© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 013/19 Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 2 Weltgesundheitsorganisation (WHO) Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 013/19 Abschluss der Arbeit: 14. März 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Strukturen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 4 2.1. Aufbau und Besetzung der Organe und Gremien 4 2.2. Sitzungen und Abstimmungen der Weltgesundheitsversammlung 6 2.3. Wahl des Generaldirektors 6 2.4. Auswahl von Experten 7 2.5. Finanzierung und Ausgaben der WHO 8 2.6. Einbeziehung und Einfluss außenstehender Akteure 10 3. Kritik 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 4 1. Einführung Dieser Sachstand befasst sich mit der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, kurz: WHO) und beleuchtet dabei einzelne durch den Auftraggeber angefragte Aspekte. Die WHO wurde am 22. Juli 1946 gegründet und nahm am 7. April 1948, dem heutigen Weltgesundheitstag, mit Inkrafttreten der selbstgegebenen Verfassung1 ihre Arbeit auf. Es handelt sich um eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (VN), die ihren Sitz in Genf (Schweiz) hat und mittlerweile 194 Mitgliedstaaten zählt.2 Die WHO hat sich als Ziel gesetzt, „allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen“ (vgl. Art. 1 WHO-Verfassung). Dazu nimmt sie als „leitende und koordinierende Stelle des internationalen Gesundheitswesens“ (Art. 2 lit. a WHO- Verfassung) u.a. folgende Aufgaben wahr: So unterstützt sie die Mitgliedstaaten bei dem Aufbau ihrer Gesundheitssysteme oder gewährt ihnen in dringenden Fällen technische Hilfe (z.B. bei Katastrophenfällen oder Epidemien). Daneben fördert sie die medizinische Forschung und die Verbesserung der gesundheitlich bedeutsamen Lebensbedingungen sowie die Zusammenarbeit zwischen Fachkreisen aus dem Bereich des internationalen Gesundheitswesens. Außerdem ist sie dafür zuständig, weltweit gültige Standards und Leitlinien im gesundheitspolitischen Bereich zu entwickeln und festzulegen.3 2. Strukturen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2.1. Aufbau und Besetzung der Organe und Gremien Um das selbstgesteckte Ziel eines weltweit bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erreichen, greift die WHO auf ihre drei Hauptorgane zurück: die Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, kurz: WHA), den Exekutivrat und das Sekretariat unter Leitung des Generaldirektors. Das oberste Entscheidungsorgan der WHO ist dabei die Weltgesundheitsversammlung, die aus den Vertretern der 194 Mitgliedstaaten besteht und jährlich in Genf zusammen trifft.4 Die 1 Constitution of the World Health Organization, adopted by the International Health Conference held in New York from 19 June to 22 July 1946, signed on 22 July 1946 and entered into force on 7 April 1948, abrufbar unter: https://www.who.int/governance/eb/who_constitution_en.pdf. Eine deutschsprachige Übersetzung ist abrufbar auf der Webseite des Bundesrates der Schweiz unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19460131/201405080000/0.810.1.pdf. 2 Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung mit Verweis auf „Der neue Fischer Weltalmanach 2019“, WHO, abrufbar unter: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/fischer-weltalmanach/66234/who. 3 Vgl. dazu die Webseite des Bundesgesundheitsministeriums, Glossar, Weltgesundheitsorganisation (WHO), 29.7.2016, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/w/weltgesundheitsorganisation -who.html; Kaltenborn/Tröppner, Globales Gesundheitsrecht, in: JZ, Jahrgang 72 (2017), Heft 15/16, S. 745-754, S. 748 f. 4 Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich jedoch auf Personen jedes Geschlechts. