© 2021 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 022/21 Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten und die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 2 Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten und die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 022/21 Abschluss der Arbeit: 17. März 2021 (zugleich letzter Zugriff auf Internetquellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Vom Nationalen Aktionsplan zu den VN-Leitprinzipien 4 3. Rechtscharakter der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 6 4. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Lieferkettengesetz 6 5. Unternehmerische Sorgfaltspflichten 7 5.1. VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 7 5.2. Gesetzentwurf der Bundesregierung 8 6. Gegenüberstellung der Sorgfaltspflichten 9 6.1. Unmittelbare Zulieferer 9 6.2. Mittelbare Zulieferer 10 7. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 4 1. Einführung Der vorliegende Sachstand beleuchtet die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten deutscher Wirtschaftsunternehmen mit Blick auf ausländische Zulieferketten. Dabei wird der – aktuell als Kabinettsbeschluss vorliegende – Regierungsentwurf für ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten1 (im Folgenden: Gesetzentwurf) den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte2 gegenübergestellt. Mit Blick auf die Tatsache, dass sich das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ noch im Gesetzgebungsverfahren befindet und die Endfassung noch nicht bekannt ist, kann keine abschließende Prüfung seiner völkerrechtlichen Vereinbarkeit mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vorgenommen werden. Der vorliegende Sachstand beschränkt sich daher auf eine rechtliche Gegenüberstellung beider Rechtsdokumente hinsichtlich der Sorgfaltspflichten von unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern. 2. Vom Nationalen Aktionsplan zu den VN-Leitprinzipien In ihrem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte3 (kurz: NAP) hat die Bundesregierung 2016 erstmals die Erwartung an deutsche Unternehmen formuliert, dass diese einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen und Menschenrechte entlang ihrer Lieferund Wertschöpfungsketten achten müssen. Konkret werden Unternehmen dazu angehalten, je nach Größe, Branche und Position in der Lieferkette, die „Kernelemente“ menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht anzuwenden. Dazu gehören dem NAP zufolge eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte, Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potentiell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte, Maßnahmen zur Abwendung solcher Auswirkungen 1 Der vom Bundeskabinett am 3. März 2021 beschlossene Regierungsentwurf ist online abrufbar beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“, https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-sorgfaltspflichtengesetz .pdf?__blob=publicationFile&v=1; aktuelle Informationen zum Umsetzungsstand des Gesetzgebungsvorhabens sind ebenfalls beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales abrufbar, https://www.bmas.de/DE/Service /Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html. 2 United Nations Human Rights Council, Guiding Principles on Business and Human Rights“, in A/HRC/RES/17/4, verabschiedet am 16. Juni 2011 und angehängt an den abschließenden Bericht des Sonderbeauftragten A/HRC/17/31, online abrufbar unter: https://undocs.org/en/A/HRC/RES/17/4 (Originalfassung auf Englisch); die deutsche Übersetzung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von der GIZ herausgegeben: Vereinte Nationen, Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte , online abrufbar unter https://www.auswaertigesamt .de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf. 3 Bundesregierung, Nationaler Aktionsplan – Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020, im Beschluss des Bundeskabinetts vom 21. Dezember 2016, online abrufbar unter https://www.csr-in-deutschland.de/SharedDocs/Downloads/DE/NAP/nap-im-original.pdf?