlin / Brandenburg bieten nach ihren Programmübersichten für das Jahr 2016 derartige Fortbildungen an. 15 Antwort der Bundesregierung vom 16. September 2013 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Wieland , Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bundestagsdrucksache 17/14546 – S. 4, online abrufbar unter http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/147/1714754.pdf (Stand: 3. März 2016). 16 Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums zur politisch motivierten Kriminalität 2014, S. 1, online abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen /2015/05/pmk-2014.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 11 Die vom Bundeskriminalamt erstellte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) erfasst die von der Polizei endbearbeiteten und an die Staatsanwaltschaft abgegebenen Straftaten (sog. Ausgangsstatistik ). Da die Polizei Straftaten – z.B. wegen des unterschiedlichen Ermittlungsstandes – teilweise anders bewertet als die Staatsanwaltschaften und die Gerichte, deckt sie sich nicht mit einer Staatsanwaltschafts- oder einer Verurteiltenstatistik. Die PKS enthält Angaben über die Art und Zahl der erfassten Straftaten, Tatort und Tatzeit, Opfer und Schäden, Aufklärungsergebnisse, sowie Alter, Geschlecht, Nationalität und andere Merkmale der Tatverdächtigen. Die Erfassung erfolgt vorrangig anhand gesetzlicher Tatbestände und nur in engen Grenzen unter kriminologischen Gesichtspunkten. Nach den Richtlinien für die Führung der PKS werden die Taten unter anderem in die Kategorien „politisch motivierte Kriminalität“ und „Kriminalität, die mit dem Tatmittel Internet begangen wird“ eingeteilt.17 Der politisch motivierten Kriminalität wird eine Straftat dann zugeordnet, wenn unter Würdigung der Tatumstände und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollte, dass sie der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele diente, dass sie sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richtete, dass sie eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel hatte, dass sie durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdete, dass sie ihren Grund in der politischen Einstellung , der Nationalität, der Volkszugehörigkeit, der Rasse, der Hautfarbe, der Religion, der Weltanschauung, der Herkunft, des äußeren Erscheinungsbildes, der Behinderung, der sexuellen Orientierung oder des gesellschaftlichen Status einer Person gerichtet war. Der Kategorie Tatmittel Internet wird eine Straftat zugeordnet, wenn der Straftatbestand durch Einstellen von Inhalten in das Internet verwirklicht wurde (sog. Äußerungs- bzw. Verbreitungsdelikte) oder wenn das Internet als Kommunikationsmedium bei der Tatbestandsverwirklichung eingesetzt wurde. Das Statistische Bundesamt führt sowohl eine Staatsanwaltsstatistik als auch eine Verurteiltenstatistik . Erstere ist nach Sachgebietsschlüsseln geordnet,18 von denen im vorliegenden Zusammenhang nur der Schlüssel „politische Strafsachen“ relevant ist. Letztere basiert auf einer Zuordnung zu einzelnen Straftatbeständen.19 Da die Strafrechtspflege ganz überwiegend in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, sind auch diese dazu befugt, statistische Daten im Bereich hate speech zu erheben. Der Umstand, dass der Ausschuss in seiner Empfehlung unter Randnummer 9 (d) der jüngsten concluding observations auf der Überreichung statistischer Daten zu Vorfällen von hate speech 17 Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik i.d.F. vom 1. Januar 2014, Anlage 3 Seite 12 f. / 15 f., online abrufbar unter http://www.bka.de/nn_193232/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik /2014/pks2014__node.html?__nnn=true (Stand: 3. März 2016). 18 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.6, Rechtspflege, Staatsanwaltschaften, 2014, Katalog der Sachgebietsschlüssel (S. 134 f.), online abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege /GerichtePersonal/Staatsanwaltschaften2100260147004.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 3. März 2016). 