Deutscher Bundestag Fragen zur Schadensregulierung nach dem NATO-Truppenstatut Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 2 – 3000 – 023/12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 023/12 Seite 2 Fragen zur Schadensregulierung nach dem NATO-Truppenstatut Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 2 – 3000 – 023/12 Abschluss der Arbeit: 15. März 2012 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 023/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. NATO Truppenstatut (NTS) 4 3. Schadenshaftung und Zivilgerichtsbarkeit nach Art. VIII NTS 5 3.1. Schäden zwischen den Vertragsparteien 5 3.2. Schäden gegenüber Dritten 5 3.3. Ansprüche bei Ausübung des Dienstes 5 3.4. Ansprüche nicht in Ausübung des Dienstes 6 4. Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens: Schriftverkehr zwischen deutschen und ausländischen Behörden 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 023/12 Seite 4 1. Einleitung Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gründete sich der Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in Deutschland auf das Besatzungsrecht. Das Besatzungsregime endete am 5. Mai 1955 durch das Inkrafttreten des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952.1 Hinsichtlich der Stationierung von Streitkräften aus NATO-Staaten in Deutschland gelten für die Soldaten und die Angehörigen der zivilen Kräfte besondere Rechte und Pflichten. Diese Rechte und Pflichten richten sich nach den stationierungsrechtlichen Regelungen des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 (Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen)2, sowie des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen).3 Im Zusatzabkommen sind detaillierte Regelungen zu den wichtigsten Fragen der Stationierung in Deutschland enthalten. Nach der Herstellung der deutschen Einheit wurde es durch das Abkommen vom 18. März 19934 umfassend angepasst. Gesetz im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz sind auch zur deutschen Rechtsordnung gehörende Gesetze, die Immunitäten oder eine Einschränkung der Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit vorsehen. Soweit der deutsche Gesetzgeber entsprechende Regelungen in die Rechtsordnung aufgenommen hat, etwa durch das NATO-Truppenstatut, ist die deutsche Judikative daran wie an jedes andere Gesetz gebunden. Die Souveränität Deutschlands ist davon nicht berührt. 2. NATO Truppenstatut (NTS) Den jeweiligen Stationierungsstreitkräften werden im NATO-Truppenstatut und im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut zahlreiche grundsätzliche Privilegierungen und Immunitäten gewährt. Dies umfasst beispielsweise die Bereiche der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, der Haftung , der Sozialversicherungspflicht sowie der Zoll- und Steuerpflicht. Zusätzlich findet man im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut verschiedenste Einzelregelungen, etwa zur Liegen- 1 Bundesgesetzblatt 1955 II S. 303 2 Bundesgesetzblatt 1961 II S. 1190) 3 Bundesgesetzblatt 1961 II S. 1183, 1218 4 Bundesgesetzblatt 1994 II S. 2594, 2598 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 023/12 Seite 5 schaftsnutzung oder auch zur Beschäftigung deutscher Ortskräfte als Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften . 3. Schadenshaftung und Zivilgerichtsbarkeit nach Art. VIII NTS Die Rahmenbedingungen des Aufenthalts ausländischer Truppen in Deutschland im Rahmen der NATO-Zusammenarbeit richtet sich nach Art. VIII NTS. Ansprüche auf Schadensersatz richten sich immer gegen ein Handeln oder Unterlassen eines Mitglieds einer Truppe oder eines zivilen Beschäftigten. 3.1. Schäden zwischen den Vertragsparteien Der Schadensersatz zwischen den Vertragsparteien wird in dem Art. VIII Absätze 1 – 3 NTS geregelt . In den meisten Fällen wird auf gegenseitige Schadensersatzansprüche verzichtet. 3.2. Schäden gegenüber Dritten Entsteht ein Schaden gegenüber einem Dritten, also vor allem gegenüber Privatpersonen oder juristischen Personen, wie etwa einem Unternehmen, so wird dies vor allem von Art. VIII Absätze 5 – 6 NTS geregelt. 