© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 019/16 Digitalisierung und Demokratisierung in Subsahara-Afrika Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 2 Digitalisierung und Demokratisierung in Subsahara-Afrika Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 019/16 Abschluss der Arbeit: 8. Februar 2016 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Chancen und Risiken der Digitalisierung in Subsahara- Afrika 4 3. Weiterführende Literatur 7 3.1. Zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Demokratisierung in Afrika 7 3.2. Zum Einfluss der Digitalisierung auf die Demokratisierungsbewegungen des „arabischen Frühlings“ 7 3.3. Zur Rolle der Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 4 1. Einführung In Subsahara-Afrika hat die Digitalisierung, d.h. Verbreitung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), in den letzten Jahren eine steile Entwicklung durchlaufen.1 Zwar ist die Zahl der stationären IKT-Geräte nur moderat angestiegen, jedoch hat sich Nutzung mobiler IKT-Geräte rasant verbreitet. Im Hinblick darauf, dass die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten bei der Kommunikation mit anderen Individuen, gesellschaftlichen Gruppierungen und staatlichen Stellen, bei der Beschaffung von Informationen aus aller Welt und bei der Partizipation an der öffentlichen Meinungsbildung bietet, haben sich in jüngerer Zeit etliche Veröffentlichungen mit der Frage auseinandergesetzt, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die demokratische Entwicklung in Subsahara-Afrika hat. Die vorliegende Dokumentation wertet exemplarisch2 eine dieser Veröffentlichungen aus (2.) und bietet eine Übersicht über weiterführende Literatur zu dem genannten und mit ihm verwandten Themen (3.). 2. Chancen und Risiken der Digitalisierung in Subsahara-Afrika Etliche Veröffentlichungen deuten darauf hin, dass die Digitalisierung in Subsahara-Afrika einerseits erhebliches Potential hat, die Demokratieentwicklung zu stärken, andererseits aber auch Risiken mit sich bringt, die zu einer Schwächung der demokratischen Entwicklung beitragen können. Markus Brauckmann legt in einem im Jahr 2011 erschienenen Beitrag in den KAS-Auslandsinformationen anhand etlicher Beispiele dar, welche positiven Effekte die Digitalisierung auf die Unabhängigkeit der Medienberichterstattung, die Vielfalt der öffentlichen Meinung und die Wirksamkeit oppositioneller Parteiarbeit haben kann:3 In Ostafrika helfe das von der Organisation Mobileactive entwickelte web-basierte Instrument „Mobile Phone Toolkit‟ Reportern/-innen, ihre mit Hilfe von Mobilfunkgeräten erstellten Interviews oder Beiträge zur entsprechenden Radiostation zu übertragen oder mit anderen zu teilen und mit den Hörern in einen Dialog zu treten. In Mosambik habe die demokratische Oppositionspartei MDM ca. 10.000 Bürger/-innen per SMS kontaktiert, nachdem sie in den staatlich kontrollierten Massenmedien nicht erwähnt worden sei. In Namibia habe die Oppositionspartei RDP (Rally for Democracy and Progress) die Einladungen zu ihren Treffen und Versammlungen fast ausschließlich per SMS verschickt. 1 Siehe Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Dokumentation vom 13. Juli 2012, Zum Stand der digitalen Entwicklung in Afrika, WD 2 – 3000 – 081/12. 2 Auf eine Auswertung der übrigen Veröffentlichungen wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Auftraggebers verzichtet . 3 Markus Brauckmann, Richtig verbunden? Das Handy und die Demokratisierung in Subsahara-Afrika, in: KAS- Auslandsinformationen 11/2011, S. 6 – 24 (12 ff.), abrufbar unter http://www.kas.de/wf/doc/kas_5231-1442-1- 30.pdf?111129100559 (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 5 In der Demokratischen Republik Kongo sei auf einer regionalen Wahlkampf-Konferenz Freude darüber ausgedrückt worden, die Bürger/-innen trotz des notorisch schlechten Straßennetzes mit Hilfe der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten erreichen können. In Kenia hätten die Bürger/-innen die Chance erhalten, der Präsidentschaftskandidatin Martha Karua per Twitter und Facebook persönlich Fragen zu stellen. Dadurch sei eine bislang nicht gekannte Nähe zwischen Politik und Gesellschaft entstanden und die politische Kommunikation aus der Sphäre der Eliten herausgetragen worden. In Nigeria habe das US-amerikanische National Democratic Institute (NDI) bei den Wahlen im Frühjahr 2011 im Rahmen der „Operation Swift Count‟ 7.000 stationäre und rund 1.000 mobile Beobachter/-innen eingesetzt, die per Mobiltelefon verschlüsselte SMS-Mitteilungen an ein speziell eingerichtetes nationales Informationszentrum