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 5 Mitgliedstaaten dürfen bis zu drei Vertreter als Delegierte entsenden, die vornehmlich aus der staatlichen Gesundheitsverwaltung stammen und sich durch ihre fachliche Kompetenz auf dem Gebiet des Gesundheitswesens auszeichnen sollen (vgl. Art. 11 WHO-Verfassung). Die Weltgesundheitsversammlung legt u.a. die politische Agenda der WHO fest und ist insbesondere für die Normsetzung zuständig (wie etwa die Bestimmung technischer Regelungen, aber auch die Annahme von Verträgen und Abkommen).5 Sie hat darüber hinaus die Kompetenz, „den Mitgliedstaaten Empfehlungen über jede innerhalb der Zuständigkeit der Organisation liegende Frage zu machen“ (Art. 23 WHO-Verfassung). Die Weltgesundheitsversammlung bestimmt zudem den Exekutivrat, der als deren ausführendes Organ handelt. Der Exekutivrat besteht aus 34 Personen – laut WHO-Verfassung möglichst mit medizinischen Fachkenntnissen ausgestattet – welche stellvertretend von jenen 34 Mitgliedstaaten entsandt werden, die die Weltgesundheitsversammlung zuvor aus ihren Reihen gewählt hat. Gemäß der WHO-Verfassung ist bei der Wahl eine „ausgewogene geographische Verteilung der Mitglieder“ zu berücksichtigen, die sich auch in der Vorgabe niederschlägt, dass jeweils mindestens drei Mitglieder aus den sechs Regionalorganisationen der WHO vertreten sein müssen.6 Das Amt des Generaldirektors übt seit dem 1. Juli 2017 der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus aus. Der Generaldirektor leitet das Sekretariat der WHO und ist der höchste technische und administrative Beamte der WHO.7 Die WHO ist durch eine föderale Struktur gekennzeichnet und ordnet ihre Mitgliedstaaten folgenden sechs Regionen zu: Afrika, Europa, Nord-, Mittel- und Südamerika, Östlicher Mittelmeerraum, Südostasien und Westlicher Pazifikraum. In jeder dieser Regionen tagt jährlich ein Regionalkomitee, bestehend aus den WHO-Mitgliedstaaten in der jeweiligen Region, als das höchste beschlussfassende Organ der WHO auf regionaler Ebene. Zudem unterhält die WHO in jeder Region ein Regionalbüro, das von einem Regionaldirektor geleitet wird und die Beschlüsse des Regionalkomitees umsetzt. Die Regionalbüros befinden sich in den Städten Brazzaville (Kongo; für die Region Afrika), Kairo (Ägypten; für die Region östlicher Mittelmeerraum), Kopenhagen (Dänemark; für die Region Europa), Manila (Philippinen; für die Region Westpazifik), Neu Delhi (Indien; für die Region Südostasien) und Washington D.C. (USA; für die Region Nord-, Mittel- und Südamerika).8 Auf Regionalebene besteht damit mit den 5 Vgl. Kaltenborn/Tröppner, Globales Gesundheitsrecht, in: JZ, Jahrgang 72 (2017), Heft 15/16, S. 745-754, S. 748. 6 Siehe dazu Art. 24 WHO-Verfassung, abrufbar unter: https://www.who.int/governance/eb/who_constitution _en.pdf. 7 Siehe dazu Art. 31 WHO-Verfassung, abrufbar unter: https://www.who.int/governance/eb/who_constitution _en.pdf. 8 Vgl. dazu die Webseite der WHO mit weiterführenden Links zu den Regionalorganisationen, WHO Regional Offices, abrufbar unter: https://www.who.int/about/who-we-are/regional-offices. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 6 Regionalkomitees und den durch die jeweiligen Regionaldirektoren geleiteten Regionalbüros eine vergleichbare Struktur wie auf globaler Ebene.9 2.2. Sitzungen und Abstimmungen der Weltgesundheitsversammlung Die Generalversammlung kommt jährlich zu einer ordentlichen Sitzung zusammen und entscheidet in diesem Rahmen u.a. über den Erlass von Resolutionen, von (technischen) Regelungen oder über die Annahme von Verträgen und Übereinkommen. Die Sitzungen sind grundsätzlich öffentlich, es sei denn, die Generalversammlung legt aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine