Deutscher Bundestag Zur Begründung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2016 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 021/14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 2 Zur Begründung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 021/14 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2014 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Optionen für die Begründung von Auslandseinsätzen 5 2.1. Verantwortung 6 2.2. Pflichten 7 2.3. Interessen 8 2.3.1. Politische Interessen 8 2.3.2. Wirtschaftliche Interessen 10 3. Legitimationsschwerpunkte bei Partnern 10 3.1.1. USA 11 3.1.2. Großbritannien 12 3.1.3. Frankreich 13 3.1.4. Polen 15 4. Die Begründung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr – Entwicklungen in Deutschland 15 5. Schlussfolgerungen 17 Literaturverzeichnis 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 4 1. Einführung Am 31. Januar 2014 erklärte die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, bei der 50. Münchner Sicherheitskonferenz: „Wenn wir über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren, […] unseren [militärischen ] Beitrag zu einer schrittweisen Lösung der aktuellen Krisen und Konflikte zu erbringen . Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht.“ 1 Diese Äußerung der Bundesministerin der Verteidigung wird in der öffentlichen Diskussion als Beleg für eine künftige deutsche Außen- und Sicherheitspolitik gewertet, die sich von der der jüngsten Vergangenheit unterscheidet. Noch 2013 wurde von den „zaghaften Deutschen“ 2 gesprochen und der damalige deutsche Außenminister, Guido Westerwelle, aufgrund seiner „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ von Kritikern als „Anti-Interventionist“ 3 bezeichnet . Die auch im Ausland häufig als zu zurückhaltend kritisierte Haltung Deutschlands drückte sich auch in anderen Schlagzeilen der jüngeren Vergangenheit wie „Am liebsten Schweiz“ 4 oder „Wir tun doch nix“ 5 aus. Die Ursachen für das „freundliche Desinteresse“ 6 der deutschen Öffentlichkeit an sicherheitspolitischen Themen, wie es der ehemalige Bundespräsident, Horst Köhler, ausdrückte, werden unter anderem in den Erfahrungen aus zwei Weltkriegen gesehen, die letztendlich zu einer „,Demilitarisierung der Gesellschaft‘ geführt und aus den Deutschen eine ,kriegsfreie Gesellschaft‘, eine ,post-militärische Gesellschaft‘ bzw. eine ,post-heroische Gesellschaft‘ gemacht haben“ 7. In seiner Abhandlung „Militärische Aufträge und die Legitimation der Streitkräfte “ nennt Gerhard Kümmel „darüber hinaus als weitere Ursachen für die gesellschaftliche Demilitarisierung Deutschlands sozialstrukturelle und kulturelle Wandlungsprozesse wie die Erhöhung des Lebensstandards, wachsende Mobilität, steigendes durchschnittliches Bildungsniveau , eine stärkere Orientierung an weltgesellschaftlichen und kosmopolitischen Bezugspunkten sowie die um sich greifende Individualisierung. Damit, so Kümmel, würden ge- 1 aus: Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, vom 31. Januar 2014 anlässlich der 50. Münchner Sicherheitskonferenz, https://www.securityconference.de/fileadmin/MSC_/2014/Reden/2014-01- 31_Rede_BMin_von_der_Leyen_MSC_2014.pdf (letzter Zugriff: 05.02.14). 2 Hoffmann, Christiane; Neukirch, Ralf; Repinski, Gordon; Rohr, Mathieu von (2013): Die zaghaften Deutschen. Der Spiegel vom 25. März 2013, S. 20-23, http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=91675468&aref=image053/ 2013/03/23/CO-SP-2013-013-0020-0026.PDF&thumb=false (letzter Zugriff: 05.02.2014). 3 Nass, Matthias (2013): Der Anti-Interventionist. Die Zeit vom 31. Januar 2013, S. 9. 4 Bierling, Stephan (2012): Am liebsten Schweiz. Süddeutsche Zeitung vom 25. Juni 2012, S. 2. 5 Bittner, Jochen; Geis, Matthias; Lau, Jörg; Ulrich, Bernd; Wurmb-Seibel, Ronja von (2013): Deutschlands Rolle in der Welt – Wir tun doch nix … . Die Zeit vom 21. März 2013, S. 2. 6 Teevs, Christian: (2008): Köhler fordert mehr Aufklärung über Auslandseinsätze. Spiegel Online vom 27.November 2008, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-koehler-fordert-mehr-aufklaerungueber -auslandseinsaetze-a-593131.html (letzter Zugriff: 05.02.2014). 7 Kümmel, Gerhard (2006): Militärische Aufträge und die Legitimation der Streitkräfte. In: Gareis, Seven Bernhard; Klein, Paul (Hrsg.): Handbuch Militär und Sozialwissenschaft, 2., aktualisierte und erweiterte Auflage Mai 2006, Wiesbaden, ISBN-13 978-3-531-34446-1, S. 109. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 5 meinschaftsorientierte Lebensstile und dem Individuum mit hoher Verbindlichkeit vorgegebene Sinn- und Wertvorstellungen gegenüber Motiven der Selbstverwirklichung zurücktreten und die Kluft zwischen militärischen und gesellschaftlichen Werten zunehmen. Angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklungen bedeutet das von der Bundesministerin der Verteidigung angekündigte stärkere weltweite militärische Krisenengagement der Bundeswehr eine große Herausforderung mit Blick auf die Legitimation 8 dieser Einsätze gegenüber der Bevölkerung. Es stellt sich für die Politik die Frage, wie sie in einem prosperierenden Deutschland einen solchen gesellschaftlichen Rückhalt für die Bundeswehr und ihre Aufträge und Operationen gewinnen kann, der zur Vermeidung negativer Konsequenzen für die Bundeswehr (Motivation, Rekrutierung) selbst erforderlich ist: Die Aufgabe dürfte darin bestehen, den Bürgerinnen und Bürgern in einer Zeit, in der in Europa Frieden und Stabilität herrscht, verständlich zu machen, warum die Soldatinnen und Soldaten in einen friedenserhaltenden oder sogar friedensschaffenden Einsatz entsandt werden, der von ihnen als Steuerzahler finanziert wird und der das Leben ihrer in den Einsatz entsandten Mitbürger kosten kann. Es ist die Frage, ob für die öffentliche Diskussion künftig die Legitimation eines militärischen Einsatzes durch ein VN-Mandat und die parlamentarische Zustimmung im Rahmen der Parlamentsbeteiligung alleine ausreichen wird. Um Verständnis und Rückhalt in der Gesellschaft für eine Intensivierung militärischer Aktivitäten im Rahmen des weltweiten Krisenmanagements zu erzeugen, bedarf es somit in Deutschland einer Legitimationsstrategie, die auf methodische und inhaltliche Ansätze aufbaut , die in der öffentlichen Meinung eine Umkehr in der Frage der Ausweitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr bewirken könnten. Gegenwärtig lehnt die Hälfte der Deutschen ein stärkeres militärisches Engagement der Bundeswehr im Ausland ab; 58 Prozent der Bürgerinnen und Bürger meinen sogar, Deutschland „solle Konflikte lieber mit Diplomatie und Geld lösen als mit Waffen“ 9. 