AUSARBEITUNG Thema: Aspekte des Völkerrechts im Zusammenhang mit dem Umgang mit Gefangenen Fachbereich II Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Verfasser: Abschluss der Arbeit: 14. Februar 2006 Reg.-Nr.: WF II - 018/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Rechtliche Grundlagen 3 1.1. Schutzvorschriften des Internationalen Rechts 3 1.2. Schutzvorschriften des deutschen Rechts 4 1.2.1. Grundgesetz 4 1.2.2. Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung 7 1.2.3. Völkerstrafgesetzbuch 7 1.2.4. Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) 8 1.3. Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen 8 2. Verfahrensfragen 9 2.1. Geltung und Anwendbarkeit von Normen 9 2.1.1. Völkerstrafrecht 9 2.1.2. Nationaler Verfahrensgang 10 2.2. Beweislast 12 2.3. Beweiserhebung und -verwertung 12 3. Haftung des Staates 14 3.1. Nationales Recht 14 3.2. Internationales Recht 15 3.2.1. Internationaler Gerichthof (IGH) 15 3.2.2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 16 3.2.3. Individualbeschwerde vor dem VN-Menschenrechtsausschuss 16 3.2.4. Internationaler Strafgerichtshof 17 4. Literaturangaben 18 - 3 - 1. Rechtliche Grundlagen Natürliche Personen stehen grundsätzlich unter der personellen Hoheitsgewalt ihres Nationalstaates sowie der territorialen Hoheitsgewalt des Staates, auf dessen Territorium sie sich gegenwärtig befinden. Diese Zuordnung entspricht dem Grundsatz, dass nur die völkerrechtlich verbrieften Rechte im konkreten Einzelfall zur Anwendung kommen , die personell, territorial und zeitlich einschlägig sind.1 Die Kollision verschiedener Rechtsvorschriften ist dabei nicht ausgeschlossen. Im Folgenden werden die von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Regelungen des Völkervertragsrechts, die den Schutz der darin enthaltenen Menschenrechte garantieren, sowie entsprechende deutsche Regelungen auszugsweise wiedergegeben: 1.1. Schutzvorschriften des Internationalen Rechts - Art. 5 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 19482 lautet: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“. Daneben werden der Anspruch auf Rechtsschutz (Art. 8), der Schutz vor willkürlicher Festnahme und Inhaftierung (Art. 9) und der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 10) garantiert. - Das „Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ vom 12. August 1949 sichert den im Verlaufe eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konflikts gefangen genommenen Personen u. a. den Schutz vor Folter und Misshandlung zu (Art. 3).3 - Die europäische „Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)“ vom 4. November 1950 verbietet Folter (Art. 3) und sichert umfassende Rechte z.B. auf ein faires Verfahren (Art. 6) zu.4 - Art. 7 des „Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbp R)“ vom 19. Dezember 1966 verbietet die Folter. Gemäß Art. 14 hat jedermann das Recht auf ein faires Verfahren. Darüber hinaus gewährleistet Art. 9 den Schutz vor 1 Heintschel von Heinegg, S. 491 Rz. 1031. 2 VN-Generalversammlung, Res. 217 (III). Sie hat, wie alle Beschlüsse der Generalversammlung, lediglich empfehlenden Charakter und entfaltet daher keine völkerrechtlich verbindliche Rechtswirkung . 3 BGBl. 1954 II, S. 838. 4 BGBl. 1952 II, S. 685, 953 (i.d.F. vom 11. Mai 1994, BGBl. 2002 II, S. 1054). - 4 - willkürlicher Festnahme und Inhaftierung sowie den Anspruch auf richterliches Gehör. Das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung bei Freiheitsentzug und während einer Inhaftierung regelt Art. 10.5 - Art. 1 des „Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ vom 10. Dezember 1984 (Anti- Folterkonvention der VN) verbietet die Folter und Art. 16 die grausame, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung, die keine Folter i.S.v. Art. 1 ist.6 Art. 2 Abs. 2 bestimmt zudem: „Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art (…) dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden.“ In Art. 15 heißt es: „Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass Aussagen, die nachweislich durch Folter herbeigeführt worden sind, nicht als Beweis in einem Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen eine der Folter angeklagte Person als Beweis dafür, dass die Aussage gemacht wurde.