3.3. Ansprüche bei Ausübung des Dienstes Hierbei gilt, dass Ansprüche gegenüber einzelnen Personen einer Truppe oder den zivilen Beschäftigten zwar vor einem deutschen Gericht geltend gemacht, jedoch nicht vollstreckt werden können5, Art. VIII Abs. 9 NTS. Daher ist der Regelfall, dass gem. Art. VIII Abs. 5 NTS, der Schadensersatz über die Bundesrepublik Deutschland abgewickelt wird. Diese zahlt den Schaden nach den einschlägigen deutschen Gesetzen zum Schadensersatz bei von Truppen verursachten Schäden, wie sie auch für Mitglieder der Bundeswehr anzuwenden wären6. Erst in einem zweiten Schritt legt Deutschland 5 BGH NJW 64, 104 6 Dies gilt auch für die Bewertung des „Schadens“ – so wie etwa genehmigte militärische Luftfahrzeuge in deutschem Luftraum nach dem „Militärischen Luftfahrhandbuch der Bundesrepublik Deutschland“ lediglich „Flug- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 023/12 Seite 6 gemäß Art. VIII Abs. 5 (d) NTS dem ausländischen Staat einen Bericht mit einem Aufteilungsvorschlag vor, welcher gemäß Art. VIII Abs. 5 (e) NTS die Ansprüche gerecht verteilt. Hieraus geht hervor, dass wenn Deutschland an der Schadenshandlung nicht beteiligt ist, nie mehr als 25% des Schadensersatzes zahlen muss, und wenn Deutschland daran beteiligt ist, nie mehr als 50% tragen muss. Manchmal ist der Anteil den Deutschland tragen muss auch geringer, falls auch noch andere Nationen an der Schadensverursachung, z. B. einer militärischen Übung, beteiligt sind. Dieser Aufteilungsvorschlag der deutschen Behörde ist für den ausländischen Staat rechtlich bindend. Ausländische Behörden können den Vorschlag nur dann ablehnen, wenn sie der Ansicht sind, dass die Handlung oder das Unterlassen nicht in Ausübung des Dienstes geschieht oder beispielsweise die Benutzung eines Streitfahrzeugs unbefugt war. Hier wird dem Entsendestaat eine Entscheidungskompetenz zuerkannt, welche von Deutschland akzeptiert werden muss7. Besteht darüber zwischen den beiden Staaten jedoch eine Meinungsverschiedenheit, sieht das Nato-Truppenstatut die Möglichkeit vor, ein unabhängiges internationales Schiedsgericht zu installieren und mit der Entscheidung zu beauftragen. 3.4. Ansprüche nicht in Ausübung des Dienstes Ereignet sich der Schaden durch ein Handeln oder Unterlassen eines Mitglieds einer Truppe oder seiner zivilen Beschäftigten außerhalb der Ausübung des Dienstes, so sieht Art. VIII Abs. 6 NTS die Möglichkeit einer „ex-gratia Zahlung“ vor. Dabei zahlt der Entsendestaat den angefallenen Schaden ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unter der Voraussetzung, dass damit alle weiteren möglichen Ansprüche dieses Schadens damit erfüllt sind. Ansonsten, falls nicht gezahlt wird oder die Zahlung nicht angenommen wird, steht hierbei die Möglichkeit offen, das Mitglied der Truppe oder den zivilen Beschäftigten persönlich vor den deutschen Gerichten auf Schadensersatz zu verklagen und gegebenenfalls ein vollstreckbares Urteil zu erlangen (im Gegensatz zur Nichtvollstreckbarkeit von Urteilen die Handlungen und Unterlassungen betreffen, welche in Ausübung des Dienstes geschehen).8 4. Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens: Schriftverkehr zwischen deutschen und ausländischen Behörden Grundsätzlich ist in Deutschland die Amtssprache Deutsch. Davon kann jedoch abgesehen werden . Vor allem Behörden haben hier einen gewissen Spielraum, den sie ausnutzen können. Zuständig zur Regulierung von Schadensfällen nach dem NATO-Truppenstatut ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Sie unterfällt als Behörde dem Verwaltungsverfahrensgesetz geräusche“ und nicht „Fluglärm“ sind – vgl. hierzu auch: Kurzinformation „Militärischer Fluglärm“ – WD 2 – 3000 – 085/11 7 BGH NJW 1968, 1044 8 Kapsa in Geigel, Haftplichtprozess, 26. Auflage 2011, 34. Kapitel Truppenschäden Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 – 3000 – 023/12 Seite 7 (VwVfG).9 Nach § 23 Abs. 2 VwVfG hat sie einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, ob sie eine Übersetzung vorgelegter fremdsprachiger Dokumente verlangt. Sie ist hierzu nicht verpflichtet . Letztendlich liegt diese Erwägungsentscheidung bei der Behörde selbst. 9 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003, BGBl I S. 102