__blob=publication- File&v=3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 5 sowie die Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Darüber hinaus sollen Wirtschaftsunternehmen menschenrechtsbezogene Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit leisten und effektive Beschwerdemechanismen einrichten.5 Der NAP dient der Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen6 in Deutschland und leitet seine Regelungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von diesen Leitprinzipien ab. Der NAP enthält keine gesetzlichen Verpflichtungen und korrespondierende behördliche Durchsetzungsmechanismen; seine Umsetzung basiert auf der freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaftsunternehmen. Eine von der Bundesregierung veranlasste Überprüfung der Umsetzung des NAP in den Jahren 2018 bis 2020 (sog. Monitoring) ergab, dass lediglich 13 bis 17 Prozent der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen den Vorgaben des NAP entsprachen.7 Für diesen Fall einer unzureichenden Umsetzung des NAP durch Selbstverpflichtungen der Wirtschaftsunternehmen hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag von 2017 versichert, für den deutschen Rechtsraum gesetzlich initiativ zu werden. Am 3. März 2021 verabschiedete das Bundeskabinett dazu den gemeinsam vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten.9 5 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, „Ziele des NAP“, https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft -Menschenrechte/Ueber-den-NAP/Ziele-des-NAP/ziele-des-nap.html;jsessionid =792B01D6FFF35F40C3BBB88967A3BD5B. 6 Im Original: United Nations Human Rights Council, Guiding Principles on Business and Human Rights (Resolution des VN-Menschenrechtsrates A/HRC/17/4) vom 16. Juni 2011, online abrufbar unter https://www.ohchr .org/documents/publications/guidingprinciplesbusinesshr_en.pdf; die deutsche Übersetzung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von der GIZ herausgegeben: Vereinte Nationen, Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, abrufbar unter https://www.auswaertiges -amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf. 7 Vgl. Auswärtiges Amt (Hrsg.), Abschlussbericht – Monitoring des Umsetzungsstandes der im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020 beschriebenen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 8. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.auswaertigesamt .de/blob/2405080/23e76da338f1a1c06b1306c8f5f74615/201013-nap-monitoring-abschlussbericht-data.pdf. 9 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Regierungsentwurf „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“, vom Bundeskabinett am 3. März 2021 beschlossen, abrufbar unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-sorgfaltspflichtengesetz .pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 6 3. Rechtscharakter der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Die VN-Leitprinzipien sind in einem sechsjährigen Forschungs- und Konsultationsprozess unter der Leitung des VN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte, John Ruggie, erarbeitet worden.11 Sie wurden in einer Resolution vom VN-Menschenrechtsrat am 16. Juni 2011 verabschiedet.12 Die Leitprinzipien richten sich nicht nur die Staatengemeinschaft, sondern auch an Wirtschaftsunternehmen in den einzelnen VN-Mitgliedstaaten. Das VN-Dokument enthält dabei im Wesentlichen Leitprinzipien zur Regelung der Beachtung menschenrechtlicher Belange bei unternehmerischen Tätigkeiten mit Auslandsbezug. Die VN-Leitprinzipien in der Rechtsform einer Resolution des VN-Menschenrechtsrats sind dem völkerrechtlichen „soft law“ zuzuordnen. Das bedeutet, dass sie völkerrechtlich nicht bindend sind. Überdies formulieren sie lediglich politische Zielsetzungen für Unternehmen und Staaten, deren Umsetzung aber rechtlich nicht einklagbar ist. Gleichwohl können solche Resolutionen und im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung durchaus Berücksichtigung im nationalen Rechtsraum finden.14 4. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Lieferkettengesetz Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf sollen Unternehmen – im Gegensatz zur freiwilligen Selbstverpflichtung auf der Grundlage des NAP – nunmehr gesetzlich verpflichtet werden, ihrer Verantwortung in der Lieferkette besser nachzukommen. Dazu sollen international anerkannte Menschenrechte durch die o.g. „Kernelemente“ der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht implementiert werden.16 Das in der Begründung des Gesetzentwurfs explizit erklärte Ziel ist die Umsetzung und Einhaltung des NAP und damit praktisch auch die Vereinbarkeit der 11 Vgl. Auswärtiges Amt, VN-Leitprinzipien und weitere internationale Bezüge des NAP, https://www.auswaertiges -amt.de/de/aussenpolitik/themen/aussenwirtschaft/wirtschaft-und-menschenrechte/vn-leitprinzipien /205212. 