© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 026/18 Die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern/-innen Internationaler Schutz und praktische Umsetzung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 2 Die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern/-innen Internationaler Schutz und praktische Umsetzung Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 026/18 Abschluss der Arbeit: 28. Mai 2018 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 5 1.1. Begriff der Menschenrechtsverteidiger/-innen 5 1.2. Inhalt und Umfang des Sachstandes 7 2. Rechtlicher Rahmen 8 2.1. Vereinte Nationen 8 2.2. Europa 10 2.2.1. Europäische Union 10 2.2.2. Europarat 11 2.2.3. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 13 2.3. Asien 14 2.4. Afrika 14 2.5. Lateinamerika 15 2.6. Nationale Gesetzgebung 17 3. Praktische Umsetzung 18 3.1. Regionale Gremien und Institutionen 18 3.1.1. Europäisches Parlament 18 3.1.2. Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte 19 3.2. Nationale und internationale Schutz- und Förderprogramme 20 3.2.1. Deutschland 20 3.2.2. Die Niederlande 22 3.2.3. Die Europäische Union 23 3.2.4. Kolumbien 24 3.3. Nationale Menschenrechtsinstitute 25 4. Bewertung 26 4.1. Verbesserungen 26 4.1.1. Usbekistan 27 4.1.2. Lesotho 27 4.1.3. Liberia 27 4.2. Herausforderungen 28 4.2.1. Beschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume (Shrinking Spaces) 28 4.2.2. Latein- und Südamerika 31 4.2.2.1. Kolumbien 31 4.2.2.2. Honduras 32 4.2.2.3. Brasilien 33 4.2.3. Afrika 34 4.2.3.1. Ägypten 34 4.2.4. Asien 35 4.2.4.1. Philippinen 35 4.2.4.2. Kambodscha 36 4.2.4.3. Pakistan 37 4.2.4.4. Indien 37 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 4 4.2.5. Europa und Zentralasien 38 4.2.5.1. Aserbaidschan 38 4.2.5.2. Ungarn 39 4.2.5.3. Russland 40 4.2.6. Arabische Staaten und Naher Osten 40 4.2.6.1. Israel 40 4.2.6.2. Iran 41 4.2.6.3. Saudi Arabien 42 5. Weiterführende Informationen 43 5.1. Frauenrechte 43 5.2. Rechte indigener Völker 43 5.3. LGBTI-Rechte 44 5.4. Landrechte 44 5.5. Demokratische Rechte 44 5.6. Corporate Human Rights Abuses 44 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 5 1. Vorbemerkungen 1.1. Begriff der Menschenrechtsverteidiger/-innen Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN-GV) hat 1998 – am Vortag des 50. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – im Rahmen der Erklärung über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen (Resolution 53/144, im Folgenden „VN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/-innen“)1 die wesentlichen Eckpfeiler des Begriffs der Menschenrechtsverteidiger/-innen (MRV) festgelegt. Nach Art. 1 der Erklärung hat jeder Mensch das Recht, (…) einzeln wie auch in Gemeinschaft mit anderen, den Schutz und die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu fördern und darauf hinzuwirken. Die VN erfordern keine besondere „Qualifikation“, um als MRV zu gelten, d.h. es ist unerheblich, ob sich Menschen in privatem oder professionellem, bezahltem oder unbezahltem Kontext für die Menschenrechte einsetzen.2 Es geht allein darum, dass sich Menschen für den Schutz von Menschenrechten engagieren (handlungsbezogene Definition). Daher zählen etwa auch Journalisten /-innen, Anwälte/-innen sowie Freiwillige und alle, die – auch nur gelegentlich – eine Menschenrechtsaktivität betreiben, zu den MRV. Zu den relevanten Tätigkeiten zählen (nicht abschließend): - Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen oder die Verbreitung von Informationen , - Unterstützung von Opfern, - Sicherstellung von Verantwortlichkeiten und die Beendigung von Straffreiheit, - Unterstützung effektiverer öffentlicher Verwaltung und Regierung, - Leistung eines Beitrags zur Implementierung von Menschenrechtsverträgen, sowie - Schul- und Berufsbildung auf dem Gebiet der Menschenrechte.3 Zwei grundsätzliche Bedingungen knüpfen die VN jedoch gleichwohl an die Definition der MRV: Zum einen müssen MRV die Universalität der Menschenrechte anerkennen, d.h. Menschen- 1 VN-GV, Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms (9. Dezember 1998), VN- Dok. 53/144. 2 UNHCR, „Who Is a Defender“ (2018), verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/Issues/SRHRDefenders/Pages /Defender.aspx (zuletzt aufgerufen am 29. März 2018). 3 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (2012), verfügbar unter: https://www.protectioninternational.org/wp-content/uploads/2013/04/Best-Practices-and-Lessons -Learnt.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018), S. 29. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 6 rechtsschutz nicht selektiv betreiben, sondern vor allem auch den Schutz von Frauen und Homosexuellen einschließen.4 Zum anderen müssen MRV stets gewaltfrei agieren.5 Die Tätigkeit muss jedoch nicht zwingend nach nationalem Recht legal sein. Während einige Experten argumentieren, Tätigkeiten von MRV dürften grundsätzlich keine Straftaten darstellen, bringen andere vor, dass gerade in repressiven Staaten oder Staaten, die einen öffentlichen Ausnahmezustand ausgerufen haben, bestimmte Tätigkeiten unbegründeter Weise kriminalisiert werden könnten.6 In diesem Kontext gibt Art. 3 VN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger /-innen7 zu erkennen, dass Staaten nicht befugt sein sollen, durch nationale Legislativmaßnahmen den Anwendungsbereich von internationalen Menschenrechtsverträgen faktisch selbst zu definieren. Hiernach ist das nationale Recht nur so lang der Maßstab, nach dem Menschenrechtsaktivitäten ausgeübt werden können, wie das nationale Recht im Einklang mit völkerrechtlichen Vorgaben der VN steht. Ist eine Aktivität nach nationalem Recht illegal, aber völkerrechtskonform, so gilt der völkerrechtliche Maßstab.8 Typischerweise kriminalisieren repressive Staaten nämlich Aktivitäten der MRV, indem sie etwa die Versammlungsfreiheit stark beschneiden oder Straftatbestände wie Konspiration oder Terrorismus mit exzessiven Strafandrohungen belegen.9 Eine andere, oft genutzte Form der Kriminalisierung besteht in der Verabschiedung vager und mehrdeutiger Strafgesetze, welche der jeweiligen Anklagebehörde einen sehr weiten Interpretationsspielraum und damit Tür und Tor für (willkürliche) Anklagen öffnen.10 Die Europäische Union (EU) hat auf Grundlage der VN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger /-innen weitere Kriterien entwickelt, die sie in den Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern11 von 2008 folgendermaßen verankert haben: „Menschenrechtsverteidiger sind Einzelpersonen, Gruppen und Organe der Gesellschaft, die allgemein anerkannte Menschenrechte und Grundfreiheiten fördern und schützen. Sie bemühen sich um 4 UNHCR, “Who Is a Defender“ (Fn. 2). 5 Ibid. 6 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (Fn. 3), S. 30. 7 Art. 3 lautet: „Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die mit der Charta der Vereinten Nationen und den sonstigen internationalen Verpflichtungen des jeweiligen Staates auf dem Gebiet der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Einklang stehen, bilden den rechtlichen Rahmen für die Verwirklichung und den Genuß der Menschenrechte und Grundfreiheiten, innerhalb dessen alle in dieser Erklärung genannten Tätigkeiten zur Förderung, zum Schutz und zur effektiven Verwirklichung dieser Rechte und Freiheiten durchzuführen sind“. 8 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (Fn. 3), S. 30. 9 Ibid. 10 Ibid., S. 30 f. 11 Rat der Europäischen Union, „Ensuring Protection – European Union Guidelines on Human Rights Defenders“ (2008), verfügbar unter: https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_guidelines_hrd_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. April 2018), Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 7 die Förderung und den Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte und um die Förderung, den Schutz und die Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte. Sie fördern und schützen ferner die Rechte von Mitgliedern bestimmter Gruppen wie beispielsweise indigenen Bevölkerungsgruppen . Einzelpersonen oder Gruppen, die Gewalt anwenden oder dazu aufrufen, sind von dieser Definition ausgeschlossen.“ Sie spielen eine entscheidende Rolle insbesondere bei der: - Dokumentierung von Menschenrechtsverletzungen, - Hilfe für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch rechtliche, psychologische, medizinische oder sonstige Unterstützung, - Bekämpfung einer Kultur der Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen, und - Sensibilisierung für Menschenrechte und MRV auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) umschreibt Menschenrechtsverteidiger /-innen als „Menschen und Gruppen, die sich gewaltfrei für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte einsetzen“.12 Der Begriff ist an den englischen Ausdruck „Human Rights Defenders (HRD)“ angelehnt und verdrängt zunehmend die früher gebräuchlicheren Bezeichnungen „Menschenrechtler“ und „Menschenrechtsaktivist“. Gemeint ist dasselbe.13 1.2. Inhalt und Umfang des Sachstandes Während der eigens von den VN eingesetzte Sonderberichterstatter zur Situation von MRV14 die Situation von MRV in allen Ländern – Schwellenländern wie auch Länder mit langjährigen demokratischen Institutionen, Verfahren und Traditionen – mit Besorgnis beobachtet, betonte er die Notwendigkeit, besonderes Augenmerk auf Länder zu legen, in denen entweder (a) interne Konflikte oder schwere Unruhen bestünden oder (b) juristischer und institutioneller Menschenrechtsschutz nicht voll bzw. gar nicht existiert.15 Bedrohungen richten sich nicht nur gegen MRV selbst, sondern auch gegen die Organisationen, für die sie arbeiten, oder deren Familienangehörige. Diese werden Opfer von Exekutionen, Folter, 12 IGFM, „Definition und Infos: Was sind Menschenrechtsverteidiger?“ (2018), verfügbar unter: https://www.igfm.de/themen/menschenrechtler/definition-menschenrechtsverteidiger/ (zuletzt aufgerufen am 29. März 2018). 13 Ibid. 14 Zum Mandat des Sonderberichterstatters UNHCR, „Mandate“ (2018), verfügbar unter: http://www.ohchr .org/EN/Issues/SRHRDefenders/Pages/Mandate.aspx (zuletzt aufgerufen am 29. März 2018). 15 Sonderberichterstatter zur Situation von MRV, „Challenges They Face: Human Rights Violations Committed against Defenders, and other Difficulties They Confront“ (2018), verfügbar unter: http://www.ohchr .org/EN/Issues/SRHRDefenders/Pages/Challenges.aspx (zuletzt aufgerufen am 29. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 8 Schlägen, willkürlichen Festnahmen, Todesdrohungen, Einschüchterung, Diffamierung, Beschränkungen der Freizügigkeit, Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit sowie falscher Beschuldigungen, unfairer Gerichtsverfahren und Verurteilungen, um nur einige Beispiele zu nennen.16 In der Regel gehen die Repressalien von staatlicher Seite aus,17 weil die Arbeit von MRV typischerweise mit Kritik an der Politik sowie Maßnahmen der Regierung verbunden ist. Allerdings existiert auch eine Reihe von nicht-staatlichen Akteuren wie etwa bewaffnete Gruppen , Paramilitärs, Wirtschaftsunternehmen oder sonstige Individuen (zum Beispiel religiöse Vereinigungen , Gemeinschafts- oder Stammesälteste), die mitverantwortlich für die Bedrohung von MRV sind.18 Dieser Sachstand soll die wesentlichen Problemfelder in der aktuellen Arbeit von MRV weltweit untersuchen. Auf Grund der übergroßen Bandbreite an möglichen Verletzungen, Tätern und Opfern sowie der Unterschiedlichkeit der Probleme in den verschiedenen Regionen der Welt kann der Sachstand keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Er zielt vielmehr darauf ab, die Situation von MRV schlaglichtartig für jede Region zu beleuchten, normative Grundlagen zum Schutz von MRV sowie Erfolge und Herausforderungen bei deren Umsetzung in die Praxis herauszukristallisieren. Weiterführende Informationen sind an entsprechenden Stellen – grau unterlegt – dokumentiert. 2. Rechtlicher Rahmen 2.1. Vereinte Nationen Mit der bereits erwähnten VN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/-innen (Resolution 53/144) wurden 1998 erstmals internationale Standards für den Schutz von MRV geschaffen . Die Deklaration ist ihrer Natur nach zwar rechtlich unverbindlich, bildet jedoch gleichwohl Grundlage und Impuls für weitere regionale und weltweite Initiativen und Institutionen. Weiterführend: Sonderberichterstatterin zur Situation von MRV, “Commentary to the Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms” (2011): http://www.ohchr.org/Documents/Issues/Defenders/CommentarytoDeclarationondefenders July2011.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). So rief die Menschenrechtskommission im Jahr 2000 die Position des/der Sonderberichterstatters /in zur Situation von MRV ins Leben.19 Auch der Sonderberichterstatter der African 16 VN, „Human Rights Defenders: Protecting the Right to Defend Human Rights“ (2004), Fact Sheet No. 29, verfügbar unter: https://www.humanrights.ch/upload/pdf/110909FactSheet29en.pdf (zuletzt aufgerufen am 29. März 2018), S. 9 f. 17 Ibid., S. 15 f. 18 Ibid. 19 Menschenrechts-Kommission, „Human Rights Defenders“ (26. April 2000), Resolution 2000/61. Seit 2014 führt Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 9 Commission on Human and Peoples‘ Rights on Human Rights Defenders (2004)20 und die Unit for Human Rights Defenders (2001) der interamerikanischen Menschenrechtskommission21 gehen auf die VN-Erklärung zurück.22 Die Sonderberichterstatter dienen als Anlaufstelle für Beschwerden von MRV und berichten ihren Mitgliedstaaten regelmäßig über spezifische Themen oder die Menschenrechtssituation vor Ort. Damit wollen sie sicherstellen, dass Bedrohungen und Einschüchterungen von Menschenrechtsverteidigern nicht in Vergessenheit geraten. Neben den Berichten geben sie in Kooperation mit den Mitgliedstaaten auch Empfehlungen zur Verbesserung der Einhaltung der Menschenrechte ab.23 Weiterführend: Detaillierte Berichte des VN-Sonderberichterstatters, verfügbar unter: http://ap.ohchr .org/documents/dpage_e.aspx?m=70&m=166 (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). Sowohl die Generalversammlung der VN als auch der Menschenrechtsrat der VN haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Schutz von MRV beschäftigt. Beispielhaft seien folgende Resolutionen hervorgehoben: − VN-GV, Resolution on the Protection of Women Human Rights Defenders (18. Dezember 2013), VN.