Die NATO als System kollektiver Sicherheit? Grundlagen und Positionen zu ihrer Weiterentwicklung - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 009/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Die NATO als System kollektiver Sicherheit? – Grundlagen und Positionen zu ihrer Weiterentwicklung Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 009/09 Abschluss der Arbeit: 27. Februar 2009 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Die Frage nach dem Ansatz einer eventuellen strategischen Neuorientierung 4 2.1. Kernpunkte 4 2.2. Positionen einiger Mitgliedstaaten 5 2.2.1. USA 6 2.2.2. Deutschland und Frankreich 7 2.2.3. Großbritannien und Polen 8 3. Die NATO als System kollektiver Sicherheit? 9 3.1. Zur Entstehungsgeschichte des Begriffs des Systems der kollektiven Sicherheit 10 3.2. Zum völkerrechtlichen Begriff des Systems der kollektiven Sicherheit 11 3.2.1. Allgemeines Völkerrecht 11 3.2.2. Satzung der Vereinten Nationen 15 3.3. Zum verfassungsrechtlichen Begriff des Systems der gegenseitigen kollektiven Sicherheit 17 4. Literaturverzeichnis 20 - 3 - 1. Einleitung Seit dem Ende des Kalten Krieges hat die NATO eine erhebliche Wandlungsfähigkeit erwiesen. Über die in jener Zeit allein notwendige Aufgabe der Verteidigung des Bündnisgebietes hinaus hat die Allianz bereits seit den 1990er Jahren die Verantwortung für mehrere Krisenreaktionsoperationen auch außerhalb des Vertragsgebietes und im Rahmen der Vereinten Nationen übernommen. Obwohl also ein klar definierbarer Gegner seit zwanzig Jahren fehlt, hat sie sich als einer der wenigen sicherheitspolitischen Akteure behauptet, die im internationalen Umfeld zu komplexen militärischen Operationen mit einem weit gefassten Aufgabenspektrum in der Lage sind. Die NATO ist daher auch heute ein wesentlicher globaler Ordnungsfaktor. Wenngleich sich die Mitgliederzahl beträchtlich erhöht hat, bildet ihrem Anspruch gemäß die Allianz nach wie vor eine feste Wertegemeinschaft, nach innen transparent, nach außen geschlossen agierend. Und dennoch: Der Außendruck – jahrzehntelang das Bindeglied zwischen den Mitgliedern der Allianz schlechthin – ist trotz der nach den Anschlägen in den USA im September 2001 begonnenen Terrorismusbekämpfung weggefallen. Zeitgleich wurde der Aktionsradius immer weiter. Vermutlich daher erschien und erscheint nach wie vor jeder einzelne Einsatz als eine enorme Herausforderung für die NATO, insbesondere bei der Bildung des für ihr Handeln stets notwendigen strategischen Konsenses der Mitgliedsstaaten . Die Überarbeitung, Präzisierung und gegebenenfalls Ergänzung der strategischen Leitlinien der Allianz erscheint vielen derzeit gebotener denn je. Zwar wurde bereits im Zuge der Diskussion um die Intensität der Teilhabe der NATO an der Bekämpfung von weltweitem Terrorismus von vielen Seiten die Notwendigkeit einer Neuauflage ihres im Jahre 1999 formulierten strategischen Konzepts für erforderlich erachtet. Mehr als eine Art Präzisierung – wenn man die beim 2006er NATO-Gipfel in Riga verabschiedete Comprehensive Political Guidance (CPG) als solche betrachten will – der seinerzeit formulierten Grundsätze ist jedoch bisher nicht erfolgt. Diesen vielfach für eine Unzulänglichkeit gehaltenen Zustand ändern zu wollen, scheint nun sogar auch unter den Mitgliedstaaten der NATO Konsens zu sein. Vor dem Hintergrund ob – und wenn ja, wie weit – die Aufnahme neuer Mitglieder vorangetrieben werden solle, und im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten im Umgehen mit der derzeit äußerst problematischen Gestaltung der Hilfe beim afghanischen Wiederaufbau stellen sie immer schärfer die Frage nach dem zukünftigen Zweck und der politischen Rolle des Bündnisses. Wobei die hinter den Diskussionen stehende zentrale Frage bisher wohl zu sein scheint: Verteidigt die NATO in erster Linie ihr Vertragsgebiet, mit all den dazu notwendigen Einflussnahmen in dessen Vorfeld? Oder ist sie – und wenn ja, wie – tätig im Hinblick auf