12 Vgl. United Nations, A/HRC/RES/17/4; Originalfassung abrufbar unter https://undocs.org/en/A/HRC/RES/17/4; die deutsche Übersetzung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von der GIZ herausgegeben, vgl. Vereinte Nationen, Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte , abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/unleitprinzipien -de-data.pdf. 14 Insbesondere greift das Gebot völkerrechtsfreundlicher Auslegung beispielsweise bei der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen bzw. bei der Ausübung und Kontrolle von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen , vgl. Wissenschaftliche Dienste, „Zur Bedeutung und Reichweite des Völkergewohnheitsrechts und des völkerrechtlichen ‚soft law’“, WD 2 – 3000 – 172/18 S. 2, online abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/592240/0c50b52c24a4e80b6f4873163a400850/WD-2-172-18-pdf-data.pdf; vgl. auch „Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen – Umsetzungsbedarf sowie ausgewählte zivilrechtliche Implikationen“, WD 7 – 3000 – 091/15, S. 7 u. S. 30, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/407454/7297fab5fcd66617e3ec3fc176a209c8/WD-7-091-15-pdf-data.pdf. 16 Vgl. Gesetzesentwurf S. 1, abrufbar unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe /reg-sorgfaltspflichtengesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 7 deutschen Regelung mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Daraus ergibt sich – ungeachtet des fehlenden Rechtscharakters der VN-Leitprinzipien – zumindest eine Art „politische Selbstverpflichtung“ des deutschen Gesetzgebers hinsichtlich der völkerrechtskonformen Umsetzung der VN-Vorgaben durch das deutsche Recht. Derzeit befindet sich der Gesetzentwurf noch im Gesetzgebungsverfahren. Das verabschiedete Gesetz würde sich in eine aktuelle Rechtsentwicklung auf EU-Ebene einfügen, die das Ziel eines verantwortlichen und nachhaltigen globalen Wirtschaftens verfolgt.17 5. Unternehmerische Sorgfaltspflichten 5.1. VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte Die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte formulieren die unternehmerische Verantwortung für die Menschenrechte in den Leitprinzipien Nr. 11 bis 24. Demnach sollen Wirtschaftsunternehmen die Menschenrechte achten, die Beeinträchtigung der Menschenrechte Anderer verhindern und den nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen, an denen sie beteiligt sind, entgegenwirken (vgl. Leitprinzip Nr. 11). Die Leitprinzipien verweisen als Mindestmaßstab und Schutzgut auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte18 und die von der ILO formulierten Prinzipien und Rechte bei der Arbeit19 (vgl. Leitprinzip Nr. 12). In den grundlegenden Leitprinzipien Nr. 13 bis 15 stellen die Leitprinzipien zunächst klar, welches Verhalten von den Wirtschaftsunternehmen erwartet wird, dass diese Erwartungen für sämtliche Wirtschaftsunternehmen gilt und welche Grundsätze und Verfahren Wirtschaftsunternehmen einhalten sollen. Das Stichwort der unternehmerischen Sorgfaltspflicht wird im operativen Leitprinzip Nr. 17 erläutert, die Prinzipien 18-21 enthalten weitere Ausführungen zu den wesentlichen Bestandteilen der Sorgfaltspflicht. Gemäß Leitprinzip Nr. 17 sollen Wirtschaftsunternehmen u.a. tatsächliche und potenzielle menschenrechtliche Auswirkungen ermitteln, die sich daraus ergebenden Erkenntnisse berücksichtigen und 17 Die Bundesregierung zählt in diesem Zusammenhang u.a. den britischen Modern Slavery Act von 2015, das französische Loi de Vigilance von 2017 sowie das 2019 beschlossene niederländische Gesetz gegen Kinderarbeit auf. Auch die EU-Kommission plant, noch in diesem Jahr einen europäischen Legislativakt zur nachhaltigen Unternehmensführung vorzulegen, der auch verbindliche Sorgfaltspflichten in globalen Wertschöpfungsketten enthalten soll, vgl. Europäisches Parlament, Pressemitteilung „Lieferketten: Unternehmen für Schäden an Mensch und Umwelt verantwortlich“, 28. Januar 2021, online abrufbar unter https://www.europarl.europa .eu/news/de/press-room/20210122IPR96215/lieferketten-unternehmen-fur-schaden-an-mensch-und-umwelt -verantwortlich. 