Wissenschaftliche Dienste Sachstand Deutscher Bundestag WD 2 . 3000 .026/15 Zur rechtlichen Zulässigkeit der Vereinbarung einer Gebührenordnung für TPIP-Schiedsverfahren 0 2015 Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD2 - 3000 - 026/15 Seite Zur rechtlichen Zulässigkeit der Vereinbarung einer Gebührenordnung für TTIPSchiedsverfah- Verfasser: Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: Fachbereich: Telefon: WD 2 - 3000 - 026/15 11. Februar 2015 WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausarbeitungen und andere Informationsangebotc der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundeslages, eines seiner Organe oder der Hundestagsvenvaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie Fachbereichsleitung. Der Deulst;h't Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik I, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Inhaltsverzeichnis Einführung Sachstand WD2 - 3000 026/15 Seite 3 2. 3. 4. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Menschenrechtliche Verpflichtungen der prospektiven Vertragsparteien des 'ITIP Dienstleistungsfreiheit der Europäischen Union 4 5 6 Wissenschaftliche Dienste Einführung Sachstand WD2. 3000 • 026/15 Seite 4 Der Auftraggeber stellt die Frage, ob für den Fall, dass das geplante Übereinkommen zur transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft ( n IP)I die Einführung schiedsgerichtlicher Verfahren2 im Anwendungsbereich des T TIP vorsehen sollte, die gleichzeitige Vereinbarung einer Gebührenordnung rechtlich zulässig wäre. Der nachfolgende Sachstand beabsichtigt keine Prognose zu der aus Sicht des Fachbereiches wissenschaftlich nicht zu beantwortenden hypothetischen Frage, ob das Anliegen, eine Gebührenordnung zu vereinbaren, zweckmäßig und politisch durchsetzbar wäre.' Vielmehr beschränkt sich der Sachstand auf die rechtliche Prüfung. Somit ist die vom Auftraggeber aufgeworfene Frage im Lichte der bestehenden völkerrechtlichen Bindungen der prospektiven Vertragsparteien des TTIP zu erörtern. 2. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Rechtliche Gründe gegen die Vereinbarung einer Gebührenordnung lassen sich aus dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK)4 nicht ableiten.' Grundsätzlich gilt die WVK auch für sog. normative völkerrechtliche Verträge, also Verträge bei denen es nicht um gegenseitige Rechte und Pflichten der Vertragsparteien geht, sondern allgemeinverbindliche Standards festgelegt werden, wie dies bei einer hypothetischen TTIP-Gebiihrenordnung der Fall wäre.'i Unbeschadet der Frage, wie das völkerrechtliche Rangverhältnis zwischen der WVK und einer unterstellten Gebührenordnung der rrIP-Vertragsparteien anzusehen wäre, ist ein normativer Widerspruch zwischen beiden Rechtsquellen schwer vorstellbar. Der Anwendungsbereich der WVK-Vorschriften zu ungiiltigen Vortragsinhalten (siehe Art. 46 ff Zur Dokumentation der Verhandlungen vgl. die Angaben der Europäischen Kommission, 'I en.hlcn# (letzter Zugriff sa even 10.02.2015). Siehe hiet"ztl vertiefend Christoph Schreuer, „Investment Disputes". „International Centre for Settlement oflnvestment Disputes (IC-SID)" sowie „Investments, International Protection", iew. in: Rüdiger Wolfrum (Hrss), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, i (letzter Zugriff 10.02.2015), In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass in der am 2. Februar 2015 begonnenen Achten Runde der TTIP-Vorbandlungen in Elrüssel das umstrittene Thema „Investorenschutz durch Schiedsgerichte" ausgespart wurde. vgl. Die well, 02.02.2015, htt _ ir • (letzter Zugriff 10,02, 20151. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vorn 23. Mai 1969. 