© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 020/18 Vereinbarkeit des polnischen COP24-Gesetzes mit den Vorgaben des Europarates Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 2 Vereinbarkeit des polnischen COP24-Gesetzes mit den Vorgaben des Europarates Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 020/18 Abschluss der Arbeit: 11. April 2018 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Schutz personenbezogener Daten 6 2.1. Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK 6 2.1.1. Schutzbereich 7 2.1.2. Eingriff in den Schutzbereich 7 2.1.3. Eingriffsrechtfertigung 8 2.1.3.1. Gesetzliche Grundlage 8 2.1.3.2. Legitimes Ziel 8 2.1.3.3. Notwendigkeit 9 2.2. Datenschutzkonvention des Europarates 9 2.2.1. Anwendungsbereich 10 2.2.2. Datenschutzgrundsätze 11 2.3. Polizeiempfehlung des Europarates 13 2.4. Ergebnis 13 3. Versammlungsfreiheit gemäß Art. 11 EMRK 15 3.1. Schutzbereich 15 3.2. Eingriff in den Schutzbereich 16 3.3. Eingriffsrechtfertigung 16 3.3.1. Gesetzliche Grundlage 16 3.3.2. Legitimes Ziel 16 3.3.3. Notwendigkeit 17 3.4. Ergebnis 18 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 4 1. Einleitung Vom 3. bis 14. Dezember 2018 wird im polnischen Katowice die 24. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, 24th Conference of the Parties, kurz: COP24) stattfinden. Im Hinblick darauf hat das polnische Abgeordnetenhaus (Sejm Rzeczypospolitej Polskiej) am 10. Januar 2018 das „Gesetz über besondere Lösungen im Zusammenhang mit der Organisation der nächsten Konferenz nach dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in der Republik Polen“ (im Folgenden: COP24-Gesetz ) verabschiedet. Dieses Gesetz sieht Befugnisse zur Beschaffung, Verwendung und Weitergabe von Informationen sowie Einschränkungen der Versammlungsfreiheit vor:1 „Art. 17 (1) Zur Sicherstellung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung während der COP24- Konferenz, aber auch zur Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie zur Aufdeckung und Verfolgung der Täter darf die Polizei Informationen einholen, erhalten, sammeln, überprüfen, verarbeiten und nutzen, darunter personenbezogene Daten 1. über Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen , auch außerhalb der Grenzen der Republik Polen, sofern der begründete Verdacht besteht, dass sich diese Personen im Hoheitsgebiet der Republik Polen aufhalten werden, 2. die durch andere Behörden, Dienste und staatliche Institutionen gewonnen oder verarbeitet wurden, auch im Ergebnis von operativen Ermittlungen, 3. die durch Verfolgungsbehörden anderer Staaten gewonnen oder verarbeitet wurden , 4. über Personen, die als Teilnehmer der COP24-Konferenz registriert sind oder bei dieser Konferenz eingesetzt sind, – auch ohne Wissen und Einverständnis der Personen, die diese Daten betreffen – bis zum 31. Januar 2019. (2) Bezüglich des Umfangs der Informationen nach Abs. 1 finden die Vorschriften des Art. 20 Abs. 2b des Polizeigesetzes vom 6. April 1990 entsprechend Anwendung […]. 1 Die wiedergegebene Übersetzung des polnischen Gesetzeswortlautes in die deutsche Sprache wurde im Auftrag des Sprachendienstes der Verwaltung des Deutschen Bundestages durch einen externen Dienstleister angefertigt . Die Hervorhebungen sind durch den Verfasser dieses Sachstandes erfolgt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 5 Art. 18 (1) Zur Sicherstellung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung während der COP24- Konferenz, aber auch zur Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie zur Aufdeckung und Verfolgung der Täter, stellt die Polizei die Informationen nach Art. 17 Abs. 1 den Behörden, Diensten und staatlichen Institutionen, auch den jeweiligen ausländischen und internationalen, zur Verfügung gemäß den in den Vorschriften des Polizeigesetzes vom 6. April 1990, des Datenschutzgesetzes vom 29. August 1997 […], des Verschlusssachengesetzes vom 5. August 2010 […] und den internationalen Abkommen, wo die Republik Polen Vertragspartei ist, enthaltenen Grundsätzen. (2) Die Polizei stellt die Informationen nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 nach erteilter Genehmigung durch die Behörde, den Dienst oder die Institution, die diese Informationen gewannen oder verarbeiteten, zur Verfügung. (3) Die Bereitstellung der Informationen nach Art. 17 Abs. 1 wird abgelehnt, wenn 1. die Aufgaben der Polizei durch die Bereitstellung dieser Informationen erschwert oder nicht erfüllt werden könnten oder 2. die Polizei keine Genehmigung nach Abs. 2 erhielt. Art. 19 (1) Die Informationen nach Art. 17 Abs. 1 werden in dem Zeitraum verarbeitet, der zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben gemäß diesem Gesetz benötigt wird, jedoch nicht länger als bis zum 31. März 2019. (2) Nach Ablauf der im Art. 17 Abs. 1 genannten Frist werden die Informationen nach Art. 17 Abs. 1 aus der Personendatensammlung, die vom Hauptkommandanten der Polizei verwaltet wird, entfernt, mit Ausnahme der Informationen nach Art. 20 Abs. 2a des Polizeigesetzes vom 6. April 1990, die zum Zwecke der laufenden Verfahren verarbeitet werden. Art. 22 Es wird verboten, in Katowice, in der Zeit von 0.00 Uhr am 26. November 2018 bis 23.59 Uhr am 16. Dezember 2018 an spontanen Versammlungen nach Art. 3 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes vom 24. Juli 2015 […] teilzunehmen.