“ - Schließlich ist auch nach dem „Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ vom 26. November 1987 die Folter verboten.7 1.2. Schutzvorschriften des deutschen Rechts 1.2.1. Grundgesetz - Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert in Art. 1 Abs. 1 die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Daraus ergibt sich, dass die menschliche Würde „unmenschliche, erniedrigende Strafen“ verbietet. Der Vollzug einer Freiheitsstrafe muss daher die „grundlegenden Voraussetzungen individueller Existenz des Menschen wahren“.8 - Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 des Grundgesetzes bestimmt: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ Dabei handelt es sich nicht nur um ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen staatliche Eingriffe. Das 5 BGBl. 1973 II, S. 1534. Dieser bildet gemeinsam mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als Grundlage des VN-Menschenrechtssystems die sog. International Bill of Rights. 6 BGBl. 1990 II, S. 246. 7 BGBl. 1989 II, S. 946 (i.d.F. v. 4. November 1993, BGBl. 1996 II, S. 1115). 8 BVerfGE 45, 187 (228); Herdegen, in: Maunz / Dürig, Art. 1 Rz. 91. - 5 - Grundrecht verpflichtet auch die staatlichen Organe, sich schützend vor die genannten Rechtsgüter zu stellen. Träger dieser Grundrechte ist grundsätzlich jeder Mensch, so dass die deutsche Staatsbürgerschaft nicht entscheidend ist. Diese ist aber Voraussetzung für die Gewährung diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat bei Bedrohungen oder Verletzungen im Ausland. Nach der klassischen Definition gelten als diplomatischer Schutz alle Handlungen, mittels deren sich ein Staat aus eigenem Recht für seinen geschädigten Staatsangehörigen einsetzt, wenn er der Ansicht ist, dass die Mindestnormen im Völkerrecht zuungunsten seiner Staatsangehörigen verletzt wurden. Voraussetzung für die Ausübung des diplomatischen Schutzes ist in aller Regel auch die Erschöpfung des nationalen Instanzenzuges durch den betroffenen Staatsbürger im angeschuldigten Staat. Ein Rechtsanspruch auf Ausübung des diplomatischen Schutzes besteht nicht. In Deutschland wird jedoch eine Pflicht der Regierung, diplomatischen Schutz zu gewähren, u.a. aus der Verfassungstradition hergeleitet.9 Umstritten ist dabei, inwieweit dieser objektiv rechtlichen Pflicht des Staates ein subjektives öffentliches Recht der deutschen Staatsangehörigen auf Schutzgewährung korrespondiert. Die überwiegende Auffassung erkennt dem deutschen Staatsangehörigen nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung des Staates bei der Entscheidung darüber zu, ob das diplomatische Schutzrecht ausgeübt wird oder nicht. Auf diese Weise wird dem Staat ein gewisser außenpolitischer Handlungsspielraum gewährt.10 Darüber hinaus gibt es auch den konsularischen Schutz für deutsche Staatsangehörige. Danach sollen Konsularbeamte u.a. die erforderliche Hilfe leisten, wenn die Notlage auf andere Weise nicht behoben werden kann (vgl. § 5 KonsularG11). § 7 KonsularG bestimmt: „Die Konsularbeamten sollen in ihrem Konsularbezirk deutsche Untersuchungs- und Strafgefangene auf deren Verlangen betreuen und ihnen insbesondere Rechtsschutz vermitteln.“ - Art. 19 Abs. 4 enthält das formelle Grundrecht auf Rechtsschutz für alle natürlichen Personen (Inländer, Ausländer, Staatenlose).12 - Die deutschen Behörden sind verpflichtet, sich an das geltende deutsche Recht zu halten (Art. 20 Abs. 3 GG). Darüber hinaus besteht die Bindung an völkerrechtliche Verpflichtungen (Art. 25 GG). 9 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 16 Abs. 1 Rz. 60. 10 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 16 Abs. 1 Rz. 62 f. 11 Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse v. 11. September 1974 (BGBl. 1974 I, S. 2317; i.d.F. vom 04.Mai 1998, BGBl. 1998, I S. 833). 