© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 013/20 Das Mandat von Delegationsabgeordneten zu parlamentarischen Versammlungen des Europarats und der OSZE Immunität und Reiseinschränkungen durch Mitgliedstaaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 2 Das Mandat von Delegationsabgeordneten zu parlamentarischen Versammlungen des Europarats und der OSZE Immunität und Reiseinschränkungen durch Mitgliedstaaten Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 013/20 Abschluss der Arbeit: 3. März 2020 (zugleich letzter Zugriff auf Internetquellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Rechtliche Grundlagen 4 1.1. Europarat 4 1.2. OSZE 6 2. Immunität der Mitglieder der parlamentarischen Versammlungen bei der Mandatsausübung 8 2.1. Europarat 8 2.2. OSZE 8 3. Pflichten der Mitgliedstaaten gegenüber den Delegierten der parlamentarischen Versammlungen 8 4. Möglichkeit der Einreiseverweigerung durch Mitgliedstaaten 9 4.1. Europarat 9 4.2. OSZE 9 5. Möglichkeiten für die Durchsetzung der Einreise durch delegierte Abgeordnete 10 5.1. Europarat 10 5.2. OSZE 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 4 1. Rechtliche Grundlagen Der Auftraggeber/die Auftraggeberin fragt nach den Rechten der Mitglieder der parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie den daraus resultierende Pflichten der Mitgliedstaaten. 1.1. Europarat Die zentrale Vorschrift für die Gewährleistung der Mandatsausübung der Abgeordneten, die von den Mitgliedstaaten zu der parlamentarischen Versammlung des Europarates (weiter EuroparatsPV) entsandt werden, ist Art. 40 lit. a der Statzung des Europarates1: „The Council of Europe, representatives of members and the Secretariat shall enjoy in the territories of its members such privileges and immunities as are reasonably necessary for the fulfilment of their functions. These immunities shall include immunity for all representatives to the Consultative Assembly from arrest and all legal proceedings in the territories of all members, in respect of words spoken and votes cast in the debates of the Assembly or its committees or commissions.“ Nach Art. 40 lit. b. der Satzung des Europarates sollten die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung dieses Grundsatzes eine entsprechende Vereinbarung sowie eine Vereinbarung mit Frankreich als dem Gastgeberstaat der parlamentarischen Versammlung des Europarates schließen. Dies ist durch den Abschluss des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates 2 (weiter: Allgemeines Abkommen) geschehen. Dessen Artikel 13 lautet wie folgt: „No administrative or other restriction shall be imposed on the free movement to and from the place of meeting of Representatives to the Consultative Assembly and their substitutes. Representatives and their substitutes shall, in the matter of customs and exchange control, be accorded: a by their own government, the same facilities as those accorded to senior officials travelling abroad on temporary official duty; b by the governments of other members, the same facilities as those accorded to representatives of foreign governments on temporary official duty.“ Artikel 14 des Allgemeinen Abkommens beschäftigt sich mit den Fragen der Immunität der delegierten Abgeordneten: 1 Statute of the Council of Europe vom 5. Mai 1949, Volltext unter https://www.coe.int/en/web/conventions/fulllist /-/conventions/treaty/001. 2 General Agreement on Privileges and Immunities of the Council of Europe vom 2. September 1949, Volltext unter https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/002. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 5 „Representatives to the Consultative Assembly and their substitutes shall be immune from all official interrogation and from arrest and all legal proceedings in respect of words spoken or votes cast by them in the exercise of their functions.