“ Der in der zuletzt genannten Vorschrift in Bezug genommene Art. 3 des polnischen Versammlungsgesetzes lautet wie folgt:2 2 Die wiedergegebene Übersetzung des polnischen Gesetzeswortlautes in die deutsche Sprache wurde im Auftrag des Sprachendienstes der Verwaltung des Deutschen Bundestages durch einen externen Dienstleister angefertigt . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 6 „ (1) Eine Versammlung ist eine Gruppierung von Personen im offenen Raum, der für namentlich unbestimmte Personen an einem bestimmten Ort zugänglich ist, um gemeinsame Beratungen durchzuführen oder den Standpunkt in öffentlichen Fragen gemeinsam auszudrücken . (2) Eine spontane Versammlung ist eine Versammlung, die im Zusammenhang mit einem plötzlich eingetretenen und nicht vorhersehbaren, mit dem öffentlichen Raum verbundenen Ereignis zusammenhängt, und deren Durchführung zu einem anderen Termin zwecklos oder unwichtig aus Sicht der öffentlichen Debatte wäre.“ Im Folgenden wird erörtert, inwiefern die durch diese Vorschriften eingeräumten Befugnisse mit den Vorgaben des Europarates zum Schutz personenbezogener Daten (siehe dazu 2.) und zur Versammlungsfreiheit (siehe dazu 3.) vereinbar sind. 2. Schutz personenbezogener Daten Die Mitgliedstaaten des Europarates bzw. dessen Organe haben drei Regelungen verabschiedet, die für den Schutz personenbezogener Daten im hier untersuchten Zusammenhang von Relevanz sind, nämlich Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 3 (EMRK; siehe dazu 2.1.), das Übereinkommen zum Schutz der Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten4 (im Folgenden: Datenschutzkonvention: siehe dazu 2.2.) und die Empfehlung R(87)15 des Ministerkomitees an die Vertragsstaaten über die Nutzung personenbezogener Daten im Polizeibereich5 (im Folgenden: Polizeiempfehlung; siehe dazu 2.3.). 2.1. Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK Im Zusammenhang mit gesetzlich angeordneten Volkszählungen erkannte bereits die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung an.6 Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) stellt der Datenschutz – verstanden als Schutz vor der Erhebung , Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Informationen über das Privatleben – einen spezifisch ausgestalteten Teilbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK dar. Soweit der automatisierte Umgang mit personenbezogenen Daten in 3 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, abrufbar unter: https://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 4 Übereinkommen zum Schutz der Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981, Sammlung Europäischer Verträge Nr. 108, abrufbar unter: https://www.coe.int/de/web/conventions /full-list/-/conventions/rms/0900001680078b38 (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 5 Ministerkomitee des Europarates, Empfehlung R(87)15 an die Vertragsstaaten über die Nutzung personenbezogener Daten im Polizeibereich vom 17. September 1987, abrufbar unter: https://polis.osce.org/file/8556/download ?token=u9_EfhVZ (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 6 Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Tübingen: Mohr Siebeck, 2. Auflage 2013, S. 898 Rn. 29 m. N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 7 Rede steht, greift der EGMR bei der Interpretation dieser Vorschrift auf die detaillierteren Vorgaben der Datenschutzkonvention des Europarates (siehe zu dieser 2.2.) zurück.7 Soweit es um den Umgang mit personenbezogenen Daten im polizeilichen Bereich geht, orientiert sich der Gerichtshof zusätzlich an einer entsprechenden Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates (siehe zu dieser 2.3.).8 2.1.1. Schutzbereich Nach der Rechtsprechung des EGMR ist der Begriff des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK weit auszulegen und entzieht sich einer abschließenden Definition.9 Jedenfalls zählen zum Privatleben das Geschlecht, der Name, die Identität, das Sexualleben, die persönliche Entwicklung sowie die Aufnahme und Pflege von Beziehungen zu anderen Menschen und zur Umwelt.10 Berufliche oder geschäftliche Aktivitäten können ebenfalls zum Privatleben rechnen.11 Auch Informationen, die das Privatleben betreffen, fallen in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK.12 2.1.2. Eingriff in den Schutzbereich Die Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe von das Privatleben betreffenden Informationen durch staatliche Behörden kann eine Verletzung der von Art. 8 EMRK geschützten Privatsphäre darstellen. Deren Schutz endet nicht schon dann, wenn der Betroffene in die Öffentlichkeit tritt, z.B. den häuslichen Bereich oder sonstige private Liegenschaften verlässt. Allerdings kann der Schutzumfang in der Öffentlichkeit reduziert sein. In diesem Zusammen- 7 EGMR, Urteil vom 16. Februar 2000 – 27798/95 (Amann/Schweiz), Rn. 65; Urteil vom 4. Mai 2000 – 28341/95 (Rotaru/Rumänien), Rn. 43. 8 EGMR, Urteil vom 27. März 2008 – 44009/05 (Shtukaturov/Russland), Rn. 95; Urteil vom 4. Dezember 2008 – 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper/Vereinigtes Königreich), Rn. 42, 103. 9 EGMR, Urteil vom 25. September 2001 – 44787/98 (P.G. und J.H./Vereinigtes Königreich), Rn. 56 m. w. N.; Urteil vom 28. Januar 2003 – 44647/98 (Peck/Vereinigtes Königreich), Rn. 57; Urteil vom 4. Dezember 2008 – 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper/Vereinigtes Königreich), Rn. 67; Schiedermair, Der Schutz des Privaten als internationales Grundrecht, 2012, S. 244; Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht, Berlin: Duncker & Humblot, 2006, S. 133. 