-Dok. A/RES/68/181; − VN-GV, Resolution on the Promotion of the UN Declaration on Human Rights Defenders (11. Dezember 2011), VN.-Dok. A/RES/66/164; − Menschenrechtsrat, Resolution on the Protection of Human Rights Defenders (21. März 2013), VN.-Dok. A/HRC/RES/22/6; − Menschenrechtsrat, Resolution on the Protection of Human Rights Defenders (25. März 2010), VN.-Dok. A/HRC/RES/13/13. Michel Forst das Amt aus. Seine Vorgängerinnen waren Margaret Sekaggya (Uganda, 2008-2014) und Hina Jilani (Pakistan, 2000-2008): http://www.ohchr.org/EN/Issues/SRHRDefenders/Pages/SRHRDefendersIndex.aspx (zuletzt aufgerufen am 4. April 2018). 20 Siehe unten 2.4. 21 Siehe unten 2.5. 22 Informationsplattform Humanrights.ch, “UNO-Deklaration zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen” (2012), verfügbar unter: https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/mr-verteidiger/uno/uno-deklaration / (zuletzt aufgerufen am 4. April 2018). 23 Vgl. ACHPR, „Special Rapporteur on Human Rights Defenders“ (2018), verfügbar unter: http://www.achpr.org/mechanisms/human-rights-defenders/; OHCHR, „Submitting Complaints“ (2018), verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/Issues/SRHRDefenders/Pages/Complaints.aspx; Informationsplattform Humanrights.ch, „UNO-Deklaration zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen“ (2012), verfügbar unter: https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/mr-verteidiger/uno/uno-deklaration/ (zuletzt aufgerufen am 14. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 10 2.2. Europa 2.2.1. Europäische Union Auf politischer Ebene hat die Europäische Union (EU) im Juni 2004 die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/-innen24 durch den EU-Ministerrat verabschiedet und 2008 aktualisiert. Diese zielen darauf ab, die Unterstützung und den Schutz der Europäischen Union für Menschenrechtsverteidiger/-innen in Nicht-EU-Ländern zu verbessern. Dabei geht es einerseits um direkte Unterstützung vor Ort, andererseits um Maßnahmen in den diplomatischen Beziehungen der EU-Länder mit Drittstaaten.25 Die Leitlinien sollen insbesondere den EU-Missionen (Botschaften und Konsulaten der EU-Mitgliedstaaten und Delegationen der Europäischen Kommission) in ihrer Position in Bezug auf Menschenrechtsverteidiger eine Hilfe sein. Die Leiter der EU-Missionen sind gehalten, regelmäßig über die Menschenrechtslage und konkret die Lage der MRV in ihrem Akkreditierungsland zu berichten. Zu diesem Zwecke hat die EU wiederum Richtlinien (guidance notes) mit konkreten Tipps für EU-Missionen entworfen.26 Die Ratsarbeitsgruppe COHOM überwacht die weltweite Umsetzung der EU-Leitlinien.27 Weiterführend zur Umsetzung der EU-Leitlinie: Amnesty International, „The European Union - Rising to the Challenge of Protecting Human Rights Defenders” (2008), verfügbar unter: https://www.amnesty.org/download/Documents /52000/eur010092008eng.pdf Human Rights and Democracy Network, “Do’s and Don’ts for EEAS, EU Delegations and Member State Embassy Public Statements or Letters on Human Rights Defenders”, verfügbar unter: http://stand4humanrightsdefenders.eu/action-dosanddonts.php (jeweils zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). Schließlich sind der Schutz sowie die Förderung von MRV auch ein Baustein des zweiten Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie der EU für den Zeitraum 2015 - 2019.28 Er dient 24 EU, Schutz von Menschenrechtsverteidigern – Leitlinien der Europäischen Union (2008), verfügbar unter: https://pbideutschland.de/fileadmin/user_files/groups/germany/Dateien/EU-Leitlinien_Schutz_MRV.pdf (zuletzt aufgerufen am 5. April 2018). 25 PBI Deutschland, „EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen“ https://pbideutschland .de/informieren/themen/int-standards-zum-schutz-von-menschenrechtsverteidigerinnen/eu-leitlinien-zum (zuletzt aufgerufen am 5. April 2018). 26 Europäischer Auswärtiger Dienst, „EU Guidelines on Human Rights Defenders: Guidance Note for EU Missions“ (2014), Dok.-Nr. Ref. Ares(2014)1420139, verfügbar unter: https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files /guidance_note_on_hrds_2014.docx_2.pdf (zuletzt aufgerufen am 9. Mai 2018). 27 Rat der EU, http://www.consilium.europa.eu/de/council-eu/preparatory-bodies/working-party-human-rights/ (zuletzt aufgerufen am 14. Mai 2018). 28 Rat der EU, „Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie“ (2015), verfügbar unter: http://www.consilium .europa.eu/media/30003/web_en__actionplanhumanrights.pdf (zuletzt aufgerufen am 9. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 11 schwerpunktmäßig der Befähigung von lokalen Einrichtungen und von Organisationen der Zivilgesellschaft . 2.2.2. Europarat 1999 hat der Europarat mit Resolution (99) 50 die Institution des Menschenrechtskommissars des Europarates ins Leben gerufen, zu dessen Kernaufgaben es mittlerweile gehört, die Arbeit von MRV zu unterstützen sowie darauf hinzuwirken, dass die 47 Mitgliedstaaten des Europarates eine dieser Arbeit zuträgliche Umgebung bereitstellen.29 Die aus Bosnien und Herzegowina stammende , aktuelle Amtsinhaberin, Dunja Mijatović, übernahm die Aufgabe zum 1. April 2018.30 Darüber hinaus hat der Europarat in der letzten Dekade verschiedenste Initiativen speziell zum Thema „Schutz von MRV“ lanciert: 2008 nahm das Ministerkomitee des Europarates die Declaration of the Committee of Ministers on Council of Europe Action to Improve the Protection of Human Rights Defenders and Promote their Activities an.31 Darin verurteilte das Ministerkomitee alle Verletzungen von Rechten von MRV und rief die Mitgliedstaaten des Europarates u.a. dazu auf, eine Umgebung zu schaffen, die der Arbeit von MRV zuträglich ist, und effektive Maßnahmen zu ergreifen, um MRV zu schützen .32 Die Erklärung basierte auf einem Bericht des Lenkungsausschusses des Europarates zu Menschenrechten,33 der auf die besonderen Hindernisse bei der Arbeit von MRV hinwies und damit die heutzutage als „shrinking spaces“34 bezeichneten Phänomene thematisierte. Neben dem Ministerkomitee hat auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates (Europarats -PV) das Thema auf der Agenda: 29 Europarat, „Human Rights Defenders“ (2018), verfügbar unter: https://www.coe.int/en/web/commissioner/human -rights-defenders (zuletzt aufgerufen am 13. April 2018). 30 Europarat, „The Commissioner“ (2018), verfügbar unter: https://www.coe.int/en/web/commissioner/the-commissioner (zuletzt aufgerufen am 13. April 2018). 31 Europarat, Declaration of the Committee of Ministers on Council of Europe Action to Improve the Protection of Human Rights Defenders and Promote their Activities (6. Februar 2008) verfügbar unter: https://search .coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805d3e52 (zuletzt aufgerufen am 5. April 2018). 32 Ibid., Rn. 2. 33 Europarat, Steering Committee for Human Rights, “Activity Report on Council of Europe Action to Improve the Protection of Human Rights Defenders and Promote their Activities” (6. Februar 2008), Dok.-Nr. CM(2008)5-add, verfügbar unter: https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805d4449 (zuletzt aufgerufen am 5. April 2018). 34 Zur Thematik siehe unten, „Beschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume (Shrinking Spaces)“, S. 28 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 12 − Resolution 2095 (2016), “Strengthening the Protection and Role of Human Rights Defenders in Council of Europe Member States”35; − Europarats-PV, Resolution 1891 (2012) on the Situation of Human Rights Defenders in Council of Europe Member States36; − Europarats-PV, Resolution 1660 (2009) on the Situation of Human Rights Defenders in Council of Europe Member States37; − Europarats-PV, Recommendation 1866 (2009) on the Situation of Human Rights Defenders in Council of Europe Member States 38. Zum Entscheidungsbildungsprozess innerhalb des Europarates trägt auch die Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen (Conference of INGOs) bei.39 Diese hat den Schutz von MRV in ihrem Aktionsplan für 2015 bis 2018 zur Priorität und zum strategischen Ziel erklärt 40 und bereits im Januar 2012 die permanente Arbeitsgruppe „Human Rights Defenders“ gegründet , die aus fünf Nichtregierungsorganisationen (NRO) besteht.41 Ihr Ziel ist u. a. ein spezielles Verfahren innerhalb des Europarats einzurichten, das Einzelfälle verfolgter MRV betrachtet und für die Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen systematische Methoden entwickelt, um MRV in ihrer Arbeit zu unterstützen und sich mit ihnen zu solidarisieren.42 35 Europarats-PV, Resolution 2095 (2016), verfügbar unter: http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref- XML2HTML-en.asp?fileid=22500&lang=en (zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2018). 36 Europarats-PV, Resolution 1891 (2012), verfügbar unter: http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref- XML2HTML-en.asp?fileid=18948&lang=en (zuletzt aufgerufen am 12. April 2018). 37 Europarats-PV, Resolution 1660 (2009), verfügbar unter: http://semanticpace .net/tools/pdf.aspx?doc=aHR0cDovL2Fzc2VtYmx5LmNvZS5pbnQvbncveG1sL1hSZWYvWDJI- LURXLWV4dHIuYXNwP2ZpbGVpZD0xNzcyNyZsYW5nPUVO&xsl=aHR0cDovL3NlbWFud- GljcGFjZS5uZXQvWHNsdC9QZGYvWFJlZi1XRC1BVC1YTUwyUERGLnhzbA==&xsltparams=Zmls- ZWlkPTE3NzI3 (zuletzt aufgerufen am 12. April 2018). 38 Europarats-PV, Recommendation 1866 (2009), verfügbar unter: http://semanticpace .net/tools/pdf.aspx?doc=aHR0cDovL2Fzc2VtYmx5LmNvZS5pbnQvbncveG1sL1hSZWYvWDJI- LURXLWV4dHIuYXNwP2ZpbGVpZD0xNzcyOCZsYW5nPUVO&xsl=aHR0cDovL3NlbWFud- GljcGFjZS5uZXQvWHNsdC9QZGYvWFJlZi1XRC1BVC1YTUwyUERGLnhzbA==&xsltparams=Zmls- ZWlkPTE3NzI4 (zuletzt aufgerufen am 12. April 2018). 39 Europarat, “The Council of Europe and Non-Governmental Organisations: Promoters of Democracy and Active Citizenship in Europe” (2018), verfügbar unter: https://www.coe.int/en/web/ingo/overview (zuletzt aufgerufen am 13. April 2018). 40 Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen, “Action Plan of the Conference of INGOs: June 2015 - January 2018“ (2016), verfügbar unter: https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/Display DCTMContent?documentId=0900001680596b4e (zuletzt aufgerufen am 13. April 2018), S. 2. 41 Human Rights Committee, „Working Group: Human Rights Defenders” (2017), verfügbar unter: https://rm.coe.int/16806f1b49 (zuletzt abgerufen am 16. Mai 2018). 42 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 13 Die Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen hat zudem im Entwurf ihres Arbeitsprogramms für die Jahre 2018 bis 2020 (Draft Roadmap 2018 - 2020)43 die Gründung einer weiteren Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die Schutzmechanismen für MRV untersuchen soll (Working Group 1: Protection Mechanisms for Endangered Human Rights Defenders). Dazu soll laut dem Arbeitsprogramm bis Januar 2020 eine Datenbank erstellt werden, die – nach Regionen geordnet – darstellt, welche Schutzmechanismen für MRV existieren, wie diese funktionieren und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt.44 2.2.3. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Arbeit von MRV bereits 1994 auf einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs – und damit während des Drafting-Prozesses zur VN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger /-innen – im sogenannten Budapest-Dokument45 unterstrichen. Im Nachgang zum Gipfel in Budapest schuf die Menschenrechtsorganisation der OSZE das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (Office for Democratic Institutions and Human Rights, ODIHR), welches fortlaufend Meldung von Situationen entgegennimmt, in denen die Arbeit von MRV behindert, oder MRV selbst ernsthaften Risiken ausgesetzt sind.46 Nachdem 2012 zudem mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen am Rande des Ministerrates in Dublin eine gemeinsame Erklärung abgaben, in der sie schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von MRV in Mitgliedstaaten der OSZE äußerten,47 entschloss sich das ODIHR, die OSCE Guidelines on the Protection of Human Rights Defenders48 (OSZE-Richtlinien) zu 43 Human Rights Committee, „Draft Roadmap 2018-2020”, verfügbar unter: https://rm.coe.int/action-plan-humanrights -committee-2018-2020/168076deac (zuletzt abgerufen am 16. Mai 2018), S. 2. 44 Ibid. 45 Conference on Security and Co-operation in Europe, “Budapest Document: Towards a Genuine Partnership in a New Era) (21. Dezember 1994), verfügbar unter: https://www.osce.org/mc/39554?download=true (zuletzt aufgerufen am 9. April 2018), S. 31, Rn. 18: “The participating States […] emphasize the need for protection of human rights defenders and look forward to the completion and adoption, in the framework of the United Nations, of the draft declaration on the ‘Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms’”. 46 OSCE Guidelines on the Protection of Human Rights Defenders (2014), verfügbar unter: https://www.osce.org/odihr/guidelines-on-the-protection-of-human-rights-defenders?download=true (zuletzt aufgerufen am 11. April 2018) (OSZE Richtlinien), S. ix. 47 Parallel Civil Society Conference, “Dublin Declaration – Security of Human Rights Defenders: Time for OSCE to Act” (5. Dezember 2012), verfügbar unter: http://www.civicsolidarity.org/sites/default/files/dublin_declaration _on_human_rights_defenders_final.pdf (zuletzt aufgerufen am 9. April 2018), S. 1. 48 OSCE Guidelines on the Protection of Human Rights Defenders (2014), verfügbar unter: https://www.osce.org/odihr/guidelines-on-the-protection-of-human-rights-defenders?download=true (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018) (OSZE-Richtlinien). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 14 entwickeln.49 Die OSZE-Richtlinien setzen weder neue Schutzstandards, noch begründen sie spezielle Rechte für MRV. Sie dienen den Mitgliedstaaten der OSZE vielmehr als Orientierungshilfe bei der praktischen Umsetzung ihrer bisher eingegangenen Menschenrechtsverpflichtungen mit speziellem Fokus auf die Arbeit von MRV.50 2.3. Asien Was den Menschenrechtsschutz anbelangt ist für den asiatischen Raum insbesondere die Asiatische Menschenrechtscharta51 relevant. Zudem haben die Asiatische Menschenrechtskommission und die ASEAN 2009 eine intergouvernementale Menschenrechtskommission52 eingesetzt. Im Großen und Ganzen hinkt Asien allerdings mit dem regionalen Menschenrechtsschutz und damit letztlich auch den Schutz von MRV anderen Regionen hinterher.53 Als Folge des mangelnden Impetus von internationaler Ebene hängt der Schutz von MRV in der Region vor allem vom Engagement nationaler Regierungen und Menschenrechtsinstitute ab.54 2.4. Afrika Nachdem die Menschenrechtskommission der Afrikanischen Union (AU) die Wichtigkeit der Arbeit von MRV im Rahmen der Kigali-Erklärung von 200355 hervorhob und ihre Mitgliedstaaten zum Schutz von MRV aufrief, nahm sie im Jahre 2004 die Resolution zum Schutz Afrikanischer 49 Conference on Security and Co-operation in Europe, “Budapest Document” (Fn. 45), S. ix. 50 OSZE-Richtlinien (Fn. 48), S. xi f. Inhaltlich stellen die OSZE-Richtlinien vor allem klar, dass die Primärverpflichtung zum Schutz von MRV bei den Staaten liegt. Diesen kommen sowohl positive als auch negative Verpflichtungen zu, etwa jegliche Handlung zu unterlassen, welche die Rechte von MRV auf Grund ihrer Tätigkeit als MRV verletzen, MRV vor Misshandlungen durch Dritte zu schützen und proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der Rechte von MRV sicherzustellen, insbesondere auch das Recht, Menschenrechte zu verteidigen (ibid., S. 1 f.). 51 Asian Human Rights Charter (17. Mai 1998), verfügbar unter: http://www.refworld.org/docid/452678304.html (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 52 ASEAN Intergovernmental Commission on Human Right (2012), verfügbar unter http://aichr.org/ (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 53 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (Fn. 3), S. 12. 54 Ibid. 55 African Union Ministerial Conference on Human Rights, Kigali Declaration (8. Mai 2003), verfügbar unter: http://www.achpr.org/instruments/kigali/ (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018), Rn. 28. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 15 MRV56 an. Diese Resolution schuf die Position des/der Sonderberichterstatters/in zur Situation von MRV in Afrika.57 Das Mandat, welches sich zunächst hauptsächlich auf das Sammeln von Informationen, das Verfassen von Berichten an die AU und Dialogen mit Betroffenen beschränkte , wurde 2014 per Resolution58 ausgeweitet. Der/die Sonderberichterstatter/in fungiert seither auch als Anlaufstelle im Falle konkreter Repressalien gegen MRV. Diese werden in einer Datenbank gesammelt und sollen vom/von der Sonderberichterstatter/in behandelt werden („effectively addressed“) – etwa indem er/sie der Menschenrechtskommission der AU die Ergreifung bestimmter Notmaßnahmen im Einzelfall empfiehlt.59 Schließlich verabschiedete die Pan-African Conference on Human Rights Defenders 2009 den Kampala Plan of Action (KAPA) for the Protection of Human Rights Defenders60. Der Plan sah vor, ein Netzwerk von MRV zu gründen,61 das Akteure und Interessengruppen auf verschiedenen Unterebenen zusammenbringt und durch technische Assistenz eines Sekretariats gemeinsame Strategien zum Schutz von MRV entwickelt. 2.5. Lateinamerika Die Organisation Amerikanischer Staaten (Organization of American States, OAS) widmet dem Thema Gewalt gegen MRV schon seit 1999 besondere Aufmerksamkeit, indem sie regelmäßig einmal jährlich eine Resolution speziell zum Thema „Human Rights Defenders: Support for 56 African Commission on Human and Peoples’ Rights, Resolution on the Protection of African Human Rights Defenders (4. Juni 2004), verfügbar unter: http://www.achpr.org/sessions/35th/resolutions/69/ (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 57 African Commission on Human and Peoples’ Rights, “Special Rapporteur on Human Rights Defenders” (2018), verfügbar unter: http://www.achpr.org/mechanisms/human-rights-defenders/ (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). Seit 2017 ist der Kongolese Rémy Ngoy Lumbu Sonderberichterstatter. Seine Vorgänger/-innen waren: Reine Alapini-Gansou (Benin, 2005-2009); Lucy Asuagbor (Kamerun, 2010-2011), Mohamed Bechir Khalfallah (2009-2010), Jainaba Johm (2003-2005). 58 African Commission on Human and Peoples’ Rights, Resolution on Extending the Scope of the Mandate of the Special Rapporteur on Human Rights Defenders in Africa (12. Mai 2014), verfügbar unter: http://www.achpr.org/sessions/55th/resolutions/273/. Siehe auch ISHR, „African Commission Designates Highlevel Focal Point to Combat Reprisals“ (16. Mai 2014), verfügbar unter: http://www.ishr.ch/news/african-commission -designates-high-level-focal-point-combat-reprisals (jeweils zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). 59 African Commission on Human and Peoples’ Rights, Resolution on Extending the Scope of the Mandate of the Special Rapporteur on Human Rights Defenders in Africa (Fn. 58). 60 Johannesburg +10 Conference for HRDs, Kampala Plan of Action for Human Rights Defenders (23. April 2009), verfügbar unter: https://www.defenddefenders.org/wp-content/uploads/2011/12/Final_Kampala-Plan-of-Action -KAPA_Banjul_ENG.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 61 Pan African Human Rights Defenders Network (2018), verfügbar unter: https://africandefenders.org/ (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 16 Individuals, Groups, and Organizations of Civil Society Working to Promote and Protect Human Rights in the Americas“ verabschiedet.62 Die Generalversammlung gab der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte 2001 per Resolution OAS G/RES. 1818 (XXXI-O/01)63 auf, die Situation MRV in der Region zu beobachten und mit Studien und Berichten zu begleiteten. Zu diesem Zweck wurde noch im selben Jahr die Unit for Human Rights Defenders gegründet.64 Im März 2011 folgte der Entschluss der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte, eine/n Sonderberichterstatter/in für Menschenrechtsverteidiger/innen zu schaffen65 mit der 62 OAS, Resolution “Human Rights Defenders in the Anericas: Support for Individuals, Groups, and Organizations of Civil Society Working to Promote and Protect Human Rights in the Americas” - (4. Juni 2014), Dok.-Nr.: AG/RES. 2851 (XLIV-O/14), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/AG0671 2E04.pdf, S. 191; - (5. Juni 2013), Dok.-Nr.: AG/RES. 2789 (XLIII-O/13), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/AG0622 2E04.pdf, S. 131; - (4. Juni 2012), Dok.-Nr.: AG/RES. 2715 (XLII-O/12), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/AG05796 E04.pdf, S. 62; - (7. Juni 2011), Dok.-Nr.: AG/RES. 2658 (XLI-O/11), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/AG05485 E05.pdf, S. 170; - (8. Juni 2010), Dok.-Nr.: AG/RES. 2579 (XL-O/10), verfügbar unter: http://www.oas.org/consejo/sp/AG/Documentos/AG05138E06.doc, S. 286); - (4. Juni 2009), Dok.-Nr.: AG/RES. 2517 (XXXIX-O/09), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/AG04 688E08.pdf, S. 277; - (3. Juni 2008), Dok.-Nr.: AG/RES. 2412 (XXXVIII-O/08), verfügbar unter: http://www.oas.org/DIL/AGRES_241 2.doc; - (5. Juni 2007), Dok.-Nr.: AG/RES. 2280 (XXXVII-O/07), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/AG0 3738E14.pdf, S. 82; - (6. Juni 2006), Dok.-Nr.: AG/RES. 2177 (XXXVI-O/06), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/ag033 41e09.pdf, S. 72; - (7. Juni 2005), Dok.-Nr.: AG/RES. 2067 (XXXV-O/05), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/sla/docs/ag0286 3e06.pdf, S. 20; - (8. Juni 2004), Dok.-Nr.: AG/RES. 2036 (XXXIV-O/04), verfügbar unter: http://www.summit-americas.org/OAS %20General%20Assembly/XXXIV_GA-Quito/AGRES_2036_(XXXIV-O-04).doc; - (10. Juni 2003), Dok.-Nr.: AG/RES. 1920 (XXXIII-O/03), verfügbar unter: http://www.oas.org/juridico/english/ ga03/agres_1920.htm; - (4. Juni 2002), Dok.-Nr.: AG/RES. 1842 (XXXII-O/02), verfügbar unter: http://www.oas.org/juridico/english/ga 02/agres_1842.htm; - (5. Juni 2001), Dok.-Nr.: AG/RES. 1818 (XXXI-O/01), verfügbar unter: http://www.oas.org/Assembly2001/ documentsE/Decl-Resol.aprv/ag-RES1818XXXI-O-01.htm; - (5. Juni 2000), Dok.-Nr.: AG/RES. 1711 (XXX-O/00), verfügbar unter: http://www.oas.org/juridico/english/agres _1711_xxxo00.htm (jeweils zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 63 OAS, Resolution “Human Rights Defenders in the Americas” (5. Juni 2001), Dok.-Nr. AG/RES. 1818 (XXXI- O/01), verfügbar unter: http://www.oas.org/Assembly2001/documentsE/Decl-Resol.aprv/ag-RES1818XXXI-O- 01.htm (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). 64 OAS, “Rapporteurship on Human Rights Defenders” (2011), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/iachr/defenders /default.asp (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). 65 OAS, „IACHR Concludes its 141st Regular Session“ (28. April 2011), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/iachr /media_center/PReleases/2011/028.asp (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 17 Folge, dass die Unit for Human Rights Defenders in das Office of the Rapporteur on the Situation of Human Rights Defenders überführt wurde.66 Seit dem 1. Januar 2016 hat der Peruaner Francisco José Eguiguren Praeli das Amt inne (bis zum 31. Dezember 2019).67 2.6. Nationale Gesetzgebung Die Transformation der völkerrechtlichen Vorgaben in nationales Recht erfolgt über verschiedene Mechanismen: Entweder über Gesetze, deren alleiniger Gegenstand MRV sind oder Gesetze, die MRV indirekt schützen. Im Regelfall werden Gesetze erlassen, die nicht ausschließlich auf den Schutz von MRV abzielen.68 Der International Service for Human Rights hat im Januar 2017 das Model Law for the Recognition and Protection of Human Rights Defenders69 veröffentlicht, um Staaten Anhaltspunkte bezüglich der bedeutendsten Regelungsinhalte an die Hand zu geben. In Deutschland existiert – soweit ersichtlich – kein Gesetz, das sich ausschließlich auf den Schutz von MRV fokussiert. Gleichwohl bietet das deutsche Aufenthaltsrecht die Möglichkeit, MRV in besonderen Notsituationen Schutz zu gewähren. Nach § 22 Satz 1 AufenthG ist eine Aufnahme aus dringenden humanitären Gründen möglich; nach § 22 Satz 2 AufenthG kann eine Aufnahme zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland erfolgen. Menschenrechtsverteidiger , die verfolgt und bedroht werden, haben Zugang zu diesem Verfahren.70 66 OAS, „Rapporteurship on Human Rights Defenders“ (Fn. 63). 67 OAS, „Rapporteur“ (2011), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/iachr/defenders/mandate/composition.asp (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). 68 Ibid., S. 33. 69 ISHR, Model Law for the Recognition and Protection of Human Rights Defenders (2017), verfügbar unter: https://www.ishr.ch/sites/default/files/documents/model_law_english_january2017_screenversion.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 70 Deutscher Bundestag, „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Umsetzung der EU-Leitlinien“ (26. März 2015), BT-Drs. 18/4475, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 18 3. Praktische Umsetzung Die praktische Umsetzung der völkerrechtlichen und nationalen Rechtsvorgaben durch Staaten geschieht auf unterschiedlichste Weise – angefangen über Schutz- und Förderprogramme, Berichtspflichten bis hin zur Schaffung von Institutionen, welche eine effektive Implementierung der Menschenrechtsverpflichtungen überwachen und befördern sollen. Weiterführend: Handlungsvorschläge (Lessons Learnt) für Staaten von Amnesty International, „The European Union - Rising to the Challenge of Protecting Human Rights Defenders“ (2008), verfügbar unter : https://www.amnesty.org/download/Documents/52000/eur010092008eng.pdf, S. 9 ff. Zur Unterstützung der Arbeit von MRV selbst: Front Line Defenders, „Resources for HRDs: Handbooks, Training Manuals & Workbooks“ - Workbook on Security: Practical Steps for Human Rights Defenders at Risk (2016) - The European Union: What it Can Do, Getting it to Take Action (2013) - Trial Observation Handbook for Human Rights Defenders (2012) - What Protection Can United Nations Field Presences Provide? (2012) - Protection Handbook for Human Rights Defenders (2007) verfügbar unter: https://www.frontlinedefenders.org/en/resources-hrds (jeweils zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 3.1. Regionale Gremien und Institutionen 3.1.1. Europäisches Parlament Das Europäische Parlament (EP) hat sich als Akteur zum Schutze von MRV positioniert. Der Unterausschuss Menschenrechte führt zu diesem Thema regelmäßig Diskussionen und Anhörungen durch, um entsprechende Berichte und Resolutionen zu erlassen. 2010 wurde z.B. der Report on EU Policies in Favour of Human Rights Defenders71 vorgelegt, der sich mit der Umsetzung der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/-innen von 2004 auseinander setzte. Die Berichterstatterin empfahl dem EP u. a. eine Stärkung der zuständigen europäischen Institutionen , insbesondere des Europäischen Auswärtigen Dienstes, eine effektivere Umsetzung der EU- Leitlinien durch eine kohärentere und systematischere EU-Menschenrechtspolitik sowie eine größere Transparenz und öffentliche Sichtbarkeit der Schutzmaßnahmen.72 Darüber hinaus zeichnet das EP einmal jährlich Personen mit dem den Sacharow-Preis für geistige Freiheit aus, die sich weltweit in besonderer Weise für die Menschenrechte eingesetzt haben.73 71 EP, Report on EU Policies in Favour of Human Rights Defenders (14. Mai 2010), Dok.-Nr. A7-0157/2010. 72 Ibid., S. 20 ff. 73 EP, “Sacharow-Preis” (2018), verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sakharovprize/de/home/the- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 19 3.1.2. Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAmGM) hat seit Ende der 1970’er Jahre seine Rechtsprechung zu MRV im Kontext der Interamerikanischen Konvention ausgebaut. Zu den bekanntesten Fällen zählen Heliodoro Portugal vs. Panama (Verschwindenlassen, extralegale Tötung)74, Myrna Mack vs. Guatemala75, Valle Jaramillo et al. vs. Colombia 76 und Jaurídice Nogueira de Carvalho y Geraldo Cruz de Carvalho vs. Brazil (jeweils Mord, unterlassene Aufklärung)77. Neben Urteilen, in denen der IAmGM die grundlegende Wichtigkeit der Arbeit von MRV festgestellt hat, kann der Gerichtshof in eilbedürftigen Fällen nach Art. 25 der Verfahrensregeln des Gerichtshofs78 vorläufige Maßnahmen erlassen. Dies betrifft Fälle, in denen MRV irreparabler Schaden droht. Die Anordnung vorläufiger Maßnahmen durch den Gerichtshof, wie etwa in Carlos Nieto et al. vs. Venezuela79 , haben einige Mitgliedstaaten des Interamerikanischen Menschenrechtssystems dazu veranlasst, Schutzprogramme speziell für MRV einzurichten (siehe hierzu unten, 3.2.4).80 Beim europäischen Gegenstück des IAmGM – dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – ist keine in vergleichbarer Weise ausdifferenzierte Rechtsprechungslinie speziell zu MRV erkennbar.81 prize.html (zuletzt aufgerufen am 9. Mai 2018). 