“ Auch in Artikel 15 des Allgemeinen Abkommens finden sich Regelungen zur Immunität der Delegierten während der Sitzungsperioden der parlamentarischen Versammlung des Europarates: „During the sessions of the Consultative Assembly, the Representatives to the Assembly and their substitutes, whether they be members of Parliament or not, shall enjoy : a on their national territory, the immunities accorded in those countries to members of Parliament; b on the territory of all other member States, exemption from arrest and prosecution . This immunity also applies when they are travelling to and from the place of meeting of the Consultative Assembly. It does not, however, apply when Representatives and their substitutes are found committing, attempting to commit, or just having committed an offence, nor in cases where the Assembly has waived the immunity.“ Ferner wurde ein Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen3 abgeschlossen, in dem die oben genannten Bestimmungen weiter konkretisiert wurden. Dessen Artikel 3 lautet: „The provisions of Article 15 of the Agreement shall apply to Representatives to the Assembly, and their Substitutes, at any time when they are attending or travelling to and from, meetings of committees and sub-committees of the Consultative Assembly, whether or not the Assembly is itself in session at such time.“ Arikel 4 des Zusatzprotokolls konkretisiert den diplomatischen Status der delegierten Abgeordneten : „The Permanent Representatives of members of the Council of Europe shall, while exercising their functions and during their journey to and from the place of meetings, enjoy the privileges, immunities and facilities normally enjoyed by diplomatic envoys of comparable rank.“ Schließlich regelt Artikel 5 des Zusatzprotokolls die Möglichkeit der Aberkennung der Immunität : „Privileges, immunities and facilities are accorded to the representatives of members not for the personal benefit of the individuals concerned, but in order to safeguard the independent exercise of their functions in connection with the Council of Europe. 3 Protocol to the General Agreement on Privileges and Immunities of the Council of Europe vom 6. November 1952, Volltext unter https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/010. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 6 Consequently, a member has not only the right but the duty to waive the immunity of its representative in any case where, in the opinion of the member, the immunity would impede the course of justice and it can be waived without prejudice to the purpose for which the immunity is accorded.“ Überdies regelt Artikel 69 der Geschäftsordnung der EuroparatsPV4 den genauen Ablauf des Verfahrens bei einem Entzug der Immunität für einen Delegierten. Für Frankreich als Sitzland der EuroparatsPV gelten außerdem die Bestimmungen des Abkommens über den Sitz des Europarates5, dessen Artikel 5 lautet: „The French authorities shall not interfere with the access to the seat of the Council of: a representatives of members on the Committee or in the Assembly or officials of the Council or the families of these persons;“ Das Ausstellen von Visa wird in Artikel 6 des genannten Abkommens geregelt: „Such visas as may be necessary for the journeys of the persons mentioned in Article 5 shall be granted as quickly as possible.“ 1.2. OSZE Das Regelwerk der OSZE zur Sicherstellung der Mandatsausübung der Delegierten zur parlamentarischen Versammlung der OSZE (weiter PV-OSZE, vor 1994 PV-KSZE) fällt demgegenüber wesentlich geringer aus. So enthält die Charta von Paris für ein Neues Europa von 19906 lediglich folgende allgemeine Bestimmung zu der Schaffung der parlamentarischen Versammlung: „In Anerkennung der wichtigen Rolle, die Parlamentarier im KSZE-Prozess spielen können, sprechen wir uns für eine stärkere Einbeziehung der Parlamentsarbeit in die KSZE aus, insbesondere durch die Schaffung einer parlamentarischen Versammlung der KSZE unter Beteiligung von Parlamentsmitgliedern aus allen Teilnehmerstaaten. Zu diesem Zweck befürworten wir nachdrücklich, dass Kontakte auf Parlamentsebene 4 Rules of Procedure of the Assembly, Stand: Juli 2019, Volltext unter: http://assembly.coe.int/nw/xml/RoP/RoP- XML2HTML-EN.asp. 5 Special Agreement Relating to the Seat of the Council of Europe vom 2. November 1949, Volltext unter https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?document Id=090000168006373b. 6 Charta von Paris für ein Neues Europa, Paris 1990, Volltext unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/189558/21543d1184c1f627412a3426e86a97cd/charta-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 7 fortgesetzt werden, um Tätigkeitsbereich, Arbeitsmethoden und Verfahrensregeln einer derartigen parlamentarischen Struktur der KSZE unter Nutzung vorhandener Erfahrungen und bereits geleisteter Arbeiten in diesem Bereich zu erörtern.