10 EGMR, Urteil vom 4. Mai 2000 – 28341/95 (Rotaru/Rumänien), Rn. 43; Urteil vom 28. Januar 2003 – 44647/98 (Peck/Vereinigtes Königreich), Rn. 57; Urteil vom 4. Dezember 2008 – 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper /Vereinigtes Königreich), Rn. 67. 11 EGMR, Urteil vom 4. Mai 2000 – 28341/95 (Rotaru/Rumänien), Rn. 43 m. w. N.; Urteil vom 28. Januar 2003 – 44647/98 (Peck/Vereinigtes Königreich), Rn. 57; Urteil vom 4. Dezember 2008 – 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper/Vereinigtes Königreich), Rn. 67. 12 EGMR, Urteil vom 26. März 1987 – 9248/81 (Leander/Schweden), Rn. 48; Urteil vom 4. Mai 2000 – 28341/95 (Rotaru/Rumänien), Rn. 43 f.; Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Tübingen: Mohr Siebeck, 2. Auflage 2013, S. 898 Rn. 29 m. w. N.; Pätzold, in: Karpenstein / Mayer, EMRK, München: Beck, 2. Aufl. 2015, Art. 8 Rn. 28 m. w. N.; Schiedermair, Der Schutz des Privaten als internationales Grundrecht, 2012, S. 243 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 8 hang stellt der EGMR unter anderem darauf ab, ob der Betroffene in der konkreten Situation vernünftigerweise die Achtung seiner Privatsphäre erwarten darf.13 So differenziert der Gerichtshof beispielsweise zwischen einer bloßen (auch technikgestützten) Beobachtung von Personen im öffentlichen Raum, die keinen Eingriff in das Recht auf Privatleben darstellen soll, und einer systematischen oder dauerhaften Aufzeichnung entsprechender Beobachtungen, die er als Eingriff wertet.14 2.1.3. Eingriffsrechtfertigung Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK gerechtfertigt, wenn er gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig für die Verfolgung näher bezeichneter legitimer Ziele ist. 2.1.3.1. Gesetzliche Grundlage Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK ist „gesetzlich vorgesehen“, wenn er sich auf eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts stützen kann, die den betroffenen Personen zugänglich und so präzise formuliert ist, dass es ihnen – notfalls unter Einholung angemessenen Rechtsrats – in vernünftigem Maß möglich ist, die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns vorherzusehen .15 2.1.3.2. Legitimes Ziel Ziele, deren Verfolgung einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK rechtfertigen können , sind gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK die nationale oder öffentliche Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verhütung von Straftaten, der Schutz der Gesundheit oder der Moral und der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. 13 EGMR, Urteil vom 25. September 2001 – 44787/98 (P.G. und J.H./Vereinigtes Königreich), Rn. 57; siehe dazu auch Meyer-Ladewig / Nettesheim in: Meyer-Ladewig / Nettesheim / von Raumer [Hrsg.], Europäische Menschenrechtskonvention , Baden-Baden: Nomos, 4. Auflage 2017, Art. 8 Rn. 31; Grabenwarter / Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, München: Beck, 6. Auflage 2016, § 22 Rn. 9 m. N. 14 EGMR, Urteil vom 25. September 2001 – 44787/98 (P.G. und J.H./Vereinigtes Königreich), Rn. 57, betreffend die Aufzeichnung von Gesprächen in den Räumlichkeiten einer Polizeistation; Urteil vom 20. Dezember 2005 – 71611/01 (Wisse/Frankreich), Rn. 28 f., betreffend die Gespräche zwischen Gefangenen und ihren Besuchern in den Besuchsräumen; siehe ferner Meyer-Ladewig / Nettesheim in: Meyer-Ladewig / Nettesheim / von Raumer [Hrsg.], Europäische Menschenrechtskonvention, Baden-Baden: Nomos, 4. Auflage 2017, Art. 8 Rn. 31. 15 EGMR, Urteil vom 16. Februar 2000 – 27798/95 (Amann/Schweiz), Rn. 50 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 9 2.1.3.3. Notwendigkeit Nach der Rechtsprechung des EGMR ist ein Eingriff „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig “ im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, wenn er einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zu dem angestrebten rechtmäßigen Ziel in einem angemessenen Verhältnis steht.16 2.2. Datenschutzkonvention des Europarates Da mit dem Aufkommen der Informationstechnologie in den 1960er Jahren zunehmend Bedarf an detaillierten Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen in Bezug auf ihre (personenbezogenen ) Daten auftrat, verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates Mitte der 1970er Jahre mehrere Entschließungen zum Schutz personenbezogener Daten, in denen auf Art. 8 EMRK verwiesen wurde.17 Im Jahr 1981 wurde dann die Datenschutzkonvention des Europarates zur Unterzeichnung aufgelegt , die von allen Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert wurde.18 Sie soll die auf dem Territorium der Vertragsstaaten befindlichen Menschen vor Missbrauch gegenüber dem Umgang mit personenbezogenen Daten schützen und gleichzeitig den grenzüberschreitenden Datenverkehr regulieren.19 Im Jahr 2001 wurde ein Zusatzprotokoll20 angenommen, das Bestimmungen über die grenzüberschreitende Übermittlung personenbezogener Daten an Empfänger aus Nicht-Vertragsstaaten enthält und die Errichtung unabhängiger nationaler Kontrollstellen vorsieht. Seit dem Jahr 2010 wird an einer Modernisierung der Datenschutzkonvention und des Zusatzprotokolls gearbeitet.21 16 EGMR, Urteil vom 11. Juli 1985 – 9248/81 (Leander/Schweden), Rn. 58. 17 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 15 f., abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 18 Der Ratifikationsstand ist abrufbar unter: https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty /108/signatures (zuletzt abgerufen am 23. März 2018). 