WD 2 - 3000 - 022/19 (15. Februar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Zur Diskussion steht eine mögliche Ergänzung des § 55 AWV (Außenwirtschaftsverordnung). Nach Überlegungen des Auftraggebers dieser Kurzinformation sollte die AWV um eine (zusätzliche ) Prüfungskompetenz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ergänzt werden – und zwar mit Blick auf deutsche Unternehmen, die Firmenanteile/Aktien (Stimmrechtsanteile ) von ausländischen Unternehmen (i.S.d. § 56 AWV) erwerben, welche Kriegswaffen oder andere Rüstungsgüter im Ausland herstellen bzw. entwickeln. Gefragt wurde nach der Vereinbarkeit einer solchen Regelung de lege ferenda mit dem Völkerrecht . Da eine Ergänzung der AWV bislang noch nicht verabschiedet wurde, kann die Prüfung ihrer Völkerrechtskonformität sinnvollerweise auch nur kursorisch erfolgen. Im Folgenden sollen zunächst völkerrechtliche Bereiche identifiziert werden, die mit der ins Auge gefassten Regelung in Zusammenhang stehen. Die zur Diskussion stehende Ergänzung der AWV will den Erwerb von ausländischen Firmenbzw . Stimmanteilen durch inländische Unternehmen unter staatliche Kontrolle / Aufsicht / Prüfungsvorbehalt stellen. Davon berührt werden könnte zunächst das Eigentumsrecht, das völkerrechtlich u.a. in Art. 1 des I. Zusatzprotokolls zur EMRK verankert ist. Die Norm lautet: „Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums (…). Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse (…) für erforderlich hält.“ Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Ergänzung der Außenwirtschaftsverordnung im Bereich der Rüstungskontrolle aus Sicht des Völkerrechts Kurzinformation Ergänzung der Außenwirtschaftsverordnung im Bereich der Rüstungskontrolle aus Sicht des Völkerrechts Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Das Eigentumsrecht aus der EMRK umfasst u.a. auch Unternehmensbeteiligungen (Aktien) an ausländischen Firmen;1 in den persönlichen Schutzbereich fallen natürliche und juristische Personen.2 Die zur Diskussion stehende Ergänzung der AWV ließe sich dann als Nutzungsregelung i.S.v. Art. 1 ZP I Abs. 2 ansehen, die aus Gründen des Allgemeininteresses“ zulässig wäre. Solche Nutzungsregelungen stellen hoheitliche Maßnahmen dar, die einen bestimmten Gebrauch des Eigentums gebieten oder untersagen.3 Beschränkungen und Handlungspflichten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und der auswärtigen Interessen, wie sie § 4 Außenwirtschaftsgesetz enumerativ auflistet, lassen sich als Gründe des Allgemeininteresses auffassen. Das Eigentumsrecht wäre durch eine Regulierung von Auslandsinvestitionen (ministerieller Prüfungsvorbehalt) zwar tangiert aber wohl nicht verletzt. Zu prüfen bleibt weiter das internationale Handelsrecht (WTO-Recht). So ist das WTO- Übereinkommen über handelsrelevante Investitionsmaßnahmen von 1994 (TRIMs- Übereinkommen, Agreement on Trade Related Investment Measures)4 anwendbar, sofern eine nationale Regelung über Investitionen (z.B. Genehmigungsvorbehalte) einen Handelsbezug aufweist . Allerdings sieht das Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) eine grundsätzliche Bereichsausnahme für die „nationale Sicherheit“ vor – diese umfasst auch die anderen Säulen der WTO (GATTS, TRIPS und TRIMs-Abkommen). Art. XXI b ii.) des GATT bestimmt: „Keine Bestimmung des vorliegenden Abkommens soll dahin ausgelegt werden, (…) dass ein Vertragspartner daran gehindert wird, die Maßnahmen zu treffen, die er zum Schutz seiner Sicherheit (…) beim Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial und bei jedem Handel mit anderen Waren, die unmittelbar oder mittelbar zur Versorgung der bewaffneten Streitkräfte bestimmt sind, für erforderlich hält.