2. Optionen für die Begründung von Auslandseinsätzen Eine in Großbritannien, Kanada, Dänemark und den Niederlanden durchgeführte sozialwissenschaftliche Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass eine überzeugende Kommunikation zu einem bevorstehenden militärischen Auslandseinsatz eine wesentliche Grundlage dafür darstelle, dass die Öffentlichkeit ein Streitkräfteengagement befürworte: „Strong narratives about the why-what-and-how of overseas military missions increase the likelihood of popular support, while weak story lines are likely to result in a souring public opinion environment .“ 10 8 Legitimation bezeichnet in der Politikwissenschaft die Rechtfertigung eines Staates für sein Handeln. 9 YouGov (2014): Umfrage: Deutsche wollen kein größeres militärische Engagement, http://yougov.de/news/2014/01/ 31/umfrage-deutsche-wollen-kein-grosseres-militarisch/ (letzter Zugriff: 05.02.2014). 10 Ringsmose, Jens; Børgesen, Berit Kaja (2011): Shaping public attitudes towards the deployment of military power : NATO, Afghanistan and the use of strategic narratives. European Security, 20: 4, Dezember 2001, S. 505. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 6 Gemäß dieser Untersuchung spielen bei dieser strategischen Kommunikation die politischen Entscheidungsträger eine ganz entscheidende Rolle. Die politische Führung muss sich somit die Frage stellen, wie sie den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln kann, warum in einer Krisenregion der Einsatz militärischer Gewalt erforderlich ist und hierzu eigene Streitkräfte verlegt werden sollen. Zumeist gibt es mehrere gute Gründe für eine Entscheidung zu einem Militäreinsatz im Ausland . Als mögliche Begründungen für den Auslandseinsatz von Streitkräften nennt James D. Meernik „to protect/advance security, to promote economic interests, occasionally to advance liberal ambitions, and seldom to advance their own domestic political interests“. 11 Diese und weitere Argumente sind von den politisch Verantwortlichen in Abhängigkeit von historischen Erfahrungen des Landes und aktuellen Perzeptionen der Öffentlichkeit so zu gewichten und zu kommunizieren, dass in der Bevölkerung ein breites Verständnis für die Notwendigkeit des Militäreinsatzes erzeugt wird. Gerade weil geschichtliche Erfahrungen und die öffentliche Meinung zu politischen Fragestellungen in jedem Land unterschiedlich sind, bedarf es hier jeweils einer eigenen nationalen Legitimations- und Kommunikationsstrategie. 2.1. Verantwortung Vielfach wird die Notwendigkeit des Einsatzes eigener Streitkräfte mit der Übernahme von Verantwortung für die Menschen in den Krisengebieten begründet, um dort systematisch geplanten Menschrechtsverletzungen vorzubeugen, die in Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu münden drohen. „Angesichts der sich zur Rechtsnorm entwickelnden ,Responsibility to Protect‘ (R2P) [...] widerspräche ein Nichthandeln bei systematischen Menschheitsverbrechen dem Selbst- und Rechtsverständnis westlicher Demokratien.“ 12 Trotz dieser ethischen Verantwortung, gefährdete Menschen vor Gewalt oder Tod zu schützen , werden Soldatinnen und Soldaten auch künftig nicht in alle Krisenregionen dieser Welt entsandt werden. Dies hängt u.a. mit den eingeschränkten militärischen und finanziellen Mitteln der Streitkräfte entsendenden Staaten zusammen, d.h., es bedarf hier seitens der politischen Führung potentieller Truppensteller einer Priorisierung, die im Rahmen des Legitimationsprozesses der Gesellschaft kontinuierlich zu erläutern ist. 11 Meernik, James David (2004): The Political Use of Military Force in US Foreign Policy. Ashgate Publishing, Ltd., 2004, ISBN 9-780-7546-4288-6, S. 231. 12 Freuding, Christian (2011): Wie Goliath gewinnen kann – Westliche Demokratien und ihr Einsatz in Kleinen Kriegen. IP November/Dezember 2011. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., S. 19, https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&ved=0CCwQFjAA&url=https%3 A%2F%2Fzeitschriftip .dgap.org%2Fde%2Farticle%2FgetFullPDF%2F19433&ei=bjzzUvvADoraswb_hYCQCA&usg= AFQjCNFPxr-1SmaaQSroZMWEHsOeJLIdiw&bvm=bv.60799247,d.Yms (letzter Zugriff: 05.02.2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 7 Ein Priorisierungskriterium stellt im Zusammenhang mit der Verantwortung für die eigenen Soldatinnen und Soldaten die Gefährlichkeit des Einsatzes dar. Je risikoreicher ein Einsatz ist, desto schwieriger ist er aufgrund der „vermeintlichen ,casualty shyness‘ hochmoderner demokratischer Gesellschaften“ 13 zu begründen. Die Bereitschaft westlicher Gesellschaften, bei Auslandseinsätzen gefallene und verwundete Soldaten aus den Reihen der eigenen Streitkräfte zu akzeptieren, nimmt allerdings zu, „wenn sie von der Richtigkeit des Einsatzes und seiner Erfolgsaussicht überzeugt sind“ 14. Diese Bereitschaft, bei ihren Streitkräften Opfer hinzunehmen, steigt in einer Bevölkerung insbesondere auch dann, wenn ihr bewusst wird, dass in der Krisenregion lebende Landsleute gefährdet sind oder von der entfernten Krise für das eigene Land und damit für den eigenen Wohlstand eine signifikante und konkrete Bedrohung ausgeht, was bei künftigen Krisenentwicklungen angesichts gegenwärtiger politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Trends zunehmend wahrscheinlicher wird: „Krisen und Konflikte lassen sich in Anbetracht der fortschreitenden globalen Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Kultur nicht länger isolieren, der technologische Fortschritt hat die Bedeutung von geografischen Entfernungen und territorialen Grenzen marginalisiert. Entwicklungen in fernen Ländern können die Sicherheit und Interessen Deutschlands und seiner Bündnispartner sehr wohl berühren, und schon scheinbar marginale Störungen der internationalen Ordnung durch regionale Konflikte oder terroristische Aktionen können sich insbesondere in langfristiger Perspektive unmittelbar auf [..] nationale Sicherheitsinteressen auswirken “ 15. Hier bietet also die politische Verantwortung für die eigene Bevölkerung, deren Sicherheit, (individuellen) Wohlstand und deren gesellschaftliche Werte zu verteidigen Aufgabe der politischen Führung ist, eine weitere Möglichkeit der Begründung eines Militäreinsatzes. 