19 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 16, abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 20 Europarat, Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, Sammlung Europäischer Verträge Nr. 181, 2001, abrufbar unter: https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/0900001680080632 (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 21 Europarat, „Modernisation of Convention 108 (CAHDATA)“, abrufbar unter: https://www.coe.int/en/web/dataprotection /convention108/modernisation; humanrights.ch, „Informationelle Selbstbestimmung (noch) kein neues Grundrecht“ vom 26. Oktober 2017, abrufbar unter: https://www.humanrights.ch/de/menschenrechteschweiz /inneres/person/datenschutz/informationelle-selbstbestimmung (jeweils zuletzt abgerufen am 28. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 10 Die Datenschutzkonvention ist auf die Zusammenarbeit der Regierungen der Vertragsstaaten ausgerichtet und harmonisiert die nationalen Datenschutzregelungen, sieht aber keine eigenen Durchsetzungsmechanismen vor.22 Sie sollte kein neues Datenschutzrecht schaffen, sondern dem Erhalt des status quo als Ausdruck eines kleinsten gemeinsamen Nenners dienen.23 Nach der Rechtsprechung des EGMR korrespondiert der mit der Datenschutzkonvention bezweckte Schutz der Privatheit („right to privacy“)24 mit demjenigen des Art. 8 EMRK.25 Dementsprechend zieht der EGMR die Datenschutzkonvention bei der Auslegung dieser Vorschrift als gemeinsamen europäischen Standard heran.26 2.2.1. Anwendungsbereich Wie sich aus dem vollen Titel der Datenschutzkonvention sowie aus ihren Art. 1, 2 lit. b und c, 3 Abs. 1 ergibt, ist sie grundsätzlich nur auf die automatische Verarbeitung personenbezogener Daten anwendbar. Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. c der Datenschutzkonvention können die Vertragsparteien deren Anwendungsbereich aber auf die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten erstrecken. Gemäß Art. 2 lit. a der Datenschutzkonvention steht der Begriff „personenbezogene Daten" für jede Information über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person („Betroffener"). Danach werden auch Daten erfasst, die keinen spezifischen Bezug zum Privatleben aufweisen.27 Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Datenschutzkonvention hat jede Vertragspartei in ihrem innerstaatlichen Recht die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die in Kapitel II (Art. 4 bis 11) der Datenschutzkonvention aufgestellten Grundsätze für den Datenschutz zu verwirklichen. Mithin steht 22 Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht, Berlin: Duncker & Humblot, 2006, S. 43. 23 Ennulat, Datenschutzrechtliche Verpflichtungen der Gemeinschaftsorgane und –einrichtungen, Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2007, S. 75. 24 In der offiziellen englischen Fassung wird der Zweck der Datenschutzkonvention wie folgt beschrieben: „to secure in the territory of each Party for every individual, whatever his nationality or residence, respect for his rights and fundamental freedoms, and in particular his right to privacy with regard to automatic processing of personal data relating to him“. 25 EGMR, Urteil vom 16. Februar 2000 – 27798/95 (Amann/Schweiz), Rn. 65; EGMR, Urteil vom 4. Mai 2000 – 28341/95 (Rotaru/Rumänien), Rn. 43; EGMR, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 21737/03 (Haralambie/Rumänien), Rn. 77. 26 Paefgen, Der von Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte im Internet, in: von Bogdandy/Peters (Hrsg.), Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Band 259, Berlin: Springer, 2017, S. 174. 27 Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht, Berlin: Duncker & Humblot, 2006, S. 122. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 11 den Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Datenschutzkonvention in nationales Recht ein Interpretations - und Gestaltungsspielraum zu.28 2.2.2. Datenschutzgrundsätze Hinsichtlich des Umgangs mit den in den Anwendungsbereich der Datenschutzkonvention fallenden Daten sehen deren Art. 5, 6 und 8 folgende Grundsätze vor: Gemäß Art. 5 lit. a der Datenschutzkonvention müssen die Daten gerecht und rechtmäßig („fair and lawfully“) erhoben und verarbeitet werden. Die Bestimmung enthält keine Definition der „rechtmäßigen Verarbeitung“. Insoweit kann aber auf die Rechtsprechung des EGMR zur Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK Bezug genommen werden.29 Gemäß Art. 5 lit. b der Datenschutzkonvention dürfen die Daten nur für näher bestimmte und legitime Zwecke gespeichert und nur in Übereinstimmung mit diesen Zwecken genutzt werden. Der jeweilige Zweck muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen vor Aufnahme der Datenverarbeitung festgelegt und bekannt gegeben werden.30 Gemäß Art. 5 lit. c der Datenschutzkonvention müssen die Daten den Zwecken, für die sie gespeichert werden, entsprechen, dafür erheblich sein und dürfen nicht darüber hinausgehen. Danach unterliegt die Datenspeicherung recht strengen Beschränkungen.31 Gemäß Art. 5 lit. d der Datenschutzkonvention dürfen die Daten nur verwendet werden, wenn sie sachlich richtig und – wo erforderlich – auf dem neuesten Stand sind.32 28 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 90, abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 29 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 71, abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 30 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 77, abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 31 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 80, abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 32 Siehe dazu auch Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht, Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 81, abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 12 Gemäß Art. 5 lit. e der Datenschutzkonvention dürfen die Daten nicht länger als für die Zwecke der Datenspeicherung erforderlich in einer Form aufbewahrt werden, die eine persönliche Identifizierung erlaubt. Sobald diese Zwecke erreicht sind, müssen die Daten gelöscht werden.33 Gemäß Art. 6 der Datenschutzkonvention dürfen besonders sensible personenbezogene Daten nur dann automatisch verarbeitet werden, wenn das innerstaatliche Recht einen angemessenen Schutz der Betroffenen gewährleistet. Als besonders sensibel gelten in diesem Zusammenhang Daten, die Rückschlüsse auf die Herkunft („racial origin“), die politische Einstellung, die Religion oder Weltanschauung, den Gesundheitszustand oder das Sexualleben zulassen, sowie Daten zu Vorstrafen. Art. 8 der Datenschutzkonvention sieht ergänzende Vorkehrungen zum Schutz der Betroffenen vor. Nach dieser Vorschrift muss jedermann die Möglichkeit haben, - das Vorhandensein einer automatisierten Datei mit personenbezogenen Daten, ihre Hauptzwecke sowie die Bezeichnung, den gewöhnlichen Aufenthaltsort oder den Sitz des Verantwortlichen für die Datei festzustellen (Art. 8 lit. a); - in angemessenen Zeitabständen und ohne unzumutbare Verzögerung oder übermäßige Kosten die Bestätigung zu erhalten, ob Daten über ihn in einer automatisierten Datei mit personenbezogenen Daten gespeichert sind, sowie zu erwirken, dass ihm diese Daten in verständlicher Form mitgeteilt werden (Art. 8 lit. b); - gegebenenfalls diese Daten berichtigen oder löschen zu lassen, wenn sie entgegen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts verarbeitet worden sind, welche die Grundsätze der Art. 5 und 6 der Datenschutzkonvention verwirklichen (Art. 8 lit. c); - über ein Rechtsmittel zu verfügen, wenn seiner Forderung nach Bestätigung oder gegebenenfalls nach Mitteilung, Berichtigung oder Löschung im Sinne von Art. 8 lit. b und c der Datenschutzkonvention nicht entsprochen wird (Art. 8 lit. d). Art. 9 der Datenschutzkonvention bestimmt in abschließender Weise, wann eine Abweichung von den Art. 5, 6 und 8 der Datenschutzkonvention zulässig ist. Dies ist gemäß Art. 9 Abs. 2 der Datenschutzkonvention zum einen der Fall, wenn eine solche Abweichung durch das Recht der Vertragspartei vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige Maßnahme ist: - zum Schutz der Sicherheit des Staates, der öffentlichen Sicherheit sowie der Währungsinteressen des Staates oder zur Bekämpfung von Straftaten (Art. 9 lit. a); - zum Schutz des Betroffenen oder der Rechte und Freiheiten Dritter (Art. 9 lit. b). 33 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, EGMR & Europarat, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht , Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, S. 82 f., abrufbar unter: http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-handbook-data-protection-law-2nd-ed_de.pdf (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). Zum Bereich des Polizeisektors siehe EGMR, Urteil vom 4. Dezember 2008 - 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper/Vereinigtes Königreich), Rn. 107 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 13 Zum anderen darf die Ausübung der Rechte nach Art. 8 lit. b, c und d der Datenschutzkonvention gemäß Art. 9 Abs. 3 der Datenschutzkonvention durch Gesetz für solche automatisierten Dateien mit personenbezogenen Daten eingeschränkt werden, die Zwecken der Statistik oder der wissenschaftlichen Forschung dienen, wenn offensichtlich keine Gefahr besteht, dass der Persönlichkeitsbereich der Betroffenen beeinträchtigt wird. 2.3. Polizeiempfehlung des Europarates Die Datenschutzkonvention und ihr Zusatzprotokoll wurden im Laufe der Zeit um zahlreiche Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates zur Datenverarbeitung in spezifischen Sektoren ergänzt. Die sogenannte Polizeiempfehlung34 des Europarates bietet den Vertragsstaaten eine konkrete Orientierungshilfe in der Frage, wie sie die Grundsätze der Datenschutzkonvention im Zusammenhang mit der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch Polizeibehörden umsetzen sollen. Es handelt sich um ein Instrument der Rechtsharmonisierung, das der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedarf.35 Die Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend .36 Allerdings können die in den Empfehlungen zum Ausdruck gebrachten Prinzipien nach der Rechtsprechung des EGMR den gemeinsamen europäischen Standard in einem bestimmten Bereich definieren.37 Dementsprechend bezieht sich der EGMR in einigen Entscheidungen ausdrücklich auf die Polizeiempfehlung.38 2.4. Ergebnis Eine auf Art. 17 bis 19 des COP24-Gesetzes gestützte Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe von das Privatleben betreffenden Informationen durch staatliche Behörden kann einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK darstellen. Bereits entschieden hat der EGMR, dass die Aufnahme von Informationen über das Privatleben in ein geheimes Polizeiregister und deren Weitergabe ohne Möglichkeit für den Betroffenen, diese Informationen zu widerlegen, einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens darstellt.39 Ebenso hat der Gerichtshof entschieden, dass 34 Europarat, Ministerkomitee (1987), Empfehlung R(87)15 an die Vertragsstaaten über die Nutzung personenbezogener Daten im Polizeibereich, 17. September 1987, abrufbar unter: https://polis.osce.org/node/4656 (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 35 Paefgen, Der von Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte im Internet, in: von Bogdandy/Peters (Hrsg.), Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Band 259, Berlin: Springer, 2017, S. 175. 