WD 2 - 3000 - 025/17 (8. März 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Mitte der 1990er Jahre spiegelte die NATO-Kommandostruktur (NSK) noch die Lage zur Zeit des Kalten Kriegs wider, als die Hauptquartiere sozusagen entlang der alten „Frontlinie“ zum Ostblock konzentriert waren. Zu diesem Zeitpunkt waren noch rund 27.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in 26 Hauptquartieren beschäftigt. 1 In den Jahren 2002/2003 und 2010/2011 wurden zwei große Reformen initiiert, um die NKS an die veränderten politischen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Kurzinformation befasst sich mit den Zielen und Konsequenzen dieser beiden Reformschritte. 1. Vom geographischen zum funktionalen Ansatz Der erste Reformschub, der am 21. November 2002 auf dem NATO-Gipfel in Prag und beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel am 12. Juni 2003 beschlossen wurde, verfolgte das Ziel, die NKS an die neuen strategischen Verhältnisse nach dem Kalten Krieg anzupassen. Dem Organisationsmodell des Bündnisses wurde hierbei statt eines geographischen ein eher funktionaler Ansatz zugrunde gelegt. Durch die Wahl eines funktionalen Ansatzes für die konkrete Ausgestaltung der Beschlüsse von Prag und Brüssel erreichte die NATO eine grundlegende Neuordnung, Rationalisierung und Umverteilung ihrer militärischen Aufgaben im Hinblick auf das neue Sicherheitsumfeld. Die neue NKS bestand seit 2003 aus elf Hauptquartieren (vgl. Graphik 1) mit mehr als 13.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen 2, und zwar auf der strategischen Ebene das Allied Command Operations (ACO) in Mons, Belgien (auch SHAPE genannt) und das für die Umstrukturierung der NATO-Streitkräfte zuständige Allied Command Transformation (ACT) in Norfolk, Virginia, auf der operativen Ebene die Joint Force Headquarters in Brunssum (Niederlande), Lisssabon (Portugal) und in Neapel (Italien), sowie 1 Reform der Kommandostruktur und der NATO-Agenturen. Neue Zürcher Zeitung vom 20. November 2010. Abrufbar unter: https://www.nzz.ch/reform-der-kommandostruktur-und-der-nato-agenturen-1.8432668 (letzter Zugriff: 8. März 2017). 2 Vgl. Allied Command Operations. Letzte Aktualisierung am 11. November 2014. Abrufbar unter: http://www.nato. int/cps/en/natohq/topics_52091.htm?selectedLocale=en (letzter Zugriff: 8. März 2017). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Die NATO-Kommandostruktur im Wandel Kurzinformation Die NATO-Kommandostruktur im Wandel Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 auf der taktischen Ebene jeweils zwei sogenannte Component Commands (CC) für die Führung von Land-, See- und Luftstreitkräften, u.a. das CC Land in Heidelberg sowie das CC Air in Ramstein. Graphik 1: NATO-Kommandostruktur 2003-2012 3 Darüber hinaus bestanden in dieser NATO-Kommandostruktur mit den CAOCs 4 in Uedem (Deutschland), Finderup (Dänemark), Poggio Renatico und Larissa (Griechenland) insgesamt vier Gefechtsstände für die Führung von Luftstreitkräften. Die CAOCs in Uedem und Poggio Renatico verfügten über verlegefähige Komponenten. 5 2. Weitere Anpassung der NKS aufgrund von Sparzwängen Durch die Einsparungen der NATO-Mitgliedstaaten bei ihren Verteidigungsausgaben standen zu Beginn dieses Jahrzehnts auch der NATO weniger finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung . Deshalb wurde auf dem NATO-Gipfel in Lissabon am 19./20. November 2010 und beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 8. Juni 2011 in Brüssel beschlossen, die Anzahl der Hauptquartiere von elf auf sieben Kommandos zu verringern, ohne dabei vom „Level of Ambition “ des Bündnisses abzuweichen, zwei größere und sechs kleinere Operationen gleichzeitig durchführen zu können. 3 Quelle: New NATO Command Structure. Hrsg. Allied Command Operations. Abrufbar unter: http://www.shape. nato.int/resources/11/images/about/organizational800.jpg (letzter Zugriff: 8. März 2017). 4 CAOC: Combined Air Operations Centre (multinational besetzter Gefechtsstand zur Führung von Luftstreitkräften). 5 Vgl. New NATO Command Structure. Hrsg.: Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE). Letzte Aktualisierung am 9. Mai 2006. Abrufbar unter: https://web.archive.org/web/20060523154831/http://www.nato.int/ shape/issues/ncs/ncsindex.htm (letzter Zugriff: 8. März 2017). Kurzinformation Die NATO-Kommandostruktur im Wandel Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Der Beschluss der Vereidigungsminister sah auf der operativen Ebene die Auflösung des Joint Headquarters in Lissabon, auf der taktischen Ebene die Auflösung der Component Commands in Heidelberg 6 und Madrid (Land), Neapel (Maritime) sowie in Izmir (Air) vor. In Izmir wurde als Kompensation für die Auflösung des CC Air das künftig einzige Kommando für Landstreitkräfte aufgestellt (vgl. Graphik 2). Die Verteidigungsminister beschlossen bei ihrem Treffen am 8. Juni 2011 darüber hinaus eine weitere Reduktion der vier Gefechtsstände zur Führung von Luftstreitkräften auf nur noch zwei CAOCs in Uedem für Nord- und in Torrejón für Südeuropa. Letzteres wurde am 7. Februar 2013 eröffnet. Daneben gibt es noch das Deployable Air Command and Control Centre (DACCC) in Poggio Renatico. Graphik 2: NATO-Kommandostruktur seit 2013 7 Mit dieser Umstrukturierung gelang es, den Personalumfang der in den NATO-Hauptquartieren beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen deutlich zu verringern. Im Vorwort zu seinem Jahresbericht 2012 sprach der damalige NATO-Generalsekretär, Anders Fogh Rasmussen, von einer 33-prozentigen Reduzierung der Dienstpostenzahl. 8 Laut Angaben von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf der 60. Plenarsitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO konnte der Personalumfang in den Hauptquartieren auf unter 9.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen reduziert werden. 9 *** 6 In Heidelberg waren zum Zeitpunkt der Auflösung des Kommandos für Landstreitkräfte etwa 450 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Vgl. NATO verringert Zahl der Hauptquartiere. orf.at vom 8. Juni 2011. Abrufbar unter: http://orf.at/stories/2062732/ (letzter Zugriff: 8. März 2017). 7 Quelle: NATO Command Structure. Hrsg.: Allied Air Command, Ramstein, Germany. Abrufbar unter: https://www. ac.nato.int/overview/nato-command-structure (letzter Zugriff: 8. März 2017). 8 „Implementation of the new, streamlined command structure, agreed in June 2011, took place on 1 December 2012. NATO’s Command Structure has been down-sized from 11 to seven entities,4 with a 33 per cent reduction in posts.“ Vgl. Secretary General's Annual Report 2012. Foreword „Defence Matters“. Veröffentlicht am 31. Januar 2013, zuletzt aktualisiert am 1. Februar 2013. Abrufbar unter: http://www.nato.int/cps/en/natolive/opinions_94220. htm (letzter Zugriff: 8. März 2017). 9 Keynote address by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the 60th Plenary Session of the NATO Parliamentary Assembly in The Hague. Abrufbar unter: http://www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_115098.htm?selected- Locale=en (letzter Zugriff: 8. März 2017).