18 Vereinte Nationen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Resolution der Generalversammlung A/RES/217A (III) vom 10. Dezember 1948, online abrufbar unter https://www.un.org/depts/german/menschenrechte /aemr.pdf. 19 Internationale Arbeitsorganisation, Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit vom 18. Juni 1998, online abrufbar unter https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---europe/---ro-geneva/---iloberlin /documents/normativeinstrument/wcms_193727.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 8 Folgemaßnahmen ergreifen; zudem sollen sie Angaben dazu machen, wie den Auswirkungen entgegengewirkt wird. Die Sorgfaltspflicht wird dahingehend konkretisiert, dass sie sich auf die nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen erstrecken soll, die das Wirtschaftsunternehmen durch seine eigene Tätigkeit unter Umständen verursacht oder zu denen es beiträgt oder die infolge seiner Geschäftsbeziehungen mit seiner Geschäftstätigkeit, seinen Produkten oder Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind.20 Gemäß Leitprinzip Nr. 17 lit. b wird anerkannt, dass die Intensität der Sorgfaltspflicht auf dem Gebiet der Menschenrechte je nach Größe des Wirtschaftsunternehmens, des Risikos schwerer menschenrechtlicher Auswirkungen und der Art und des Kontexts seiner Geschäftstätigkeit variieren kann. Die VN-Leitprinzipien begreifen die Sorgfaltspflicht eher als eine kontinuierliche Aufgabe angesichts der Tatsache sich wandelnder Menschenrechtsrisiken durch Weiterentwicklung der Geschäftstätigkeit und des operativen Umfelds eines Unternehmens.21 Gemäß Leitprinzip Nr. 14 können Umfang und Komplexität der Maßnahmen, durch die Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen, nach Maßgabe bestimmter Faktoren (Größe, Wirtschaftssektor , operatives Umfeld, Eigentumsverhältnisse, Struktur) und der Schwere ihrer nachteiligen Auswirkungen variieren. Die Leitprinzipien gehen somit von einem abgestuften Umfang bzw. einer kontextabhängigen Intensität der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht aus. 5.2. Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Gesetzentwurf der Bundesregierung soll zunächst auf diejenigen in Deutschland ansässigen Unternehmen anwendbar sein, die in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmer*innen beschäftigen .22 Die zu befolgenden Sorgfaltspflichten sind im Abschnitt 2 in §§ 3-10 des Gesetzentwurfs geregelt und umfassen nach § 3 Abs. 1 die Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Abs. 1), die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit (§ 4 Abs. 3), die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5), die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (§ 6 Abs. 2), die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Abs. 1 und 3) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Abs. 4), das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 Abs. 1 bis 3) die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8) die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9) und die Dokumentation (§ 10 Abs. 1) und die Berichterstattung (§ 10 Abs. 2). 20 Vgl. Leitprinzip Nr. 17 lit. a: „directly linked to its operations, products or services by its business relationships ”, https://undocs.org/en/A/HRC/RES/17/4. 21 Vgl. Kommentierung des Leitprinzips Nr. 17, S. 21 https://www.auswaertigesamt .de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf. 22 Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der vorgesehene Schwellenwert von 3.000 Arbeitnehmer/innen auf 1.000 Arbeitnehmer /innen herab, vgl. § 1 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 9 Gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs sind die Sorgfaltspflichten „in angemessener Weise“ zu beachten, für deren Bestimmung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des Entwurfs eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen ist (u.a. Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, Einflussvermögen auf unmittelbare Verursacher der Verletzung geschützter Rechtspositionen, die typischerweise zu erwartende Schwere einer Verletzung, etc.). Die Sorgfaltspflichten stellen der Gesetzesbegründung zufolge lediglich Bemühens- und keine Erfolgspflichten dar. Unternehmen müssen demnach nicht garantieren, dass in ihren Lieferketten keine Menschenrechte oder umweltbezogene Pflichten verletzt werden. Jedoch müssen sie nachweisen können, dass sie die Sorgfaltspflichten umgesetzt haben, die vor dem Hintergrund ihres individuellen Kontexts „machbar und angemessen“ sind.23 Auch hier ist von einer abgestuften Sorgfaltspflicht auszugehen .24 6. Gegenüberstellung der Sorgfaltspflichten Im Folgenden soll der Gesetzentwurf der Bundesregierung hinsichtlich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern den Vorgaben der VN-Leitprinzipien gegenübergestellt werden. 6.1. Unmittelbare Zulieferer Die VN-Leitprinzipien erwarten von allen Wirtschaftsunternehmen, dass sie die Menschenrechte achten, wo immer sie ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Dass sich diese Verantwortlichkeit auch auf die Verhütung oder Minderung solcher negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte bezieht , die auf Grund ihrer Geschäftsbeziehung unmittelbar mit Dienstleistungen oder Produkten des Wirtschaftsunternehmens verbunden sind, ergibt sich wörtlich aus dem Leitprinzip Nr. 13 lit. b.25 Von einer „Geschäftsbeziehung, die unmittelbar mit den Dienstleistungen oder Produkten des Wirtschaftsunternehmens verbunden ist“, sprechen auch die Leitprinzipien Nr. 16 lit. c, Nr. 17 lit. a und Nr. 19. Darunter können unmittelbare Zulieferer gefasst werden. Folglich richten sich die oben bereits ausgeführten Sorgfaltsanforderungen auch hinsichtlich ihrer unmittelbaren Zulieferer an Wirtschaftsunternehmen. Gemäß den Leitprinzipien Nr. 14 S. 2 und Nr. 17 lit. b gilt ein abgestufter Sorgfaltsmaßstab. 23 Vgl. Gesetzesbegründung S. 22 f. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe /reg-sorgfaltspflichtengesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 24 Vgl. auch Maihold/Müller/Saulich/Schönerich, „Verantwortung in Lieferketten – Das Sorgfaltspflichtengesetz ist ein erster Schritt“, in: SWP Aktuell, Nr. 19 Februar 2021, S. 2 und S. 5, online abrufbar unter https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2021A19_Lieferkettengesetz.pdf. 25 Leitprinzip Nr. 13 lautet: „The responsibility to respect human rights requires that business enterprises [...] seek to prevent or mitigate adverse human rights impacts that are directly linked to their operations, products or services by their business relationships, even if they have not contributed to those impacts.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 10 Der Entwurf für das Lieferketten-/Sorgfaltspflichtengesetz bezieht sich demgegenüber konkreter auf unmittelbare Zulieferer. Gemäß § 2 Abs. 7 des Gesetzentwurfs ist demnach ein unmittelbarer Zulieferer im Sinne des Sorgfaltspflichtengesetzes ein Vertragspartner, dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Leistung notwendig ist.26 Das Handeln unmittelbarer Zulieferer ist über § 2 Abs. 5 Nr. 2 des Gesetzentwurfs konkreter Bestandteil der zu schützenden Lieferkette.27 Hinsichtlich ihrer unmittelbaren Zulieferer treffen Wirtschaftsunternehmen die Sorgfaltspflichten der §§ 3 ff. des Entwurfs. Hierbei ist insbesondere der Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 hinsichtlich des Erfordernisses der „angemessenen Weise eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt“ zu beachten . 6.2. Mittelbare Zulieferer Mittelbare Zulieferer sind jedenfalls nicht ausdrücklich in den VN-Leitprinzipien benannt. Gleichwohl könnten sie unter das in den Leitprinzipien Nr. 17 lit. c und Nr. 21 genannte Geschäftsumfeld („operating context“) fallen. Die Kommentierung zu den VN-Leitprinzipien geht im Zusammenhang mit Leitprinzip Nr. 17 lit. c auf den Sorgfaltsstandard bei Wirtschaftsunternehmen mit Wertschöpfungsketten ein, die zahlreiche Einheiten („entities“) umfassen. In diesen Fällen könne es unzumutbar schwierig sein, bei allen Gliedern der Kette Sorgfaltspflichten in Bezug auf nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen walten zu lassen. In einem solchen Fall sollten die Wirtschaftsunternehmen vielmehr allgemeine Bereiche ermitteln, in denen das Risiko nachteiliger menschenrechtlicher Auswirkungen z.B. wegen des operativen