12 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rz. 38 f. - 6 - Daneben beinhaltet das Grundgesetz sog. Justizgrundrechte, die prozessuale Mindeststandards sichern und mit der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG geltend gemacht werden können: - Art. 101 Abs. 1 GG verbietet Ausnahmegerichte und garantiert jedermann das Recht auf einen gesetzlich bestimmten Richter. - Art. 103 Abs. 1 GG enthält den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Darunter versteht man die hinreichende Möglichkeit des Einzelnen, sich zur Sache äußern zu können, bevor eine Entscheidung ergeht. Das Gericht ist verpflichtet, den Vortrag vollumfänglich aufzunehmen und rechtlich zu würdigen. Schließlich setzt rechtliches Gehör auch die vollständige Information über den Verfahrensstoff und über den Gang des Verfahrens voraus.13 - Art. 104 GG garantiert den Schutz vor willkürlicher Freiheitsentziehung.14 Zudem stellt die Vorschrift klar, dass festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen (Abs. 1 S. 2). Abs. 2 der Vorschrift regelt den präventiven sowie den nachträglichen Rechtsschutz durch den Richter. Dabei geht die Verfassung vom präventiven Rechtsschutz als Regelfall aus, indem der Richter die Freiheitsentziehung selbst anordnet (Abs. 2 S. 1). Abs. 2 S. 2 wertet die nicht-richterliche Freiheitsentziehung als Ausnahme, unterwirft diese jedoch einer unmittelbaren Kontrolle, indem eine richterliche Entscheidung unverzüglich einzuholen ist. Den Maßstab einer „unverzüglichen “ Entscheidung konkretisiert Abs. 2 S. 3 durch die absolute Grenze, dass die Polizei niemanden länger als bis zum Ende des auf die Festnahme folgenden Tages festhalten darf.15 Art. 104 Abs. 3 GG enthält Spezialregelungen für den Fall, dass die Exekutive dem einer strafbaren Handlung Verdächtigen die Freiheit entzieht. Die materiell -rechtliche Grundlage dieser vorläufigen Festnahme enthält § 127 StPO. Die Höchstfrist gemäß Art. 104 Abs. 3 GG, innerhalb derer der Richter eingeschaltet werden muss, deckt sich mit der des Abs. 2 S. 3.16 13 Pieroth/ Schlink, S. 283 f. Rz. 1075 f. 14 Rüping, in: Bonner Kommentar, Art. 104 Rz. 1. 15 Rüping, in: Bonner Kommentar, Art. 104 Rz. 41. 16 Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 104 Rz. 42. - 7 - 1.2.2. Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung Bei der Prüfung strafbarer Handlungen ist im Einzelfall zwischen strafrechtlichen Ermittlungshandlungen , polizeilicher Gefahrenabwehr und nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung zu unterscheiden. Dabei wiederum sind insbesondere die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Ermittlungsbefugnisse von Polizei und Geheimdiensten zu berücksichtigen.17 Körperverletzungen sind in den §§ 223 ff. StGB, Freiheitsberaubungen in § 239 StGB unter Strafe gestellt. Die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches über die Grundlagen der Strafbarkeit (aktives Tun und Unterlassen, Handeln für einen anderen , Vorsatz und Fahrlässigkeit), den Versuch sowie Täterschaft und Teilnahme (Täterschaft , Anstiftung, Beihilfe und Versuch der Beteiligung) finden entsprechende Anwendung . Das Folterverbot ist im Strafgesetzbuch nicht eigens erwähnt, seine Geltung ergibt sich aber aus § 136 a Strafprozessordnung, der bestimmte Vernehmungsmethoden verbietet. Die verbotenen Vernehmungsmethoden, die in § 136a StPO nicht abschließend , sondern nur beispielhaft aufgezählt werden18, lassen sich in vier Gruppen einteilen: - Formen körperlich wirkender Beeinflussung (Misshandlung, Ermüdung, körperliche Eingriffe, Verabreichung von Mitteln), - Formen unmittelbar seelischer Einwirkung (Quälerei, Täuschung, Hypnose, Drohung mit unzulässigen Maßnahmen, Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils ), - prozessordnungswidrigen Zwang und - Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen und die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen.19 1.2.3. Völkerstrafgesetzbuch Im Jahr 2002 wurde das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) vom Deutschen Bundestag beschlossen.20 Es ist am 30. Juni 2002 in Kraft getreten und verbietet Verbrechen gegen 17 Dazu Gusy, S. 14 ff. mwN. 18 BGHSt 5, 332, 334. 19 Boujong, in: Pfeiffer, § 136a Rz. 10. 20 Art. 1 i.V.m. Art. 8 des Gesetzes v. 26. Juni 2002 (BGBl. I 2002, S. 2254). - 8 - die Menschlichkeit wie z.B. das Verschwindenlassen (§ 7 Abs. 1 Nr. 7) und Kriegsverbrechen wie z.B. die Folter (§ 8 Abs. 1 Nr. 3). 1.2.4. Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) Art. 25 IStGH-Statut (Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit) erklärt neben der eigenhändigen, der gemeinschaftlichen und der mittelbaren Begehung sowie der Anstiftung auch die Beihilfe zu Völkerrechtsverbrechen für strafbar. Art. 25 Abs. 3 lit. c und d lauten: „In Übereinstimmung mit diesem Statut ist für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer (c) zur Erleichterung eines solchen Verbrechens Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei seiner Begehung oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der Bereitstellung der Mittel für die Begehung oder (d) auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung eines solchen Verbrechens durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen beiträgt.“ Die strafrechtliche Verantwortung der Staaten nach dem Völkerrecht bleibt von dieser Regelung unberührt (Abs. 4). Zur Unterstützung völkerrechtswidriger Aktionen stellte das Bundesverwaltungsgericht fest: "Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt."21 1.3. Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen Befindet sich ein Tatverdächtiger in fremdem Gewahrsam, kann von dem jeweiligen Aufenthaltsstaat die Auslieferung des Täters verlangt werden. Soweit ein Staat Zugriff auf einen in einem anderen Staat befindlichen Straftäter beabsichtigt, besteht neben der Beantragung der Auslieferung und der Ausweisung auch die Möglichkeit der formlosen Übergabe an eigene Beamte. 21 BVerwG vom 21.06.2005, Az. 2 WD 12/04 [im Internet: http://www.bundesverwaltungsgericht.de/media/archive/3059.pdf], S. 81 m.w.N (Stand aller Internetquellen : 8. Februar 2006). - 9 - 2. Verfahrensfragen 2.1. Geltung und Anwendbarkeit von Normen Grundsätzlich ist die Festlegung des Umfangs der staatlichen Strafgewalt als Ausfluss der Staatsgewalt die souveräne Entscheidung eines jeden Staates. Jeder Staat ist grundsätzlich frei, Anwendungsbereich und Reichweite seines Strafrechts zu bestimmen. 2.1.1. Völkerstrafrecht Rechtliche Schutzlosigkeit kann es aufgrund der universellen Natur der Völkerrechtsverbrechen aber nicht geben. Daraus ergibt sich nicht nur die Strafbefugnis der Völkergemeinschaft als Ganzer, auch jedem einzelnen Staat ist die strafrechtliche Verfolgung uneingeschränkt in allen Fällen erlaubt. Die Befugnis zu strafen folgt aus dem Verbrechen selbst, da Völkerrechtsverbrechen keine inneren Angelegenheiten des jeweiligen Staates sind.22 Die Strafpflicht trifft zunächst nur den Tatortstaat. Für völkerrechtswidrige Handlungen wie z.B. Folter kann sich diese Pflicht auch aus dem Völkervertragsrecht, d.h. aus Art. 7 der VN-Folterkonvention ergeben.23 Sie verpflichtet den Gewahrsamsstaat zur Aburteilung oder Auslieferung von Tatverdächtigen an einen verfolgungsbereiten Drittstaat. Darüber hinaus ist die Strafpflicht von Drittstaaten bei Völkerrechtsverstößen strittig. Dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofes und auch den Menschenrechtspakten lässt sich eine Bestrafungspflicht für Drittstaaten nicht entnehmen.24 Die Durchsetzung des Völkerstrafrechts erfolgt also „indirekt“ durch staatliche oder „direkt“ durch internationale Gerichte. Die Parallelität der nationalen und internationalen Zuständigkeit wurde für den IStGH in der Form der Subsidiarität gelöst, so dass grundsätzlich die nationalen Organe zur Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen zuständig sind.25 Für die Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) sind in der Bundesrepublik für die Verhandlung und Entscheidung im ersten 22 Werle, Rz. 171 f. 23 Art. 4 der „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ vom 9. Dezember 1948 (BGBl. 1954 II, S. 730); Art. 129 Kriegsgefangenen-Abkommen; Art. 146 Zivilschutz- Abkommen. 24 Werle, Rz. 179 ff. m.w.N. 25 Art. 1 S. 2, 2. Halbsatz IStGH-Statut. Anders noch der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg , der i. S. der Exklusivität für die Verfolgung der NS-Verbrechen die Alleinzuständigkeit besaß (Art. 6 IMG-Statut). - 10 - Rechtszug die Oberlandesgerichte zuständig, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben (§ 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG).26 In diesen Fällen übt der Generalbundesanwalt das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei den zuständigen Oberlandesgerichten aus (§ 142 a Abs. 1 S. 1 GVG).27 Der durch das VStGB neu eingeführte § 153 f StPO sieht eine Ermittlungs- und Verfolgungspflicht für den Fall vor, dass sich der Verdächtige im Inland aufhält. Die Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft würde sich auf alle an der Tat Beteiligten erstrecken, unabhängig von deren Aufenthaltsort (Arg. ex § 153 f Abs. 2 Nr. 3 StPO).28 Das Verfahren bei Straftaten nach dem VStGB wäre gem. § 153 f Abs. 2 StPO einzustellen , wenn kein Tatverdacht gegen einen Deutschen besteht (Nr. 1), die Tat nicht gegen einen Deutschen begangen wurde (Nr. 2), kein Tatverdächtiger sich im Inland aufhält (Nr. 3) oder die Tat bereits vom Herkunftsland des Täters oder des Opfers oder einem Internationalen Gerichtshof verfolgt würde (Nr. 4). Nach dem Universalitäts- bzw. Weltrechtsprinzip kann die Bundesrepublik Deutschland (wie jeder Staat) einem Täter, den sie in Gewahrsam nehmen kann, ohne Rücksicht auf den Tatort oder die Nationalität den Prozess machen (vgl. die in § 6 StGB genannten Taten). So kann deutsches Strafrecht anwendbar sein, wenn die Tat in Deutschland begangen wurde (§ 3 StGB) der strafrechtliche „Erfolg“ hier eingetreten ist (§ 9 StGB) der Täter aus Deutschland stammt (§ 7 Abs. 2 StGB) das Opfer aus Deutschland kommt (§ 7 StGB). Zusätzlich kommt die Zuständigkeit eines Internationalen Gerichtshofes in Betracht. 2.1.2. Nationaler Verfahrensgang Nach Eingang einer Strafanzeige oder aus eigenem Tätigwerden aufgrund des Legalitätsprinzips (§ 152 Abs. 2 StPO) muss die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft bzw. 26 Gerichtsverfassungsgesetz, geändert durch das VStGB. 27 Zur Praxis vgl. die offiziellen Angaben in: http://www.generalbundesanwalt.de/strafe/vmord.php. 28 Vgl. Art. 129 Abs. 2 des III. Genfer Abkommens, das eine Verfolgungspflicht unabhängig von der Staatsangehörigkeit bejaht. - 11 - bei Völkerrechtsverbrechen der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufnehmen, sofern für ein Einschreiten zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dies ist der Fall, wenn ein auf Tatsachen beruhender Anfangsverdacht gegeben ist.29 Für den Generalbundesanwalt gelten, sofern er in Staatsschutzstrafsachen als (erstinstanzliche) Strafverfolgungsbehörde tätig wird, grundsätzlich die für alle Staatsanwaltschaften maßgeblichen Vorschriften der Strafprozessordnung.30 In § 160 Abs. 1 StPO wird der Verfolgungszwang präzisiert. Danach ist der Sachverhalt zu erforschen, sobald die Behörde vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangt.31 Der Grundsatz der Amtsermittlung bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft den verdachtsbegründenden Sachverhalt aus eigener Initiative umfassend aufzuklären hat (§§ 155 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO). Voraussetzung für eine Anklage der Staatsanwaltschaft bzw. die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht ist das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. § 170 Abs. 1 StPO). Dieser ist gegeben, wenn bei Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Beschuldigter wegen einer Straftat verurteilt wird.32 Für Behörden, die keine Strafverfolgungsaufgaben wahrnehmen, und deren Beamte besteht grundsätzlich keine allgemeine Verpflichtung, ihnen dienstlich bekannt gewordene Straftaten anzuzeigen. Eine Ausnahme besteht in § 138 StGB, der die Nichtanzeige bestimmter geplanter Straftaten, wie z.B. des Mordes nach § 211 StGB oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach § 7 des Völkerstrafgesetzbuches generell unter Strafe stellt. Ferner kann sich eine Anzeigepflicht aus besonderen gesetzlichen Bestimmungen oder auch aufgrund besonderer Dienstpflichten ergeben.33 Ein Nichteinschreiten der Behörden kann jedoch gegebenenfalls eine Pflichtverletzung i.S.d. Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB bzw. eine völkerrechtliche Pflichtverletzung darstellen und somit Haftungsansprüche nach innerstaatlichem und internationalem Recht auslösen.34 29 Schoreit, in: Pfeiffer, § 152 Rz. 28. 30 Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof [im Internet: http://www.generalbundesanwalt.de/ermitteln.php]. 31 Die nur außerdienstliche Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat begründet eine Anzeigepflicht in der Regel nur bei schweren Straftaten, die die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berühren, vgl. Wache, in: Pfeiffer, § 158, Rz. 27 ff. 32 Schmidt, in: Pfeiffer, § 170 Rz. 3. 