Herstellung und Erhalt weltweiter Sicherheit? - 4 - Der erste Teil der Ausarbeitung stellt die Kernpunkte der gegenwärtigen Diskussion sowie die Positionen einiger Mitgliedstaaten der NATO über die Notwendigkeit einer strategischen Neuorientierung der NATO dar. Im zweiten Teil der Ausarbeitung wird der Frage nachgegangen, ob der nach dem Kalten Krieg um Krisenreaktionseinsätze außerhalb des Bündnisgebietes erweiterte Aufgabenbereich der NATO dazu geführt hat, dass die NATO nunmehr als System der kollektiven Sicherheit anzusehen ist. 2. Die Frage nach dem Ansatz einer eventuellen strategischen Neuorientierung Das derzeit gültige strategische Konzept der NATO1 wurde am 24. April 1999 während des damaligen Washingtoner Gipfels zum 50-jährigen Bestehen der NATO durch die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses gebilligt. Wie jede Konzeption mit strategischem Anspruch analysiert es zunächst die sicherheitspolitische Lage und leitet daraus Perspektiven, Ziele und Aufgaben ab. Eine möglichst enge transatlantische Bindung, gesicherte Verteidigungsbereitschaft auf der Grundlage effektiver militärischer Fähigkeiten sowie vorbeugende Gefahrenabwehr auch außerhalb des NATO-Vertragsgebietes sind die zentralen Denkfelder in diesem Konzept. Denkfelder, wie sie auch in der derzeitigen Diskussion um die Notwendigkeit einer strategischen Neuorientierung der NATO durchaus identisch vorkommen, obwohl sich – wie vielfältig behauptet – der Kontext des internationalen Systems in den letzen Jahren noch einmal einschneidend gewandelt hat2. Offenbar liegen also die heute relevanten Fragen unterhalb der oben angerissenen hochabstrakten Ebene. Welche wesentlichen Punkte bestimmen demnach die gegenwärtige Diskussion? Welche sind die wichtigen Fragestellungen, mit und an denen sich die Allianz strategisch neu ausrichten soll und will? 2.1. Kernpunkte Im Wesentlichen dominieren gegenwärtig drei Bereiche die durchaus kritischen Diskussionen .3 Im Vordergrund stehen – erstens – die Funktion und daraus resultierend die Finalität des Bündnisses. Die Pole der funktionalen Vorstellungen für die Allianz reichen dabei von der Beschränkung der NATO auf die Verteidigung des Bündnisgebietes bis zur Wahrnehmung einer Aufgabe als globaler Akteur bei der Sicherung der Stabilität 1 In deutscher Übersetzung im Internet bereitgestellt vom Viadrina International Law Project unter http://www.vilp.de/Depdf/d114.pdf . 2 Vgl. Varwick, Johannes (2008). 3 Vgl. beispielhaft dazu: ten Brink, Tobias (2008), de Hoop Scheffer, Jaap (2009), Kunze, Thomas/Keller, Patrick (2008), Weisser, Ulrich (2009). - 5 - des internationalen Systems. Daraus ergeben sich die Fragen, ob und wo das Bündnis Grenzen seiner territorialen Erweiterung festlegen will, und ob die NATO dann eine Rolle in einem eventuell notwendig werdenden politischen Transformationsprozess neuer Mitglieder spielen will. Vor diesem Hintergrund wird – zweitens – die zukünftige Ausgestaltung des Binnenverhältnisses wie der Außenbeziehungen der NATO beleuchtet . Auch hier reicht die Diskussion sehr weit: von der Intensivierung des euroatlantischen Verhältnisses über die Fragen nach Intensität und Art der Beziehungen zu Russland bis hin zur Modifikation des Verhältnisses zu anderen internationalen Organisationen (VN, EU, OSZE, AU) mit dem Ziel der Vermeidung von Konkurrenz oder gar Aufgabendoppelung. Drittens wird diskutiert, welche Antworten auf welche Sicherheitsbedrohungen erforderlich und angemessen sein werden. Rüstungskontrolle, Vernetzung militärischer und ziviler Lösungsansätze sowie strikt aufgabenorientierte Strukturierung und angemessene Finanzierung effektiver Streitkräfte sind die in diesem Zusammenhang relevanten Punkte. Letztlich offenbart sich damit wohl doch ein Ringen der Beteiligten um gangbare Lösungen für echte strukturelle Probleme der NATO, wie sie z.B. der Kieler Politikwissenschaftler und NATO-Kenner Johannes Varwick sieht.4 So nennt er drei zentrale Problemfelder, in