19/15 II S- 927, 19600009/201206150000/(1.111.pdf (letzter Zugriff 5.2.2015). Zur WVK siehe im Einzelnen Anthony Aust, Vienna Convention on the Law ofTreaties (19091, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia ofPnbIic International Law, http://02il-011Qla (tat zier Zugriff 10.02.201 S), Zum Begriff des normativen Vertrages siehe Malgosia Fitzmaurice. Treaties, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia Public International Law, (letzter zugriff 10.02.2015), Rz, 8, Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD2- 3000- 026/15 Seite 5 WVK) dürfte wohl nicht berührt werden. Insbesondere scheint ein Verstoß einer prospektiven TTlP-Gebiihrenordnung gegen ius cogens im Sinne des Art. 53 WVK7 fernliegend. Im Ergebnis würde die Vereinbarung einer TTIP-Gebührenordnung also nicht an völkerrechtlichen Rahmenvorschriften für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge scheitern. 3. Menschenrechtliche Verpflichtungen der prospektiven Vertragsparteien des TTIP Die von den voraussichtlichen TTIP-Vertragsparteien übernommenen menschenrechtlichen Verpflichtungen sprechen nicht gegen die grundsätzliche Möglichkeit der Vereinbarung einer TTIP- Gebührenordnung. Die an den Verhandlungen des TTIP-Ubereinkommens beteiligten Staaten sind ausnahmslos an internationale Menschenrechte gebunden, im Hinblick auf die Europäische Union ist daran zu erinnern, dass diese u.a. nach Artikel 6 Absatz 3 dor Konsolidierten Fassung des Vertrages über die Europäische Union (EUV)8 an die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)B gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, gebunden ist. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass eine hypothetische mp-Gebührenordnung den menschenrechtlichen Schutzbereich der freien Berufswahl und des Menschenrechtes auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen (statt vieler: Art. 24 Allgemeine Erklärung der Menschenrechten) oder etwa das Menschenrecht auf einen angemessenen Lohn (statt vieler: Art. 7 Internationaler Pakt iiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte1Z) verletzen würde. Selbstverständlich dürfte eine TTlP-Gebiihrenordnung auch keine sexuellen Diskriminierungen vorsehen (statt vieler: Art. 7 a. i. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechten). Menschenrechtsverletzungen durch eine "FTV-Gebührenordnung liegen im Ergebnis fern, auch aus menschenrechtlicher Sicht gäbe es also keine rechtlichen Hindernisse für deren Vereinbarung. II 12 Nach Art. 53 WVK ist ein Vertrag nichtig, „wenn er im Zeitpunkt seines Abschlusses im Widerspruch zu einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht. Im Sinne dieses Übereinkommens isl eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Cesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.' Amtsblatt der Union C 115/13 Vom 09.05.2008. (letzter Zugriff 22.10.2014). Kan Idi Li sah n. Zum aktuellen Stand der Ratifikationen siehe die Angaben des Vertragsbiiros des Europarates, (letzter zugriff 22.10.2014). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Resolution (1er Generalversammlung, A/RES/217 A (III), (letzter Zugriff 10.02.2015). ber 1948. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, A.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD2- 3000 026/15 Seite 4. Dienstleistungsfreiheit der Europäischen Union Die grundsätzliche rechtliche Möglichkeit der Vereinbarung einer TTIP-Gebührenordnung scheitcrt nicht an EU-rechtlichen Vorgaben. Solange die konkreten Inhalte einer hypothetischen TTIP- Gebührenordnung nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 56 ff. der Konsolidierten Fassung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union bzw. ge gen die Dienstleistungsrichtliniea• verstießen15, wofür es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte gibt, sprächen aus EU-rechtlicher Sicht keine rechtlichen Gründe gegen eine entsprechende Vereinbarung. 13 14 Fundstelle siehe Fn. 8. Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 iiber Dienstleistungen Binnenmarkt, Amtsblatt der EU L 376/36 vom 27.12.2006. http:.'/eur•lex.europa.eu/LcxtJriSr„•rv/LcxLJri• (letzter Zugriff 10.02.2015). Zur Auslegung des im Siehe im Einzelnen Peter-Christian Mül- IeFGraff, AEIJV Art. 56, Rz. 70 ff., in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV Kommentar, 2. Auflage. Miinchen 2012.