nichtöffentliche Sitzung fest.10 Die Delegierten dürfen von Stellvertretern und Beratern begleitet werden. Zur Sitzung zugelassen sind zudem Vertreter von Nichtmitgliedstaaten. Repräsentanten der Vereinten Nationen und anderer zwischenstaatlicher Organisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen (englisch: Non-governmental Organizations, kurz: NGOs) dürfen auf Einladung der WHO an den Sitzungen ebenfalls teilnehmen.11 Das Stimmrecht in der Weltgesundheitsversammlung steht jedoch ausschließlich den Vertretern der Mitgliedstaaten zu. Die Abstimmungen erfolgen dabei nach dem Prinzip „ein Mitgliedstaat, eine Stimme“. Über wichtige Fragen entscheidet die Generalversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitgliedstaaten (u.a. über die Annahme von Übereinkommen, die Höhe des Arbeitsbudgets der WHO oder die Aussetzung des Stimmrechts eines Mitgliedstaats), ansonsten werden die Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen.12 2.3. Wahl des Generaldirektors Hinsichtlich der Wahl des WHO-Generaldirektors durch die Weltgesundheitsversammlung sowie der vorgelagerten Auswahl von Kandidaten für diesen Posten wurde im Jahr 2016 eine neue Vorgehensweise eingeführt: Um den Auswahlprozess transparenter zu gestalten, wurde ein Verhaltenskodex13 erarbeitet und u.a. ein „Webforum“ eingeführt, das es den Mitgliedstaaten 9 Vgl. auch Hanrieder, The path-dependent design of international organizations: Federalism in the World Health Organization, in: European Journal of International Relations 2015, Vol. 21(1) S. 215-239, 216, abrufbar unter: https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/1354066114530011. 10 World Health Assembly (WHA), Rules of Procedure of the World Health Assembly, zuletzt geändert durch Resolution WHA61.11, Rule 20, abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/rules-of-procedure-en.pdf. 11 World Health Assembly (WHA), Rules of Procedure of the World Health Assembly, zuletzt geändert durch Resolution WHA61.11, Rule 19, abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/rules-of-procedure-en.pdf. 12 World Health Assembly (WHA), Rules of Procedure of the World Health Assembly, zuletzt geändert durch Resolution WHA61.11, Rule 47, 69 ff., abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/rules-of-procedureen .pdf. 13 Code of Conduct for the Election of the Director-General of the World Health Organization, WHA66/2013/REC/1, Geneva, 20.-27 May 2013, Annex I, abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/ebwha /pdf_files/WHA66-REC1/A66_REC1-en.pdf#page=59. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 7 ermöglichte, den Bewerbern ihre Fragen zu stellen und von diesen beantworten zu lassen.14 Der mit der Vorauswahl für die Weltgesundheitsversammlung betraute Exekutivrat soll seine engere Kandidatenauswahl („Shortlist“) nunmehr anhand von festgelegten Kriterien treffen.15 Die eigentliche Wahlprozedur in der Weltgesundheitsversammlung verläuft dann allerdings geheim.16 2.4. Auswahl von Experten Die WHO verfügt derzeit (Stand: November 2018) über insgesamt 544 Experten in 43 beratenden Expertengremien („expert advisory panels“), welche verschiedenen Gesundheitsthemen zugeordnet sind.17 Diese Experten kann die WHO zurate ziehen, wenn sie zu einem bestimmten Thema eine fachliche Beratung oder Unterstützung benötigt. Je nach Bedarf wählt der Generaldirektor aus diesen Expertengremien auch die jeweils benötigten Fachleute für die Expertenausschüsse der WHO („expert committees“) aus. Zu den ständigen Expertenausschüssen gehört beispielsweise der Expertenausschuss für biologische Standardisierung.18 Dessen Mitglieder sind laut eigenen Angaben Wissenschaftler, die aus dem staatlichen Gesundheitswesen, nationalen