36 Cannataci / Caruana, “Consultative Committee of the Convention for the protection of Individuals with regard to automatic processing of personal data, Recommendation R(87)15 – Twenty-five years down the line” vom 18. Februar 2014, T-PD(2013)11, S. 7, abrufbar unter: https://rm.coe.int/consultative-committee-of-the-convention -for-the-protection-of-individ/16806ae16a (zuletzt abgerufen am 26. März 2018). 37 EGMR, Urteil vom 27. März 2008 – 44009/05 (Shtukaturov/Russland), Rn. 95. 38 Siehe beispielsweise EGMR, Urteil vom 27. März 2008 – 44009/05 (Shtukaturov/Russland), Rn. 95; EGMR, Urteil vom 4. Dezember 2008 – 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper/Vereinigtes Königreich), Rn. 42, 103. 39 EGMR, Urteil vom 26. März 1987 – 9248/81 (Leander/Schweden), Rn. 48. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 14 die Erhebung von Fingerabdrücken und genetischen Merkmalen einen solchen Eingriff bedeutet .40 Allerdings spielen bei der Entscheidungsfindung durch den EGMR eine Vielzahl von Erwägungen eine Rolle, etwa der Zusammenhang, in dem die Informationen gesammelt und gespeichert werden, ihre Art und Sensibilität, die Form ihrer Verwendung oder die Folgen, welche der Umgang mit ihnen für den Betroffenen haben kann. Vor diesem Hintergrund kann – mangels Kenntnis davon, welche konkreten Maßnahmen die polnischen Behörden unter Berufung auf Art. 17 bis 19 des COP24-Gesetzes treffen werden – im Rahmen dieses Sachstandes nicht abschließend beurteilt werden, ob solche Maßnahmen in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK eingreifen werden. Ebenso wenig kann im Rahmen dieses Sachstandes abschließend beurteilt werden, inwieweit etwaige Eingriffe in den Schutzbereich gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt wären: Zwar dürften Art. 17 bis 19 des COP24-Gesetzes in Anbetracht ihres recht klaren Wortlauts die an eine gesetzliche Eingriffsgrundlage gestellten Anforderungen erfüllen. Auch dürfte davon auszugehen sein, dass die mit Art. 17 bis 19 des COP24-Gesetzes verfolgten Ziele als legitim gelten. Denn nach dem Wortlaut von Art. 17 und 18 des COP24-Gesetzes dienen die der Polizei eingeräumten Befugnisse – wie durch Art. 8 Abs. 2 EMRK und Art. 9 Abs. 2 lit. a der Datenschutzkonvention zugelassen – der Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung , der Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie der Aufdeckung und Verfolgung der Täter. Jedoch entzieht sich die Frage, inwieweit etwaige auf Grundlage der Art. 17 bis 19 des COP24- Gesetzes ergriffene Maßnahmen verhältnismäßig wären, zum jetzigen Zeitpunkt einer abschliessenden Beantwortung. Die in diesem Zusammenhang anzustellende Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens und den gegenläufig zu berücksichtigenden Belangen kann nur in Kenntnis der betreffenden Maßnahmen und der konkreten Umstände des Einzelfalles erfolgen. Festzustellen ist allerdings, dass Art. 17 bis 19 des COP24-Gesetzes einige Vorkehrungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der auf ihrer Grundlage ergriffenen Maßnahmen enthalten: So bindet Art. 18 des COP24-Gesetzes die durch ihn eingeräumten Befugnisse nicht nur an die Beachtung des polnischen Polizeigesetzes, des polnischen Datenschutzgesetzes und des polnischen Verschlusssachengesetzes, sondern auch an die Befolgung derjenigen internationalen Abkommen , denen die Republik Polen beigetreten ist. Zu diesen zählen insbesondere die EMRK und die Datenschutzkonvention des Europarates. Darüber hinaus sieht Art. 19 des COP24-Gesetzes eine enge zeitliche Begrenzung der durch Art. 17 Abs. 1 des COP24-Gesetzes eingeräumten Datenverarbeitungsbefugnisse sowie die anschließende Vernichtung der verarbeiteten Daten vor. 40 EGMR, Urteil vom 4. Dezember 2008 – 30562/04 und 30566/04 (S. und Marper/Vereinigtes Königreich), Rn. 103. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 15 3. Versammlungsfreiheit gemäß Art. 11 EMRK Nach Art. 11 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln . Gemäß Art. 11 Abs. 2 EMRK darf die Ausübung dieses Rechts nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. 3.1. Schutzbereich Ob eine Versammlung im Sinne des Art. 11 EMRK vorliegt, richtet sich nicht nach dem Recht des jeweilig betroffenen Vertragsstaates, sondern wird durch den EGMR autonom bestimmt.41 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Versammlung eine Zusammenkunft mehrerer Personen 42 mit dem Ziel der Teilnahme an einem kommunikativen Prozess.43 In persönlicher Hinsicht sind sowohl die Veranstalter als auch die Teilnehmer geschützt.44 Diese müssen keine einheitliche Meinung ausdrücken, auch ein kontroverser Austausch fällt in den Schutzbereich des Art. 11 EMRK.45 In sachlicher Hinsicht umfasst der Schutzbereich des Art. 11 EMRK die Bestimmung von Zeitpunkt , Ort und Modalitäten der Versammlung.46 Geschützt sind sowohl private Versammlungen als auch Versammlungen auf öffentlichen Verkehrsflächen, seien sie auf einen bestimmten Ort beschränkt oder als Demonstrationszug angelegt.47 Wie sich schon aus dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 EMRK ergibt, fallen nur friedliche Versammlungen in seinen Schutzbereich. Nicht geschützt sind demnach Versammlungen, deren Veranstalter und Teilnehmer gewalttätige Absichten haben.48 Die Beweislast für das Vorliegen gewalttätiger Absichten liegt bei den staatlichen Behörden .49 Werden allerdings von Extremisten, die sich unter die Teilnehmer einer Versammlung gemischt haben, sporadische Gewalt oder sonstige Straftaten verübt, nimmt dies den friedlichen 41 EGMR, Urteil vom 6. Dezember 2011 – 3049/08 (Poitevin u.a./Frankreich), Rn. 47. 