“ Die Madrider Erklärung zur Schaffung der parlamentarischen Versammlung der OSZE7 enthält in der Ziffer 2 lediglich folgende allgemeine Verpflichtung des Gaststaates der jährlichen Versammlung , für deren Organisation und Durchführung zu sorgen: „The CSCE's Parliamentary Assembly will hold a plenary annual meeting for a period of not more than five days. This meeting will normally be held during the first week of July in the capital or in another city of a State participating in the CSCE. The host country will provide the necessary support for the organisation and conduct of the meeting.“ Die Geschäftsordnung der PV-OSZE8 enthält in Artikel 3 zudem Anforderungen an die Mitglieder der Versammlung und das Verfahren zur Prüfung von deren Berechtigung. Regelungen zur Immunität oder Reisefreiheit im Rahmen der Amtsausübung finden sich darin nicht, auch nicht im Teil VI, in dem die Organisation der Versammlung durch das Sekretariat beschrieben wird. Hinsichtlich der Teilnahme der Delegierten an Wahlbeobachtungsmissionen enthält die Erklärung von Kopenhagen von 19909 in Ziffer 8 folgende Erklärung: „Die Teilnehmerstaaten vertreten die Auffassung, dass, wenn Wahlen abgehalten werden , die Anwesenheit von Beobachtern sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland für den Wahlprozess von Vorteil ist. Aus diesem Grund werden sie Beobachter aus anderen KSZE-Teilnehmerstaaten sowie alle geeigneten privaten Institutionen und Organisationen , die dies wünschen, einladen, den Verlauf ihrer landesweiten Wahlen zu beobachten, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Ebenso werden sie sich bemühen, einen gleichartigen Zugang zu Wahlen unterhalb der nationalen Ebene zu ermöglichen. Diese Beobachter verpflichten sich, nicht in das Wahlgeschehen einzugreifen.“ 7 Final Resolution concerning the Establishment of the CSCE Parliamentary Assembly, Madrid, 2.-3. April 1991, Volltext unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/189560/9811606c5507822641286b4034e13232/mad_konf-data.pdf. 8 Geschäftsordnung der parlamentarischen Versammlung der OSZE, Stand: 23. März 2019, Volltext unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/629198/5f448806dbbed30de5bf8c74df695898/OSZE-PV_Geschaeftsordnung -2019-data.pdf. 9 Dokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990, Volltext unter: https://www.osce.org/de/odihr/elections/14304?download=true. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 8 2. Immunität der Mitglieder der parlamentarischen Versammlungen bei der Mandatsausübung 2.1. Europarat Wie aus dem oben aufgeführten Regelwerk des Europarates ersichtlich, genießen die Delegierten der EuroparatsPV bei ihrer Mandatsausübung grundsätzlich eine Immunität vor Strafverfolgung, die vergleichbar mit einer diplomatischen Immunität ist.10 Diese ist jedoch gem. Artikel 14, 15 des Allgemeinen Abkommens sowie Art. 3 und 4 des Zusatzprotokolls beschränkt auf die Tätigkeiten der Delegierten bei den Sitzungen der EuroparatsPV. Sie gilt jedoch in räumlicher und zeitlicher Hinsicht insofern weiter, als auch der Weg zur parlamentarischen Versammlung erfasst ist. Über die Immunität im konkreten Fall entscheiden gem. Artikel 69 der Geschäftsordnung der EuroparatsPV der Ständige Ausschuss (Standing Committee) bzw. der Präsident der Europarats PV. Sie können nach Anhörung des delegierten Abgeordneten entweder die Immunität gegenüber den Strafverfolgungsbehörden bestätigen (retention) oder einen Verzicht (waiver) darauf erklären , sofern sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Vorwürfe gegen den delegierten Abgeordneten nicht die Ausübung seiner Tätigkeit als Mitglied der EuroparatsPV betreffen (Art. 69.7.c der Geschäftsordnung der EuroparatsPV). 