Wissenschaftliche Dienste Dokumentation Deutscher Bundestag EU-Freihandelsabkommen, bilaterale Investitionsschutzabkommen sowie Verfahren im Rahmen des Investor-State-Dispute-Settlement @ 2015 Deutscher Bundestag 2 3000 017/14 Wissenschaftliche Dienste Dokume ntatio n WD2 - 3000 - 017/14 Seite 2 EU-Freihandelsabkommen, bilaterale Investitionsschutzabkommen sowie Verfahren im Rahmen des Investor-State-Dispute-Settlement Verfasser: Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: Fachbereich: Telefon: WD2 - 3000 -017/14 11. Februar 2014 WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages. eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik I. 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Inhaltsverzeichnis 2.2. Dokumentation WD 2- 3000 - 017/14 Seite 3 4 5 6 8 1. 2. Bilateraler Investitionsschutz und E U -F rei handelsabkommen Investor-St a at-Verfahren Abgeschlossene Fälle mit deutscher Beteiligung Anhängige Fälle mit deutscher Beteiligung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2. 3000 017/14 Seite 4 Bilateraler Investitionsschutz und EU-Freihandelsabkommen 1. Der Schutz europäischer Auslandsinvestitionen wird derzeit (noch) durch über 1700 bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITS) zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten sichergestellt. Deutschland hat ca. 140 Investitionsschutz und -förderungsverträge geschlossen.' Die handelspolitischen Kompetenzen der EU umfassen seit dem Vertrag von Lissabon (2009) auch den Abschluss von Abkommen über „ausländische Direktinvestitionen" (Art. 3 Abs. le i.V.m. Art. 207 Abs. 1 AEUV).2 Die EU-Kommission hat inzwischen mit Kanada, Singapur und Indien Abkommen mit Investitionsschutzbestimmungen ausgehandelt; Investitionsschutzabkommen mit China und Japan sowie mit Partnern im Mittelmeerraum und im ASEAN sind geplant ' Daneben enthalten viele neuere regionale Freihandelsabkommen wie das NAFTA (Kapitel XI) oder das USA-Chile-Freihandelsabkommen umfangreiche Bestimmungen zum Investitionsschutz .• Anders sieht es dagegen bei den Freihandelsabkommen der EU z.B. mit Chile,a Mexik06 oder der Schweiz7 aus, die keine Investitionsschutzbostimmungen enthalten. Auch die neuesten, im Laufe Vgl. dazu die Übersicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie v. 2.10.2013, vvi, i -schutzvertraege• IFV (Anlage Il. Problematisch ist insoweit die Fortführung bisheriger Investitionsschutzvertråge der EU-Mitgliedstaaten; dazu Ostenek, in: Schwarze (Hrsg ), EU-Kommentar, Baden-Baden; Nomos, 3. Aufl. 2012. Art. 207 AELJV, Rdnr. 13 ff. Vgl. zum Verhandlungsstand Vgl. näher Herdegen. Matthias, Internationales Wirtschaftsrecht. München: Beck, 10. Aufl. 2013. S 23, Rdnr. 8. Zum 'ITIP vgl. Mair/Mildner, Im Schulterschluss für offene Märkte und Investorenschutz, SWF-Aktuell, Februar 2013, verfügbar unter Übereinkommen EU / Chile v. 30.12.2002, http://eur• Decision No_ 2/2000 ofthe EC/Mexico Joint Council of 23 March 2000, 111722.pdf. Abkommen mit der Schweiz v _ 22.7.1972 tt /tradn I Eine Übersicht über die bestehenden Freihandels- und Präferenzabkommen der EU findet sich unter http://ec.europa.ell/internal markel ipnhlicprocurement/rules,'free trade agreements,'index sowie auf der Homepage der IHK Stuttgart ihk24.deiIinkabIebIob/sihk24,'internationalfdow111Pdds/1507134,' 13 „'data/Praeferenzabko Inmen EU Ueborsicht•data.