© 2015 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 025/15 Zur Vereinbarkeit von Schiedsgerichtsklauseln in völkerrechtlichen Verträgen mit dem Grundgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 025/15 Seite 2 Zur Vereinbarkeit von Schiedsgerichtsklauseln in völkerrechtlichen Verträgen mit dem Grundgesetz Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 025/15 Abschluss der Arbeit: 3. Februar 2015 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 025/15 Seite 3 Die Vereinbarung schiedsgerichtlicher Zuständigkeiten für Investor-Staat-Streitigkeiten im Rahmen von völkerrechtlichen Verträgen kann im Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) liegen. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den Rechtsweg für jeden, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Sofern kein anderer Rechtsweg ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist, ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gilt für natürliche und juristische Personen, für Ausländer ebenso wie für Inländer.1 In den vom Rat der Europäischen Union angenommenen „Leitlinien für die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika“2 findet sich zur Frage der Vereinbarung von Schiedsgerichten für Streitigkeiten zwischen Investoren und Vertragsstaaten folgendes Mandat: Das Abkommen sollte einen wirksamen Mechanismus für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat vorsehen, der auf dem neuesten Stand ist und Transparenz, Unabhängigkeit der Schiedsrichter und die Berechenbarkeit des Abkommens gewährleistet, unter anderem durch die Möglichkeit einer verbindlichen Auslegung des Abkommens durch die Vertragsparteien. Die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten sollte einbezogen werden, aber nicht in das Recht des Investors eingreifen, den Mechanismus für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat in Anspruch zu nehmen. Es sollte ein so breites Spektrum von Schiedsgremien für Investoren vorgesehen werden, wie es derzeit im Rahmen der bilateralen Investitionsabkommen der Mitgliedstaaten zur Verfügung steht. Der Mechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und Staat sollte Schutz vor offensichtlich ungerechtfertigten oder leichtfertigen Klagen beinhalten. Die Möglichkeit, im Rahmen des Abkommens einen Berufungsmechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und Staat zu schaffen, und das geeignete Verhältnis zwischen Streitbeilegung zwischen Investor und Staat und innerstaatlichen Rechtsmitteln sollten geprüft werden.3 1 Hans D. Jarass, Kommentierung zu Art 19, in: Ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland , Kommentar, 13. Auflage, München 2014. 2 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Generalsekretariats des Rates für die Delegationen, Betrifft: Leitlinien für die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika, Brüssel, den 17. Juni 2013 (25.06), 11103/13, file:///P:/_unverschluesselt/Eigene%20Dateien/EU_US%20Leitlinien%20Verhandlungen%20Freihandel %20Abkommen_2013%20juni%2017%20(1).pdf (letzter Zugriff 02.02.2015). Zum aktuellen Stand der Verhandlungen siehe European Commission, EU-US trade talks, http://ec.europa .eu/trade/index_en.htm (letzter Zugriff 02.02.2015). 3 A.a.O., S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 025/15 Seite 4 In der am 2. Februar 2015 begonnenen Achten Runde der TTIP-Verhandlungen in Brüssel wird das umstrittene Thema „Investorenschutz durch Schiedsgerichte“ ausgespart.4 Es gibt zurzeit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die prospektiven Vertragsparteien planen würden, im Rahmen des TTIP das Recht der Investoren, Schiedsgerichte zu befassen, mit einem Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges zu verbinden. Vielmehr nimmt das Verhandlungsmandat ausdrücklich auf die bekannten Gestaltungsmöglichkeiten in den bilateralen Investitionsabkommen der EU-Mitgliedstaaten Bezug. Daher ist zu vermuten, dass auch das TTIP dem aus anderen völkerrechtlichen Abkommen bekannten und gebräuchlichen Leitbild folgen würde.5 Dem Investor würde mithin der Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit zusätzlich zu seinem Zugang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit angeboten. Die Schiedsgerichtsbarkeit würde die ordentliche Gerichtsbarkeit ergänzen, sie aber nicht ersetzen, der völkerrechtliche Vertrag würde die Verfahrensrechte und -möglichkeiten des Investors somit erweitern, nicht vermindern.6 Die Erweiterung der Rechte von Investoren verkürzt deren Grundrechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht.7 Potentielle Konflikte zwischen Schiedsvereinbarungen für Investor-Staat-Streitigkeiten und anderen grundgesetzlichen Normen, etwa den in Art. 20 GG verbürgten Gewährleistungen , sind nicht ersichtlich. 4 Deutschlandfunk, Montag, 2. Februar 2015 12:00 Uhr, Achte Runde der TTIP-Verhandlungen startet in Brüssel, http://www.deutschlandfunk.de/achte-runde-der-ttip-verhandlungen-startet-in-bruessel .264.de.html?drn:news_id=448395 (letzter Zugriff 02.02.2015). 5 Siehe hierzu vertiefend Christoph Schreuer, „Investment Disputes“, „International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID)“ sowie „Investments, International Protection“, jew. in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, http://opil.ouplaw.com/home/epil (letzter Zugriff 03.02.2015). 6 Ein Anwendungsbeispiel hierfür sind die „Vattenfall-Verfahren“, bei denen die Kläger parallel Verfahren vor der deutschen Gerichtsbarkeit und einem Schiedsgereicht betreiben, siehe hierzu Markus Krajewski, Vattenfall, der deutsche Atomausstieg und das internationale Investitionsrecht, http://www.rph1.jura.uni-erlangen.de/material /texte/vattenfall-.pdf (letzter zugrtiff 02.02.2015). 7 Anderer Auffassung Axel Flessner, TTIP und das Deutsche Grundgesetz, http://www.mehr-demokratie .de/fileadmin/pdf/TTIP_und_das_deutsche_Grundgesetz__by_Axel_Flessner_.pdf (letzter Zugriff 02.02.2015).