2.2. Pflichten Ein Aspekt, der der Legitimation eines Einsatzes bewaffneter Streitkräfte im Ausland häufig hinzugefügt werden kann, sind Pflichten, die sich aus einer Mitgliedschaft in einem Bündnis oder aus gegebenen Schutz-, Beistands- oder Garantien der territorialen Integrität ergeben. Wenn sich eine Regierung dazu entschließt, im Rahmen der politischen Begründung des Einsatzes auf die Bündnispflichten abzuheben, dürfte die Herausforderung darin liegen, im Werben um Zustimmung zu einem Militäreinsatz der eigenen Gesellschaft zu vermitteln, dass das Land als Bündnismitglied in eine Isolation mit entsprechenden politischen oder sogar wirtschaftlichen Folgen geraten könnte, wenn ein nationaler militärischer Beitrag, der von den anderen Verbündeten im Rahmen der Bündnissolidarität und der gemeinsamen Lastenteilung 13 Kümmel (2006), a.a.O., S. 109. 14 Freuding (2011), a.a.O., S. 20. 15 Ebenda, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 8 erwartet wird, nicht geleistet wird: „In einer Welt, in der wir zum Erhalt der internationalen Ordnung nur im Zusammenwirken mit unseren Partnern beitragen können, müssen wir uns auch dann aus bündnispolitischen Erwägungen zum Engagement entschließen, wenn nationale Interessen nicht unmittelbar berührt zu sein scheinen.“ 16 Während im Bündnis die Verweigerung eines Staates, nicht an gemeinsamen militärischen Aktionen teilnehmen zu wollen, zur Isolation führen könnte, besteht bei einer nicht erfüllten Beistands- oder Schutzgarantie die Gefahr, dass die Schutzmacht in der internationalen Gemeinschaft oder die betreffende Regierung sogar in der eigenen Bevölkerung an Glaubwürdigkeit verlieret. Dort droht insbesondere dann ein Verlust an Glaubwürdigkeit, wenn Bürgerinnen und Bürger aus dem Land des Empfängers einer Beistands- oder Schutzgarantie im Land des Sicherheitsgaranten eine große Entität bilden. Im Rahmen der Legitimation einer Militäroperation kann also die Regierung eines Landes, das sich zu Garantien verpflichtet hat, auf den drohenden Ansehens- und Glaubwürdigkeitsverlust abheben und damit die Notwendigkeit eines bevorstehenden Einsatzes verdeutlichen. 2.3. Interessen 2.3.1. Politische Interessen Politische Entscheidungen einschließlich der Mandatierung von Operationen bewaffneter militärischer Kräfte im Ausland werden im Wesentlichen von politischen Interessen geleitet. Diese bieten ein breites Erklärungsmuster für die Entscheidungen einer Regierung und damit für die Legitimation von Militäreinsätzen. Ein politisches Interesse, mit dem viele Staatsführungen die Notwendigkeit militärischer Auslandseinsätze sehr häufig rechtfertigen, ist die Förderung bzw. Wiederherstellung politischer Stabilität in einer bestimmten Region der Welt. Politische Stabilität stellt hierbei nicht nur eine Bedingung für die Aufrechterhaltung oder den Ausbau uneingeschränkter wirtschaftlicher Beziehungen dar, sondern ist auch Voraussetzung dafür, dass Krisen gar nicht erst entstehen , sich nicht zu einem „Flächenbrand“ entwickeln oder gar „bis vor die eigene Haustür“ ausbreiten können. Genau dieses Argument griff der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck auf, als er im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sagte „Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt.“ 17 Darüber hinaus bietet es sich auch an, im Rahmen einer Begründung zu kommunizieren, dass eine Regierung mit der mit militärischen Mitteln unterstützten Förderung politischer Stabilität zum Schutz gefährdeter Menschen und ihrer Rechte beiträgt und damit ihre ethische Verantwortung wahrnimmt. 16 Ebenda. 17 Zitat aus der Regierungserklärung des ehemaligen Bundesministers der Verteidigung, Peter Struck, vom 11. März 2004. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 9 Zur Entscheidung, welche Gebiete oder Staaten bei politischen Maßnahmen und Militäreinsätzen im besonderen Fokus einer Regierung stehen, tragen häufig eine historische Verantwortung für gewisse Staaten oder das Interesse an Sicherung politischen Einflusses in einer bestimmten Region bei: So wie Deutschland hier aus seiner historischen Schuld heraus eine besondere Verantwortung für die Stabilität im Nahen Osten verspürt, fühlen sich aus ihrem Selbstverständnis heraus Großbritannien insbesondere dem Commonwealth und Frankreich in besonderem Maße großen Teilen Afrikas (postkoloniale Verantwortung 18) verpflichtet, während die USA gegenwärtig ihre Einflusssphäre im asiatisch-pazifischen Raum als Gegenpol zu chinesischen Interessen zu sichern und damit zur „Gestaltung dieser Region und ihrer Zukunft“ 19 beizutragen beabsichtigt. Ein weiterer Aspekt, der in die Legitimation von militärischen Auslandseinsätzen hineinfließen kann, ist das politische Interesse an Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeit im multinationalen Rahmen, die ein Land unter anderem durch die Bereitstellung von militärischen Fähigkeiten für Kriseneinsätze erzielen kann. Hierdurch lässt sich das eigene politische Gewicht in der internationalen Gemeinschaft deutlich steigern, wie der Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold festgestellt hat: „Es geht auch um politisches Gewicht, das unser Land durch die Einsätze gewinnt. […] Ich halte es für richtig, dass wir uns auch offen zu diesen politischen Interessen bekennen. Unser Land ist ein Schwergewicht in Europa und muss den Anspruch haben, bei internationalen Abstimmungsprozessen mit am Tisch zu sitzen, Entscheidungen mitzugestalten und damit auch die internationalen Organisationen zu stärken.“ 20 Mit einem Bundeswehreinsatz im Ausland ist bei den politischen und gesellschaftlichen Eliten der truppenstellenden Länder häufig auch die Hoffnung verbunden, eigene Werte verteidigen oder sogar eigene Wertvorstellungen verbreiten zu können: Staats- und Regierungschefs „have found that military force can be an effective tool to promote liberal idealism and restore stability. Democracy, or at least governments legitimated in the eyes of its people, has come to be seen as a right of all people.” 