WD 2 - 3000 - 011/21 (28. Januar 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Rechtslage im Konsulargesetz Das „Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse“ (KonsularG)1 regelt in §6 Abs. 1 den Schutz von Deutschen vor Katastrophen u.ä. im Ausland: „Wenn im Konsularbezirk Naturkatastrophen, kriegerische oder revolutionäre Verwicklungen oder vergleichbare Ereignisse, die der Bevölkerung oder Teilen von ihnen Schaden zufügen, eintreten oder einzutreten drohen , sollen die Konsularbeamten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Geschädigten oder den Bedrohten , soweit sie Deutsche sind, Hilfe und Schutz zu gewähren. Dies gilt auch für Abkömmlinge von Deutschen und für nichtdeutsche Familienangehörige von Deutschen, wenn sie mit diesen in Haushaltsgemeinschaft leben oder längere Zeit gelebt haben.“ Das Gesetz beschränkt die konsularische Hilfeleistung auf deutsche Staatsangehörige („Staatsangehörigkeitsgrundsatz “). Ausnahmsweise gilt die Hilfeleistungspflicht auch für nichtdeutsche Familienangehörige von Deutschen. Die konsularische Hilfeleistungspflicht gilt aber schon nicht mehr für Doppelstaater, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Ausland haben. §5 KonsularG stellt insoweit einschränkend fest: „Die Konsularbeamten sollen Deutschen, die in ihrem Konsularbezirk hilfsbedürftig sind, die erforderliche Hilfe leisten, wenn die Notlage auf andere Weise nicht behoben werden kann. Dies gilt nicht für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat haben, wenn sie gleichzeitig die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzen und auch ihr Vater oder ihre Mutter sie besitzt oder besessen hat sowie für ihre Abkömmlinge; diesen Personen können die Konsularbeamten jedoch Hilfe gewähren, soweit es im Einzelfall der Billigkeit entspricht.“ 1 Gesetzestext abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/konsg/KonsG.pdf. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Rechtsfragen zum Konsularrecht Kurzinformation Rechtsfragen zum Konsularrecht Fachbereich WD 2: (Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Der Grund für die Begrenzung der konsularischen Hilfe auf deutsche Staatsangehörige findet sich in §1 KonsularG. Danach sind die Konsularbeamten berufen, „Deutschen sowie inländischen juristischen Personen nach pflichtgemäßem Ermessen Rat und Beistand zu gewähren.“ Die einzige Ausnahme von dem „Staatsangehörigkeitsgrundsatz“ findet sich in dem – im Jahre 2018 neu ins Konsulargesetz eingefügten – §9a KonsularG, der die konsularische Hilfeleistungspflicht auf Unionsbürger ausweitet, sofern deren Heimatstaaten in dem Gastland konsularisch nicht vertreten sind. „(1) Die §§ 5 bis 7 und 9, mit Ausnahme des § 6 Absatz 3 und des § 9 Absatz 2 und 3, sind entsprechend auf Unionsbürgerinnen und Unionsbürger anzuwenden, die im Drittland nicht vertreten sind.“ Die von dem Abgeordnetenbüro vorlegte Frage betrifft die Möglichkeit einer Gesetzesänderung des §6 KonsularG im Hinblick auf eine Ausdehnung der Hilfeleistungspflicht auf nichtdeutsche Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland haben. Eine entsprechende Gesetzesänderung wäre aus folgenden Gründen völkerrechtlich aber nicht zulässig. 2. Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Das KonsularG vom 11. September 1974 beinhaltet im Kern die nationale Umsetzung des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WüK)2 vom 24. April 1963, dem Deutschland 1969 beigetreten ist. §4 KonsularG nimmt auf die WüK Bezug: „Bei ihrer Amtstätigkeit haben die Konsularbeamten (…) insbesondere das Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (Bundesgesetzbl. II 1969 S. 1585) (…) zu beachten (…).“ Gleiches gilt für den deutschen Gesetzgeber (vgl. Art. 25 GG, Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes). Gem. Art. 5 lit a) WüK bestehen die konsularischen Aufgaben eines Staates darin, „die Interessen des Entsendestaats sowie seiner Angehörigen, und zwar sowohl natürlicher als auch juristischer Personen, im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen.“ 2 Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen, (BGBl. 1969 Teil II, S. 1587 ff.), abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/Bibliothek/ir_online_db/ir_htm/frame_wuek_24-04-1963.htm. Kurzinformation Rechtsfragen zum Konsularrecht Fachbereich WD 2: (Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Der Grund für die Beschränkung des konsularischen Schutzes auf die Staatsangehörigen des Heimatstaates („Staatsangehörigkeitsgrundsatz“) liegt im Wesen des Konsularrechts als einer Durchbrechung des Territorialitätsgrundsatzes im Völkerrecht. Das WüK erlaubt ausnahmsweise die hoheitliche Tätigkeit von ausländischen Konsularbeamten auf fremdem Territorium, begrenzt diese aber auf die in Art. 5 WüK festgelegten Zwecke. Konsularische Hilfe ist keine humanitäre Hilfe – sie ist also etwas anderes als das Tätigwerden einer Hilfsorganisation (z.B. „Ärzte ohne Grenzen“) im Ausland. Hilfsorganisationen dürfen im Ausland nur mit der Einwilligung des Aufenthaltsstaates tätig werden. Diese wird i.d.R. sehr kurzfristig und nur für den Einzelfall erteilt und kann jederzeit widerrufen werden. Konsularische Tätigkeit dagegen meint die dauerhafte Ausübung ausländischer Hoheitsgewalt auf fremdem Territorium auf der Grundlage des Völkerrechts. Eine Ausnahme von dem strengen Staatsangehörigkeitsgrundsatz sieht Art. 8 WüK vor: „Nach einer angemessenen Notifikation an den Empfangsstaat kann, sofern dieser keinen Einspruch erhebt, eine konsularische Vertretung des Entsendestaats im Empfangsstaat konsularische Aufgaben auch für einen dritten Staat wahrnehmen.“ Dieser Ausnahmetatbestand betrifft allerdings nur Einzelfälle. Völkerrechtlich nicht möglich ist dagegen die einseitige Ausweitung konsularischer Kompetenzen eines WüK-Mitgliedstaates durch Änderung seiner nationalen Konsulargesetze. ***