74 Heliodoro Portugal vs. Panama (2005), Fall-Nr. 12.408, verfügbar unter: http://www.corteidh.or.cr/CF/jurisprudencia 2/ficha_tecnica.cfm?lang=en&nId_Ficha=307 (zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 75 Myrna Mack vs. Guatemala (2001), Fall-Nr. 10.636, verfügbar unter: http://www.corteidh.or.cr/cf/jurisprudencia 2/ficha_tecnica.cfm?lang=en&nId_Ficha=287 (zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 76 Valle Jaramillo et al. vs. Colombia (2012), Fall-Nr. 12.415, verfügbar unter: http://www.corteidh.or.cr/CF/jurisprudencia 2/ficha_tecnica.cfm?lang=en&nId_Ficha=251 (zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 77 Jaurídice Nogueira de Carvalho y Geraldo Cruz de Carvalho vs. Brazil (2006), Fall-Nr. 12.058, verfügbar unter: http://www.corteidh.or.cr/CF/Jurisprudencia2/ficha.cfm?nId_Ficha=208&lang=en (zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 78 Rules of Procedure of the Inter-American Court of Human Rights (2000), verfügbar unter: https://www.oas.org/36ag/english/doc_referencia/Reglamento_CorteIDH.pdf (zuletzt aufgerufen am 4. April 2018). 79 Carlos Nieto et al. vs. Venezuela (Beschluss vom 9. Juli 2004), verfügbar unter: http://www.corteidh.or.cr/docs/medidas/nieto_se_01_ing.pdf zuletzt aufgerufen am 4. April 2018), Rn. 8: „(…) states must grant effective and adequate guarantees to human rights defenders so that they are able to freely engage in their activities; particular attention should be paid to any actions that constrain or obstruct their work“. 80 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (Fn. 3), S. 9. 81 Das einzige Urteil, in dem der Begriff „human rights defenders“ im Rahmen der Beschwerdebefugnis Erwähnung findet, ist – soweit ersichtlich – EGMR, Centre for Legal Resources on Behalf of Valentin Câmpeanu v. Romania (Große Kammer, 17. Juli 2014), Beschwerde-Nr. 47848/08, Rn. 88. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 20 3.2. Nationale und internationale Schutz- und Förderprogramme 3.2.1. Deutschland Die Interparlamentarische Union (IPU) – ein Zusammenschluss von Parlamenten aus 145 Staaten – hat einen eigenen Ausschuss eingerichtet, der sich mit den Menschenrechten von Parlamentariern befasst (Committee on the Human Rights of Parliamentarians).82 Sowohl Parlamentarier als auch ihre Angehörigen oder Kollegen können beim Ausschuss Beschwerden über Arbeitsbehinderungen, willkürliche Verhaftungen oder unfaire Gerichtsverfahren einreichen. Die zweimal jährlich als Entscheidung des IPU-Rates verabschiedete Namensliste betroffener Parlamentarier wird den nationalen Parlamenten zugeleitet, damit diese geeignete Maßnahmen für ihre ausländischen Kollegen ergreifen können.83 Die IPU hat sich mit dem Schutz von MRV ferner in verschiedenen Resolutionen beschäftigt.84 Im Rahmen dieser Resolutionen haben sich die beteiligten Parlamente selbst verpflichtet, den Schutz von MRV zu fördern. Um entsprechenden Selbstverpflichtungen nachzukommen, rief der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe85 des Deutschen Bundestages 2003 das Programm Parlamentarier schützen Parlamentarier ins Leben. Der entsprechende interfraktionelle Antrag „Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigern“86 wurde am 11. Dezember 2003 vom Bundestag einstimmig verabschiedet.87 Ziel dieser Initiative ist es, Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie MRV zu unterstützen, die in ihrem Heimatland wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte und Demokratie verfolgt 82 IPU, Committee on the Human Rights of Parliamentarians (2017), verfügbar unter: https://www.ipu.org/aboutus /structure/governing-council/committee-human-rights-parliamentarians (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). 83 Siehe die Entscheidungen des Rats (28. März 2018), CL/202/11(b)-R.1, verfügbar unter: https://www.ipu.org/download/4695 und die ihr zugrunde liegende Entscheidung des Ausschusses für Menschenrechte von Parlamentariern (2. Februar 2018), DH/2018/155/R.2, verfügbar unter: https://www.ipu.org/sites /default/files/documents/2018-155session-decisions-e.pdf (jeweils zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). 84 IPU, „Sharing our Diversity: The 20th Anniversary of the Universal Declaration on Democracy“ (18. Oktober 2017), verfügbar unter: http://archive.ipu.org/conf-e/137/item4.pdf, Rn. 9; „Democracy in the Digital Era and the Threat to Privacy and Individual Freedoms“ (21. Oktober 2015), verfügbar unter: http://archive.ipu.org/confe /133/Res-1.htm, Rn. 17, 23 f. (jeweils zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). 85 Weiterführend zur Arbeit des Ausschusses siehe Ausarbeitung „Die institutionelle Einbindung der Themen ‚Menschenrechte‘ und ‚humanitäre Hilfe‘ beim Deutschen Bundestag“ (7. April 2016), WD 2 - 3000 - 011/16 (VS-NfD) und Sachstand „Die Entwicklung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe von 1998 – 2016“ (29. April 2016), WD 2 - 3000 - 059/16. 86 Deutscher Bundestag, Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, „Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigern“ (25. November 2003), BT-Drs. 15/2078. 87 Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll Nr. 15/82 (11. Dezember 2003), S. 7204, verfügbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btp/15/15082.pdf (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 21 oder bedroht werden.88 Konkret übernehmen die teilnehmenden MdBs für die verfolgten oder bedrohten Personen Patenschaften. Im Rahmen dieser Patenschaften verpflichten sich die Abgeordneten , ihren bedrohten Kolleginnen und Kollegen sowie MRV etwa dadurch zu helfen, dass sie im In- und Ausland bei Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern auf bedrohte und inhaftierte Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie MRV hinweisen und ihren Schutz bzw. ihre Freilassung fordern. Ferner können die MdBs das Engagement von MRV, soweit möglich , durch persönliche Gespräche würdigen, Gefängnisbesuche durchführen, sich für ein faires Gerichtsverfahren einsetzen oder sich an einer Prozessbeobachtung beteiligen.89 Während in der 17. Wahlperiode 41 Abgeordnete Patenschaften übernommen haben,90 stieg die Zahl in der 18. Wahlperiode auf 149 Patenschaften (bei 124 Abgeordneten aller Fraktionen).91 In der 18. Wahlperiode erreichten die MdBs u. a. die Freilassung verschiedener MRV aus der Haft.92 In der 19. Wahlperiode haben bis dato bereits 80 MdBs Patenschaften übernommen bzw. fortgeführt .93 Koordiniert wird das Programm vom Sekretariat des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, der Interparlamentarischen Union und Nichtregierungsorganisationen. Ähnliche Programme werden im Übrigen auch von 88 Deutscher Bundestag, „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (21. Juli 2014), verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/kw30_psp_strube/284752 (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). 89 Deutscher Bundestag, „Parlamentarier schützen Parlamentarier“, Informationsflyer des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (August 2016), verfügbar unter: https://www.bundestag .de/blob/275176/98bda5de1f7a307a6171db6890a126ad/psp_flyer-deutsch-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). 90 Deutscher Bundestag, „Bilanz der Arbeit des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe in der 17. WP des Deutschen Bundestages“ (2013), verfügbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?file- ToLoad=2969&id=1223 (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018), S. 4. 91 Bedingt durch die politischen Entwicklungen in der Türkei im Herbst 2016 entwickelte sich die Vermittlung von Patenschaften für Abgeordnete und Politiker der türkischen Partei HDP am Ende der 18. Wahlperiode zu einem weiteren Schwerpunkt des Patenschaftsprogramms. Spiegel Online, „Deutsche Parlamentarier helfen türkischen Kollegen“ (11. November 2016), verfügbar unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/tuerkeibundestagsabgeordnete -helfen-tuerkischen-kollegen-a-1120854.html; taz, „Bundestag übernimmt Patenschaften“ (11. November 2016), verfügbar unter: http://www.taz.de/!5356890/; Welt.de, „Parlamentarier schützen Parlamentarier “ (12. November 2016), verfügbar unter: https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article 159446892/Parlamentarier-schuetzen-Parlamentarier.html (jeweils zuletzt abgerufen am 19. April 2018). 92 Deutscher Bundestag, „Erleichterung über Freilassung von Leyla Yunus“ (11. Dezember 2015), verfügbar unter: https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse18/a17/2015-12-11-pm-yunus/399248; Deutscher Bundestag , „Menschenrechtsausschuss begrüßt Freilassung vietnamesischer Menschenrechtsaktivistin Do Thi Minh Hanh - Einsatz von ‚Parlamentarier schützen Parlamentarier‘“ (4. Juli 2014), verfügbar unter: https://www.bundestag .de/ausschuesse/ausschuesse18/a17/-/286968 (jeweils zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 93 Deutscher Bundestag, „Verzeichnis über Mitglieder des Deutschen Bundestages, die Patenschaften im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ übernommen haben (19. Wahlperiode)“ (Stand: April 2018), verfügbar unter: https://www.bundestag.de/blob/549498/51ce502f51ded215a9b5cbb38c17b143/pspuebersicht _abgeordnete-mit-patenschaft-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 22 zivilgesellschaftlicher Seite durchgeführt.94 Am 3. Dezember 2015 hat sich der Deutsche Bundestag darüber hinaus durch die Verabschiedung des Antrags „Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern weltweit verstärken“95 zu einem intensiveren Schutz von MRV verpflichtet.96 Eine besondere Rolle könnten dabei die deutschen Botschaften und die EU-Vertretungen im Ausland spielen. Auch MdBs und Vertreter der Bundesregierung sollten, so die Forderungen, auf ihren Reisen immer auch MRV empfangen.97 Seit 2016 verleihen die Außenminister Deutschlands und Frankreichs ferner den Deutsch- Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit an MRV aus der ganzen Welt, die sich besonders mutig für den Schutz von Menschenrechten einsetzen.98 Hinter der Preisverleihung steckt letztlich die Idee, dass auch die Herstellung einer Medienöffentlichkeit zum Schutz von MRV beitragen kann. 3.2.2. Die Niederlande Auch das niederländische Außenministerium verleiht zum Zwecke einer breiteren Medienpräsenz und öffentlichen Sichtbarkeit jedes Jahr die Auszeichnung „Menschenrechtstulpe“ (Human Rights Defenders Tulip) an Personen oder Organisationen, die sich auf besondere Art und Weise für die Menschenrechte einsetzen.99 Daneben rief die Initiative Justice and Peace 2012 die Shelter City Initiative ins Leben, die seither von elf niederländischen Städten – darunter Amsterdam, Den Haag und Maastricht – 94 Beispielhaft sei die 1986 gegründete Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte genannt: http://www.hamburger -stiftung.de/stiftungsarbeit-3/ (zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 95 Deutscher Bundestag, Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD, „Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern weltweit verstärken“ (1. Dezember 2015), BT-Drs. 18/6880. 96 Deutscher Bundestag, „Besserer Schutz für Menschenrechtsverteidiger“ (3. Dezember 2015), verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw49-de-menschenrechte/397776 (zuletzt aufgerufen am 3. Mai 2018). 97 Ibid. 98 Auswärtiges Amt, „Ein Preis für Verteidiger der Menschenrechte: Deutschland und Frankreich verleihen Medaille “ (26. Juni 2017), verfügbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/menschenrechte /03-zivilgesellschaft/dt-frz-menschenrechtspreis/285666; France Diplomatie, „Gemeinsamer Namensartikel von Jean-Marc Ayrault und Frank-Walter Steinmeier“ (1. Dezember 2016), verfügbar unter: https://www.diplomatie .gouv.fr/de/neuigkeiten/article/gemeinsamer-namensartikel-von-jean-marc-ayrault-und-frank-waltersteinmeier -01 (jeweils zuletzt aufgerufen am 14. Mai 2018). 99 Außenministerium der Niederlande, „Human Rights Tulip“(2018), verfügbar unter: https://www.humanrightstulip .nl/about-the-award (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 23 unterstützt wird.100 MRV, die wegen ihrer Menschenrechtsarbeit unter extremen Druck geraten, können sich bei der Initiative für einen temporären, drei-monatigen Rückzug bewerben. Während ihres Aufenthalts in den Niederlanden können die Betroffenen ihre Arbeit unter sicheren Bedingungen fortführen, Netzwerke knüpfen und Fortbildungen besuchen, um ihre Arbeit nach der Rückkehr ins Heimatland effektiver und, soweit möglich, sicherer zu gestalten.101 3.2.3. Die Europäische Union Mit der niederländischen Initiative als Vorbild arbeitet auch die EU-Kommission an der sogenannten EU Human Rights Defenders Relocation Platform.102 Die Plattform soll bestehende lokale Initiativen zum Schutz von MRV vernetzen, die in Europa oder anderen Ländern mit erhöhtem Bedrohungspotential für MRV sitzen. Die EU unterstützt ferner verschiedene Initiativen zum Schutz von MRV in finanzieller Hinsicht. Über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (European Instrument for Democracy and Human Rights, EIDHR) kann die EU Menschenrechtsverteidigern Mittel zur Unterstützung ihrer Arbeit, zur Verstärkung ihrer Kapazitäten und, wenn nötig, auch für ihren temporären Schutz gewähren.103 Das EIDHR fördert beispielsweise das 2015 gegründete Programm „ProtectDefenders.eu“.104 ProtectDefenders.eu stellt ein Mechanismus für besonders bedrohte Menschenrechtsverteidiger und ihre Familien dar. Über dieses Programm bietet die EU Menschenrechtsverteidigern in sehr entlegenen Gebieten und in Ländern, in denen die Menschenrechtsarbeit besonders risikoreich ist, kurzfristig Hilfe und Unterstützung an.105 Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger /-innen veröffentlichte Peace Brigades International 2014 einen Bericht, in dem positive Aspekte in der Umsetzung der Leitlinien in den Projektländern Mexiko, Guatemala, Kolumbien, Honduras und Kenia aufgeführt sowie offene Herausforderungen dargelegt wurden.106 100 Justice and Peace, „Human Rights Defenders & Security“ (2018), verfügbar unter: https://en.justiceandpeace .nl/human-rights-defenders-and-security/shelter-city-initiative (zuletzt aufgerufen am 9. Mai 2018). 101 Ibid. 102 EU-Kommission, “EU Human Rights Defenders Relocation Platform” (), verfügbar unter: https://hrdrelocation .eu/en/ (zuletzt aufgerufen am 9. Mai 2018). 