© 2015 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 024/14 Zum Abschluss von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten durch die Mitgliedstaaten einer Zollunion Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 024/14 Seite 2 Zum Abschluss von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten durch die Mitgliedstaaten einer Zollunion Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 024/14 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2014 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 024/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zum Abschluss von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten durch die Mitgliedstaaten einer Zollunion 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 024/14 Seite 4 1. Einleitung Ein Gegenstand des EU-Russland-Gipfels Ende Januar 2014 waren die handelspolitischen Beziehungen beider Seiten zur Ukraine.1 Hintergrund ist, dass sich einerseits Russland darum bemüht, die Ukraine und andere osteuropäische Staaten für einen Beitritt zur Zollunion zwischen Russland , Weißrussland und Kasachstan zu gewinnen. Die EU führt mit diesen Staaten andererseits Verhandlungen über Assoziierungsabkommen, die u.a. Freihandelsregelungen vertiefen würden. Im Folgenden wird daher kurz dargestellt, welche Auswirkungen die Mitgliedschaft eines Staates in einer Zollunion auf seine Möglichkeiten hat, Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abzuschließen . 2. Zum Abschluss von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten durch die Mitgliedstaaten einer Zollunion Eine Freihandelszone beruht auf einer völkerrechtlichen Vereinbarung, durch die Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen ihren Mitgliedstaaten abgebaut werden. Eine Zollunion ergänzt eine Freihandelszone um eine Harmonisierung der Außenzölle gegenüber Drittstaaten.2 Der gemeinsame Außenzoll kann dann auch nur noch nach den Regeln der Zollunion geändert werden . Vor diesem Hintergrund ist es den Vertragsparteien einer Zollunion üblicherweise nicht möglich, noch eigenständige Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abzuschließen.3 Rechtlich unproblematisch kann ein Freihandelsabkommen mit Drittstaaten dann nur noch durch die Zollunion als Ganzes abgeschlossen werden.4 Sollen die auf prinzipieller Ebene konkurrierenden Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in einer Zollunion und einem Freihandelsabkommen mit Drittstaaten miteinander in Einklang gebracht werden, müsste eines der beteiligten Abkommen seinen Regelungsanspruch jedenfalls teilweise zurücknehmen. Ist ein Staat beispielsweise bereits Vertragspartei eines Freihandelsabkommens mit Drittstaaten, setzt der Beitritt zu einer Zollunion voraus, dass die Verpflichtungen aus dem Freihandelsab- 1 Vgl. nur das Statement des Präsidenten des Europäischen Rates van Rompuy vom 28.1.2014, S. 2, verfügbar unter: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_Data/docs/pressdata/en/ec/140834.pdf (11.2.2014). Eine Einschätzung der Hintergründe bei Susan Stewart, Die EU, Russland und eine zusehends weniger gemeinsame Nachbarschaft, SWP-Aktuell 6/2014, S. 2. 2 Christine Kaufmann, Customs Unions, in Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, online verfügbar unter http://www.mpepil.com, Rn. 3 f. 3 So auch mit Blick auf die Ukraine und andere osteuropäische Staaten die Erklärung von Kommissar Füle in der Debatte des EP am 11.9.2013, CRE 11/09/2013 – 15. 4 Ob dies die Zustimmung aller Mitglieder der Zollunion erfordert oder ob Mehrheitsentscheidungen möglich sind, hängt von den internen Regeln der Zollunion ab. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 024/14 Seite 5 kommen nicht verletzt werden. Dies kann etwa erreicht werden, indem mit Blick auf bestimmte Staaten auf eine vollständige Harmonisierung der Außenzölle verzichtet wird.5 Es finden sich auch vereinzelt Beispiele, in denen nur ein Vertragsstaat einer Zollunion ein Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen hat. So ist Liechtenstein anders als die Schweiz dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beigetreten. Voraussetzung hierfür war eine Änderung des Zollvertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein.6 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein Beitritt der Ukraine oder anderer osteuropäischer Staaten zu der Zollunion von Russland, Weißrussland und Kasachstan den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der EU erheblich erschweren würde. Insbesondere wäre dann eine Einigung mit Russland erforderlich, um die beiden Handelsregime kompatibel zu gestalten. 5 Dabei ist zu beachten, dass eine Zollunion nach den Regeln des GATT nur dann als solche anerkannt wird, wenn ihre Mitglieder im Handel mit nicht teilnehmenden Zollgebieten im wesentlichen dieselben Zölle und Handelsvorschriften anwenden, Art. XXIV Abs. 8 lit. a) ii) GATT. 6 Vgl. Art. 8bis Abs. 2 des Vertrages über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29.3.1923, in der Fassung vom 10.12.2010, Systematische Rechtssammlung der Schweiz, 0.631.112.514.