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2- 3000 -017/14 Seite 5 des Jahres 2013 in Kraft getretenen EU-Handelsabkommen mit Peru und Kolumbien8 sowie mit den zentralamerikanischen Staaten (Honduras, Nicaragua, Panama, Costa Rica, EI Salvador sowie Guatemala)" enthalten keine speziellen Bestimmungen über Investitionsschutz Hier hat sich die erklärte Absicht der Kommission, einen EU-weiten Investitionsschutz zu schaffen," noch nicht niedergeschlagen. In Verhandlungen befinden sich Abkommen der EU u.a. mit den USA (TTIP), Japan, Vietnam, Kanada, Malaysia sowie mit Indien und MERCOSUR (zum Verhandlungsstand vgl. Anlage 2).12 Investor -Sta at-Verfahren 2. Die meisten bilateralen bzw. regionalen Investitionsverträge sehen die Möglichkeit von Investor- Staat-Streitbeilegungsverfahren vor. Dabei können Streitigkeiten einem Schiedsgericht (z.B. der Internationalen Handelskammer) vorgelegt werden. Möglich ist auch die Bildung eines ad hoc Schiedsgerichts. Die praktisch bedeutsamste Möglichkeit ist das Schiedsverfahren nach den Regeln des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) auf der Grundlage der multilateralen ICSID- Konvention von 1965,13 Das aus drei Schiedsrichtern gebildete ICSID•Schiedsgericht entscheidet auf der Grundlage von zwischen den Parteien im Staat-Investor-Vertrag vereinbarten Rechtsvorschriften , Der i.d.R. sehr ausführliche Schiedsspruch beantwortet alle aufgeworfenen Fragen; er kann die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme feststellen und Schadensersatz zusprechen. Entschä- HANDELSÜBEREINKOMMEN zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits, ABI EU v, 21.12.2012, lex. europa.eu/LexUriServ/LexEriServ. 354 ABKOMMEN zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits; ABI EU v. 15.12.2012; lex. Der Schwerpunkt beider Abkommen liegt auf dem Abbau der Hemmnisse und Beschränkungen im Handel mit Waren. Daneben enthalten die Abkommen unter anderem Regelungen zu Dienstleistungen, Niederlassung, E- Commerce, Kapitalverkehr, öffentliches Beschaffungswesen, geistiges Eigentum und Wettbewerb. Vgl. Art. III Frl. 22 des Handelsabkommen EU-Kolumbien/peru; Art _ 163 Übereinkommen EU-Zentralamerika. Dies schließt gewisse investitionsschützende Wirkungen von Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit nicht Zur geplanten Investitionspolitik der EU vgl. z.B. die Mitteilung der Kommission: „Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik" _ 7.7.2010: http:.','eur• CONVENTION ON THE SETTLEMENT OF INVESTMENT DISPUTES BETWEEN STATES AND NATIONALS OF OTHER STATES, verfügbar unter English- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2- 3000 -017/14 Seite 6 digungen werden nach den Vorschriften über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Enteignung gewährt. Eine Überprüfung von ICSlD-Entscheidungen ist im Rahmen eines eingeschränkt zulässigen Wiederaufnahmeverfahrens oder Aufhebungsverfahrens zulässig (Art. 51 f. ICSID- Übereinkommen). 