103 Auswärtiges Amt, „Was tut die EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern?“ (23. November 2017), verfügbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/menschenrechte/03-zivilgesellschaft/- /290878 (zuletzt aufgerufen am 5. April 2018). 104 ProtectDefenders.eu (2016), verfügbar unter: https://protectdefenders.eu/en/about.html. 105 Auswärtiges Amt, „Was tut die EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern?“ (Fn. 103). 106 Peace Brigades International, “Ten Years of the European Union Guidelines on Human Rights Defenders: An Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 24 Weiterführend: Peace Brigades International, “Ten Years of the European Union Guidelines on Human Rights Defenders: An Assessment from the Field” (2014), verfügbar unter: https://pbideutschland .de/fileadmin/user_files/groups/germany/Dateien/2104_Ten_years_EU_Guidelines.pdf; Amnesty International zu Initiativen von EU-Mitgliedstaaten zum Schutz von MRV in Drittstaaten wie Nepal, Guatemala, Israel, Tunesien, China, Iran, Simbabwe und Russland, „The European Union - Rising to the Challenge of Protecting Human Rights Defenders“ (2008), verfügbar unter: https://www.amnesty.org/download/Documents/52000/eur010092008eng.pdf (jeweils zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 3.2.4. Kolumbien Kolumbien ist (neben Mexiko) eines der ersten Länder weltweit, welches ein Schutzprogramm speziell zum Schutz von MRV ins Leben gerufen hat.107 Das 1997 eingeführte Programm verfügte 2009 über ein Budget von 40 Millionen Dollar und war für Personen bestimmt, die von politischer oder ideologischer Gewalt oder vom jahrzehntelang anhaltenden internen Konflikt in Kolumbien108 bedroht waren.109 Trotz einiger nennenswerter positiver Effekte – wie einem verstärkten Dialog auf höchster Ebene und erhöhter Beteiligung von MRV an bestimmten Entscheidungsprozessen – bemängeln Kritiker, dass das System auf Grund der Folgen des Konflikts an erheblichen Geburtsfehlern sowie Missbrauchsanfälligkeiten leide.110 Nichtsdestotrotz ist das Programm angesichts der riesigen politischen Herausforderungen, denen sich das Land auf Grund des lang anhaltenden Guerilla-Krieges gegenüber sieht ein wichtiger Aspekt zum Schutz von MRV. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, dass internationale Institutionen Einfluss auf die praktische Umsetzung des Programmes haben. So sitzt der VN-Menschenrechtskommissar im Risk Assessment Committee des Programmes und kann, obwohl er kein formales Stimmrecht besitzt, wichtige Hinweise zu technischen Details und Verfahrensabläufen geben.111 Assessment from the Field” (2014), verfügbar unter: https://pbideutschland.de/fileadmin/user_files/groups/germany /Dateien/2104_Ten_years_EU_Guidelines.pdf (zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2018). 107 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (Fn. 3), S. 14 ff. 108 Der Krieg mit der FARC wurde durch den Friedensvertrag von 2017 beendet; die Situation der MRV hat sich seither jedoch nicht verbessert – in einigen Regionen sogar verschlechtert (siehe unten 4.2.2.1). 109 Protection International, „Protection of Human Rights Defenders: Best Practices and Lessons Learnt“ (Fn. 3), S. 14 ff. 110 Ibid., S. 15 ff. 111 Ibid., S. 42. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 25 Zudem erließen das Innen- und Verteidigungsministerium Kolumbiens Ende 2017 das gemeinsame Dekret 2124/2017112, welches dem kolumbianischen Ombudsmann ein Frühwarnsystem mit der Möglichkeit der Ergreifung von vorbeugenden bzw. schnellen, reaktiven Maßnahmen (sistema de prevención y alerta para la reacción rápida) bereitstellt. Das Dekret soll auch den Weg für ein kollektives Schutzsystem zu Gunsten von MRV ebnen.113 3.3. Nationale Menschenrechtsinstitute Die sogenannten Pariser Prinzipien114, welche 1993 per Resolution von der VN-Generalversammlung festgeschrieben wurden, spiegeln einen internationalen Mindeststandard für die Zusammensetzung nationaler Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) wider. Nationale Menschenrechtsinstitutionen sind staatlich finanzierte, per Gesetz legitimierte Institutionen zur Wahrung und Förderung der Menschenrechte. Die Pariser Prinzipien knüpfen die Vergabe der Akkreditierungsstufen A bis C durch den Internationalen Dachverband der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (Global Alliance of National Human Rights Institutions, GANHRI) an die Erfüllung bestimmter Kriterien, insbesondere die Unabhängigkeit und pluralistische Besetzung der Institutionen .115 A-akkreditierte nationale Menschenrechtsinstitutionen genießen Beteiligungsrechte auf VN-Ebene, z.B. Rede- und Teilnahmerechte im Menschenrechtsrat sowie vor VN-Fachausschüssen . 116 Einmal akkreditiert kann sich ein NMRI alle fünf Jahre reakkreditieren lassen. Ein Akkreditierungsausschuss (Sub Committee on Accreditation, SCA) evaluiert die Einhaltung der Pariser Prinzipien durch das jeweilige nationale Menschenrechtsinstitut und empfiehlt dem Internationalen Dachverband der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (International Coordinating Commitee of National Human Rights Institutions, ICC) die Vergabe des Status A bis C.117 112 Kolumbianisches Innenministerium, Decreto 2124 (18. Dezember 2017), verfügbar unter: http://es.presidencia .gov.co/normativa/normativa/DECRETO%202124%20DEL%2018%20DE%20DI- CIEMBRE%20DE%202017.pdf (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2017). 113 Organization of American States, „IACHR Urges Colombia to Adopt Urgent Measures to Protect Human Rights Defenders and Social Leaders“ (27. März 2018), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/iachr/media_center /PReleases/2018/065.asp (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 114 VN-Generalversammlung, „National Institutions for the Promotion and Protection of Human Rights“ (4. März 1994), Dok.-Nr. A/RES/48/134. 115 EU, „Handbook on the Establishment and Accreditation of National Human Rights Institutions in the European Union“ (2012), verfügbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2012_nhri-handbook_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 11. April 2017), S. 17. 116 Sachstand, „Das Deutsche Institut für Menschenrechte: Rechtsgrundlagen für die Aufnahme neuer Mitglieder“ (15. Februar 2017) WD 2 - 3000 - 006/17, S. 4 f. 117 Ibid., S. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 26 Zum 21. Februar 2018 wurden insgesamt 120 NMRI akkreditiert: Davon erhielten 77 den A- Status und 33 den B-Status.118 Den C-Status erhielten zehn NMRI, die damit als nicht akkreditiert gelten.119 Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält den A-Status seit 2001.120 Weiterführend: Gesamtliste der akkreditierten Länder und der jeweiligen Status: https://nhri.ohchr .org/EN/AboutUs/GANHRIAccreditation/Documents/Status%20Accreditation %20Chart.pdf (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 4. Bewertung Eine allgemeingültige Bewertung der Lage der MRV weltweit ist nicht möglich, da diese die Unterschiedlichkeit der Probleme in den verschiedenen Regionen der Welt nicht adäquat abbilden würde. Daher soll im Folgenden überblicksartig aufgezeigt werden, in welchen Regionen bereits Verbesserungen (4.1) spürbar sind und wo weiterhin Herausforderungen (4.2) bestehen. Da die Ursachen für die jeweiligen Entwicklungen in der Regel nicht monokausal sind, erhebt die Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Darüber hinaus wurde bewusst auf die Darstellung besonders problematischer Länder, wie z. B. VR China, failed states in Afrika (Sudan, Somalia, DR Kongo), Venezuela, Mexiko oder Nordkorea verzichtet, da diese jeweils eine eigene Betrachtung wert wären. Auch für die in dieser Arbeit analysierten Länder gilt, dass diese nur kursorisch dargestellt werden können. 4.1. Verbesserungen Bei den Recherchen ergab sich im Hinblick auf die Frage nach Verbesserungen der Lage der MRV, dass es in bestimmten Land durchaus Fortschritte in bestimmten Bereichen zu verzeichnen gibt. Diese waren aber in Relation zur Gesamtsituation von eher geringerem Gewicht oder standen fortdauernden oder sich verschlimmernden Missständen gegenüber, sodass tatsächlich kaum „positive Leuchttürme“ hervorzuheben sind. Verbesserungen im Bereich der MRV sind oftmals langwierig und erfordern ein politisches wie auch gesellschaftliches Umdenken. Nichtsdestotrotz soll auf erste Schritte in die richtige Richtung hingewiesen werden. 118 GANHRI Sub-Committee on Accreditation (SCA), verfügbar unter: https://nhri.ohchr.org/EN/AboutUs/GANHRI- Accreditation/Pages/default.aspx#_ftn1 (zuletzt aufgerufen am 11. April 2017). 119 Ibid. 120 GANHRI, “Accreditation Status as of 21 February 2018” (21. Februar 2018), verfügbar unter: https://nhri.ohchr .org/EN/AboutUs/GANHRIAccreditation/Documents/Status%20Accreditation%20Chart.pdf (zuletzt aufgerufen am 11. April 2017), S. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 27 4.1.1. Usbekistan In Usbekistan sind laut Human Rights Watch seit Amtsantritt des neuen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev im Jahre 2016 – nach 27-jähriger autoritärer Führung durch Islam Karimov – erste positive Entwicklungen hin zu einer verbesserten Lage der MRV zu verzeichnen. Die angestoßenen Reformen zielen u.a. auch auf die Verbesserung der Menschenrechtslage ab und beinhalten Maßnahmen wie die Freilassung politischer Gefangener (einschließlich Journalisten), die Streichung tausender Bürger von einer schwarzen Liste der Sicherheitsbehörden sowie die Abschaffung der bis dato zwangsweisen Verpflichtung von Lehrern, Doktoren und Studenten zu saisonalen Baumwollpflückarbeiten.121 Trotz zaghafter Rücknahme einiger Beschränkungen der Presseund Medienfreiheit bleiben Zensur, Verfolgung und Bedrohung von Journalisten weit verbreitet .122 4.1.2. Lesotho In Lesotho erklärte das Verfassungsgericht im Mai 2018 den Verleumdungsparagrafen des Strafgesetzbuches wegen dessen Unklarheit einstimmig als verfassungswidrig.123 Dabei wurde explizit kritisiert, der vage gefasste Paragraf könne als juristische Waffe gegen Presse und Menschenrechtsverteidiger eingesetzt werden.124 Das Urteil war Abschluss eines Verfahrens, dass ein Menschenrechtsverteidiger angestrengt hatte. Es ist eines von mehreren Urteilen von Höchstgerichten afrikanischer Staaten, in denen Verleumdung als Straftatbestand als Verstoß gegen die Meinungs- und Redefreiheit gerügt bzw. entsprechende Gesetze kassiert worden waren.125 4.1.3. Liberia In Liberia haben sich die gesetzliche und institutionelle Unterstützung für die Durchsetzung der Menschenrechte und somit auch die Stellung von MRV leicht verbessert. Im Jahre 2005 wurde – eines der Resultate des Friedensabkommens von 2003 – von Parlament und Regierung eine unabhängige nationale Menschenrechtskommission (Independent National Commission for Human 121 Human Rights Watch, „You Can’t See Them, but They’re Always There“ (28. März 2018), verfügbar unter: https://www.hrw.org/report/2018/03/28/you-cant-see-them-theyre-always-there/censorship-and-freedom-media -uzbekistan (zuletzt aufgerufen am 15. Mai 2018). 122 Ibid. 123 Thoolen, “Ray of Hope: Lesotho Court Takes Stand against Defamation of HRDs” (23. Mai 2018), verfügbar unter : https://humanrightsdefenders.blog/category/human-rights-defenders/ (zuletzt abgerufen am 24. Mai 2018). 124 Ibid., m.w.N. 125 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 28 Rights) eingesetzt.126 Diese verfügt über Vertretungen in allen Landkreisen, nimmt Beschwerden über Menschenrechtsverstöße entgegen und beurteilt diese.127 Dennoch existieren weiterhin Gesetze , die die Arbeit von Journalisten und MRV behindern; insbesondere wird der Tatbestand der Verleumdung immer noch oft benutzt, um Presse und zivilgesellschaftliche Kritik ruhigzustellen .128 Gleichzeitig liegt jedoch ein Gesetzentwurf vor, der die Arbeit von Journalisten besser schützen und den Verleumdungsparagrafen abmildern bzw. präzisieren soll.129 4.2. Herausforderungen „Die besten Leitlinien nützen nichts, wenn sie nicht bekannt sind oder angewendet werden.“130 Bei einer Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag im September 2016 waren sich die Sachverständigen einig, dass die zentralen Herausforderungen beim Schutz von MRV die Implementierungslücken sind, die in Bezug auf die international verabschiedeten Richtlinien (etwa der OSZE und der EU) und Deklarationen bestehen.131 Schutzmechanismen würden ausgehebelt und zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume (4.2.1) zusehends beschränkt. Als Ursache auf politischer Ebene wurden eine wachsende Zahl von Ländern mit fragiler Staatlichkeit, die Zunahme von langfristigen Konflikten und der global weiter aufgehenden sozialen Schere bis hin zur „absoluten Verrohung von politischen Verhältnissen “ diskutiert. Welche Länder vor besonderen Herausforderungen stehen, wird im Folgenden (4.2.2 - 4.2.6) aufgezeigt. 4.2.1. Beschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume (Shrinking Spaces) Als shrinking space wird der Trend bezeichnet, die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen mehr und mehr einzuschränken oder schrittweise unmöglich zu machen, v.a. wenn diese 126 INCHR, „About Us“ (2018), verfügbar unter: http://inchrliberia.com/index.php/about-us/what-we-do (zuletzt abgerufen am 23. Mai 2018). 127 Ibid. 128 Amnesty International, “Liberia: What Hope for Human Rights?” (9. Oktober 2017), verfügbar unter: https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2017/10/liberia-what-hope-for-human-rights/ (zuletzt abgerufen am 23. Mai 2018). 