33 Wache, in: Pfeiffer, § 158, Rz. 25 f. 34 Den Betroffenen können zudem bei Vorliegen der Voraussetzungen die Möglichkeiten des gerichtlichen Rechtsschutzes, der Dienstaufsichtsbeschwerde oder der Petition offen stehen. Die Herausgabe von Akten durch Behörden kann gem. § 96 StPO nicht gefordert werden, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Dokumente dem Wohl des Bundes oder eines Bundeslandes Nachteile bereiten würde. - 12 - 2.2. Beweislast Im deutschen Zivilprozess gilt der Beibringungsgrundsatz. Das bedeutet, es ist Aufgabe der Partei, die Tatsachen notfalls zu beweisen, die ihr Vorbringen tragen.35 Fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Beweislastregelung, gilt der Grundsatz, dass jede Partei unabhängig von ihrer prozessualen Parteistellung die bejahenden oder verneinenden Tatsachen beweisen muss, aus denen sie Rechte herleitet.36 Im Strafprozess hat der Staat dem Beschuldigten die Straftat nachzuweisen, da der Beschuldigte das Recht auf Schweigen hat (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Der Grundsatz der Amtsermittlung bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft den verdachtsbegründenden Sachverhalt aus eigener Initiative umfassend aufzuklären hat (§§ 155 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO). Der Amtsermittlungsgrundsatz im Verwaltungsprozess weist gemäß § 86 VwGO das Zusammentragen der Informationen über die Tatsachen, aus denen die Tatsachengrundlage für die gerichtliche Entscheidung gewonnen werden soll, dem Gericht als eine „von Amts wegen“ zu erfüllende Aufgabe zu. Die Tätigkeit reicht vom Sammeln des Prozessstoffes bis zur Vornahme derjenigen Maßnahmen einschließlich der Beweiserhebung , die Behörde oder Gericht für nötig halten, um eine Wahrheitsüberzeugung zu gewinnen. Die Beweislast vor internationalen Instanzen trägt grundsätzlich der Beschwerdeführer. Vor dem EGMR, dem Menschenrechtsausschuss und dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte wird die Beweislast jedoch für solche Fälle teilweise umgekehrt, in denen Umstände vollständig oder weitestgehend der ausschließlichen Kenntnis des Staates unterliegen.37 2.3. Beweiserhebung und -verwertung Im deutschen Strafprozess gelten der Untersuchungsgrundsatz (§ 244 II StPO) sowie der Grundsatz der umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 StPO). Bei der Aufklärung des Sachverhalts sind daher grundsätzlich alle erreichbaren Beweismittel heranzuziehen und in die Beweiswürdigung einzubeziehen. Andererseits schreibt die StPO aber keine 35 Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Anh. § 286, Rz. 1. 36 Ebd., Rz. 10. 37 Heintschel von Heinegg, S. 546 Rz. 1154. - 13 - Wahrheitserforschung um jeden Preis vor38, da jedes Handeln der Strafverfolgungsbehörden mit der Werteordnung des Grundgesetzes im Einklang stehen muss. Um bei einer Kollision dieser Interessen höherrangige Rechtsgüter zu schützen, greifen in manchen Fällen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote ein: - Art. 15 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 (VN-Anti-Folter-Übereinkommen) enthält ein innerstaatlich unmittelbar geltendes und in Strafverfahren zu beachtendes Verbot der gerichtlichen Verwertung von durch Folter herbeigeführten Aussagen, das sowohl bei Foltermaßnahmen inländischer Staatsorgane als auch bei im Ausland durch Organe anderer Staaten mittels Einsatzes von Folter herbeigeführten Aussagen greift. Die Anwendung setzt aber voraus, dass der Foltervorwurf bewiesen ist.39 - Auch § 136 Abs. 3 S. 2 StPO statuiert ein Beweisverwertungsverbot. Es findet auch im Falle nachträglicher Zustimmung des Beschuldigten zur Verwertung seiner Aussage Anwendung und gilt ohne Rücksicht auf das erzielte Ergebnis. Ein zutreffendes Geständnis darf ebenfalls nicht verwertet werden, wenn es durch verbotene Vernehmungsmittel erlangt wurde.40 Zum Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 S. 2 StPO hat das OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 14. Juni 200541 festgestellt, dass die Norm unmittelbar nur unzulässige Vernehmungsmethoden staatlicher Verfolgungsorgane der Bundesrepublik Deutschland erfasst. Sie sei jedoch auf den Einsatz unzulässiger Vernehmungsmethoden durch Angehörige anderer Staaten entsprechend anwendbar, sofern die Erkenntnisse, um deren Verwertung es geht, unter einem besonders krassen Verstoß gegen die Menschenwürde zustande gekommen sind. Des Weiteren sei an dem Erfordernis des – vollen – Nachweises der das Beweisverbot begründenden Umstände auch 38 BGHSt 14, 358, 365; 38, 372. 