Regulierungsbehörden, Forschungsinstituten oder der Lehre stammen.19 Bei der Auswahl der Fachleute für die beratenden Expertengremien hat der Generaldirektor vorrangig die fachlichen Qualifikationen und Erfahrung der Personen zu berücksichtigen; er soll sich jedoch auch um internationale Vielfalt in Bezug auf Wissen, Erfahrungsschätze und Herangehensweisen bemühen und insbesondere Entwicklungsländer ermutigen, Experten vorzuschlagen.20 Für die Besetzung der Expertenausschüsse spielen zudem Kriterien wie eine ausgewogene Verteilung der Herkunftsländer und Geschlechter eine Rolle.21 Eine 14 The WHO's New Electoral Format Could Be a Model for Other UN Agencies, Chatham House, Charles Clift, 7.11.2016, abrufbar unter: https://www.chathamhouse.org/expert/comment/whos-new-electoral-format-couldbe -model-other-un-agencies; vgl. dazu auch die Webseite der WHO, Election Process for the WHO Director- General April 2016–May 2017, abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/ep/. 15 The WHO's New Electoral Format Could Be a Model for Other UN Agencies, Chatham House, Charles Clift, 7.11.2016, abrufbar unter: https://www.chathamhouse.org/expert/comment/whos-new-electoral-format-couldbe -model-other-un-agencies. 16 World Health Assembly (WHA), Rules of Procedure of the World Health Assembly, zuletzt geändert durch Resolution WHA61.11, Rule 108, abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/rules-of-procedure-en.pdf. 17 WHO, WHO Expert Advisory Panels and Committees, abrufbar unter: https://www.who.int/about/collaborations /expert_panels/en/. 18 WHO, WHO Expert Committee on Biological Standardization (ECBS), abrufbar unter: https://www.who.int/biologicals /WHO_ECBS/en/. 19 Ebd. 20 WHO, Factsheet Expert Advisory Panels and Committees, abrufbar unter: https://www.who.int/about/collaborations /FactsheetEAP2017.pdf?ua=1. 21 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 8 Aufschlüsselung der Experten nach Herkunftsländern findet sich auf der Webseite der WHO.22 Der Frauenanteil liegt derzeit bei 34 Prozent (Stand: November 2018).23 Neben den Expertenausschüssen sucht die WHO auch Wege der Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren. Zu diesem Zweck kann der Generaldirektor etwa sogenannte Studien- und Forschungsgruppen („study groups“, „scientific groups“) einberufen oder mit anderen Institutionen (u.a. „WHO Collaborating Centres“) kooperieren.24 Für eine darüber hinausgehende Zusammenarbeit mit einzelnen Experten, Expertengruppen und Institutionen hat die WHO in ihren Regularien keine speziellen Vorgaben aufgestellt, sondern überlässt dem Generaldirektor einen gewissen Ermessensspielraum. Diese insoweit bewusst ungeregelte Form der Zusammenarbeit darf von den ansonsten aufgestellten Verfahren abweichen, soll aber mit den grundsätzlichen Prinzipien der WHO übereinstimmen und einem Monitoring- und Evaluationsverfahren unterliegen.25 2.5. Finanzierung und Ausgaben der WHO Die WHO finanziert sich über feste Pflichtbeiträge ihrer Mitgliedstaaten sowie freiwillige Beitragsleistungen. Die Höhe der Pflichtbeiträge orientiert sich an dem Grad des Wohlstandes des Mitgliedstaates und seiner Bevölkerungszahl, wobei seit dem Jahr 1993 die Pflichtbeiträge eingefroren sind.26 Die Webseite der WHO gibt Auskunft darüber, welche einzelnen Pflichtbeiträge die Mitgliedstaaten leisten müssen und welche Zahlungen gegenwärtig noch ausstehen.27 Freiwillige Beiträge werden von u.a. von Staaten (zusätzlich zu den Pflichtbeiträgen) bereitgestellt sowie von privaten Stiftungen, internationalen Organisationen und Unternehmen gespendet.28 Während in den 1970er Jahren noch etwa 80 Prozent des WHO-Haushaltes aus den Pflichtbeiträgen der Mitgliedstaaten finanziert wurde und freiwillige Zuwendungen lediglich 20 22 Ebd. 23 WHO, WHO Expert Advisory Panels and Committees, abrufbar unter: https://www.who.int/about/collaborations /expert_panels/en/. 