Umfelds bestimmter Zulieferer am bedeutendsten ist und diese im Hinblick auf die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht priorisieren.28 Entsprechend der Systematik der Leitprinzipien Nr. 14 und Nr. 17 lit. b wären auch bei mittelbaren Zulieferern je nach den spezifischen Umständen die Sorgfaltspflichten gegebenenfalls in abgestufter Hinsicht zu beachten. Zudem können mittelbare Zulieferer als Teil des Geschäftsumfelds („operating context“) die Vorgaben des Leitprinzips Nr. 21 auslösen. Diese sieht vor, dass Wirtschaftsunternehmen durch formelle Berichterstattung darüber Rechenschaft ablegen sollen, wie sie schweren Risiken menschenrechtlicher Auswirkungen in ihrem Geschäftsumfeld entgegenwirken („business enterprises 26 Als unmittelbare Zulieferer gelten über eine Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 2 auch zwischen dem Unternehmen und dem unmittelbaren Zulieferer auftretenden Dritte, wenn diese keiner nennenswerten eigenen Wirtschaftstätigkeit nachgehen oder keine auf Dauer angelegte Präsenz in Gestalt von Geschäftsräumen, Personal oder Ausrüstungsgegenständen unterhalten. 27 Diese umfasst alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sowie sämtliche Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind. Sie erfasst das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich, das Handeln unmittelbarer Zulieferer und das Handeln mittelbarer Zulieferer. 28 Vgl. Kommentierung des Leitprinzips Nr. 17, S. 21 https://www.auswaertigesamt .de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 11 whose operations or operating contexts pose risks of severe human rights impacts should report formally on how to address them“). Konkreter geregelt ist die Rolle der mittelbaren Zulieferer dagegen im Gesetzentwurf der Bundesregierung . Mittelbare Zulieferer sind gem. § 2 Abs. 5 Bestandteile der Lieferkette, auf die sich die Sorgfaltspflichten eines Wirtschaftsunternehmens erstrecken. Ein mittelbarer Zulieferer im Sinne von § 2 Abs. 8 des Gesetzentwurfs ist jedes Unternehmen, das kein unmittelbarer Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind.29 Gem. § 9 Abs. 1 des Gesetzentwurfs soll das Beschwerdeverfahren auch bei der Verletzung geschützter Rechtspositionen durch einen mittelbaren Zulieferer eröffnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Wirtschaftsunternehmen gemäß § 9 Abs. 3 „substantiierte Kenntnis“ über eine mögliche Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern erlangt. Ist das der Fall, so hat es „anlassbezogen“ unverzüglich einen Maßnahmenkatalog30 zu befolgen. Von einer „substantiierten Kenntnis“ im Sinne des Gesetzentwurfs ist der Gesetzesbegründung zufolge dann auszugehen, wenn dem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine menschenrechtliche oder umweltbezogene Verletzung bei einem mittelbaren Zulieferer möglich erscheinen lassen.31 In diesen Fällen hat das Wirtschaftsunternehmen die o.g. Maßnahmen gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 einzuleiten. Tatsächliche Anhaltspunkte können z.B. Berichte über die schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion, die Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken sowie frühere Vorfälle beim mittelbaren Zulieferer sein. Die Maßnahmen sind unverzüglich und anlassbezogen, das heißt bezogen auf die konkrete mögliche Verletzung, durchzuführen .32 29 In Fällen, in denen eine missbräuchliche Gestaltung der unmittelbaren Zuliefererbeziehung oder ein Umgehungsgeschäft vorgenommen wurde, um die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten in Hinblick auf den unmittelbaren Zulieferer zu umgehen, gilt auch ein mittelbarer Zulieferer als unmittelbarer Zulieferer, vgl. § 5 Abs. 1 S. 2. 30 Das Unternehmen hat gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 1-4 eine Risikoanalyse gem. § 5 Abs. 1 bis 3 durchzuführen, angemessene Präventionsmaßnahmen im Sinne des § 6 gegenüber dem Verursacher zu verankern, ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung der Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder umweltbezogenen Pflicht zu erstellen und umzusetzen und gegebenenfalls entsprechend seine Grundsatzerklärung gemäß § 6 Abs. 2 zu aktualisieren (vgl. § 9 Abs. 3 Nr. 1-4). Darüber hinaus wird das BMAS ermächtigt, Näheres im Einvernehmen mit dem BMWi und ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu regeln. 