2.1. Abgeschlossene Fälle mit deutscher Beteiligung Soweit ersichtlich wurden im Zeitraum zwischen 1972 und 2013 folgende Fälle mit deutscher Beteiligung ftiberwiegend auf Klägerseite und ein Fall (Vattenfall) auf Beklagtenseite) abgeschlos- Sen: 14 15 16 17 18 19 Klöckner Industrie-Anlagen GmbH gegen Kamerun und Société Camerounaise des Engrais (ICSLD Case No. ARB/81/2) Klage registriert am 14.4.1981; Verfahrensgegenstand: Düngemittelfabrik. Entscheidung des Schiedsgerichts vom 21.10.1983.17 Der Schiedsspruch wurde durch das ad hoc Committee mit Entscheidung vom 3.Mai 1985 aufgehoben;" der Fall dann am 3.7.1985 wiederaufgenommen und der Schiedsspruch mit Entscheidung des ad hoc Committe vom 17.5.1990 erneut aufgehoben. Siemens A.G. gegen Argentinien (ICSID Case No. ARB/02/8) Klage registriert am 17.7. 2002. Verfahrensgegenstand: Vertrag über informatic services; Schiedsspruch vom 3.8.2004.19 Vor dem ad hoc Committee wurde am 16.7.2007 ein Aufhebungsverfahren eingeleitet und das Verfahren mit Entscheidung vom 28.9.2009 eingestellt . Vgl. näher zur Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts Krajewski, Markus, Wirtschaftsvölkerrecht, Heidelberg: Müller, 3. Aufl. 2012. Rdnr. 658 ff. Vgl. dazu Pinsolle, Philippe, Jurisdictional review of ICSID Awards, verfügbar unter Vgl, https://iCSid.worldbankorg.FICSID/FrontServIet?gqquestType2GenC4seDllsßU&actionVal—ListConcluded. Abgedruckt in: Revue de l'arbitruge 1984, I g. Aufhebungsentscheidung des ad hoc Cotmnittee verfügbar unter https://icgid_wgrldbank.0WlC.SlD/FrontServIet?requestTypezCasesRH&actionVaIzshowIJnckdocld2DC.G63 Entscheidung verfiigbar unter https://icsid.worIdbank.qrgfICSID/FroutServlet?requestTypE2C.asesRH&actionVdl—showDockdocIdzDC508 Enk Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD2- 3000 -017/14 Seite 7 20 22 23 24 25 Ed. Züblin AG gegen Königreich Saudi-Arabien (ICSID Case No. ARB/03/1) Registriert am 28.1.2003; Verfahrensgegenstand: Universitätsbau Verfahrenseinstellung Fraport AG Frankfurt gegen die Philippinen (ICSID Case No. ARB/03/25) Klage registriert am 09.10.2003. Verfahrensgegenstand: Errichtung eines Flughafen Terminals , Das ad hoc Committee hat mit Entscheidung vom 23.12.2010 den Schiedsspruch des ISDS-Schiedsgerichts vom 16.8.2007 aufgehoben.20 Die Fraport Frankfurt hat daraufhin am 27.4.2011 einen neuen Fall vor dem ISDS-Schiedsgericht anhängig gemacht (s.u.). Wintershall Aktiengesellschaft gegen Argentinien (ICSID Case No. ARB/04/14) Klage registriert am 15.7.2004; Verfahrensgegenstand: Öl und Gasförderanlagen; Schiedsspruch vom Gustav F.W.Hamester GmbH & Co KG gegen Ghana (IC„SID Case No. ARB/07/24) Klage registriert am 24.9.2007; Verfahrensgegenstand: Kakao-Produktionsanlagen; Schiedsspruch vom 18.6.2010.22 HOCHTIEF Aktiengesellschaft gegen Argentinien (ICSID Case No. ARB/07/31) Klage registriert seit 18.12.2007; Verfahrensgegenstand: Autobahnbau; Schiedsspruch vom 24.10.2011.23 Marion Unglaube gegen Costa Rica (ICSID Case No. ARB/OB/ 1) Klage registriert am 25.1.2008; Verfahrensgegenstand: Tourismusprojekt. Schiedsspruch vom 16.5.2012.24 GEA Group Aktiengesellschaft gegen Ukraine (ICSID Case No. ARB/OB/ 16) Klage registriert seit 21.11,2008; Verfahrensgogenstand: Petrochemische Industrie. Schiedsspruch vom 31.3.2011 25 Die