24 Regulations for study and scientific groups, Collaborating Institutions and other mechanisms of collaboration, in: WHO Basic Documents, 48th edition (2014), S. 131-133, para 1 ff. abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd48/basic-documents-48th-edition-en.pdf#page=127. 25 Regulations for study and scientific groups, Collaborating Institutions and other mechanisms of collaboration, in: WHO Basic Documents, 48th edition (2014), S. 131-133, para 1 ff. abrufbar unter: http://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd48/basic-documents-48th-edition-en.pdf#page=127. 26 Global Health Watch 5 – An alternative health report (2017), in: People’s health movement (Hrsg.), D1 “Money talks at the world health organization”, S. 247, abrufbar unter: https://phmovement.org/download-full-contentsof -ghw5/. 27 WHO, Assessed Contributions, abrufbar unter: https://www.who.int/about/finances-accountability/funding/assessed -contributions/en/. 28 Eine grafische Aufstellung aller freiwilligen Geber findet sich auf der Webseite der WHO, Contributors overview , abrufbar unter: http://open.who.int/2018-19/contributors/overview. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 9 Prozent ausmachten, hat sich heute dieses Verhältnis in etwa umgekehrt.29 Ein Großteil der freiwillig geleisteten Beiträge ist zweckgebunden oder an bestimmte Tätigkeitsfelder der WHO geknüpft, sodass die WHO in diesen Fällen über die Verwendung ihrer Mittel nur eingeschränkt entscheiden kann.30 Dies führt teilweise dazu, dass weniger Mittel für langfristig angelegte Projekte wie etwa die Unterstützung von nationalen Gesundheitssystemen zur Verfügung stehen, wohingegen bestimmte, für Geber augenscheinlich attraktivere, Programme regelmäßig gut finanziert sind.31 Für ihren Zweijahreshaushalt 2018-2019 verfügt die WHO über finanzielle Mittel in Höhe von rund 5,84 Milliarden USD.32 Das Programmbudget der WHO für den Zeitraum 2018-2019 gliedert sich in die folgenden Tätigkeitsfelder auf:33 Übertragbare Krankheiten (wie HIV, Hepatitis, Malaria) Nichtübertragbare Krankheiten (wie Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs) Förderung der lebenslangen Gesundheit Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme Finanzierung von Notfallprogrammen und Humanitäre Nothilfe Stärkung von Effektivität, Transparenz und Integrität der Organisation Ausrottung von Polio Spezialprogramme und globales Programm zur Verhinderung von Grippepandemien Für welche konkreten Projekte die WHO aktuell in ihren einzelnen Tätigkeitsfeldern finanzielle Mittel veranschlagt, veranschaulichen Grafiken auf der Webseite der WHO.34 29 Vgl. dazu Beigbeder, Die Weltgesundheitsorganisation im Wandel, in: Vereinte Nationen, Heft 5 (2012), S. 195- 201, 197, abrufbar unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift _VN/VN_2012/Heft_5_2012/02_Beigbeder_VN_5-12_11-10-2012.pdf; WHO, Assessed Contributions, abrufbar unter: https://www.who.int/about/finances-accountability/funding/assessed-contributions/en/; 30 Vgl. dazu WHO, Voluntary Contributions, abrufbar unter: https://www.who.int/about/finances-accountability /funding/voluntary-contributions/en/; „Weltgesundheitsorganisation am Bettelstab – Was gesund ist, bestimmt Bill Gates”, Thomas Kruchem, 16.5.2017, Deutschlandfunk Kultur, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/weltgesundheitsorganisation-am-bettelstab-was-gesundist .976.de.html?dram:article_id=385853. 