42 EGMR, Urteil vom 12. Juni 2012 – 26005/08 (Tatar/Ungarn), Rn. 29. 43 EGMR, Urteil vom 12. Juni 2012 – 26005/08 (Tatar/Ungarn), Rn. 38. 44 EGMR, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 26818/11 (Stowarzyszenie „Poznanska Masa Krytyczna“/Polen), Rn. 32. 45 EGMR, Urteil vom 12. Juni 2012 – 26005/08 (Tatar/Ungarn), Rn. 38. 46 EGMR, Urteil vom 27. November 2012 – 58050/08 (Saska/Ungarn), Rn. 21. 47 EGMR, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 26818/11 (Stowarzyszenie „Poznanska Masa Krytyczna“/Polen), Rn. 32. 48 EGMR, Urteil vom 12. Juni 2014 – 17391/06 (Primov/Russland), Rn. 155. 49 EGMR, Urteil vom 2. Februar 2010 – 25196/04 (Christian Democratic People’s Party/Republik Moldau) Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 16 Versammlungsteilnehmern nicht den Schutz des Art. 11 EMRK.50 Auch fällt eine Versammlung nicht schon dann aus dem Anwendungsbereich des Art. 11 EMRK heraus, wenn die Gefahr besteht , dass sie zu Unruhen führt, weil die Ereignisse der Kontrolle der Veranstalter entgleiten.51 3.2. Eingriff in den Schutzbereich Die Möglichkeiten eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 11 EMRK sind vielgestaltig. Das Spektrum reicht von Beschränkungen bei der Durchführung einer Versammlung über die Auflösung einer Versammlung bis hin zu speziellen oder generellen Versammlungsverboten. 3.3. Eingriffsrechtfertigung Gemäß Art. 11 Abs. 2 S. 1 EMRK darf die Ausübung der in Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährten Rechte grundsätzlich nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig für die Verfolgung näher genannter legitimer Ziele sind. In Ausnahme davon bestimmt Art. 11 Abs. 2 S. 2 EMRK, dass Art. 11 EMRK rechtmäßigen Einschränkungen für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung nicht entgegensteht. 3.3.1. Gesetzliche Grundlage Wie bereits zu Art. 8 EMRK dargelegt, ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 11 EMRK „gesetzlich vorgesehen“, wenn er sich auf eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts stützen kann,52 die den betroffenen Personen zugänglich und so präzise formuliert ist, dass es ihnen – notfalls unter Einholung angemessenen Rechtsrats – in vernünftigem Maß möglich ist, die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns vorherzusehen.53 3.3.2. Legitimes Ziel Art. 11 Abs. 2 EMRK benennt als legitime Ziele die nationale oder öffentliche Sicherheit, die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verhütung von Straftaten, den Schutz der Gesundheit und der Moral sowie den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.54 50 EGMR, Urteil vom 12. Juni 2014 – 17391/06 (Primov/Russland), Rn. 155; Urteil vom 2. Februar 2010 – 25196/04 (Christian Democratic People’s Party/Republik Moldau) Rn. 23. 51 EGMR, Urteil vom 18. Juni 2013 – 8029/07 (Gün u.a./Türkei), Rn. 50. 52 In EGMR, Urteil vom 3. Mai 2007 – 1543/06 (Baczkowski u.a./Polen), Rn. 70 f. wurde dies mit der Begründung verneint, bereits die innerstaatlichen Kontrollinstanzen seien davon ausgegangen, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht von den zu Grunde gelegten Regelungen gedeckt waren. 53 EGMR, Urteil vom 11. April 2013 – 20372/11 (Vyerentsov/Ukraine), Rn. 52 m. w. N.; Urteil vom 18. Juni 2013 – 8029/07 (Gün/Türkei), Rn. 57. 54 Grabenwarter / Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, München: Beck, 6. Auflage 2016, § 23 Rn. 72 m. N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 17 3.3.3. Notwendigkeit Wie bei Art. 8 EMRK ist ein Eingriff in den Schutzbereich auch im Sinne des Art. 11 EMRK „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“, wenn er einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht.55 Da die Versammlungsfreiheit einen Grundpfeiler der Demokratie darstellt, können nach der Rechtsprechung des EGMR nur wirklich überzeugende und zwingende Gründe („truly convincing and most compelling reasons“) einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit rechtfertigen.56 Hinsichtlich der Beurteilung, ob ein dringendes soziales Bedürfnis existiert, steht den Vertragsstaaten nur ein eingeschränkter Spielraum zu. Der EGMR übt insoweit eine dichte Kontrolle aus und überprüft die zur Rechtfertigung eines Eingriffs vorgebrachten Argumente sowie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Licht sämtlicher Umstände des Einzelfalles.57 Versammlungsverbote werden an besonders strengen Maßstäben gemessen, da sie die stärkste Einschränkung der Versammlungsfreiheit darstellen.58 Ein generelles Versammlungsverbot kann nur gerechtfertigt sein, wenn die ernste Gefahr besteht, dass bestimmte Versammlungen eine schwere Störung der öffentlichen Ordnung zur Folge haben werden, die nicht mit anderen, weniger einschneidenden Mitteln verhindert werden kann.59 Dabei haben die staatlichen Behörden auch zu berücksichtigen, wie sich das Verbot auf Versammlungen auswirkt, die keine Gefahr für die öffentliche Ordnung begründen: Steht es dem Abhalten solcher Versammlungen entgegen, kann es nur gerechtfertigt sein, wenn dieser Umstand klar durch andere Sicherheitserwägungen überwogen wird und wenn die Durchführung ordnungsgemäßer Versammlungen nicht durch eine örtliche und zeitliche Eingrenzung des Verbots ermöglicht werden kann.60 Soweit ersichtlich , hat der EGMR bislang nicht ausdrücklich über ein generelles Verbot von Spontanversammlungen entschieden. Eine mit der mangelnden Anmeldung begründete Auflösung einer Versammlung kann unverhältnismäßig sein.61 Indes ist dies nicht zwingend.62 Vielmehr kann sich das Recht, eine Ver- 55 Arndt / Engels in: Karpenstein / Mayer, EMRK, München: Beck, 2. Aufl. 2015, Art. 11 Rn. 15. 