Aufhebungsentscheidung ist verfiigbar unter http://italaw.com/documents'Fraport-AnnuImen1- Schiedsspruch verfügbar unter https://icsid.worldbank.org.YICSID/FrontServIet?requegtType2CøsesRI:i&?ctipnY81—shpyynnc&docId—DC1492 En Schiedsspruch verfügbar unter Schiedsspruch verfügbar unter En Schiedsspruch verfügbar unter Schiedsspruch verfügbar unter https:Oicsid.worldbank.org/ICSID/FrontServIet?reguestTypezCasesRHkactianVaIzshowDor:&dgcld2DC.340t$ En kcaseId:C.440 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WB 2. 3000 • 017/14 Seite 8 Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG gegen Deutschland (I) (ICSID Case No. ARB/09/6) Klage registriert am 17.4.2009; Verfahrensgegenstand: Kostenexplosion wegen Umweltauflagen beim Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg;26 Schiedsspruch (Vergleich) vom 11.3.2011.27 2.2. Anhängige Fälle mit deutscher Beteiligung Soweit ersichtlich sind folgende Fälle mit deutscher Beteiligung (d.h. mit deutschen Unternehmen auf der Klägerseite sowie im Fall des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall mit einer Klage gegen Deutschland) anhängig:2 27 28 29 Daimler Financial Services AG gegen Argentinien (ICSID Case No. ARB/05/1) Klage registriert 14.1,2005: Verfahrensgegenstand: Leasing- und Finanzierungsservice; Aufhebungsverfahren vor dem ad hoc Committee seit 27.12.2012 anhängig. Deutsche Bank AG gegen Sri Lanka (ICSID Case No. ARB/09/2) Klage registriert am 24.3.2009; Schiedsspruch vom Aufhebungsverfahren seit 8.12.2013 anhängig. Bernhard von Pezold u.a. gegen Zimbabwe (ICSID Case No. ARB/ 10/15) Klage registriert am 8.7.2010; Verfahrensgegenstand: Handelsunternehmen. Fraport AG Frankfurt Airport Services gegen die Philippinen (ICSID Case No. ARB/Il/12) Klage registriert am 27.4.2011; Verfahrensgegenstand: Flughafen Terminal. http spiegel. de/wirtschaft/kohIekraftwerk-moorburg-vattenfall-zieht-Ægen-deu tschland-vor- Schiedsspruch verfügbar unter Vgl. https://icsid.worldbank.2c/lCSlD/FrontServlet?zeW&tType2GE11Cdsent15RHkactivnV312Li5tpending Schiedsspruch verfügbar unter r w 72. Wissenschaftliche Dienste Dok um e ntation Wl)2- 3000 - 017/14 Seite g Vattenfall AB gegen Deutschland (11) (ICSID Case No. ARB/12/12) Klage registriert am 31.5.2012; Verfahrensgegenstand: Stilllegung eines Atomkraftwerks im Zuge des deutschen Atomausstiegs. Gelsenwasser AG gegen Algerien (ICSID Case No. ARB/12/32) Klage registriert am 9.10.2012; Verfahrensgegenstand: Wasser- und Sanitäranlagen. Joseph Houben gegen Burundi (ICSID Case No. ARB/ 13/7) Klage registriert am 20.5.2013; Verfahrensgegenstand: Immobilien. Utsch M.O.V.E.R.S. International GmbH, Erich Utsch Aktiengesellschaft und Helmut Jungbluth gegen Ägypten (ICSID Case No. ARB/ 13/37) Klage registriert am 24.12.2013, Zu einigen Fällen wird in der aktuellen Ausgabe der United Nations Conference on Trade and Development - UNCTAD (Hrsg.), „Recent Developments in Investor-State Dispute Settlement' No. 1 (Mai 2013)3' berichtet. 30 31 Vgl. dazu: Bernasconi-OsterwaIder Hoffmann. "The German Nuclear Phase-Out Put to the Test in International Investment Arbitration? Background to the new dispute Vattenfall v. Germany (II)", verfügbar unter Verfügbar un ter