129 Ibid. 130 Thomas Gebauer (Hilfsorganisation Medico International), Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Deutscher Bundestag (28. September 2016), verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente /textarchiv/2016/kw39-pa-menschenrechte/459392 (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 131 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 29 Organisationen Regierungspolitik und -handeln kritisch beobachten.132 Nach Ansicht der Bundesregierung ist das Phänomen der shrinking spaces mittlerweile zu einem besorgniserregenden, globalen Trend geworden, der nicht nur in autoritären Regimen zu beobachten ist.133 Angefangen von körperlichen und psychischen Erscheinungsformen wie Behinderungen und Schikanen, Folter, Entführung und Mord von MRV finden sich verschiedenste Möglichkeiten wirtschaftlicher und sozialer Natur, zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume zu beschränken – und zwar sowohl durch staatliche als auch private Akteure. Subtilere Formen der dauerhaften Behinderung zivilgesellschaftlichen Engagements sind oftmals in restriktive Gesetze und Regulierungen gekleidet. So etwa: − Erschwerung der Gründung und Registrierung von Menschenrechtsverbänden; − mühsame und langwierige Registrierungsverfahren; − willkürliches Unterlassen der Registrierung; − Begrenzung von Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den MR-Verbänden; − Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz; − Restriktionen beim Zugang zu Medien und Internet; − Restriktionen für die Ausübung von Gewerkschaftsrechten; − langsame und ineffektive Justiz; − Reisebeschränkungen sowie − sonstige administrative Hürden.134 Eine weitere Spielart der shrinking spaces stellt die zunehmende Kriminalisierung und Stigmatisierung von MRV dar. In den letzten Jahren haben Regierungen weltweit zunehmend Gesetze zur Repression von Nichtregierungsorganisationen verabschiedet.135 Als Folge wird die Bezeichnung „politische Opposition“ oder „parteiischer Akteur“ stigmatisiert, was zur Selbstzensur – oftmals auch als chilling effect bezeichnet – führen kann.136 Schließlich führen auch die Beschränkung der Finanzmittel und die höhere Besteuerung politischer Interessenvertretung bzw. der Menschenrechtsarbeit zu erheblichen Einschränkungen der 132 Brot für die Welt, „Politisches und menschenrechtliches Engagement und Partizipation von Zivilgesellschaft müssen weltweit ermöglicht und gestärkt werden“, verfügbar unter: https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites /default/files/blog-downloads/act_cidse_analyse_menschenrechte.pdf (zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2018). 133 Auswärtiges Amt, „Zivilgesellschaft und Menschenrechte“ (2018), verfügbar unter: https://www.auswaertigesamt .de/de/aussenpolitik/themen/menschenrechte/03-zivilgesellschaft (zuletzt aufgerufen am 14. Mai 2018). 134 Europarat, Steering Committee for Human Rights, “Activity Report on Council of Europe Action to Improve the Protection of Human Rights Defenders and Promote their Activities” (6. Februar 2008), Dok.-Nr. CM(2008)5-add, verfügbar unter: https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805d4449 (zuletzt aufgerufen am 5. April 2018); Rn. 6. Siehe auch VN-Menschenrechtsrat, „Civil Society Space“ (27. Juni 2016), VN- Dok. A/HRC/32/L.29. 135 CIVICUS, „Year in Review – Civic Space” (2016), verfügbar unter: https://www.civicus.org/documents/reportsand -publications/SOCS/2016/summaries/YIR_Civic-Space.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. April 2018), S. 3. 136 Brot für die Welt, „Politisches und menschenrechtliches Engagement und Partizipation” (Fn. 132), S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 30 Handlungsspielräume von NRO. Bis Juni 2015 haben mehr als 90 Länder Gesetze erlassen, die darauf abzielen, zivilgesellschaftliche Aktivitäten und ihre Finanzierung einzuschränken.137 Weiterführend: Protection International, „Criminalisation of Human Rights Defenders“ (2015), verfügbar unter: https://www.protectioninternational.org/wp-content/uploads/2016/01/Criminalisation _Pl_English_WebReady.pdf; Interamerkanische Menschenrechtskommission, “Criminalization of the Work of Human Rights Defenders” (2015), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/iachr/reports/pdfs/Criminalization 2016.pdf; Deutsches Institut für Menschenrechte, „Ein förderliches Umfeld - Was zivilgesellschaftliche Akteure brauchen, um nachhaltige Entwicklung mitgestalten zu können: Öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum ‚Schutz von Menschenrechtsverteidigern‘ am 28. September 2016“ (2016), verfügbar unter http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Stellungnahmen /DIMR_Stellungnahme_Ausschuss_fuer_MR_und_humanitaere_Hilfe_28Sep2016.pdf; Frontline Defenders, „Annual Report on Human Rights Defenders at Risk in 2017“ (22. Januar 2018), verfügbar unter: https://www.frontlinedefenders.org/en/resource-publication/annualreport -human-rights-defenders-risk-2017 (jeweils zuletzt aufgerufen am 23. Mai 2018). Die Bundesregierung beschreibt den Schutz zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume im Rahmen des 12. Berichts über ihre Menschenrechtspolitik an den Deutschen Bundestag als eines ihrer innen- und außenpolitischen Kernanliegen für den Zeitraum 2017 - 2018.138 Sie plant u.a., zur Schaffung und Erhaltung derartiger Räume verstärkt mit betroffenen MRV wie auch Partnerländern in Dialog zu treten, „auf das Spektrum außen-, entwicklungs- und wirtschaftspolitischer Instrumente“ zurückzugreifen, sich in internationalen Foren wie dem VN-Menschenrechtsrat für den Schutz von MRV zu engagieren und die Schwerpunkte ihrer Projektförderung auf den Bereich Menschenrechte, insbesondere deren Schutz im digitalen Raum, zu legen.139 137 Deutsches Institut für Menschenrechte, „Ein förderliches Umfeld - Was zivilgesellschaftliche Akteure brauchen, um nachhaltige Entwicklung mitgestalten zu können: Öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum ‚Schutz von Menschenrechtsverteidigern‘ am 28. September 2016“ (2016), verfügbar unter http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Stellungnahmen /DIMR_Stellungnahme_Ausschuss_fuer_MR_und_humanitaere_Hilfe_28Sep2016.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. Mai 2018), S. 18. 138 Auswärtiges Amt, „12. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik: Berichtszeitraum 1. März 2014 bis 30. September 2016“ (2016), verfügbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/blueprint/servlet /blob/216944/c4f16b74de97b2e796e5a2c1305d3ff2/mrb-12-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 9. Mai 2018), S. 388 f. 139 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 31 In vergangenen Jahren haben Angehörige deutscher Auslandsvertretungen beobachtend an Gerichtsverhandlungen gegen Menschenrechtsverteidiger sowie an von Menschenrechtsverteidigern organisierten Veranstaltungen teilgenommen. Öffentliche Erklärungen, formelle und informelle politische Demarchen, Schreiben, bilaterale Gespräche und stille Diplomatie wurden als Instrumente genutzt, um auf Missstände hinzuweisen.140 Zudem wurden an deutschen Botschaften regionale Menschenrechtsseminare für MRV organisiert.141 Nichtsdestotrotz stellte die Regierung fest, dass „zunehmende Restriktionen der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen in zahlreichen Ländern (den Schutz von MRV erschwerten)“.142 Weiterführend: Deutscher Bundestag, „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Umsetzung der EU-Leitlinien“ (26. März 2015), BT- Drs. 18/4475. VN-Menschenrechtsrat, “Practical Recommendations for the Creation and Maintenance of a Safe and Enabling Environment for Civil Society, Based on Good Practices and Lessons Learned: Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights” (11. April 2016), VN-Dok. A/HRC/32/20. 4.2.2. Latein- und Südamerika 4.2.2.1. Kolumbien In Kolumbien ist das alltägliche Gewaltniveau in den letzten 10 Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen ,143 was grundsätzlich auf Ansätze einer Entspannung der allgemeinen Menschenrechtslage hindeutet. Gleichzeitig stieg jedoch die Anzahl der Morde an MRV seit 2016 im Vergleich zu den Vorjahren massiv an.144 Nach Angaben des kolumbianischen Ombudsmannes kam es in Kolumbien zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 1. März 2017 zu 156 Morden, fünf Fällen des Verschwindenlassens sowie 33 Gewalttaten gegen Gemeindeführer und MRV.145 Diese 140 Deutscher Bundestag, „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Umsetzung der EU-Leitlinien“ (26. März 2015), BT-Drs. 18/4475, S. 3. 141 Ibid., S. 4. 142 Ibid. 143 Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung, „Länderstudie Kolumbien: Menschenrechtslage und Humanitäre Hilfe“ (17. November 2017), WD 2 - 3000 - 101/17, S. 4. 144 Ibid.; Amnesty International, “Colombia: The Rise in Attacks Against Human Rights Defenders is the Main Challenge in Implementing the Peace Agreement” (9. April 2018), verfügbar unter: https://www.amnesty .org/download/Documents/AMR2381902018ENGLISH.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 145 Carlos Alfonso Negret Mosquera, “Violencia y amenazas contra los líderes sociales y los defensores de derechos Humanos” (31. März 2017), siehe: http://www.defensoria.gov.co/es/nube/noticias/6236/156-l%C3%ADderessociales -y-defensores-de-derechos-humanos-han-sido-asesinados-en-los-%C3%BAltimos-14-meses-Defensor %C3%ADa-Defensor%C3%ADa-del-Pueblo-l%C3%ADderes-sociales-Defensor-del-Pueblo-Colombia- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 32 wurden in der Regel von nicht-staatlichen Akteuren, wie etwa paramilitärischen Gruppen begangen . In den ersten Monaten des Jahres 2018 sind nach Aussagen des kolumbianischen Ombudsmannes bereits 22 MRV ermordet worden.146 In diesem Zusammenhang kritisierte der VN-Hochkommissar für Menschenrechte die hohe Zahl von Gewalttaten gegen MRV, welche straflos blieben , und regte ein Anreizsystem an, welches Strafverfolger für Fortschritte bei der Verfolgung dieser Taten belohnen würde.147 Neben Gemeindeführern und MRV werden auch Friedens-, Landrechts- und Umweltaktivisten sowie Opferorganisationen zunehmend bedroht. Dabei bleiben über 90 Prozent der Gewalttaten gegen soziale Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger straflos.148 Auch die Kriminalisierung von staatlicher Seite ist ein Phänomen, das in Kolumbien zu beobachten ist, wie der Fall David Ravelo Crespo zeigt.149 Der kolumbianische MRV wurde 2012 wegen angeblicher Verwicklungen in einen Mordfall zu einer Haftstrafe von 18 Jahren verurteilt, wobei internationale Beobachter Unregelmäßigkeiten in seinem Gerichtsverfahren festgestellt hatten. Er war seit 2010 in Haft und wurde nach sieben Jahren im Dezember 2017 auf Grund eines Amnestie -Gesetzes frei gelassen.150 4.2.2.2. Honduras Anfang März 2016 wurde die honduranische Umweltaktivistin und Menschenrechtsverteidigerin Berta Isabel Cáceres Flores von bewaffneten Männern in La Esperanza (Honduras) erschossen.151 Internationale Expert/-innen enthüllten Ende 2017, dass die Leitung des privaten Unternehmens Desarollos Energéticos S.A. (DESA) und staatliche Sicherheitskräfte Hauptbeteiligte an dem Mord sein sollen. Berta Cáceres geriet in den Fokus, weil sie die lokale indigene Bevölkerung in ihrem l%C3%ADderes-sociales.htm (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 146 Organization of American States, „IACHR Urges Colombia to Adopt Urgent Measures to Protect Human Rights Defenders and Social Leaders“ (27. März 2018), verfügbar unter: http://www.oas.org/en/iachr/media_center /PReleases/2018/065.asp (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2018). 147 VN-Menschenrechtsrat, „Annual Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights on the Situation of Human Rights in Colombia“ (14. März 2017), VN-Dok. A/HRC/34/3/Add.3, Rn. 59. 148 Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung, „Länderstudie Kolumbien: Menschenrechtslage und Humanitäre Hilfe“ (Fn. 143), S. 15. 149 Front Line Defenders, „Case History: David Ravelo Crespo“ (2018), verfügbar unter: https://www.frontlinedefenders .org/en/case/case-history-david-ravelo-crespo (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 150 Ibid. 151 Grupo Asesor Internacional de Personas Expertas, „Dam Violence: The Plan that Killed Berta Cáceres” (2017), verfügbar unter: https://www.gaipe.net/wp-content/uploads/2017/10/Exec-Summ-Dam-Violencia-EN-FI- NAL.pdf (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 33 Widerstand gegen den Bau eines Staudammes (Agua Zarca Project) unterstützte.152 Nicht nur, dass der Mord von langer Hand geplant gewesen sein soll; staatliche Ermittlungsbehörden sollen im Nachhinein gar die effektive Aufklärung der Täterschaft verhindert und Hypothesen konstruiert haben, nach welchen es sich um eine reine Beziehungstat des Ex-Mannes der Getöteten gehandelt haben soll.153 4.2.2.3. Brasilien In Südamerika ist Brasilien das Land, in dem pro Jahr die meisten MRV getötet werden.154 Zuletzt wurden im März 2018 Marielle Franco und ihr Fahrer Anderson Pedro Gomes in Rio de Janeiro erschossen. Die bekannte afro-brasilianische Menschenrechtsverteidigerin hatte die massive Gewaltanwendung durch die brasilianische Militärpolizei in den Favelas der Stadt öffentlich scharf kritisiert.155 Aber auch MRV, die sich in Brasilien für Landrechte, Umweltschutz und die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzen, sehen sich einer wachsenden Bedrohung durch private Akteure gegenüber .156 Gerade über das an Bodenschätzen reiche Amazonasgebiet geraten Anwohner und private Konzerne immer wieder in Auseinandersetzungen, die nicht zuletzt in die Anwendung von physischer Gewalt münden.157 Dabei liegt Brasilien im internationalen Vergleich auf Platz 1 der Länder mit der höchsten Mordrate bezogen auf Land- und Umweltaktivisten.158 152 Ibid., S. 4. 153 Ibid. Das European Center for Constitutional and Human Rights unterstützt die Tochter von Berta Cáceres in dem Fall und thematisiert im größeren Kontext die institutionalisierte Staflosigkeit in Honduras, siehe: https://www.ecchr.eu/veranstaltung/kontrollieren-neutralisieren-eliminieren/ (zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 154 Long, „Life is Getting More Dangerous for Brazilian Human Rights Defenders“ (2017), The Brazilian Report, verfügbar unter: https://brazilian.report/2017/12/05/brazilian-human-rights-defenders-killed/ (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 155 UNHCR, „Brazil: UN Experts Alarmed by Killing of Rio Human Rights Defender Who Decried Military Intervention “ (26. März 2018), Pressemitteilung, verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/Display- News.aspx?NewsID=22901&LangID=E; FIDH, „Brazil: Killing of Councillor and Activist Ms. Marielle Franco“, verfügbar unter: https://www.fidh.org/en/issues/human-rights-defenders/brazil-killing-of-councillor-and-activist -ms-marielle-franco (jeweils zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 156 Brazilian Committee of Human Rights Defenders, “The Situation of Human Rights Defenders and of the National Policy towards Human Rights Defenders in Brazil: Shadow Report (…) for the Universal Periodic Review of Brazil” (2017), verfügbar unter: https://www.upr-info.org/sites/default/files/document/brazil/session _27_-_may_2017/js21_upr27_bra_e_main.pdf (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018), Rn. 3. 