2.2. OSZE Eine Immunität für delegierte Abgeordnete als Mitglieder der parlamentarischen Versammlung der OSZE ist dagegen nicht im OSZE-Regelwerk vorgesehen. Die Delegierten der PV-OSZE können sich nicht auf diplomatische Immunität von Mitgliedern einer internationalen Organisation berufen, denn bei der OSZE handelt es sich nach überwiegender Auffassung nicht um eine internationale Organisation mit Völkerrechtssubjektivität.11 3. Pflichten der Mitgliedstaaten gegenüber den Delegierten der parlamentarischen Versammlungen Weder das Regelwerk des Europarats noch das Regelwerk der OSZE enthalten Bestimmungen, die das Verhältnis zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und den Delegierten der parlamentarischen Versammlungen betreffen. Die einzigen Ausnahmen hierzu sind die oben erläuterten Regelungen zur Immunität sowie die Regelungen zu Einreise in den Mitgliedsstaat, in dem die entsprechende Parlamentarische Versammlung stattfindet (dazu siehe sogleich unten). So können die Delegierten, die ordnungsgemäß zu den parlamentarischen Versammlungen des Europarates bzw. der OSZE entsandt wurden, gegenüber den Organen dieser Versammlungen (dem Präsidenten, dem Sekretariat, den Ausschüssen etc.) bestimmte Verfahrensrechte wie etwa 10 Vgl. zur diplomatischen Immunität vor Strafverfolgung Ipsen, Knut (Hrsg.), Völkerrecht, Ein Studienbuch, 7. Aufl. 2018, § 24 Rn. 19 ff. 11 Vgl. hierzu ausführlich Epping, in: Ipsen, Knut, Völkerrecht (Fn. 10), § 8 Rn. 232 m.w.N.; Ruffert, Matthias/Walter , Christian, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 491. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 9 Anwesenheits-, Rede- oder Stimmrecht geltend machen. Direkte Rechte gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten, wie etwa ein Auskunftsrecht, sind dagegen nicht vorgesehen. Insofern bestehen auf der anderen Seite auch keine Regelungen zu den entsprechenden Pflichten der Mitgliedsstaaten gegenüber den Delegierten der parlamentarischen Versammlung. 4. Möglichkeit der Einreiseverweigerung durch Mitgliedstaaten Als Ausgangspunkt gilt grundsätzlich, dass jeder Staat im Rahmen seiner völkerrechtlichen Souveränität frei entscheiden darf, ob und unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen er Staatsangehörigen anderer Staaten die Einreise erlaubt oder verweigert.12 Dieser Grundsatz kann nur dann durchbrochen werden, wenn ein Staat sich – etwa durch einen völkerrechtlichen Vertrag – dazu verpflichtet, Angehörige bestimmter anderer Staaten, ggf. auch nur in bestimmten Fällen einreisen zu lassen. 4.1. Europarat Die Garantien der Mitgliedstaten des Europarates gegenüber den Delegierten der EuroparatsPV beschränken sich – wie aus den oben aufgeführten Vorschriften ersichtlich – auf den zur Sitzung der parlamentarischen Versammlung, die einmal jährlich in Straßburg in Frankreich stattfindet (Art. 13 des Allgemeinen Abkommens zur EuroparatsPV). Frankreich ist demensprechend auch verpflichtet, den Delegierten etwa nötige Visapapiere so schnell wie möglich auszustellen und ihnen den ungehinderten Zugang zu den Räumlichkeiten der EuroparatsPV zu gewähren (Art. 5 und 6 des Abkommens über den Sitz des Europarates). Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten des Europarates, den Delegierten der EuroparatsPV die Einreise auf eigenes Staatsgebiet zu gewähren, findet sich im Regelwerk des Europarates nicht. 4.2. OSZE Aus der oben aufgeführter Madrider Erklärung (Ziffer 2) ergibt sich die Verpflichtung jedes Mitgliedstaates der OSZE, für die nötige Unterstützung der Organisation und Durchführung der jährlichen Plenarsitzung der PV-OSZE zu sorgen, sofern diese auf seinem Staatsgebiet stattfindet. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Erteilung von Visa und Gewährung des Zugangs für Delegierte anderer Mitgliedsstaaten, die an der jährlichen Plenarsitzung teilnehmen sollen, existiert zwar nicht, kann jedoch im Wege der Auslegung dieser Vorschrift angenommen werden. Eine Ausweitung dieser Verpflichtung auf sonstige Reisen der delegierten Abgeordneten in andere Mitgliedsstaaten, etwa im Zusammenhang mit einer Fact-Finding-Mission, erscheint jedoch zu weitgehend und nicht mehr mit dem Wortlaut der Ziffer 2 der Madrider Erklärung vereinbar, da diese ausdrücklich nur von der Jahresplenarsitzung („plenary annual meeting“) spricht. Hinsichtlich der Einreise der Delegierten als Wahlbeobachter gilt dabei Ziffer 8 der Erklärung von Kopenhagen, die ausdrücklich eine Einladung des Delegierten als Wahlbeobachter voraussetzt. 12 Vgl. hierzu Ipsen, Knut, Völkerrecht (Fn. 10), § 5 Rn. 59 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 10 Wird eine solche Einladung jedoch nicht ausgesprochen oder widerrufen, so entsteht ein Einreiserecht nicht bzw. es entfällt mit dem Widerruf. 5. Möglichkeiten für die Durchsetzung der Einreise durch delegierte Abgeordnete 5.1. Europarat Wie oben unter 4.1 dargestellt, bestehen die Reiserechte der delegierten Abgeordneten vor allem als Einreiserechte zu den Sitzungen der EuroparatsPV im Gastgeberland Frankreich. Sollten die Sitzungen der EuroparatsPV in einem anderen Mitgliedstaat stattfinden, so besteht ein Einreiserecht gegenüber diesem Staat. Die Durchsetzbarkeit eines solchen Einreiserechts ist jedoch sowohl gegenüber Frankreich als auch gegenüber anderen Mitgliedstaaten problematisch. Weder die Satzung des Europarates noch dessen Geschäftsordnung bzw. das Abkommen über den Sitz des Europarates enthalten Bestimmungen , die etwaige Sanktionen gegenüber dem Mitgliedstaat vorsehen würden, welcher dem delegierten Abgeordneten die Einreise vertragswidrig nicht gewährt. Man könnte hier höchstens auf das allgemeine Verfahren zum Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedstaates im Europarat zurückgreifen. Dieses setzt jedoch gem. Art 3 und 8 der Satzung des Europarats voraus, dass der Mitgliedsstaat eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte oder Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verletzt hat: „Every member of the Council of Europe must accept the principles of the rule of law and of the enjoyment by all persons within its jurisdiction of human rights and fundamental freedoms, and collaborate sincerely and effectively in the realisation of the aim of the Council as specified in Chapter I.“ „Any member of the Council of Europe which has seriously violated Article 3 may be suspended from its rights of representation and requested by the Committee of Ministers to withdraw under Article 7. If such member does not comply with this request, the Committee may decide that it has ceased to be a member of the Council as from such date as the Committee may determine.“ Eine solche schwerwiegende Verletzung durch Verweigerung der Einreise für delegierte Abgeordnete erscheint eher fernliegend und höchstens dann denkbar, wenn diese wiederholt, systematisch und willkürlich gegenüber mehreren Delegierten stattfindet. Selbst wenn eine solche Verletzung bejaht würde, so ist der Entzug des Stimmrechts für die Delegation des entsprechenden Mitgliedsstaates seit 2019 verfahrenstechnisch nur durch entsprechende Abstimmung sowohl in der Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/20 Seite 11 EuroparatsPV als auch im Außenministerkomitee des Europarates durchsetzbar, was nur schwer zu erreichen sein dürfte.13 5.2. OSZE Ebenso wenig enthält das Regelwerk der OSZE effektive Möglichkeiten für einen delegierten Abgeordneten , sein aus der Ziffer 2 der Madrider Erklärung abgeleitetes Recht zur Einreise zu Sitzungen der PV-OSZE gegenüber dem Gastgeberland durchzusetzen. Ein etwaiger Ausschluss eines Mitgliedstaates von den Anwesenheits- oder Stimmrechten ist nicht vorgesehen. *** 13 Vgl. zu der Rechtslage nach der Wiedererlangung des Stimmrechts durch die Russische Föderation im Europarats PV durch die Resolution 2287 (2019) vom 25. Juli 2019, Volltext unter: http://semanticpace .net/tools/pdf.aspx?doc=aHR0cDovL2Fzc2VtYmx5LmNvZS5pbnQvbncveG1sL1hSZWYvWDJI- LURXLWV4dHIuYXNwP2ZpbGVpZD0yNzk4MCZsYW5nPUVO&xsl=aHR0cDovL3NlbWFud- GljcGFjZS5uZXQvWHNsdC9QZGYvWFJlZi1XRC1BVC1YTUwyUERGLnhzbA==&xsltparams=Zmls- ZWlkPTI3OTgw.