31 Beigbeder, Die Weltgesundheitsorganisation im Wandel, in: Vereinte Nationen, Heft 5 (2012), S. 195-201, 197, abrufbar unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift _VN/VN_2012/Heft_5_2012/02_Beigbeder_VN_5-12_11-10-2012.pdf; „Weltgesundheitsorganisation am Bettelstab – Was gesund ist, bestimmt Bill Gates”, Thomas Kruchem, 16.5.2017, Deutschlandfunk Kultur, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/weltgesundheitsorganisation-am-bettelstab-was-gesundist .976.de.html?dram:article_id=385853. 32 WHO, Financing of 2018-19 Biennium, abrufbar unter: http://open.who.int/2018-19/budget-and-financing/summary . 33 WHO, Our Programme of work – Programme budget, abrufbar unter: http://open.who.int/2018-19/our-work. 34 Ebd. mit weiterführenden Links zu den Tätigkeitsfeldern; siehe z.B. WHO, Programme HIV and Hepatitis, abrufbar unter: http://open.who.int/2018-19/our-work/category/01/programme/01.001/about/key-figures. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 10 2.6. Einbeziehung und Einfluss außenstehender Akteure In der Vergangenheit sah sich die WHO zunehmend Kritik ausgesetzt, wonach externe nichtstaatliche Akteure wie Unternehmen oder Stiftungen Einfluss auf das operative und normative Geschäft der WHO ausübten und diese für ihre eigenen Zwecke instrumentalisierten (dazu 3.). Daraufhin verabschiedete die Gesundheitsversammlung im Jahr 2016 ein Rahmenwerk für das Engagement mit nicht-staatlichen Akteuren (Framework of Engagement with non-State Actors, kurz: FENSA).35 In diesem Rahmenwerk weist die WHO u.a. auf die Risiken hin, die sich aus einer Zusammenarbeit mit NGOs, dem privaten Sektor (einschließlich internationaler Unternehmensverbände), philanthropischen Stiftungen und wissenschaftlichen Einrichtungen ergeben können und kategorisiert die möglichen Formen der Interaktion (z.B. die Teilnahme an WHO-Zusammenkünften oder das Bereitstellen von Expertise).36 Mit der Verabschiedung dieses Rahmenwerks hat die Gesundheitsversammlung auch ein öffentlich einsehbares Register für die nicht-staatlichen Akteure eingeführt und die Zusammenarbeit mit der Tabak- und Waffenindustrie ausgeschlossen. Die Mitgliedstaaten konnten sich nicht darauf einigen, von einer Zusammenarbeit mit weiteren potentiell gesundheitsschädigenden Industrien generell abzusehen, sodass das Rahmenwerk darüber hinaus vorsieht, dass die WHO „besondere Vorsicht“ bei der Zusammenarbeit mit solchen Akteuren walten lassen soll.37 3. Kritik Insbesondere der wachsende Einfluss von privaten Akteuren wie philanthropischen Stiftungen und öffentlich-privaten Partnerschaften (Public-Private-Partnerships, kurz: PPP) stößt auf Kritik in den Medien und der Zivilgesellschaft. Bemängelt wird unter anderem, dass sich die WHO durch den hohen Anteil von privat finanzierten Mitteln durch Geber wie die „Bill-und-Melinda- Gates-Stiftung“ oder die „Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung“ (Global Alliance für Vaccines and Immunizations, kurz: GAVI) finanziell abhängig mache.38 Durch die 35 Seitz, FENSA – a fence against undue corporate influence?, in: Miseror et al. (Hrsg.), Briefing, September 2016, S. 1, abrufbar unter: https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/Briefing_0916_FENSA.pdf; World Health Assembly , Framework of engagement with non-State actors (FENSA), WHA69.10, 28.5.2016, abrufbar unter: https://www.who.int/about/collaborations/non-state-actors/A69_R10-FENSA-en.pdf#page=7&zoom=page-fit,- 477,842. 36 World Health Assembly, FENSA, paras 7, 14-20, abrufbar unter: https://www.who.int/about/collaborations/nonstate -actors/A69_R10-FENSA-en.pdf#page=7&zoom=page-fit,-477,842. 