157 Ibid. 158 ISHR, „The Situation of Human Rights Defenders: Brazil“ (2016), verfügbar unter: https://www.ishr.ch/sites /default/files/documents/brazil_briefing_paper_sr_hrds.pdf (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018), S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 34 Brasilien hatte zwar bereits im Jahr 2004 das National Programme for the Protection of Human Rights Defenders ins Leben gerufen; dieses litt jedoch nach Aussagen einiger Beobachter sowohl an finanziellen als auch an personellen Defiziten.159 Neben der mangelnden Ausstattung des Projekts fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage sowie einer einheitlichen, abgestimmten Arbeitsweise .160 4.2.3. Afrika 4.2.3.1. Ägypten In Ägypten wurde die Arbeit von NRO in den Jahren 2002 bis 2017 durch das Gesetz Nr. 84 von 2002161 erheblich eingeschränkt. Dieses statuierte für bestimmte Entscheidungen einen besonders weiten Ermessensspielraum, den staatliche Behörden ausnutzen konnten, um insbesondere NROs zu behindern, die für Sozialreformen und politische Liberalisierung eintraten.162 Nach der Revolution im Jahr 2011 versuchten Regierung und Parlament, das Gesetz Nr. 84 durch noch striktere Regelungen zu ersetzen, die vor allem auf die Finanzierung und die operative Arbeit von MRV abzielten.163 2017 trat schließlich das Gesetz Nr. 70 von 2017164 betreffend die Registrierung und den Betrieb aller zivilgesellschaftlichen Entitäten in Ägypten in Kraft.165 MRV wurden auch gerichtlich unter Druck gesetzt. Im Strafverfahren 173/2011 wurden 2013 insgesamt 43 ägyptische und ausländische NRO-Mitarbeiter – darunter auch Mitarbeiter der Konrad- Adenauer-Stiftung166 – (teils in absentia) wegen der illegalen Annahme ausländischer Geldmittel 159 Menschenrechtsrat, „Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights“ (24. Februar 2017), VN-Dok. A/HRC/WG.6/27/BRA/2, Rn. 36. 160 ISHR, „The Situation of Human Rights Defenders: Brazil“ (Fn. 158), S. 4. 161 Law on Associations and Community Foundations (Law 84 of 2002), verfügbar unter: http://www.icnl.org/research /library/files/Egypt/law84-2002-En.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Mai 2018). 162 ICNL, „Civic Freedom Monitor: Egypt“ (19. Mai 2018), verfügbar unter: http://www.icnl.org/research/monitor /egypt.html (zuletzt aufgerufen am 25. Mai 2018). 163 Ibid. 164 Law on Associations and Other Foundations Working in the Field of Civil Work (Law 74 of 2017), verfügbar unter: http://www.icnl.org/research/library/files/Egypt/law70english.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Mai 2018). 165 Zu den inhaltlichen Details siehe ICNL, „Civic Freedom Monitor: Egypt“ (Fn. 162): „Barriers to Operational Activity“. 166 KAS, „Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ägypten: Chronologie“ (2018), verfügbar unter: http://www.kas.de/wf/de/71.10991/; ZEIT online, “Ägypten verurteilt deutsche NGO-Mitarbeiter” (4. Juni 2013), verfügbar unter: https://www.zeit.de/politik/ausland/2013-06/aegypten-stiftungen-urteil (jeweils zuletzt aufgerufen am 25. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 35 zu Haftstrafen verurteilt.167 Im Zusammenhang mit dem Fall wurden Reisebeschränkungen erlassen und Konten eingefroren, jedoch konnten einige der Mitarbeiter vor Erlass des Urteils ausreisen .168 Im April 2018 hob das ägyptische Kassationsgericht die Urteile gegen 16 der 2013 Verurteilten auf und ordnete die Wiederaufnahme des Verfahrens an.169 Schließlich gehen ägyptische Behörden seit 2017 verstärkt dazu über, Webseiten von politischen Organisationen zu blocken. 170 4.2.4. Asien Ein Bericht im „Guardian“ vom 18. Mai 2018 führt aus, dass sich in den letzten Jahren in vielen Ländern (Südost-)Asiens die Situation für Oppositionspolitiker, Aktivisten und auch MRV deutlich verschlechtert habe.171 Regierungen vieler Länder gingen gegen jede Art der Opposition vor. Dabei nutzten sie oft ein legalistisches Instrumentarium, um Kritiker bzw. jene, die als Kritiker der Regierung, „Störer“ oder „Nestbeschmutzer“ wahrgenommen wurden, zum Schweigen zu bringen. Insbesondere der Vorwurf der Unterstützung von Terrorismus, aber auch Anklagen wegen „übler Nachrede“ oder „Verleumdung“ seien – in Verbindung mit mangelhafter Rechtsstaatlichkeit bzw. einer politisch willfährigen Justiz – genutzt worden, um MRV unter Anschein rechtlich einwandfreien Handelns mundtot zu machen.172 Daneben wurden MRV und andere als Kritiker wahrgenommene Menschen und Organisationen sowie ihr Engagement unter anderem durch Diffamierungskampagnen in sozialen Medien verunglimpft. 4.2.4.1. Philippinen Auf den Philippinen, schon immer ein Land mit schwieriger Menschenrechtsbilanz, hat sich die Situation für MRV seit Amtsantritt des populistischen Präsidenten Rodrigo Duterte stark verschlechtert .173 In der westlichen Berichterstattung wird vor allem über die gezielte Ermordung 167 ICNL, „Civic Freedom Monitor: Egypt“ (Fn. 162). 168 Ibid. 169 Ibid. 170 Ibid. Ägypten geht vor allem gegen kritische Blogger und Journalisten vor. Zuletzt wurde Ende Mai 2018 der Blogger Wael Abbas verhaftet. Süddeutsche Zeitung, „Plötzlich verschwunden: Ägyptische Behörden gehen gegen liberale Aktivisten vor“ (28. Mai 2018). 171 Andrew Gilmour, “Imprisoned, Threatened, Silenced: Human Rights Workers across Asia Are in Danger” (18. Mai 2018), The Guardian, verfügbar unter: https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/may/18/imprisoned -threatened-silenced-human-rights-workers-across-asia-are-in-danger (zuletzt aufgerufen am 23. Mai 2018). 172 Ibid. 173 Alle Informationen dieses Abschnittes: Front Line Defenders, “Philippines: Front Line Defenders Condemns the Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 36 von angeblichen oder tatsächlichen Drogendealern und -konsumenten nach mehrfachem explizitem Aufruf durch Duterte berichtet. Tatsächlich hat sich die Lage jedoch für alle möglichen „unerwünschten “ Personen, Gruppen und Organisationen weiter verschlimmert. In Anlehnung an den amerikanischen Präsidenten Trump und dessen Umgang mit der Presse bezeichnete Duterte Journalist/-innen als „Spione“ und unterstellte ihnen unsachgemäße Berichterstattung („Fake News“). Im Jahre 2017 rief Duterte zum Mord an MRV auf: diese seien zu erschießen, denn sie „behinderten die Justiz“. Gemeint war, dass u.a. Menschenrechtsanwälte für die Rechte von vermeintlichen Drogendealern und -konsumenten eingetreten waren. Über 60 MRV wurden im Jahr 2017 in den Philippinen ermordet, ein Zuwachs von fast einhundert Prozent im Vergleich zum Vorjahr.174 Gegen MRV wird unter anderem unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung vorgegangen, wie die NRO Front Line Defenders im März 2018 berichtet. Das philippinische Justizministerium hat demnach eine Petition eingereicht, um zwei Parteien als terroristische Vereinigungen einzustufen . In dem Dokument werden jedoch auch zahlreiche Individuen als Terrorunterstützer genannt, u.a. die Sonderberichterstatterin über die Rechte indigener Völker, Victoria Tauli Corpuz sowie Elisa Tita Lubi, die im Vorstand der Menschenrechtsorganisation Karapatan sitzt. Ihnen wird in der Petition die angebliche Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der Philippinen vorgeworfen ; diese Partei wiederum wird in Gänze als terroristische Vereinigung bezeichnet.175 4.2.4.2. Kambodscha In Kambodscha hat sich die Situation für alle, die von der derzeitigen Regierung als Opposition wahrgenommen werden, im Vorfeld der Wahlen im Mai 2018 noch einmal verschlechtert. Oppositionsparteien wurden aufgelöst,176 Medien wurden verboten bzw. durch Aufkauf ruhig gestellt177, Kritiker und Oppositionspolitiker verhaftet.178 Inclusion of Human Rights Defenders in ‘Terror List’ Petition” (18. März 2018), verfügbar unter: https://www.frontlinedefenders.org/en/statement-report/philippines-front-line-defenders-condemns-inclusionhuman -rights-defenders-%E2%80%98terror (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018). 174 Ibid. 175 Ibid. 176 Oliver Holmes, “‘Death of democracy’ in Cambodia as Court Dissolves Opposition” (16. November 2017), The Guardian, verfügbar unter: https://www.theguardian.com/world/2017/nov/16/death-of-democracy-cambodiacourt -dissolves-opposition-hun-sen (zuletzt aufgerufen am 23. Mai 2018). 177 Oliver Holmes, “World Must Wake up to Crackdown in Cambodia, Says Exiled Opposition Politician” (13. Oktober 2017), The Guardian, verfügbar unter: https://www.theguardian.com/world/2017/oct/13/crackdown-cambodia -exiled-opposition-mu-sochua (zuletzt abgerufen am 23. Mai 2018). 178 Agencies, “Hun Sen Vows to ‘shame’ Australia if Pressured over Political Crackdown” (22. Februar 2018), The Guardian, verfügbar unter: https://www.theguardian.com/world/2018/feb/22/hun-sen-vows-to-shame-australia- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 37 Auch gegen MRV ging die Regierung mit größerer Härte als schon zuvor vor; so im Februar 2018 in einer möglicherweise konzertierten Aktion.179 Einheimische Wahlbeobachtungs-NRO wurden öffentlich diffamiert und Aktivisten, die sich gegen illegales Landgrabbing engagieren, öffentlich beschuldigt, eine angeblich vom Ausland gesteuerte „Revolution“ gegen die Regierung anzustreben . Neben diesem generellen Crackdown gegen MRV gab es mehrere Fälle, in denen Individuen eingeschüchtert oder juristisch belangt wurden, nachdem sie Vertretern der VN Informationen mitgeteilt oder sich an von den VN organisierten Aktivitäten beteiligt hatten.180 4.2.4.3. Pakistan Laut Amnesty International richten sich in Pakistan in jüngster Zeit verstärkt digitale Angriffe gegen MRV. Deren Social-Media-Konten werden gehackt, Computer und Mobiltelefone mit Spyware infiziert, um die Arbeit gezielt zu überwachen.181 4.2.4.4. Indien In Indien wird die Arbeit von NRO – regelmäßig solche mit einer regierungskritischen Agenda, Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen – unter dem Foreign Contribution Regulation Act (FCRA) aus dem Jahr 2010 staatlich beaufsichtigt. Die indische Regierung ging auf Grundlage des neuen Gesetzes zum Beispiel gegen Greenpeace India vor.182 Kritiker zeigten sich im Juni 2016 darüber alarmiert, dass der FCRA mehr und mehr dazu genutzt werde, Organisationen , die sich für bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale, ökologische oder kulturelle Belange einsetzen und deren Prioritäten von denen der Regierung abweichen, zum Schweigen zu bringen.183 So darf eine Reihe bestimmter, von der Zentralregierung gelisteter politischer Organisationen keine finanziellen Mittel aus dem Ausland annehmen. Der VN-Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Maina Kiai sieht in den Regelungen des FCRA ein if-pressured-over-political-crackdown (zuletzt abgerufen am 23. Mai 2018). 179 Andrew Gilmour, “Imprisoned, Threatened, Silenced: Human Rights Workers across Asia Are in Danger” (Fn. 171). 180 Ibid. 181 Amnesty International, „Human Rights under Surveillance: Digital Threats against Human Rights Defenders in Pakistan“ (2018), verfügbar unter: https://www.amnesty.org/download/Documents/ASA3383662018ENG- LISH.PDF (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2018). 182 Krumbein, „Menschenrechte in Bedrängnis: die universellen Rechte werden weltweit immer öfter ignoriert und verletzt“ (2016), SWP-Aktuell 47/2016, verfügbar unter: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products /aktuell/2016A47_krb.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. April 2018), S. 3. 183 VN-Menschenrechtsrat, “UN Rights Experts Urge India to Repeal Law Restricting NGO’s Access to Crucial Foreign Funding” (16. Juni 2016), verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/Display- News.aspx?NewsID=20112&LangID=E (zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 38 Verstoß gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit, weil der Zugang zu Geldmitteln fundamentaler Bestandteil des Rechts auf Bildung einer Vereinigung sei.184 4.2.5. Europa und Zentralasien 4.2.5.1. Aserbaidschan In Aserbaidschan hat sich die Menschenrechtslage seit den frühen 2000er Jahren stetig verschlechtert . 2013 fand eine großangelegte Niederschlagung von regierungskritischen und oppositionellen MRV statt.185 Repressalien, mit denen MRV seither konfrontiert sind, umfassen das Einfrieren von Bankkonten, Reiseverbote, Verurteilungen zu langen Haftstrafen, Polizeigewalt, willkürliche Inhaftierungen, Belästigung sowie Folter; teilweise betreffen die Repressionen auch Angehörige von MRV.186 Exemplarisch für die Vorgehensweise gegen regierungskritische MRV ist der Fall des Journalisten und MRV Mehman Huseynov, der von aserbaidschanischen Behörden am 9. Januar 2017 festgenommen und in Haft gefoltert wurde.187 Die Polizei lehnte es ab, seine anschließende Beschwerde anzunehmen, obwohl das georgische Zentrum für psychosoziale und medizinische Rehabilitation für Folteropfer im Rahmen von medizinischen und psychologischen Untersuchungen Anzeichen dokumentierte, die seine Vorwürfe bestätigten.188 Vielmehr erhob der Leiter des Polizeipräsidiums aufgrund der Beschwerden Strafanzeige wegen Verleumdung. Mehman Huseynov wurde am 3. März 2017 vom Bezirksgericht Surakhansky in Baku zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der VN- Sonderberichterstatter zur Situation von MRV zeigte sich besorgt über die möglichen Auswirkungen , welche solche strafrechtlichen Verfolgungen auf die journalistische Freiheit und Unabhängigkeit in Aserbaidschan haben können.189 Sowohl er wie auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates forderten die aserbaidschanische Regierung auf, das gewaltvolle Vorgehen 184 UNHCR, „Info Note: Analysis on International Law, Standards and Principles Applicable to the Foreign Contributions Regulation Act 2010 and Foreign Contributions Regulation Rules 2011” (20. April 2016), verfügbar unter : http://www.ohchr.org/Documents/Issues/FAssociation/InfoNoteIndia.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. Mai 2018), Rn. 1-6. 185 Stand 4 Human Rights Defenders, „Human Rights Situation in Azerbaijan“ (2016), verfügbar unter: http://stand4humanrightsdefenders.eu/downloads/Fiche_Azerbaijan_HRD_YUNUS.pdf (zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018). 186 Human Rights Watch, „World Report 2018: Azerbaijan, Events of 2017”, verfügbar unter: https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/azerbaijan (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2018) 187 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur on the Situation of Human Rights Defenders, Michel Forst“ (16. Februar 2018), Dok.