“5 Damit sind nationale Regelungen im Bereich Rüstungsexporte / Rüstungsexportkontrolle grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des GATT ausgenommen. Auch die Einführung ministerieller Prüfungskompetenzen zwecks Beschränkung der Beteiligung innerstaatlicher Unternehmen an einer Rüstungsproduktion im Ausland stünde das WTO-Recht nicht entgegen. 1 Kaiser, in: Karpenstein/Mayer (Hrsg.), EMRK Kommentar, München: Beck, 2. Aufl. 2015, Art. 1 ZP 1 Rdnr. 21; EGMR, Urt. v. 6.11.2002 – Beschw. Nr. 48553/99, Rdnr. 91. 2 Ebda., Rdnr. 24. 3 Ebda., Rdnr. 31 m.w.N. 4 https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/18-trims.pdf, dt. Übersetzung verfügbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10007655 Vgl. dazu allg. die WTO-Homepage unter https://www.wto.org/english/tratop_e/invest_e/trims_e.htm sowie Krajewski, Markus, Wirtschaftsvölkerrecht, Heidelberg: Müller 3. Aufl. 2012, § 3 Rdnr. 560. 5 Engl. Text: https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/gatt47.pdf; zum GATT allgemein: https://www.bmz.de/de/themen/welthandel/welthandelssystem/gatt/index.html. Kurzinformation Ergänzung der Außenwirtschaftsverordnung im Bereich der Rüstungskontrolle aus Sicht des Völkerrechts Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Dieser Befund wird aus rechtsvergleichender Sicht bestätigt. So hat sich die Diskussion um ein Verbot / Kontrolle von staatlichen Investitionen zugunsten von ausländischen Herstellern von Rüstungsgütern mit Blick auf bestimmte Bereiche wie z.B. die Streumunition entzündet.6 Nach einem Bericht der NGO Handicap International werde das von über 100 Staaten ratifizierte Osloer Übereinkommen über Streumunition vom 3. Dezember 2008 (Streubomben-Konvention)7 von einigen Staaten8 dahingehend interpretiert, dass Investitionen in die Hersteller von Streumunition bereits als völkerrechtlich verboten seien.9 In dem NGO-Bericht heißt es: „Abschnitt 1 (c) der Streubomben-Konvention besagt, dass die Vertragsstaaten „niemanden bei einer den Vertragsstaaten verbotenen Aktivität unterstützen, dazu ermutigen oder veranlassen“ dürfen. Das Investieren in ein Unternehmen, das Streumunition herstellt oder damit handelt, wird von uns betrachtet als Unterstützung, Ermutigung oder Veranlassung einer Aktivität, die Vertragsstaaten verboten ist. Einige Staaten haben erklärt, dass sie Investitionen als bereits durch die Konvention verboten betrachten, darunter unter anderem Frankreich, Großbritannien und Norwegen. Andere Staaten wie Belgien, Luxemburg und die Schweiz, haben diese Investitionen durch ein Gesetz verboten.“10 Auch hier steht das Völkerrecht weitaus strengeren staatlichen Regelungen als die des deutschen Außenwirtschaftsrechts nicht entgegen. *** 6 Pax-Bericht. Kritik an Investitionen in Hersteller verbotener Streubomben, 23. Mai 2017, online unter: https://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13803:pax-bericht-allianz-investiertweiterhin -in-hersteller-verbotener-streubomben&catid=50&Itemid=84. 7 Convention on Cluster Munitions, englischer Originaltext unter: http://www.clusterconvention.org/files/2011/01/Convention-ENG.pdf (dazu die Homepage http://www.clusterconvention.org/), deutsche Übersetzung im BGBl. 2009 II, S. 502 (504 ff.). 8 Der NGO-Bericht zählt dazu: Australien, Bosnien und Herzegowina, Costa Rica, Frankreich, Ghana, Großbritannien , Guatemala, Holy See, Kamerun, Kanada, Kolumbien, Republik Kongo, Demokratische Republik Kongo, Kroatien, Laos, Libanon, Madagaskar, Malawi, Malta, Mexiko, Niger, Norwegen, Ruanda, Sambia, Senegal, Slowenien , Tschechische Republik, Ungarn. 9 Handicap International. Faktenblatt Streumunition (Stand: August 2017), online unter: https://handicapinternational .de/sites/de/files/faktenblatt-streubomben_082017.pdf. 10 Länder, die Investitionen in die Hersteller von Streubomben per Gesetz verbieten (laut Bericht von Handicap International): Belgien, Irland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Samoa, Schweiz, Spanien.