21 Gerade dieses Argument bietet sich zur Unterstützung einer Legitimation besonders an, wenn es gelingt, der Gesellschaft zu vermitteln, man wolle eigene Werte und Normen nicht mit Gewalt implementieren. Ein weiteres politisches Interesse, das in einigen Staaten mit einem Streitkräfteeinsatz im Ausland verknüpft wird, nämlich gegebenenfalls von politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Problemen im Inneren des eigenen Landes abzulenken, bietet sich für die Legitimation eines militärischen Auslandseinsatzes der Bundeswehr aus sich selbst erklärenden Gründen allerdings nicht an. 18 Vgl Seifert, Thomas (2014): Herausforderung Eurafrika. Wiener Zeitung vom 4. Februar 2014, http://www. wienerzeitung.at/meinungen/leitartikel/521657_Herausforderung-Eurafrika.html (letzter Zugriff: 05.02. 2014). 19 jok/dpa/dapd/Reuters (2011): Obamas Asien-Strategie: Amerika startet das Projekt Pazifik. Spiegel-Online vom 17. November 2011, http://www.spiegel.de/politik/ausland/obamas-asien-strategie-amerika-startet-das-projektpazifik -a-798305.html (letzter Zugriff: 08.02.2014). 20 Vgl Arnold, Rainer (2006): Zur Legitimation deutscher Auslandseinsätze – Sicherheitspolitik auf drei Säulen. Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. September 2006, Gastbeitrag, http://www.rainer-arnold.de/zur-legitimationdeutscher -auslandseinsaetze.html (letzter Zugriff: 05.02.2014). 21 Meernik (2004), a.a.O., S. 239. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 10 2.3.2. Wirtschaftliche Interessen Wirtschaftliche Interessen waren in der gesamten Geschichte und insbesondere in Zeiten des Kolonialismus Ursache von Kriegen. Dabei profitierten in der Vergangenheit nahezu ausschließlich die jeweiligen Imperialmächte von der Anwendung militärischer Gewalt. Heute, und dies könnte im Rahmen der Legitimation eines Auslandseinsatzes eigener Streitkräfte herausgestellt werden, stehen wirtschaftliche Interessen, soweit diese überhaupt verfolgt werden , im Allgemeinen deutlich hinter der Verantwortung für eine Krisenregion und dem politischen Interesse an dortiger politischer Stabilität zurück: Es geht nicht mehr um interventionistische Ausbeutung mit militärischen Mitteln, sondern vielmehr um Sicherstellung globaler Wirtschaftsprozesse, von denen alle Beteiligten Vorteile ziehen können. Im Fokus wirtschaftlicher Interessen stehen in heutiger Zeit die Aufrechterhaltung des Zugangs zu Ressourcen und Märkten sowie ein ungestörter Welthandel. Falls entschieden wird, hierzu militärische Mittel einzusetzen, würde sich die Öffentlichkeit fragen, ob die diplomatischen Mittel zur Beilegung einer Krise glaubhaft ausgeschöpft worden sind. Ein Auslandseinsatz mit bewaffneten Streitkräften ausschließlich zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen käme, so Meernik, nur in Frage, wenn Staaten oder Gewaltakteure „seek to deny or control those resources or markets presidents believe are vital to the health of the nation“ 22. 3. Legitimationsschwerpunkte bei Partnern Legitimationsansätze von ausgewählten Partnern Deutschlands sowie Untersuchungsergebnisse zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Einsätzen ihrer Streitkräfte im Ausland stehen im Fokus des folgenden Abschnitts. Drei der vier hier betrachteten Partner, Frankreich, Großbritannien und die USA, sind ständige Mitglieder des VN-Sicherheitsrats und als solche an allen Verhandlungen zur Mandatierung VN-geführter und VN-mandatierter militärischer Operationen mit Veto-Recht beteiligt. Dieses hat seit Gründung der Vereinten Nationen das Selbstverständnis dieser Staaten und ihrer Gesellschaften mitbestimmt und dort einen breiten Konsensus zur Notwendigkeit von Militäreinsätzen auch in weit entfernten Krisengebieten bewirkt. Es findet unter anderem darin seinen Niederschlag, dass das Militär in den genannten Staaten hohe Wertschätzung und Respekt genießt sowie breite Zustimmung als eine zentrale Institution des jeweiligen politischen Systems findet. In Großbritannien, Frankreich und den USA treffen – im Gegensatz zu Deutschland – auch die jeweiligen militärischen Aufträge „in aller Regel auf große gesellschaftliche Akzeptanz, wobei häufig allerdings deutliche Abstufungen derart festzustellen sind, dass die Zustimmungsraten für friedensschaffende Maßnahmen deutlich niedriger liegen als die für friedenserhaltende Operationen“ 23. 22 Ebenda, S. 237. 23 Kümmel (2006), a.a.O., S. 109. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 11 3.1.1. USA Die Außen- und Sicherheitspolitik der USA zielt im Einklang mit der amerikanischen Verfassung auf die Etablierung und Absicherung von Sicherheit, Frieden, Wohlstand und stabiler und demokratischer politischer Verhältnisse für ihre Staatsbürger ab. Diese Ziele spiegeln sich wiederum in der nationalen Sicherheitsstrategie24 des amerikanischen Präsidenten wider, die auf die Bereiche Sicherheit, Wohlstand, Werte und internationale Ordnung fokussiert, darüber hinaus die weltweiten nationalen Interessen, Ziele und Bestrebungen der Vereinigten Staaten betont sowie die Möglichkeit unterstreicht, zur Realisierung dieder Ziele die eigenen Streitkräfte weltweit einzusetzen. Diese Interessenpolitik beruht auf dem amerikanischen Selbstverständnis, als Super- und VN- Veto-Macht weiter eine führende Rolle beim Erhalt der internationalen Ordnung auszuüben , dabei die amerikanischen Wertvorstellungen zu verbreiten sowie nach dem Grundsatz „The chief business of America is business“ 25 die globalen Wirtschaftsprozesse zu dominieren. Die breite Öffentlichkeit in den USA trägt diese Interessenpolitik sowie das „forward engagement of U.S. forces“26 mit, die in kritischen Regionen zur Konfliktprävention, zum Aufbau militärischer Fähigkeiten von wichtigen Partnern, zur Stärkung von Bündnissen und zur Vertretung amerikanischer Interessen beitragen sollen: Seitdem die meisten Amerikaner als Folge der Einführung der Berufsarmee nicht mehr unmittelbar von Kampfrisiken betroffen sind, kann dies auch eine geringe Zahl an Gefallenen nicht mehr grundlegend ändern. Kenneth B. Moss, Direktor und Professor des Department of National Security Studies, erklärt hierzu: „Wir haben jetzt einen Ansatz, der die Auswirkungen der Kriegsführung von einem Großteil der Öffentlichkeit fernhält und den Präsidenten so in die Lage versetzt, Gewalt anzuwenden, ohne dass es gleich eine öffentliche Debatte gibt.“ 27 Daher wird in den USA eine über eine völkerrechtliche Legitimation hinausgehende Rechtfertigung einer bevorstehenden Militäroperation derzeit nur dann erforderlich, wenn aufgrund eines möglicherweise äußerst verlustreichen und gefährlichen Streitkräfteeinsatzes Skepsis oder gegebenenfalls sogar Widerstand gegen diese Operation zu erwarten ist. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass in solchen Fällen die amerikanische Administration zur Unterstützung der Legitimation des Einsatzes einen der beiden folgenden Ansätze wählt: Entweder, wie vor dem amerikanischen Afghanistan und dem Irak-Einsatz, bediene sie sich mit Schlagworten , wie beispielsweise „Schurkenstaat“ oder „Kampf der Kulturen“, zunehmend der Kon- 24 Vgl.: Der Präsident der Vereinigten Staaten (2010): National Security Strategy, May 2010, http://www.google.de/ url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CC8QFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.whitehouse.gov %2Fsites%2Fdefault%2Ffiles%2Frss_viewer%2Fnational_security_strategy.pdf&ei=b8P0UuPWM4GBywPngoC ABA&usg=AFQjCNGFojGF51OBMdOOydQZXriPCQJPwQ&bvm=bv.60799247,d.bGQ&cad=rja (letzter Zugriff: 07.02.2014). 25 May, Ernest R. (1994) Who are we? Foreign Affairs März/April 1994, http://www.foreignaffairs.com/articles/ 49700/ernest-r-may/who-are-we (letzter Zugriff: 07.02.2014). 26 Flournoy, Michèle; Davidson, Janine 2012): Obama’s New Global Posture – The Logic of U.S. Foreign Deployments . Foreign Affairs, Vol. 91, Nr. 4, Juli/August 2012, S. 54. 27 Vgl. Körber-Stiftung (2010): Die Rolle der Bundeswehr in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. 146. Bergedorfer Gesprächskreis, Hrsg.: Kurt A. Körber, S. 87. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 12 struktion einer Identität in Abgrenzung zur Bedrohung, der Stereotypisierung des Gegners sowie der Dichotomisierung kulturell-religiöser Identitäten. 28 Oder, wie der 2013 erwogene Einsatz amerikanischer Truppen im Syrien-Konflikt gezeigt habe, als der US-Kongress erstmals um Zustimmung zu einer Militäroperation gebeten wurde, beteilige die politische Führung bei Einsätzen, deren Ausgang und Auswirkungen schwer abzuschätzen sind, zur Legitimation das Parlament am Entscheidungsprozess. 3.1.2. Großbritannien „Britain chooses between only two or three personalities: Commonwealth and Empire versus ,this earth, this England‘.“29 Diese Einschätzung zeigt, dass die frühere Rolle des Vereinigten Königreiches als See-, Kolonial- und Weltmacht, die „nach wie vor als Quelle des Stolzes und der Selbstzufriedenheit“ 30 gilt, auch heute noch in der britischen Gesellschaft verankert ist. Aus diesem Selbstverständnis heraus, das zusätzlich durch die Position als ständiges Mitglied des VN-Sicherheitsrates geprägt worden ist, stehen bis heute viele Briten zum globalen Engagement ihres Landes, wie der britische Politikwissenschaftler Wyn Rees deutlich macht: „Throughout the Cold War and post-Cold War periods, Britain retained a sense of itself as a global actor. In spite of material constraints, the mindset of its political leaders had been to hold on to the country’s status as a leading power and to preserve its seat on the UN Security Council. […] The rationale for holding these ambitions in the contemporary environment is relatively straightforward. Britain continues to benefit from the Western order that was created after the Second World War. […] The UK is still a major trading nation and overseas investor and believes that these interests must be protected.“ 31 Aus diesem Grund hat sich die britische Regierung dazu entschieden, „to preserve an expeditionary capability of UK forces. Not least this is because these types of conflicts are viewed as the most likely threats to UK national interests.” 32 Der Wert der britischen Streitkräfte bei der weltweiten Konfliktbewältigung sowie die positiven Auswirkungen ihres Handelns sowohl auf die eigene Bevölkerung als auch auf die Menschen im Krisengebiet werden in Werbekampagnen der Streitkräfte schon im Frieden kontinuierlich vermittelt und dann im konkreten Einsatzfall noch stärker akzentuiert. Hierbei wird das britische Militär insbesondere als „force for good“ dargestellt, dessen Aufgabe es ist, „Britain in an uncertain world“ 33 zu schützen und in seinen weltweiten Kriseneinsätzen gleichzeitig zum Wohl der hilfsbedürftigen Menschen beizutragen, wie die folgende Aussage der 28 Vgl. Kirchhoff, Susanne (2010): Krieg mit Metaphern – Mediendiskurse über 9/11 und den „War on Terror“. ISBN 978-3-8376-1139-7, S. 294f.. 29 May (1994), a.a.O.. 30 Altmann, Gerhard (2005): Abschied vom Empire: die innere Dekolonisation Großbritanniens 1945-1985. Wallstein-Verlag, ISBN 9-783-8924-4870-9, S. 268. 31 Rees Wyn (2011): Britain and the Wider World. Defense & Security Analysis, Vo. 27, Nr. 1, März 2011, S. 31. 32 Rees (2011), a.a.O., S. 39. 33 Vgl. British Army Website, http://www.army.mod.uk/ (letzter Zugriff: 9. Februar 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 13 britischen Unterhausabgeordneten Gisela Stuart verdeutlicht: „International military intervention has led to real gains for the Afghan people.“ 34 Zwar existieren trotz dieser Werbemaßnahmen auch in Großbritannien Kritiker, die sich skeptisch mit beabsichtigten Einsätzen der Streitkräfte im Ausland auseinander setzen. Diese Kritiker hinterfragen zwar laufende Einsätze, kritisieren diese aber nicht grundsätzlich und stehen ab dem Zeitpunkt der Mandatierung des Auslandseinsatzes als „Loyale Opposition Ihrer Majestät“ grundsätzlich zur Armee. 35 Obwohl die britische Gesellschaft somit grundsätzlich über eine positive Grundeinstellung zum Streitkräfteeinsatz im Ausland verfügt, wird die Notwendigkeit einer breiten öffentlichen Zustimmung zu konkret bevorstehenden oder laufenden Operationen zunehmend ernster genommen: „Public support lends vital legitimacy to the use of military force by a democratic state; and no government should lightly deploy force in absence of such support.“ 36 „In einer liberalen Demokratie genügt es nicht, wenn der Staat die Politik bloß bestimmt, er muss sie auch publizieren und erläutern.“ 37 Um den gesellschaftlichen Rückhalt zu geplanten Militäroperationen sicherzustellen, wird, wie die Abstimmungen im Ober- und Unterhaus des britischen Parlaments zu einem Militäreinsatz im Syrien-Konflikt im vergangenen Jahr zeigten, auch in Großbritannien zur Legitimation der Anwendung militärischer Gewalt tendenziell das Parlament beteiligt. Darüber hinaus verdeutlicht die politische Führung immer wieder, dass mit Ausnahme des Falklandkrieges, der in britischen Augen weniger einen Auslandseinsatz als eine Operation zur Rückgewinnung britischen Territoriums darstellte, militärische Einsätze nur auf Basis multilateraler Beschlüsse durchgeführt werden. 