37 Seitz, FENSA – a fence against undue corporate influence?, in: Miseror et al. (Hrsg.), Briefing, September 2016, S. 1, abrufbar unter: https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/Briefing_0916_FENSA.pdf. 38 „Weltgesundheitsorganisation am Bettelstab – Was gesund ist, bestimmt Bill Gates”, Thomas Kruchem, 16.5.2017, Deutschlandfunk Kultur, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/weltgesundheitsorganisation -am-bettelstab-was-gesund-ist.976.de.html?dram:article_id=385853. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 013/19 Seite 11 Zweckgebundenheit der Mittel würden damit häufig vorrangig solche Projekte gefördert, die schnell messbare Erfolge versprächen, während andere Bereiche ins Hintertreffen gerieten.39 Kritiker mahnen zudem an, dass die WHO durch eine Zusammenarbeit mit privaten Geldgebern in Interessenkonflikte gelangen könne. So könnten Unternehmen aus der Pharma- oder Lebensmittelbranche unmittelbar über eine Zusammenarbeit mit den WHO-Gremien Einfluss auf die Aktivitäten der WHO ausüben. Zu beachten seien daneben die mittelbaren Einflussmöglichkeiten auf die Aktivitäten der WHO, die sich daraus ergäben, dass etwa die Billund -Melinda-Gates-Stiftung Beteiligungen an Konzernen aus der Pharma- und Lebensmittelindustrie halte.40 Von einigen Interessenverbänden wird zudem das WHO- Rahmenwerk FENSA (dazu 2.6) kritisch beurteilt, da es die Zusammenarbeit der WHO mit Nichtregierungsorganisationen und Vertretern des Privatsektors gleichstelle.41 Nachdem die WHO im Jahr 2009 die weltweit aufgetretenen Fälle der sogenannten „Schweinegrippe“ als Pandemie eingestuft hatte, wurde der Organisation eine Fehleinschätzung der Lage vorgeworfen und der Verdacht geäußert, die WHO habe sich in ihren Entscheidungen von Interessen der Pharmazieindustrie beeinflussen lassen.42 Ein interner WHO-Überprüfungsausschuss wies diese Kritik zurück.43 Dass die politische Handlungsfähigkeit der Weltgesundheitsversammlung durch WHO-Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden kann, legt ein Artikel der New York Times aus dem Jahr 2018 nahe. Danach berichteten Beobachter, dass US-amerikanische Delegierte offenbar Druck auf Vertreter anderer Mitgliedstaaten in der Weltgesundheitsversammlung ausübt hätten, um eine mutmaßlich unliebsame Resolution zum Thema Ersatzprodukte für Muttermilch zu verhindern.44 *** 39 Global Health Watch 5 – An alternative health report (2017), in: People’s health movement (Hrsg.), D2 “Private Philanthropic Foundations: What do they mean for Global Health?”, S. 267 f., abrufbar unter: https://phmovement .org/download-full-contents-of-ghw5/. 40 Vgl. z.B. Third World Network, WHO: Civil society calls for deferment of “official relations” status to Gates Foundation, 30.1.2017, abrufbar unter: http://www.twn.my/title2/health.info/2017/hi170104.htm. 41 Vgl. Seitz, FENSA – a fence against undue corporate influence?, in: Miseror et al. (Hrsg.), Briefing, September 2016, S. 7 ff., abrufbar unter: https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/Briefing_0916_FENSA.pdf. 42 Beigbeder, Die Weltgesundheitsorganisation im Wandel, in: Vereinte Nationen, Heft 5 (2012), S. 195-201, 197, abrufbar unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift _VN/VN_2012/Heft_5_2012/02_Beigbeder_VN_5-12_11-10-2012.pdf; „WHO in der Kritik“, Andreas Zumach , 21.5.2012, Deutsche Welle, abrufbar unter: https://www.dw.com/de/who-in-der-kritik/a-15964294. 43 Report of the Review Committee on the Functioning of the International Health Regulations (2005) in relation to Pandemic (H1N1) 2009, Report by the Director-General, WHO A64/10, 6.5.2011, para 35, abrufbar unter: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/3350/A64_10-en.pdf?sequence=1&isAllowed=y. 44 „Opposition to Breast-Feeding Resolution by U.S. Stuns World Health Officials“, Andrew Jacobs, 8.7.2018, The New York Times, abrufbar unter: https://www.nytimes.com/2018/07/08/health/world-health-breastfeeding-ecuador -trump.html.