39 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 4. Strafsenat, Beschluss vom 14. Juni 2005, 2 BJs 85/01 (Fall El Motassadeq), NJW 2005, S. 2326, 2328. 40 Boujong, in: Pfeiffer, § 136a Rz. 38. Zur streitigen Frage, ob Beweismittel, die nach Folteraussagen auf rechtmäßigem Wege gefunden wurden (sog. „Früchte des verbotenen Baums“) auch einem Verwertungsverbot unterliegen, vgl. ebd, Fn. 42. 41 Oberlandesgericht Hamburg (oben Fn. 37), NJW 2005, S. 2326: „Die von der Regierung der USA im Wege der Rechtshilfe als Ersatz für eine Zeugenvernehmung übersandten Zusammenfassungen der Aussagen von an unbekannten Orten gefangen gehaltenen hochrangigen Al-Qaida-Mitgliedern sind in der Hauptverhandlung nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu Beweiszwecken verlesbar.“ - 14 - bei schwieriger Beweislage festzuhalten. Dieses Erfordernis, wonach vorliegende Beweismittel nur ausnahmsweise nicht verwertbar sind, diene der gerichtlichen Wahrheitserforschung und könne auch nicht deshalb aufgegeben werden, weil der betreffende ausländische Staat den Zugriff auf solche Quellen verwehrt, von denen weitergehende Informationen zu erwarten wären. Eine etwaige Beeinträchtigung der freien Willensentschließung von Zeugen sei bei nicht erwiesener Anwendung unzulässiger Vernehmungsmethoden auf der Ebene der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Abweichend davon wird diskutiert, ob im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr andere Kriterien zur Verwertbarkeit von Aussagen, die durch unzulässige Vernehmungsmethoden erlangt wurden, angelegt werden sollten. Die Beurteilung dieser strittigen Frage ist bisher nicht abschließend geklärt.42 So sind nach Ansicht von Bundesinnenminister Schäuble die Erkenntnisse anderer Nachrichtendienste unverzichtbar, so dass auch in Zukunft jeder erlangte Hinweis genutzt werde. Schließlich könnte im Fall der Zurückweisung einer solchen Information die Folge eintreten, dass unter Umständen nicht „das Mögliche zur Abwehr von gefährlichen Anschlägen“ getan werde. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass Erkenntnisse, die im Ausland durch Sicherheitsbehörden anderer Staaten unter Folter gewonnen würden, keine Beweismittel im rechtsstaatlichen Strafprozess seien.43 3. Haftung des Staates 3.1. Nationales Recht Grundsätzlich besteht die Möglichkeit bei Pflichtverletzungen oder Straftaten ein entsprechendes Gerichtsverfahren gegen die handelnden Personen einzuleiten. Daneben kommen nach innerstaatlichem Recht Amtshaftungsansprüche gemäß Art. 34 Abs. 3 GG i.V.m. § 839 BGB gegen die Bundesrepublik in Betracht. 42 Vgl. die Aussagen von Bundesinnenminister Schäuble im Deutschlandfunk v. 18. Dezember 2005 [im Internet unter: http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_122688/Internet/Content/Nachrichten/Medienspiegel/2005/12/ BM__Interview__Deutschlandfunk.html], sowie in Bild am Sonntag v. 1. Januar 2006 [im Internet unter: http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_122688/Internet/Content/Nachrichten/Medienspiegel/2006/01/ BM__BamS__Interview.html]. 43 Antwort (BT-Drs. 16/311) der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP (BT-Drs. 16/124). - 15 - Art. 34 GG (Haftung bei Amtspflichtverletzung) lautet: „Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden .“ § 839 Abs. 1 BGB (Haftung bei Amtspflichtverletzung) lautet: „Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu verlangen vermag.