-Nr. A/HRC/37/51/Add.1, S. 65, Rn. 432. 188 Ibid. 189 Ibid., S. 65 f., Rn. 433. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 39 gegen Regierungskritiker einzustellen.190 4.2.5.2. Ungarn In Ungarn hat sich die Lage für MRV mit dem seit 2010 regierenden Ministerpräsident Viktor Orbán und der nationalkonservativen Fidesz-Partei zunehmend verschlechtert. In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Gesetzesänderungen angenommen, welche Grundrechte und Grundfreiheiten erheblich einschränken. Vor allem sehen sich NRO einem zunehmenden staatlichen Druck gegenüber. Am 13. Juni 2017 verabschiedete die ungarische Nationalversammlung z. B. das „Gesetz über die Transparenz von aus dem Ausland finanzierten Organisationen“, nach welchem sich Organisationen, welche mit mehr als 24.000 Euro jährlich aus dem Ausland finanziert werden, bei ungarischen Gerichten als „ausländisch unterstützte Organisationen“ anmelden müssen.191 Mitte Juli 2017 leitete die Europäische Kommission ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein, das auf der Einschätzung beruht, dass das Gesetz (neben weiteren Mängeln) Vorschriften enthält, die dem Recht auf Vereinigungsfreiheit entgegenstehen.192 Zudem erhoben im August 2017 mehr als 20 NRO Klage beim ungarischen Verfassungsgericht mit der Forderung, das Gesetz aufzuheben.193 Im Mai 2018 gab die Open Society Foundation – eine Stiftung, die ungarische Organisationen unterstützt, welche sich für Menschenrechte, Kunst und Kultur, Pressefreiheit, Transparenz, Bildung und das Gesundheitswesen einsetzen – bekannt, ihren Sitz von Budapest nach Berlin zu verlegen.194 Viktor Orbán hatte den regierungskritischen Stifter George Soros zuvor öffentlich als „Staatsfeind“ bezeichnet, der über die Stiftung „Masseneinwanderung in die EU“ steuere.195 190 Stand 4 Human Rights Defenders, „Human Rights Situation in Azerbaijan“ (Fn. 185). 191 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur (Fn. 187), S. 70, Rn. 464. 192 Amnesty International, “Ungarn 2017/18” (22. Februar 2018), verfügbar unter: https://www.amnesty.de/jahresbericht /2018/ungarn#section-1728128 (zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018). 193 Ibid. 194 Süddeutsche Zeitung, „Soros-Stiftung verlässt Ungarn und zieht nach Berlin“ (15. Mai 2018), verfügbar unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-druck-der-regierung-soros-stiftung-verlaesst-ungarn-und-zieht-nachberlin -1.3980083 (zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018). 195 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 40 4.2.5.3. Russland In Russland müssen sich Nichtregierungsorganisationen, welche finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, seit dem Jahr 2012 als „ausländische Agenten“ registrieren lassen.196 Seither wurden fast 90 NRO in die Liste der „ausländischen Agenten“ aufgenommen, von denen fast ein Drittel geschlossen wurde.197 Die Liste umfasst Organisationen, die sich mit einer Reihe grundlegender Menschenrechtsthemen befassen, darunter Diskriminierung, Schutz von Frauenrechten, Strafjustiz und Gefängnissystemreform, LGBTI-Rechte und Umweltfragen.198 Die russische NRO Golos, die sich um Wahlbeobachtung kümmert und bei den Wahlen 2011 und 2012 Unregelmäßigkeiten dokumentiert hatte, war eine der ersten NRO, die auf der Grundlage des neuen Gesetzes bestraft wurde, weil sie den Bestimmungen nicht nachkam.199 Auf Grund der geänderten Gesetzeslage haben sich bereits einige NRO aufgelöst, um der drohenden Stigmatisierung zu entgehen .200 Darüber hinaus äußerte sich der VN-Sonderberichterstatter zur Situation von MRV besorgt über die Festnahme von friedlichen Demonstranten, einschließlich MRV und Journalisten, welche in mehreren russischen Städten gegen staatliche Korruption auf die Straße gegangen waren.201 4.2.6. Arabische Staaten und Naher Osten 4.2.6.1. Israel Der VN-Sonderberichterstatter zur Situation von MRV äußerte sich in seinem Bericht vom Februar 2018 besorgt über die Situation von MRV in den besetzten palästinensischen Gebieten.202 Der Bericht benennt u.a. Beispiele von MRV, die während ihrer Inhaftierung Schläge, Schlafentzug , Einzel- und Dunkelhaft, Verweigerung von Wasser, medizinischer Hilfe und juristischem 196 Krumbein, „Menschenrechte in Bedrängnis“ (Fn. 182), S. 4. 197 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur on the Situation of Human Rights Defenders, Michel Forst“ (16. Februar 2018), Dok.-Nr. A/HRC/37/51/Add.1, S. 73, Rn. 491. 198 Ibid. 199 Krumbein, „Menschenrechte in Bedrängnis (Fn. 182), S. 4. 200 Ibid. 201 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur (Fn. 197), S. 73 f., Rn. 492. 202 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur on the Situation of Human Rights Defenders, Michel Forst“ (16. Februar 2018), Dok.-Nr. A/HRC/37/51/Add.1, S. 86 f. Siehe auch UNHCR, “Human Rights Defenders under Growing Legal Pressure in the OPT – UN Rights Experts” (16. Dezember 2016), Pressemitteilung, verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=21041&LangID=E; UNHCR, „UN Rights Experts Denounce Israel’s Growing Constraints on Human Rights Defenders“ (3. März 2017), verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=21279&LangID=E (jeweils zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 41 Beistand erlebten.203 Auch die Verurteilung von MRV (also Zivilisten) durch Militärgerichte könne im Hinblick auf den Grundsatz einer fairen, unparteiischen sowie unabhängigen Rechtspflege ernsthafte Zweifel auslösen.204 Ein weiteres Problem für MRV in Israel ist die Behinderung ihrer Arbeit durch das neue israelische NRO-Gesetz: Am 11. Juli 2016 verabschiedete das israelische Parlament ein Gesetz, das alle Organisationen in Israel, die mehr als die Hälfte ihrer Finanzmittel von ausländischen Regierungen erhalten, verpflichtet, dies in ihren Veröffentlichungen auszuweisen.205 Im vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren wurde außerdem diskutiert, Mitglieder betroffener Organisationen zum Tragen einer speziellen Plakette bei Besuchen im israelischen Parlament zu verpflichten.206 Von einer solchen Regelung nahm man jedoch letztlich Abstand.207 Aktuell plant die israelische Regierung eine Verschärfung des NRO-Gesetzes. Das Gesetz soll dann Nichtregierungsorganisationen verbieten, staatliche Mittel aus dem Ausland anzunehmen.208 Dies würde etwa auch die Veteranenorganisation Breaking the Silence betreffen, die sich für ein Ende der Besatzung des Westjordanlands einsetzt.209 4.2.6.2. Iran Auch über die Situation der MRV in Iran äußert sich der VN-Sonderberichterstatter zur Situation von MRV in seinem Bericht vom Februar 2018 extrem besorgt.210 Durch ungerechtfertigte Beschränkungen der Meinungs-, der Versammlungs- und der Vereinigungsfreiheit werde die Arbeit der MRV im Iran stark behindert. Staatliche Kräfte nützten weit gefasste Straftatbestände, um die Arbeit der MRV willkürlich und unverhältnismäßig einzuschränken.211 Insbesondere gegenüber 203 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur (Fn. 202), S. 87, Rn. 592. 204 Ibid., Rn. 591. 205 Dies gilt explizit nicht für private Geldmittel. Spiegel Online, „Knesset verabschiedet umstrittenes NGO-Gesetz“ (12. Juli 2016), verfügbar unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-knesset-verabschiedet-umstrittenes -ngo-gesetz-a-1102531.html (zuletzt abgerufen am 24. Mai 2018). 206 Ibid. 207 The Association for Civil Rights in Israel, „Update – NGO Law Approved by the Knesset“ (11. Juli 2016), verfügbar unter: https://www.acri.org.il/en/2016/07/11/update-ngo-law-passed/. Vgl. The Knesset, „Knesset Passes NGO Transparency Law“ (12. Juli 2016), Pressemitteilung, verfügbar unter: https://knesset.gov.il/spokesman /eng/PR_eng.asp?PRID=12164 (jeweils zuletzt aufgerufen am 30. Mai 2018). 208 Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Regierungschef im Überlebensmodus“ (25. Oktober 2017), S. 5. 209 Ibid. 210 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur on the Situation of Human Rights Defenders, Michel Forst“ (16. Februar 2018), Dok.-Nr. A/HRC/37/51/Add.1, S. 49, Rn. 327. 211 Ibid. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 42 Frauenrechtsverteidiger/-innen und deren Familienangehörigen würden gerichtliche Schikanen (judicial harassment) und Festnahmen als Mittel der Einschüchterung eingesetzt.212 Die Beobachtung, dass friedliche Aktivitäten von MRV mit Hilfe weit gefasster und willkürlich angewendeter Straftatbestände sanktioniert werden, teilen auch Amnesty International213 und der VN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in Iran (Special Rapporteur on the Situation of Human Rights in the Islamic Republic of Iran) 214. Als besonders anschauliches Beispiel führt Amnesty International den Fall von Narges Mohammadi an: Diese hatte sich im Jahr 2014 mit der damaligen EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zum Thema Frauenrechte getroffen und friedlich vor Regierungsgebäuden für Frauenrechte protestiert. Anschließend wurde sie zu einer 16-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt, welche sie aktuell verbüßt.215 Die Verurteilung wurde auf verschiedene staatsgefährdende Delikte gestützt, wie etwa die Bildung einer Gruppierung mit dem Ziel der Störung der nationalen Sicherheit (forming a group composed of more than two people with the purpose of disrupting national security) oder Propaganda gegen das System (spreading propaganda against the system).216 Der Fall Mohammadis ist laut Amnesty International Teil einer größeren Entwicklung seit dem Amtsantritt des Präsidenten Hassan Rouhanis im Jahr 2013: Während sich an der Lage der MRV im Iran in der Amtszeit Rouhanis grundsätzlich nichts geändert habe, stelle sich die Lage für bestimmte Gruppen von MRV, nämlich Frauenrechtsverteidiger/-innen, Gegner/-innen der Todesstrafe und Personen, die eine Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in den 1980‘er Jahren in Iran fordern, deutlich schlechter dar.217 4.2.6.3. Saudi Arabien Der VN-Sonderberichterstatter zur Situation von MRV beobachtet ferner auch eine Zunahme der staatlichen Verfolgung von MRV in Saudi-Arabien.218 Obwohl Saudi Arabien erst Ende 2016 zum 212 Ibid. 213 Amnesty International, “Caught in a Web of Repression: Iran’s Human Rights Defenders under Attack” (2. August 2017), verfügbar unter: https://www.amnesty.be/IMG/pdf/iran_-_caught_in_a_web_of_repression.pdf (zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018), S. 6 f. 214 VN-GV, “Report of the Special Rapporteur on the Situation of Human Rights in the Islamic Republic of Iran, Ahmed Shaheed” (28. Mai 2015), Dok.-Nr. A/HRC/28/70, S. 21. 215 Amnesty International, “Caught in a Web of Repression (Fn. 213), S. 7. 216 Ibid., S. 7, 22. 217 Ibid., S. 6. 218 VN-GV, „Report of the Special Rapporteur on the Situation of Human Rights Defenders, Michel Forst“ (16. Februar 2018), Dok.-Nr. A/HRC/37/51/Add.1, S. 91 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 43 Mitglied im VN-Menschenrechtsrat gewählt wurde, dauerten in dem Land systematische Verhaftungen und Inhaftierungen von MRV fort bzw. nahmen gar zu.219 Dies geschehe häufig unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung.220 Für besonders gefährlich hält er die Lage für weibliche MRV in Saudi-Arabien und für MRV, die mit den Institutionen der VN zusammenarbeiten.221 Schließlich würden auch die Aktivitäten von MRV im Internet und sozialen Medien intensiv bekämpft .222 In diesem Zusammenhang berichtet auch Amnesty International jüngst von einer Verhaftungswelle gegen Frauenrechtsverteidiger/-innen.223 5. Weiterführende Informationen 5.1. Frauenrechte - Women Human Rights Defenders, „Gendering Documentation A Manual For and About Women Human Rights Defenders“ (2015), verfügbar unter: http://www.defendingwomendefendingrights .org/wp-content/uploads/2016/09/GENDERING-DOCUMENTATION-FI- NAL-3-min.pdf - VN-GV, „Promotion of the Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms: Protecting Women Human Rights Defenders“ (30. Januar 2014), Resolution 68/181 5.2. Rechte indigener Völker - VN, “Indigenous Human Rights Defenders” (2016), verfügbar unter: https://www.un.org/development/desa/indigenouspeoples/wp-content/uploads/sites /19/2016/08/Indigenous-Human-Rights-Defenders.pdf 219 Ibid., S. 91, Rn. 623. 220 Ibid., S. 91 f., Rn. 624, 626. 221 Ibid., S. 92, Rn. 627. 222 Ibid., S. 92, Rn. 628. 223 Amnesty International, „Saudi Arabia: Several Prominent Women’s Rights Defenders Detained in ‘Extremely Worrying Development’” (18. Mai 2018), verfügbar unter: https://www.amnesty.org/en/latest /news/2018/05/saudi-arabia-several-prominent-womens-rights-defenders-detained-in-extremely-worryingdevelopment /; „Saudi Arabia: More Activists Arrested in Continuing Crackdown” (23. Mai 2018), verfügbar unter : https://www.amnesty.org/en/latest/news/2018/05/saudi-arabia-more-activists-arrested-in-continuing-crackdown / (jeweils zuletzt aufgerufen am 24. Mai 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 026/18 Seite 44 5.3. LGBTI-Rechte - Protection International, “Defenders of LGBTI Rights” (2010), verfügbar unter: https://www.protectioninternational.org/wp-content/uploads /2012/04/LGBTI_PMD_2nd_Ed_English.pdf 5.4. Landrechte - International Land Coalition, “ILC's Commitment to Land and Environmental Rights Defenders ” (2018), verfügbar unter: http://www.landcoalition.org/en/regions/global-including -europe/ilcs-commitment-land-and-environmental-rights-defenders 5.5. Demokratische Rechte - ISHR, “Human Rights Defenders in States in Transition” (2016), verfügbar unter: http://www.ishr.ch/news/human-rights-defenders-states-transition - ISHR, “Annual Report: Human Rights Defenders Working to Promote Democracy and End Impunity” (2015), verfügbar unter: http://www.ishr.ch/sites/default/files/article /files/hrds_working_to_end_impunity_and_promote_democracy.pdf 5.6. Corporate Human Rights Abuses - ISHR, “Annual Report: Corporate Accountability Activists” (2015), verfügbar unter: http://www.ishr.ch/sites/default/files/documents/corporate_accountability_activists.pdf - VN-GA, Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights defenders” (19. Juli 2017) VN-Dok. A/72/170, verfügbar unter: http://undocs.org/en/A/72/170 - VN, Working Group on Business & Human Rights, Concept Note: “Human Rights Defenders and the Business and Human Rights Dimension” (21. Februar 2018), verfügbar unter: http://www.ohchr.org/Documents/Issues/Business/ConsultationWithStates 21Feb2018_ConceptNote.pdf ***