19 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3, Strafverfolgung, 2013 online abrufbar unter https://www.destatis .de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/Strafverfolgung 2100300137004.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 12 beharrte, spricht dafür, dass er die im zu Grunde liegenden deutschen Staatenbericht geschilderten statistischen Erhebungen nicht für ausreichend hält. Auch wenn die Formulierung der betreffenden Empfehlung recht vage ist,20 dürfte eine gesonderte Erfassung strafrechtlich relevanter Fälle von hate speech erforderlich sein. Demgegenüber lässt sich dem Wortlaut der Empfehlung nicht entnehmen, ob die empfohlene Statistik sämtliche von der Polizei ermittelten Fälle, lediglich die an die Staatsanwaltschaft abgegebenen Fälle, nur die zur Anklage gekommenen Fälle oder allein die Fälle einer richterlichen Schuldfeststellung umfassen soll. Der Umstand, dass die betreffende Empfehlung hierzu weder ausdrückliche Vorgaben macht noch Bezug auf die Vorgaben aus der Empfehlung zu Randnummer 18 der vorangehenden concluding observations nimmt, spricht dafür, dass der Ausschuss nicht abschließend vorgeben wollte oder konnte, welche konkrete Statistik sich am besten für den von ihm vorgegebenen Zweck eignet, die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von rassistischen Hassreden zu beurteilen. Da der Bund Deutschland völkerrechtlich vertritt, trifft ihn im Außenverhältnis die Verantwortung für den Umgang mit den Empfehlungen des CERD. Unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue 21 spricht einiges dafür, dass die Bundesländer verpflichtet sind, den Bund zu unterstützen, soweit er zur Umsetzung dieser Empfehlungen auf ihre Mitwirkung angewiesen ist. Im hier betrachteten Zusammenhang könnte eine solche Unterstützung insbesondere darin liegen, dass die Bundesländer Daten aus dem Bereich ihrer Strafjustiz erheben und dem Bund zur Verfügung stellen . 4. Umsetzung der concluding observations in Frankreich 4.1. Im Allgemeinen Aus den jüngsten concluding observations22 des CERD (zum 20. und 21. französischen Staatenbericht ) ergibt sich, dass Frankreich ebenfalls bestrebt ist, seine Verpflichtungen aus dem ICERD zu erfüllen, und dabei den Empfehlungen des Ausschusses – jedenfalls in Teilen – nachkommt. 4.1.1. Positive Entwicklungen In den genannten concluding observations hob der Ausschuss folgende Punkte als positiv hervor: - Die Aufhebung eines Runderlasses, der Arbeitsimmigrationskontrollen betraf; 20 Die concluding observations zum 19. bis 22. deutschen Staatenbericht stehen derzeit nur in englischer, spanischer , russischer, chinesischer und arabischer Sprache zur Verfügung. In der spanischen Version lautet die betreffende Empfehlung „Ofrezca información estadística sobre las tendencias en casos de declaraciones de incitación al odio y de violencia racista (…)“, in der englischen Version „Provide statistical information on trends in instances of racist hate speech and violence (…)“. 21 Siehe dazu Grzeszick in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 75. Ergänzungslieferung September 2015, Band III, Art. 20 Rn. 126 ff. (129) m.w.N.). 22 CERD, concluding observations vom 8. und 11. Mai 2015, online abrufbar unter https://documents-ddsny .un.org/doc/UNDOC/GEN/G15/120/58/PDF/G1512058.pdf?OpenElement (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 13 - die Ernennung eines interministeriellen Beauftragten zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus ; - die Verabschiedung eines Gesetzes zur Orientierung und Planung der Entwicklungspolitik und der Politik der internationalen Solidarität; - die Verabschiedung eines nationalen Plans zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus für den Zeitraum 2015 bis 2017. Insbesondere durch letztere Maßnahme scheint Frankreich den Ausschussempfehlungen aus dem vorangehenden Berichtszyklus gefolgt zu sein: In den vorangehenden concluding observations (zum 17. bis 19. französischen Staatenbericht) hatte der Ausschuss konkrete Vorschläge für den Inhalt des nationalen Plans gemacht,23 auf die er in den jüngsten concluding observations nicht erneut Bezug nahm. Dies spricht dafür, dass er den verabschiedeten Plan für ausreichend hält. 4.1.2. Besorgniserregende Entwicklungen und Empfehlungen Allerdings zeigte der Ausschuss in seinen jüngsten concluding observations auch eine Reihe besorgniserregender Entwicklungen auf und gab Empfehlungen zu diesen ab. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um neu hinzugekommene Problemfelder. Vielmehr lassen die Ausführungen des Ausschusses erkennen, dass er einige seiner früheren Empfehlungen für nicht vollständig umgesetzt und die betreffenden Entwicklungen dementsprechend weiterhin für besorgniserregend hält. 4.2. Im Hinblick auf hate speech Zum Thema hate speech findet sich in den jüngsten concluding observations des CERD Folgendes : 4.2.1. Positive Entwicklungen Wohlwollend erwähnt der Ausschuss die im Jahr 2009 eingeführte Plattform PHAROS (Plateforme d'Harmonisation, d'Analyse, de Recoupement et d'Orientation des Signalements).24 Mit deren Hilfe können Internetnutzer und Anbieter von Internetdiensten Anzeigen über illegale Inhalte erstatten, die sodann bearbeitet und an die zuständigen französischen oder ausländischen Stellen weitergeleitet werden. Als illegale Inhalte kommen unter anderem Kinderpornografie, betrügerische Internetauftritte und E-Mails, SPAM, Beleidigung und Rufschädigung, Androhung 23 CERD, concluding observations vom 11., 12., 24. und 25. August 2010, S. 2, online abrufbar unter http://tbinternet .ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CERD%2fC%2fFRA%2fCO%2f17- 19&Lang=en (Stand: 3. März 2016). 24 Zu den Einzelheiten siehe den zugehörigen Internetauftritt der französischen Regierung, online abrufbar unter https://www.internet-signalement.gouv.fr/PortailWeb/planets/Accueil!input.action (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 14 von Gewalt, Anstiftung zu Straftaten, Anstiftung zur Diskriminierung aufgrund Herkunft, Geschlecht , sexueller Orientierung oder Behinderung, aber auch Aufstachelung zum Rassenhass in Betracht.25 4.2.2. Besorgniserregende Entwicklungen Auch in Frankreich werden im politischen Raum Äußerungen abgegeben, die im Verdacht der Rassendiskriminierung stehen. So ermittelte die Pariser Justiz etwa bis vor kurzem wegen islamkritischer Äußerungen, die Marine Le Pen, die heutige Vorsitzende der Partei Front National, im Jahr 2010 in Lyon getätigt hatte.26 Das erstinstanzliche Gerichtsverfahren endete im Dezember 2015 mit einem Freispruch. Dieses Ergebnis ist bislang nicht zum Gegenstand eines Individualbeschwerdeverfahren vor dem CERD gemacht worden.27 Bereits in den vorangehenden concluding observations (zum 17. bis 19. französischen Staatenbericht ) hatte der Ausschuss erklärt, über Vorkommnisse diskriminierender politischer Reden, über den Anstieg rassistischer und fremdenfeindlicher Verhaltensweisen sowie über rassistische Diskurse im Internet besorgt zu sein, und angeregt, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Verhaltensweisen zu bekämpfen. In seinen jüngsten concluding observations zum 20. und 21. französischen Staatenbericht erklärte der Ausschuss erneut, er sei besorgt über den Anstieg von hate speeches und fremdenfeindlichen Diskursen in bestimmten politischen Kreisen und den Medien, die zur Trivialisierung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in der französischen Bevölkerung beitrügen. Zudem sei er besorgt darüber, wie hartnäckig sich Rassismus im Internet halte, obgleich Frankreich – z.B. durch die Einführung von PHAROS – bereits präventive und repressive Gegenmaßnahmen ergriffen habe. 25 Siehe die in PHAROS vorgegebenen Anzeigekategorien, online abrufbar unter https://www.internet-signalement .gouv.fr/PortailWeb/planets/SignalerEtapeChoixTypeContenu!input.action (Stand: 3. März 2016). 