38 3.1.3. Frankreich „Im Vergleich mit den anderen EU-Mitgliedstaaten verfügt die französische Außen- und Sicherheitspolitik neben der Britischen über außerordentliche Handlungsressourcen: Als ständiges Mitglied des VN-Sicherheitsrats ist Frankreich an allen Verhandlungen zur Mandatierung VN-geführter und VN-mandatierter militärischer Operationen mit Veto-Recht beteiligt und unterhält eines der größten diplomatischen Netzwerke weltweit. Hierzu gehören insbesondere die engen Beziehungen zu seinen ehemaligen Kolonien in Afrika, mit denen es enge bilaterale Beziehungen einschließlich militärischer Beistandspakte pflegt und in denen es weiterhin als militärische Ordnungsmacht“ 39 bzw. als Hegemonialmacht40, wie Rauch 34 Körber-Stiftung (2010), a.a.O., S. 87f.. 35 Chalmers, Malcolm (2011): Keeping our Powder Dry – UK Defence Policy beyond Afghanistan. RUSI Journal Februar/ März 2011, Vol. 156, Nr. 1, S. 23. 36 Chalmers (2011), a.a.O., S. 20. 37 Cornish, Paul; Dorman, Andrew M. (2012): Smart durchwursteln: Großbritanniens Strategie nach Afghanistan. Europäische Rundschau: Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, 40(2012), 3, S. 90. 38 Rauch, Andreas M. (2006): Auslandseinsätze der Bundeswehr. ISBN 3-8329-1599-0, S. 243. 39 von Ondarza, Nicolai (2012): Legitimatoren ohne Einfluss?: Nationale Parlamente in Entscheidungsprozessen zu militärischen EU- und VN-Operationen im Vergleich. Hrsg.: Institut für Europäische Politik, Berlin, S. 172. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 14 schreibt, präsent sein möchte. Aber nicht nur in Afrika sieht Frankreich sich in der Verantwortung . Die vergleichsweise umfangreichen Ressourcen, die Frankreich seiner Sicherheitsund Verteidigungspolitik widmet, sind darüber hinaus auch „Ausdruck eines Führungsanspruchs , die internationale Sicherheitspolitik führend mit zu gestalten. So postulierte Staatspräsident Sarkozy 2008 bei der Vorstellung des aktuellen französischen sicherheits- und verteidigungspolitischen Grundsatzdokuments ,Le Livre Blanc sur la Défense et le Sécurité Nationale ‘ das Ziel der französischen Außen- und Sicherheitspolitik, an der Spitze Europas weiterhin zu den Nationen zu gehören, ,qui font l’histoire parce qu’elles ont refusé de la subir‘.“41 Dennoch zeigen, wie in der Literatur hervorgehoben wird, jüngste Entwicklungen, dass der in der Vergangenheit bestehende Konsens über die Notwendigkeit von Militäreinsätzen im Ausland unter den Eliten Frankreichs brüchig geworden ist, seitdem einige Stimmen aus dem politischen Raum die Veränderungen des ISAF-Einsatzes weg von einer ausschließlichen Aufbau - und Unterstützungsmission mehr zu einem Kriegseinsatz ablehnten und nicht mehr akzeptieren wollten, „that the goal of troop’s deployments in countries so distant from France is to end violence that could otherwise threaten global, European, and consequently French security.“ 42 Als Reaktion auf diese sinkende Zustimmung initiierte der französische Verteidigungsminister eine Kommunikationskampagne mit dem Ziel, der Gesellschaft zu vermitteln, „that the French troops were in Afghanistan because the world had changed, that our borders had not to be defended anymore, but that the threats were beyond the borders. That is why the military had to be sent outside the borders, to defend the peace, the values and the security of France. The legitimacy of a military operation is not important to be measured only at the beginning of a military intervention. A deployment is a process that implies changes and what seemed legitimate at one point can be questioned a few months later. The legitimacy of a deployment is a strategic stake and must be consistent. It is a permanent goal to be achieved and not only a legal and political precondition” 43. Obwohl in Frankreich das Bekenntnis zur eigenen Armee zum gesellschaftlichen Konsens gehören dürfte, zeigt der Afghanistan-Einsatz, dass auch in Frankreich eine Debatte in der öffentlichen Meinung entstehen kann. Deswegen, so Daniel Vernet, Leiter des Internetmagazins „Boulevard Extérieur“, „wäre eine Debatte wie im Bundestag in der französischen Nationalversammlung sehr hilfreich. Dort wurde in den letzten neun Jahren ganze drei Mal über Afghanistan debattiert, ohne dass eine Abstimmung stattgefunden hätte. Da der französische Präsident Oberbefehlshaber der Streit- 40 Rauch (2006), a.a.O., S. 246. 41 von Ondarza (2012), a.a.O., S. 172. 42 Jankowski, Barbara (2011): French Public Support for Military Operations: The Challenge of the War in Afghanistan . In: Security and the Military between Reality and Perception. Hrsg.: Malešič, Marjan; Kümmel, Gerhard, ISBN 978-3-8329-7055-0, S. 50f. 43 Ebenda, S. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 15 kräfte ist, unterliegt ihm die Entscheidung, französische Soldaten“ in den Einsatz zu schicken. 44 3.1.4. Polen Aus historischen Erfahrungen heraus liegt es im Interesse Polens, nach möglichst starker Mitsprache als zuverlässiger Bündnispartner auf internationaler Ebene zu streben. Es geht Polen darum, nach dem Konzept des „regional leadership“ engster Alliierter der USA in Osteuropa zu werden – „America’s protegé in the east“ und damit auch international an Einfluss zu gewinnen . 45 Die Beteiligung am Irak-Krieg wurde in der polnischen Sicherheitsstrategie sowohl mit der Bündnistreue zu den USA als auch der Stärkung der eigenen Position in der internationalen Politik begründet: „The strategic decision to take part in the military intervention in Iraq together with the United States and Great Britain advanced Poland to the group of countries which pursue their own policy and which matter on the international scene. It could be ironically or half-jokingly said that never before have two hundred troops created a global superpower . Though we are not a superpower, we’re a country which counts more today than it did two or three years ago.” 46 In der polnischen Bevölkerung 2008 durchgeführte Meinungsumfragen zeigen, dass Polen „vornehmlich [..] an harten Sicherheitsgarantien der NATO interessiert ist“ 47 und daher sich bei der Frage von Auslandseinsätzen seiner Streitkräfte klar und öffentlich an die Seite der USA stellt. 4. Die Begründung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr – Entwicklungen in Deutschland „Obgleich sich die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiterhin zurückhaltender zeigt und zivile Elemente stärker betont als etwa diejenige Frankreichs und Großbritanniens, greift das Selbstverständnis als Zivilmacht heute zu kurz.