“ 3.2. Internationales Recht Die Feststellung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Staates erfordert eine staatliche bzw. dem Staat zurechenbare Handlung, die eine Verletzung der geltenden völkerrechtlichen Verpflichtungen dieses Staates gegenüber dem betroffenen Völkerrechtssubjekt darstellt, ohne dass sich der verletzende Staat auf einen seine Verantwortlichkeit ausschließenden Tatbestand berufen kann.44 Die Durchsetzung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit kann sowohl im Rahmen eines institutionalisierten Streitbeilegungsverfahrens , wie dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, oder eines ad hoc-Verfahrens, wobei es sich in den meisten Fällen um ein zwischen den Staaten vereinbartes Schiedsverfahren handelt, geltend gemacht werden.45 3.2.1. Internationaler Gerichthof (IGH) Vor dem Internationalen Gerichtshof sind nur Staaten parteifähig (Art. 34 IGH-Statut). Wegen der Souveränität der Staaten (Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta) gibt es keine obligatorische Gerichtsbarkeit im Völkerrecht. Daher bedarf es einer besonderen Unterwerfung unter die Jurisdiktion des IGH, damit dieser tätig werden darf (vgl. Art. 36 IGH-Statut). Streitgegenstand kann jede Streitigkeit über die rechtliche Anwendung oder Auslegung 44 Heintschel von Heinegg, S. 271 f. Rz. 534. 45 Ebd., S. 307 Rz. 615. - 16 - einer völkerrechtlichen Vorschrift sein. Das Urteil wirkt nur inter partes und auch nur in Bezug auf den Streitgegenstand (Art. 94 Abs. 1 VN-Charta, Art. 59 IGH-Statut). 3.2.2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel können Einzelpersonen mit Individualbeschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gelangen . Das justizförmige Kontroll- bzw. Beschwerdeverfahren vor dem EGMR ist in den Art. 33 bis 46 EMRK geregelt. Der Gerichtshof kann sowohl von Mitgliedstaaten (im Wege der Staatenbeschwerde gemäß Art. 33 EMRK) als auch von Privatpersonen (im Wege der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK) angerufen werden. Voraussetzung dafür ist u.a. die (behauptete) Verletzung eines Konventionsrechts durch einen der Mitgliedstaaten. Als Verletzungsakt kommt jedes staatliche bzw. dem Staat zurechenbare Verhalten in Betracht.46 Die Urteile des EGMR sind Feststellungsurteile (Art. 41 EMRK), die nur inter partes wirken, jedoch völkerrechtlich verbindlich sind (vgl. Art. 46 EMRK). 3.2.3. Individualbeschwerde vor dem VN-Menschenrechtsausschuss Der VN-Menschenrechtsausschuss wurde eingerichtet, um die Einhaltung der Rechte des Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) zu überwachen. Als Verfahren kommen das Staatenberichtsverfahren (zwingend; Art. 40 IPbpR), das Staatenbeschwerdeverfahren (Unterwerfungserklärung erforderlich, die von Deutschland befristet abgegeben wurde; Art. 41 IPbpR) sowie die Individualbeschwerde (Art. 1 des Zusatzprotokolls zum IPbpR) in Betracht. Geltend gemacht werden können auch hier nur Verletzungen von Rechten aus dem Pakt. Der Menschenrechtsausschuss erlässt keine Urteile, sondern rechtlich unverbindliche „views“, die jedoch wie Feststellungsurteile aufgebaut sind. 46 Grabenwarter, S. 46. - 17 - 3.2.4. Internationaler Strafgerichtshof Mit dem Internationalen Strafgerichtshof ist erstmals ein ständiges Gericht geschaffen worden, durch das besonders schwere, nach dem 1. Juli 2002 begangene „Kernverbrechen “ wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegs- und Aggressionsverbrechen weltweit verfolgt werden können.47 Der IStGH ist nur zuständig in Fällen des aktiven und passiven Personalitätsprinzips.48 Solange also Täter oder Opfer nicht mit einem Mitgliedstaat des IStGH-Statuts in Verbindung gebracht werden können , ist der IStGH nicht zuständig. 47 Soweit die Taten nicht von den Einzelstaaten verfolgt werden. Vgl. dazu Werle, S. 198 ff. 48 Zur Ausnahme vgl. Art 12 Abs. 2 IStGH-Statut. - 18 - 4. Literaturangaben Baumbach, Adolf / Lauterbach, Wolfgang / Albers, Jan, Hartmann, Peter (2005): Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, Band 1, 63. Aufl., München. Bonner Kommentar zum Grundgesetz (2004): Band 9, Art. 89-104, Stand: 117. Aktualisierung, Juni 2005, Heidelberg. Grabenwarter, Christoph (2005): Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. München. Gusy, Christoph: Geheimdienstliche Aufklärung und Grundrechtsschutz, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/2004, S. 14 – 20. Heintschel v. Heinegg, Wolff (2005): Casebook Völkerrecht, München. Maunz, Theodor / Dürig, Günter (2005): Grundgesetz, Kommentar, Band I, Art. 5 / Band II, Art. 6-16a / Band III, Art. 17-27 / Band VI, Art. 100-146, Stand: 44. Lieferung , München. Pfeiffer, Gerd (2003): Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., München. Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard (2004): Grundrechte, Staatsrecht II, 20. Aufl., Heidelberg. Werle, Gerhard (2003): Völkerstrafrecht, Tübingen.