26 Sie hatte das öffentliche Beten von Muslimen auf der Straße als Besatzung (occupation) bezeichnet und dadurch in einen Zusammenhang mit der deutschen Besetzung im zweiten Weltkrieg gerückt, siehe die Online-Ausgabe der New York Times vom 15. Dezember 2015, abrufbar unter http://www.nytimes.com/2015/12/16/world/europe /french-court-acquits-marine-le-pen-of-hate-speech.html?_r=0 (Stand: 3. März 2016). 27 Ausweislich einer Abfrage in der Datenbank der Vereinten Nationen (online abrufbar unter http://juris.ohchr .org/ - Stand: 3. März 2016) wurden bislang nur zwei Individualbeschwerdeverfahren gegen Frankreich geführt . Eines davon betraf die Bedingungen für die Zulassung eines senegalesischen Staatsangehörigen zur Rechtsanwaltschaft in Frankreich (CERD/C/39/D/2/1989), das andere die Verweigerung von Tarifvergünstigungen für Massenpostsendungen, die Adressen in baskischer Sprache aufwiesen (CERD/C/62/D/24/2002). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 15 4.2.3. Empfehlungen Zunächst nahm der Ausschuss Bezug auf mehrere seiner Allgemeinen Empfehlungen (general recommendations), darunter die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 über die Bekämpfung von Hassreden aus dem Jahr 2013.28 Daneben empfahl er Frankreich, (a) rassistische hate speech und fremdenfeindliche, anti-semitische und islamfeindliche Diskurse , die von bestimmten politischen Kreisen und den Medien ausgehen, entschieden zu verurteilen und sich von diesen zu distanzieren; (b) sicherzustellen, dass die Verantwortlichen aller rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen und islamfeindlichen Diskurse verfolgt, verurteilt und bestraft werden; (c) weitere Schritte zu unternehmen, um die Toleranz und die Verständigung zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu steigern. Ferner appellierte der Ausschuss an Frankreich, die Maßnahmen – insbesondere im Rahmen von PHAROS – zu verbessern und die Mittel erhöhen, welche dazu dienen, die Verbreitung rassistischer Taten und Äußerungen im Internet zurückzudrängen. Schließlich legte der Ausschuss Frankreich nahe, seine Sensibilisierungskampagnen fortzusetzen , im Hinblick auf diese noch entschiedener zu handeln und dabei enger mit ausländischen Unternehmen und Dienstleistern zusammenzuarbeiten. Anders als in den an Deutschland adressierten Empfehlungen monierte der Ausschuss weder in seinen jüngsten noch in den vorangegangenen concluding observations die Datenerhebung im Bereich von hate speech und mahnte auch nicht die Lieferung bestimmter Statistiken an. Im 20. und 21. Staatenbericht hatte Frankreich dargelegt, wie sich die Zahl der Verurteilungen, die auf rassismusbedingten Straftaten beruhten, in den Jahren 2001 bis 2011 entwickelt hatte. Beigefügt war eine Statistik, die danach unterschied, ob die Urteile unter anderem, hauptsächlich oder ausschließlich auf rassismusbedingten Taten beruhten.29 Da der Ausschuss diese Informationen in seinen jüngsten concluding observations nicht kommentierte, darf davon ausgegangen werden, dass er sie für ausreichend erachtete. 28 CERD, general recommendation vom 26. September 2013 (CERD/C/GC/35), online abrufbar unter http://tbinternet .ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CERD%2fC%2fGC%2f35&Lang=en (Stand: 3. März 2016). 29 20. und 21. französischer Staatenbericht vom 23. Mai 2013, Rn. 41, online abrufbar unter http://tbinternet.ohchr .org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CERD%2fC%2fFRA%2f20-21&Lang=en (Stand: 3. März 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 027/16 Seite 16 5. Fazit Sowohl Deutschland als auch Frankreich scheinen bestrebt, ihre Verpflichtungen aus dem ICERD zu erfüllen, und bereit, im Hinblick darauf – jedenfalls in gewissem Umfang – den nicht bindenden concluding observations des CERD nachzukommen. Anders als Frankreich dürfte Deutschland die Anforderungen, die der Ausschuss an statistische Erhebungen im Bereich von hate speech stellt, bislang nicht erfüllt haben. Hinsichtlich der Erstellung entsprechender Statistiken dürften die Bundesländer gehalten sein, den Bund – soweit dies erforderlich ist – zu unterstützen . Ende der Bearbeitung