geschickt hätten. Ziel sei es gewesen, in Echtzeit ein umfassendes Bild über die Wahlen zu gewinnen, Manipulationen sichtbar zu machen und das Vertrauen in den demokratischen Wahlprozess zu stärken. In Tansania sei im Januar 2011 mit Hilfe selbst gedrehter und geschnittener Mobilfunkvideos dokumentiert worden, wie eine genehmigte Demonstration gegen die Manipulation der Bürgermeisterwahlen in der Stadt Arusha aufgelöst und etliche Teilnehmer/-innen Opfer der Gewalt von Sicherheitskräften geworden seien. In Südafrika - habe Präsident Jacob Zuma im Vorfeld einer „State of the Union‟-Ansprache dazu aufgerufen , ihm per Twitter Themenvorschläge zu schicken und die populärsten in seine Rede eingebaut, - hätten die Bürger/-innen bei den Kommunalwahlen im Mai 2011 per Kurzmitteilung an eine Zentralnummer die Daten ihrer persönlichen Registrierung überprüfen können, - habe das Startup-Unternehmen MXit, über das täglich bis zu 350 Milllionen Mitteilungen versandt würden, in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen dazu aufgerufen, das demokratische Stimmrecht bei den Kommunalwahlen 2011 wahrzunehmen, - vernetzten sich die Journalisten/-innen der ältesten unabhängigen Tageszeitung (Grocott’s Mail aus Grahamstown) im Rahmen des Bürgerjournalismus-Projekts „Indaba Ziyafika‟ eng mit der Bevölkerung, um zusätzliche Geschichten zu generieren bzw. zusätzliche Stimmen, Fotos und Informationen zu bereits vorhandenen Geschichten zu gewinnen, - diskutiere die Opposition – als Zeichen für aussagekräftige Partizipation und Wertschätzung der Basis – darüber, ob die Anhängerschaft künftig per Mobilfunkabstimmung den Ort der zentralen Wahlkampf-Abschlussveranstaltung bestimmen soll, - arbeite die Praekelt Foundation an einem Projekt namens „M-Dem‟ (kurz für: mobile Demokratie ), das demokratischen Akteuren in ganz Subsahara-Afrika kostenfrei zur Verfügung gestellt werden solle; mit diesem könnten Aktivitäten wie Mitgliederwerbung und - registrierung, Aufbau von Datenbanken, zielgruppengenauer SMS-Versand, Ankündigungen von Veranstaltungen, Durchführen von Umfragen, Verbreiten von Nachrichten, Führen von Diskussionen und vieles mehr über Mobilfunkgeräte entfaltet werden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 6 Erste politische Akteure aus Subsahara-Afrika dächten ernsthaft darüber nach, eine „Tele-Townhall ‟ nach US-amerikanischem Vorbild einzuführen. Dieses Format biete eine Mischung aus dezentraler , aber dennoch interaktiver Bürgerversammlung und Telefonkonferenz, bei der Spitzenkandidaten Fragen von Bürgern/-innen beantworten. Brauckmann erläutert ferner, die positiven Wirkungen der Digitalisierung stünden nicht selten unter dem Vorbehalt, dass sie von den Herrschenden zugelassen werden.4 Diese regulierten in vielen Teilen Subsahara-Afrikas den virtuellen öffentlichen Raum und allzu unbequeme Stimmen würden bisweilen zum Verstummen gebracht. So sei in Kamerun im Jahr 2010 Twitter gesperrt worden, als Präsident Paul Biya mit online geäußertem Widerstand konfrontiert worden sei. Ferner sei dem führenden Mobilfunkbetreiber von Simbabwe (Econet Wireless) mit der Schließung gedroht worden, weil er der Partei MDC (Movement for Democratic Change) angeblich die Benutzung gebührenfreier SMS-Dienste erlaubt habe. Schließlich weist Brauckmann auf die Risiken der Digitalisierung für die Demokratisierung hin.5 Zum einen seien spezialisierte Unternehmen in der Lage, tief in den Datennetzen nach vertraulichen Daten zu suchen und diese bei Bedarf nichtdemokratischen Regimen zur Verfügung zu stellen . So sei im Februar 2011 aus Simbabwe berichtet worden, dass 46 Facebook-Nutzer/-innen verhaftet worden seien, weil sie einen „ägyptischen Weg“ propagiert hätten. Zum anderen machten sich die Herrschenden selbst die Vorteile der Digitalisierung zu eigen. So sei etwa Ruandas Präsident Paul Kagame ausgesprochen aktiv auf Facebook und Twitter. Überdies berge die zunehmende Zahl der an der Meinungsbildung beteiligten Akteure und das rapide gestiegene Tempo des Informationsaustauschs die Gefahr, dass Gerüchte bzw. falsche Tatsachenmeldungen allgemeine Verunsicherung hervorrufen. Ein Beispiel hierfür sei das – unzutreffende – Gerücht von Nelson Mandelas Tod, das sich im Januar 2011 rasant in Südafrika verbreitet habe. Schließlich könne eine unzureichende Kontrolle der mobilen Digitalsphäre sogenannte „hate speeches“ – eine Kombination aus Gerüchten, Mutmaßungen, historischen Halbwahrheiten und Beleidigungen – befördern. So seien etwa die fremdenfeindlichen Übergriffe in Südafrika im Jahr 2008 in Zusammenhang mit entsprechenden Äußerungen im Internet gebracht worden. Nach Brauckmanns Auffassung hat der technologische Fortschritt als solcher nicht zwingend positive Auswirkungen auf die Demokratisierung in Subsahara-Afrika. Entscheidend seien vielmehr die Inhalte, die mit den Mitteln der Digitalisierung verbreitet würden.6 4 Markus Brauckmann (Fn. 3) S. 20 f. 5 Markus Brauckmann (Fn. 3) S. 21 f. 6 Markus Brauckmann (Fn. 3) S. 23. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 7 3. Weiterführende Literatur 3.1. Zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Demokratisierung in Afrika Auswärtiges Amt, Mitteilung vom 9. Februar 2016 zu Erkenntnisse über den Einfluss sozialer Medien auf den Demokratisierungsprozess in den Ländern Südafrika, Botsuana, Simbabwe, Malawi und Mosambik, im Volltext als Pdf-Datei beigefügt. Michael Bratton, Briefing: Citizens and cell phones in Africa, in: African affairs - the journal of the Royal African Society, 2013, S. 304 – 319 (Volume 112 Issue 447), abrufbar unter http://dx.doi.org/10.1093/afraf/adt004 (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Alexandra Dobra, The Democratic Impact of ICT in Africa, Africa Spectrum 1/2012, S. 73 – 88, im Volltext als Pdf-Datei beigefügt. Christian Echle, #Neueakteure, #Alteprobleme - Wie die digitale Sphäre den Informationsprozess und die Medienlandschaft in Afrika verändert, in: KAS-Auslandsinformationen 8/2015, S. 6 – 20, abrufbar unter http://www.kas.de/wf/doc/kas_42449-544-1-30.pdf?150908114720 (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Brendan Vickers / Blanca Peña-Méndez, Mobile technology and trade in sub-Saharan Africa, in: Trade Division of the Commonwealth Secretariat, Commonwealth Trade Hot Topics, Year 2015 Issue 123, abrufbar unter http://dx.doi.org/10.14217/5jrp3ppjqns6-en (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Aletta H. Janse van Rensburg, Using the Internet for Democracy: A Study of South Africa, Kenya and Zambia, Global Media Journal - African Edition 2012 (Volume 6 Number 1), S. 93 – 117, abrufbar unter http://globalmedia.journals.ac.za/pub/article/view/84 (letzter Abruf am 8. Februar 2016). 3.2. Zum Einfluss der Digitalisierung auf die Demokratisierungsbewegungen des „arabischen Frühlings“ Anita Breuer, The role of social media in mobilizing political protest: evidence from the Tunisian revolution, Bonn: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik gGmbH, 2012, abrufbar unter https://www.die-gdi.de/uploads/media/DP_10.2012.pdf (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Thomas Demmelhuber, Neue Medien, Protest und politische Veränderung im Nahen Osten: Überlegungen am Beispiel des Arabischen Frühlings, in: Marianne Kneuer (Hrsg.), Das Internet: Bereicherung oder Stressfaktor für die Demokratie?, Baden-Baden : Nomos, 2013, S. 227 – 247, im Volltext als pfd-Datei beigefügt. Albrecht Hofheinz, Soziale Medien im Arabischen Frühling, in: Der Arabische Frühling: Hintergründe und Analysen / Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.), Wiesbaden: Springer, 2013, S. 117 - 125, online abrufbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-01174-1_7 (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 - 3000 - 019/16 Seite 8 Carola Richter, Mythos und Wirklichkeit der "Facebook-Revolutionen" im Nahen Osten, in Karlheinz Sonntag (Hrsg.): E-Protest: neue soziale Bewegungen und Revolutionen, Univ.-Verl. Winter, 2013, S. 37 – 54, im Volltext als pfd-Datei beigefügt. Markus Sabadello, The Role of New Media for the Democratization Processes in The Arab World, in: Zsolt Sereghy ... (Hrsg.), The Arab revolutions: reflections on the role of civil society, human rights and new media in the transformation processes, Stadtschlaining: Schlaininger Arbeitspapiere für Friedensforschung, Abrüstung und nachhaltige Entwicklung, 2012, S. 11 – 19, online abrufbar unter http://www.friedensburg.at/uploads/files/safran09.pdf (letzter Abruf am 8. Februar 2016). Volker Wulf / Marén Schorch: Digitale Medien: neue Wege politischer Partizipation? Web 2.0 und Social Media in der tunesischen Revolution, in: Ulrike Davy ... (Hrsg.), Demokratie morgen: Überlegungen aus Wissenschaft und Politik, Bielefeld: Transcript, 2013, S. 71 – 91, im Volltext als pfd-Datei beigefügt. 3.3. Zur Rolle der Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand vom 18. Juni 2012, Zu Fragen der IKT und der Digitalisierung in Entwicklungsländern, WD 5 – 3000 – 088/12. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bericht zur Bedeutung der Digitalisierung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit vom 16. September 2015, im Volltext als pfd-Datei beigefügt. Ende der Bearbeitung