“ 48 Im Gegensatz zu großen Teilen der Gesellschaft, die „die Bundeswehr weiterhin als traditionelle Verteidigungsarmee“ 49 verstehen , habe die Politik inzwischen verstanden, „dass sich das größere internationale Ge- 44 Körber-Stiftung (2010), a.a.O., S. 87. 45 von Ondarza (2012), a.a.O., S. 195. 46 Ebenda, S. 195. 47 Ebenda, S. 196. 48 Ebenda, S. 162. 49 Klaeden, Eckart von (2008): Rückbesinnung auf den verfassungsrechtlichen Auftrag und die internationale Verantwortung Deutschlands. In: Streitkräfte im Nachkriegsdeutschland. Hrsg.: Hans-Jörg Bücking, Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung, ISBN 978-3-428-13522-6, S. 99. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 16 wicht Deutschlands zusätzlich durch die Bereitstellung von Militär ausdrücken“ 50 müsse. Deutschland könne sich – auch aufgrund des Grundsatzes der Lastenteilung – nicht mehr vor der Aufgabe der multinationalen, gegebenenfalls mit militärischen Mitteln durchzuführenden Sicherheitsvorsorge verschließen. Sollte in diesem Zusammenhang aus Sicht der politischen Führung ein Auslandseinsatz der Bundeswehr erforderlich werden, dürften Gefahr, Absicht, Hintergründe und Ziele der bevorstehenden Operation zu vermitteln sein. Ansätze hierzu waren bereits in den ersten Kriseneinsätzen der Bundeswehr erkennbar, als der deutschen Öffentlichkeit erläutert wurde, dass beispielsweise mit den NATO-Luftangriffen auf Ex-Jugoslawien eine humanitäre Katastrophe verhindert werden sollte und bei Einsätzen auf dem Balkan die Gefährdungslage für die Soldaten kalkulierbar bliebe. Mit den Worten des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck, Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt, wurde darüber hinaus erstmals der Versuch unternommen, der Gesellschaft zu erläutern, dass angesichts wirtschaftlicher und technologischer Entwicklungen Sicherheit global gedacht werden müsse. Dennoch blieb, wie die Ergebnisse von konkreten Umfragen in der deutschen Öffentlichkeit zu den Einsätzen im Kongo, vor dem Libanon oder in Afghanistan zeigten, eine breite Skepsis zu den Einsätzen der Bundeswehr im Ausland, die teilweise sogar abgelehnt wurden, bestehen. 51 Einer der wesentlichen Ursachen für die weiterhin ablehnende Haltung dürfte darin liegen, dass die Thematik Sicherheitspolitik und Streitkräfte in der deutschen öffentlichen Diskussion lange vernachlässigt wurde und Deutschland daher trotz seines internationalen Gewichts über keine von allen maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften getragene Strategic Community verfügt. Hans-Joachim Reeb merkt hierzu an, dass die Themen Sicherheitspolitik und Streitkräfte nicht im Zentrum der politischen Bildung liegen. „Eine sicherheitspolitische Kultur in Deutschland bedarf der geistigen Fundierung“ 52 und der „orientierenden Kraft der öffentlichen Debatte“ 53. „Nur eine tiefgehende öffentliche Diskussion der Eingriffsgründe und eine auf das Ergebnis bauende transparente Regelung sichert die nachhaltige Unterstützung und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in den Streitkräften.“ Der ehemalige Bundespräsident, Horst Köhler, hatte 2010 in einem Interview mit dem Deutschlandradio gesagt, „dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit 50 Voss, Karl Ulrich (2004): Bundeswehrauftrag und Rechtsstaat – Plädoyer für ein Streitkräfte-Aufgaben-Gesetz. Ergänzte Fassung eines in Freitag 41/2003 abgedruckten Artikels, http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&ved=0CDUQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.vo2s.de%2Fsag_auf.doc&ei =GljzUp_FIYbiywPvnoLAAw&usg=AFQjCNGqf5JyKksoqD6mYaPtwNNTFMOCrw&bvm=bv.60799247,d.bGQ (letzter Zugriff: 06.02.2014). 51 Vgl. Reeb, Hans-Joachim (2008): Aktuelle Herausforderungen für die Einsätze der Bundeswehr. if plus – Beilage zur Zeitschrift für Innere Führung 3/2008, http://www.if-zeitschrift.de/portal/a/ifz/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9 MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjMtCq9xKLkjMwyvcy0eASrIKe0GEbHGxjpF2Q7KgIAC2cMag!!/ (letzter Zugriff: 06.02.2014). 52 Reeb (2008), a.a.O.. 53 Limbach, Jutta (2004): Demokratie: Elitenkartell oder Bürgerprojekt., Universitas 2004, S. 1232. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 17 dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen “ 54. Dies aufgreifend, äußerste sich Bundespräsident Joachim Gauck am 31. Januar 2014 bei der Münchner Sicherheitskonferenz zur Rolle Deutschlands in der Welt und sagte diesbezüglich u.a.: „Deutschland ist überdurchschnittlich globalisiert, und es profitiert deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung – einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen. Deutschland […] ist anfällig für Störungen im System. Eben deshalb können die Folgen des Unterlassens ebenso gravierend wie die Folgen des Eingreifens sein – manchmal sogar gravierender. […] Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein. […] Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen , es wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen . Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird – der Einsatz der Bundeswehr –, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip ,nein‘ noch reflexhaft ,ja‘ sagen.“ 55 Auch wenn Bundespräsident Gauck nicht explizit ausdrückte, dass wirtschaftliche Interessen einen Einsatz der Bundeswehr legitimieren könnten, hat er doch krisenhafte Entwicklungen und das auch wirtschaftlich begründete Interesse Deutschlands an Stabilität in einen direkten Zusammenhang gesetzt. Diesbezüglich noch deutlicher wurde die Bundesministerin der Verteidigung Ursula in einem Spiegel-Interview, als auch sie wirtschaftliche Interessen für eine Intensivierung des Bundeswehr-Engagements in Afrika geltend machte. Viele Länder Afrikas stünden wirtschaftlich besser da als zuletzt. „Ein boomendes Afrika ist eine Chance, gerade für ein Land mit einer so starken Exportwirtschaft.