56 EGMR, Urteil vom 2. Oktober 2012 – 1484/07 (Kakabadze u.a./Georgien), Rn. 87. 57 EGMR, Urteil vom 2. Oktober 2001 – 29221/95 und 29225/95 (Stankov u.a./Bulgarien), Rn. 87. 58 EGMR, Urteil vom 26. Juli 2007 – 10519/09 (Barankevich/Russland), Rn. 33. 59 EKMR, Entscheidung vom 16. Juli 1980 – 8440/78 (Christians against Racism and Facism/Vereinigtes Königreich ), DR 21, 138 (150); EGMR, Urteil vom 18. Juni 2013 - 8029/07 (Gün u.a./Türkei), Rn. 50. 60 EKMR, Entscheidung vom 16. Juli 1980 – 8440/78 (Christians against Racism and Facism/Vereinigtes Königreich ), DR 21, 138 (150); EGMR, Urteil vom 18. Juni 2013 - 8029/07 (Gün u.a./Türkei), Rn. 50. 61 EGMR, Urteil vom 15. Oktober 2015 – 37553/05 (Kudrevicius/Litauen), Rn. 152; Urteil vom 17. Juli 2007 – 25691/04 (Bukta/Ungarn), Rn. 35 f. m. w. N. 62 EGMR, Urteil vom 7. Oktober 2008 – 10346/05 (Éva Molnár/Ungarn), Rn. 37; Entscheidung vom 7. Juli 2009 – 10659/03 (Skiba/Polen); Urteil vom 15. Oktober 2015 – 37553/05 (Kudrevicius/Litauen), Rn. 153. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 18 sammlung abzuhalten, nur unter bestimmten Umständen gegenüber bestehenden Anmeldepflichten durchsetzen, nämlich insbesondere dann, wenn eine unmittelbare Reaktion auf ein aktuelles Ereignis in Form einer Versammlung erforderlich ist,63 weil ein zeitlicher Aufschub den Zweck der Versammlung vereiteln würde.64 Um zu vermeiden, dass die Gewährleistung des Art. 11 EMRK jeglicher Substanz beraubt wird, sind die staatlichen Behörden in solchen Fällen gehalten, ein gewisses Maß an Toleranz gegenüber friedlichen Versammlungen zu zeigen.65 Gleichwohl darf eine spontane Versammlung aufgelöst werden, wenn sie in Ausschreitungen ausartet.66 3.4. Ergebnis Wie eingangs dargelegt, ist es gemäß Art. 22 des COP24-Gesetzes verboten, in Katowice in der Zeit von 0.00 Uhr am 26. November 2018 bis 23.59 Uhr am 16. Dezember 2018 an spontanen Versammlungen nach Art. 3 Abs. 2 des polnischen Versammlungsgesetzes teilzunehmen. Trotz der zeitlichen und örtlichen Begrenzung dieses Verbots und seiner Beschränkung auf Spontanversammlungen spricht einiges dafür, etwaige mit einem Verstoß dagegen begründete Maßnahmen der polnischen Behörden (Platzverweise, Ingewahrsamnahmen, Versammlungsauflösungen , strafrechtliche Schritte etc.) als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 11 EMRK anzusehen. Wie bereits zu Art. 8 EMRK ausgeführt, kann in Unkenntnis der konkreten Einzelfallumstände nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern solche Maßnahmen als „notwendig“ im Sinne des Art. 11 Abs. 2 EMRK anzusehen wären. Im Rahmen des vorliegenden Sachstandes kann lediglich Folgendes ausgeführt werden: In Anbetracht des klaren Wortlauts des Art. 22 des COP24-Gesetzes dürften die vom EGMR an eine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 11 Abs. 2 EMRK gestellten Voraussetzungen erfüllt sein. Inwieweit etwaige behördliche Maßnahmen ein legitimes Ziel verfolgen würden, erscheint fraglich . Denn anders als Art. 17 bis 19 des COP24-Gesetzes enthält Art. 22 des COP24-Gesetzes keine Erläuterung seiner Zielsetzung und es liegt auch nicht ohne Weiteres auf der Hand, dass das angeordnete Verbot der Verfolgung eines der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dient. Sollten aktuelle Ereignisse nach einer spontanen Versammlung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 des polnischen Versammlungsgesetzes in Katowice im Zeitraum vom 26. November 2018 bis zum 16. Dezember 2018 verlangen, könnte bei Beachtung von Art. 22 des COP24-Gesetzes von der 63 EGMR, Urteil vom 17. Juli 2007 – 25691/04 (Bukta/Ungarn), Rn. 35 f. m. w. N.; Urteil vom 7. Oktober 2008 – 10346/05 (Éva Molnár/Ungarn), Rn. 36; Urteil vom 18. Juni 2013 – 8029/07 (Gün/Türkei), Rn. 57; Urteil vom 15. Oktober 2015 – 37553/05 (Kudrevicius/Litauen), Rn. 153. 64 EGMR, Urteil vom 7. Oktober 2008 – 10346/05 (Éva Molnár/Ungarn), Rn. 37; Urteil vom 15. Oktober 2015 – 37553/05 (Kudrevicius/Litauen), Rn. 153. 65 EGMR, Urteil vom 5. Dezember 2006 – 74552/01 (Oya Ataman/Türkei), Rn. 42; Urteil vom 17. Juli 2007 – 25691/04 (Bukta/Ungarn), Rn. 37; Urteil vom 7. Oktober 2008 – 10346/05 (Éva Molnár/Ungarn), Rn. 36. 66 EGMR, Urteil vom 12. Juni 2014 – 17391/06 (Primov/Russland), Rn. 137; Urteil vom 15. Oktober 2015 – 37553/05 (Kudrevicius/Litauen), Rn. 154. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 020/18 Seite 19 durch Art. 11 EMRK gewährleisteten Versammlungsfreiheit kein effektiver Gebrauch gemacht werden. Würde in einer solchen Situation eine gemäß Art. 22 des COP24-Gesetzes verbotene spontane Versammlung abgehalten, spräche einiges dafür, etwaige mit einem Verstoß gegen Art. 22 des COP24-Gesetzes begründete Maßnahmen der polnischen Behörden jedenfalls dann nicht als verhältnismäßig anzusehen, wenn keine Ausschreitungen drohen und auch keine sonstigen überwiegenden Belange der Durchführung der Versammlung entgegenstehen. ***