31 Etwa über das Beschwerdeverfahren, über eigene Erkenntnisse, über die zuständige Behörde oder aber durch andere Informationsquellen vgl. Gesetzesbegründung (Regierungsentwurf) S. 34, https://www.bmas.de/Shared- Docs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-sorgfaltspflichtengesetz.pdf?__blob=publication- File&v=1. 32 Vgl. Gesetzesbegründung S. 34, https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe /reg-sorgfaltspflichtengesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 12 7. Fazit Die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte enthalten allgemeine politische Zielsetzungen und Leitprinzipien, die sich sowohl an die Staaten als auch an Wirtschaftsunternehmen richten. Unter anderem geregelt sind menschenrechtliche Sorgfaltsverpflichtungen von Staaten und von Unternehmen mit Blick auf ausländische Zulieferer in ihren Lieferketten. Im Vergleich zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Sorgfaltspflichten in Lieferketten sind die VN-Leitprinzipien deutlich abstrakter und allgemeiner formuliert. Im Gegensatz zu dem noch zu verabschiedenden Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten bleiben die VN-Leitprinzipien als völkerrechtliches „soft law“ rechtlich unverbindlich. Gleichwohl erhebt der Gesetzentwurf den selbstgesteckten (politischen) Anspruch, dass die deutsche Regelung den Vorgaben der VN-Leitprinzipien entsprechen bzw. mit den VN-Vorgaben vereinbar sein soll. Somit muss sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung politisch aber auch rechtlich daran messen lassen und darf hinsichtlich der gesetzlich verankerten Sorgfaltspflichten von Unternehmen bezüglich ihrer Lieferketten nicht hinter entsprechenden Standards in den VN-Leitprinzipien zurückbleiben. Dem nationalen Gesetzgeber kommt bei der Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben indes ein weiter gesetzgeberischer Handlungs- und Gestaltungsspielraum zu; dies gilt umso mehr bei der Umsetzung von völkerrechtlichem „soft law“. Sowohl in den VN-Leitprinzipien als auch im Gesetzentwurf sind unternehmerische Sorgfaltspflichten geregelt, die in ihrer Reichweite und Intensität jedoch abgestuft werden können. Der Maßstab für die zu ergreifenden Maßnahmen ist dabei jeweils kontextabhängig mit Blick auf die entsprechende Lieferkette bzw. die beteiligten Akteure und Zulieferer zu bestimmen. Die VN-Leitprinzipien und der Gesetzentwurf nehmen dabei im Grundsatz eine Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Zulieferern vor. In den VN-Leitprinzipien wird diese Unterscheidung insinuiert bzw. „angedeutet“; im Gesetzesentwurf der Bundesregierung erscheint sie dagegen gesetzessystematisch deutlicher und konsequenter ausbuchstabiert. Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten, die Wirtschaftsunternehmen mit Blick auf ihre unmittelbaren Zulieferer treffen, sind keine durchgreifenden Unterschiede zwischen den Regelungen in den VN-Leitprinzipien und dem Gesetzentwurf der Bundesregierung festzustellen. Die Anforderungen an die Intensität der zu ergreifenden Maßnahmen sinken dabei je nach Länge und Komplexität der Lieferkette bzw. nach den (schwindenden) Einflussmöglichkeiten des Unternehmens als Endabnehmer. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 022/21 Seite 13 Bezüglich der mittelbaren Zulieferer eines Wirtschaftsunternehmens verpflichtet der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Unternehmen zu einem anlassbezogenen, d.h. auf eine konkrete mögliche Menschenrechtsverletzung bezogenen Tätigwerden. Dies erscheint auf den ersten Blick qualitativ weniger als eine allgemeine, „verdachtsunabhängige“ und konstante Beobachtungspflicht sämtlicher mittelbarer Zulieferer der gesamten Lieferkette. Die VN-Leitprinzipien verstehen die unternehmerischen Sorgfaltspflichten dagegen eher als eine kontinuierliche („ongoing“) Aufgabe. Bei Lichte betrachtet lassen sich aber auch in § 3 des Gesetzentwurfs für das Lieferketten-/Sorgfaltspflichtengesetz mit Blick auf die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Wirtschaftsunternehmen durchaus Elemente einer solchen Aufgabenstellung erkennen, sofern man dabei etwa auf das gesetzlich geforderte Risikomanagement und die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen abhebt. ***