“ 56 5. Schlussfolgerungen Zu einem im Mai 2007 von der Friedrich-Ebert-Stiftung publizierten Beitrag führt Stefanie Flechtner aus: Mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr erfordern „eine starke politische Legitimation , und zwar nach außen wie nach innen. Die wichtigsten Quellen internationaler Legitimation sind das Völkerrecht und das Mandat des VN-Sicherheitsrates. Diese Legitimation ist unersetzlich, sowohl um eine breite internationale Unterstützung des Einsatzes (und damit nicht zuletzt auch eine Teilung der lasten) sicherzustellen als auch um die Akzeptanz der Mission in der Krisenregion selbst zu gewährleisten. Nach innen muss der Auslandseinsatz 54 Welt-Online (2010): Das sagte Horst Köhler zu den Auslandseinsätzen. http://www.welt.de/politik/ deutschland/article7809187/Das-sagte-Horst-Koehler-zu-den-Auslandseinsaetzen.html (letzter Zugriff: 06.02.2014). 55 Gauck, Joachim (2014): Deutschlands Rolle in der Welt: Anmerkungen zu Verantwortung, Normen und Bündnissen. Rede anlässlich der 50. Münchner Sicherheitskonferenz, München, 31. Januar 2014, http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/01/140131-Muenchner- Sicherheitskonferenz.html (letzter Zugriff: 06.02.2014). 56 n-tv/jog (2014): Boomendes Afrika ist eine Chance – Von der Leyen für mehr Auslandseinsätze. http://www.ntv .de/politik/Von-der-Leyen-fuer-mehr-Auslandseinsaetze-article12149061.html (letzter Zugriff: 07.02.2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 18 auf einer belastbaren demokratischen Legitimation beruhen. […] Um das umfassende sicherheitspolitische und militärische Engagement [..] innenpolitisch auf Dauer tragfähig zu machen , muss der Legitimationsprozess [..] über das Parlament hinausreichen. In der deutschen Politik ist gegenwärtig ein Trend zu erkennen, Entscheidungen, die im kleinen Kreis der politischen Führung getroffen werden, der breiteren politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit im Nachhinein als alternativlos zu vermitteln. Eine starke demokratische Legitimation erfordert, dass alle sicherheitspolitischen Optionen, d.h. auch die Alternativen zu einem Einsatz der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, erörtert werden, und nicht nur bereits getroffene Entscheidungen als Volkes Wille verkauft und allenfalls mit Werten garniert werden, wenn sie nicht gleich auf Akzeptanz stoßen“.57 Die zentrale Herausforderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik dürfte daher darin bestehen, in der deutschen Öffentlichkeit das Bewusstsein für die sicherheitspolitischen Fragen der Zukunft, aber auch für die möglichen Antworten der Politik auf diese Fragen zu stärken . Hierzu bedarf es zum einen einer gezielten Kommunikation von politischer Seite, die der Gesellschaft überzeugend die grundlegenden Ziele der Sicherheitspolitik im Allgemeinen und die konkreten Ziele bevorstehender oder laufender Militäreinsätze der Bundeswehr im Be sonderen näherbringt („government for the people“ oder „output-Legitimation“) 58: „Policymakers can, in fact, be leaders and not only the unresisting slaves of public opinion. Whether they will be successful or not is, however, partly a product of their ability to communicate strategically. […] Strong and consistent strategic narratives make for a less casualty sensitive public. Apparently, narratives can be employed effectively by political elites to give meaning to past, present and future in order to achieve political objectives […] and the rallying of public opinion.“59 Dazu ist zum anderen eine breite gesellschaftliche Diskussion zu den Zielen deutscher Außen - und Sicherheitspolitik sowie zu ihren Chancen und Risiken für die Bürgerinnen und Bürger erforderlich 60 . Denn nur im Rahmen dieser Debatte kann sich ein Verständnis für die sicherheitspolitischen Ziele und Interessen einer Regierung entwickeln, das wiederum die Voraussetzung dafür darstellt, dass eine gesellschaftschaftliche Mehrheit der jeweiligen Au- 57 Flechtner, Stefanie (2007): In neuer Mission – Auslandseinsätze und die deutsche Sicherheitspolitik. Kompass 2020 – Deutschland in den internationalen Beziehungen: Ziele, Instrumente, Perspektiven. Hrsg.: Friedrich- Ebert-Stiftung, Mai 2007 https://www.google.com/url?q=http://library.fes.de/pdf-files/iez/04677.pdf&sa= U&ei=7S_zUs_0AYTHtQaB9YD4Bg&ved=0CAUQFjAA&client=internal-uds-cse&usg=AFQjCNG5mMplq21 KIQdeCTas7dzD5qXFog (letzter Zugriff: 06.02.2014). 58 Vgl. Wagner, Wolfgang (2004): Für Europa sterben? Die demokratische Legitimität der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. HSFK-Report 3/2004. Hrsg.: Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, S. 5, http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&ved=0CDsQFjAC&url= http%3A%2F%2Fmercury.ethz.ch%2Fserviceengine%2FFiles%2FISN%2F29826%2Fipublicationdocument_si ngledocument%2F6ae9f070-b809-41d3-a73c-3d1a739a918e%2Fde%2Freport0304.pdf&ei=XYP4UoWCEsLdswb 3oYG4Ag&usg=AFQjCNHmwThXE2T2g9pFGgJUamF6X_p6hQ&bvm=bv.60983673,d.Yms&cad=rja (letzter Zugriff: 10.02.2014). 59 Ringsmose; Børgesen (2011), a.a.O. S. 523. 60 Vgl. Voss, Karl Ulrich (2004), a.a.O.. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 19 ßen- und Sicherheitspolitik zustimmt („government by the people“ oder „input-Legitimation “) 61: „Eine breite und gründliche Debatte über die Bedingungen und Ziele von Bundeswehreinsätzen sowie über die Konfliktformationen und Konfliktregionen, in denen die Bundeswehr eingesetzt werden soll, hat es weder innerhalb der Bundeswehr noch in der Gesellschaft in hinreichendem Maße gegeben. Vielmehr wird lediglich anhand von konkreten Einsätzen diskutiert.“ 62 Sowohl strategische Kommunikation als auch gesellschaftliche Debatte bedürfen in Deutschland aus historischen Gründen deutlich stärkerer Anstrengungen als in den USA, Großbritannien , Frankreich und Polen. Sie müssten, wie Freuding betont, insbesondere auf das Verständnis abzielen, dass aufgrund der Veränderungen im sicherheitspolitischen Umfeld eine „Differenzierung zwischen ,selbstgewählten Kriegen‘ (wars of choice) und ,notwendigen, existentiellen Kriegen‘ (wars of necessity)“63 zukünftig immer schwieriger aufrecht zu erhalten sein wird. 61 Vgl. Wagner (2004), a.a.O, S. 5. 62 Varwick, Johannes (2006): Militär als Instrument der Politik. In: Gareis, Seven Bernhard; Klein, Paul (Hrsg.): Handbuch Militär und Sozialwissenschaft, 2., aktualisierte und erweiterte Auflage vom Mai 2006, Wiesbaden, ISBN-13 978-3-531-34446-1, S. 101. 63 Freuding (2011), a.a.O., S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 021/14 Seite 20 Literaturverzeichnis Altmann, Gerhard (2005): Abschied vom Empire: die innere Dekolonisation Großbritanniens 1945-1985. Wallstein-Verlag, ISBN 9-783-8924-4870-9. 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