denen sich die Gedanken über eine „Zukunft der Allianz als handlungsfähiges Bündnis und sicherheitspolitischer Kristallisationspunkt ihrer Mitgliedsstaaten “ bewegen müssten: zunächst das Strukturproblem Europäisierung („ … die Frage nach dem Grad der europäischen Eigenständigkeit in der NATO … “), dann das Strukturproblem Entscheidungsprozesse („ … die Frage danach, was die Mitgliedsstaaten gemeinsam beschließen und dann machen können bzw. wollen sowie was sie davon gemeinsam finanzieren wollen … “) sowie das Strukturproblem Bedrohungsperzeption („ … die Frage, ob es noch eine gemeinsame oder zumindest eine vorherrschende Bedrohungswahrnehmung in der Allianz gibt … “). Ob aus der Beschäftigung der Allianz mit diesen Problemstellungen eine strategische Richtungsdebatte solcher Qualität erwächst , dass sie dann in einen von Hans-Dietrich Genscher bereits im Jahre 2006 geforderten ‚Harmel-Bericht II’ münden könnte, scheint angesichts der enormen Fliehkräfte und unterschiedlichen Sichtweisen zwischen den Mitgliedsstaaten gegenwärtig allerdings immer noch fraglich. 2.2. Positionen einiger Mitgliedstaaten Dass die NATO im Zuge des 60. Jahrestages des Bestehens der Allianz den Prozess der Er- oder Überarbeitung ihrer strategischen Ausrichtung beginnen will, scheint unter den 4 Vgl. Varwick, a.a.O., S. 164ff. - 6 - NATO-Mitgliedern unumstritten. Allerdings wird vom Bündnis auch stets betont, dass mit dem Gipfel die schwierige Arbeit ja doch erst beginnen soll, und es somit derzeit lediglich darum geht, zu entscheiden, in welcher Art die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten die Allianz beauftragen werden. Wahrscheinlich aus diesem Grund wurden – insbesondere bei der diesjährigen 45. Münchner Sicherheitskonferenz (45. MSC) – und werden im Vorfeld noch eher weniger ausdrückliche Vorstellungen über die Grundausrichtung des anzustoßenden Denkprozesses geäußert. Dennoch wurde bisher vor allem deutlich, dass sich die Mitgliedsstaaten nicht alle in der gleichen Tiefe der Diskussion befinden, und dass sie derzeit auch noch unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Möglicherweise deshalb war es zwischenzeitlich sogar fraglich, ob im Ergebnis des im April in Kehl und Straßburg stattfindenden Gipfels mehr als ein einfacher Arbeitsauftrag erteilt werden würde. Gegenwärtig scheint es aber zu einer Verständigung darüber gekommen zu sein, dass mit einer gewissermaßen qualifizierten Gipfelerklärung durchaus auch eine Richtungsweisung für die Tiefe der anzustellenden Analyse und Überarbeitung vorgegeben werden solle. 2.2.1. USA Obwohl sich die USA nach dem gerade erst erfolgten Regierungswechsel in einer Phase des Übergangs befinden und, wie der Vizepräsident und der nationale Sicherheitsberater während der 45. MSC betonten5, ihren gesamten nationalen strategischen sicherheitspolitischen Ansatz einer Überarbeitung unterziehen, scheint die Meinungsbildung hinsichtlich ihrer Position zur zukünftigen Ausrichtung der NATO am weitesten fortgeschritten . Dabei beziehen sich die Regierungsvertreter offenbar im Wesentlichen auf die in einer gemeinsamen Analyse von vier think tanks erarbeiteten und im Februar dieses Jahres vorgelegten Vorstellungen6, deren Zusammenfassung hier als Anlage 1 beigefügt ist. Gegenwärtig diskutiert, so eine mündliche Auskunft von Beteiligten, die Regierung die Ergebnisse mit Vertretern der Verbündeten. Ob sich allerdings die Regierung die Ergebnisse der Studie tatsächlich in dem vorgelegten Detaillierungsgrad zu eigen machen wird, ist gegenwärtig nicht zu beurteilen. Grundsätzlich jedenfalls betont die bisherige Haltung der neuen Administration die sich auch in das 21. Jahrhundert fortsetzende Bedeutung der Allianz und die Relevanz ihres 5 Vgl. dazu und im Folgenden die beiden im Internet unter http://www.securityconference.de/konferenzen/reden.php?menu_2009=&menu_konferenzen=&spra che=de&jahr=2009& bereitgestellten Reden. 6 Genannt „The Washington NATO Project“, eine gemeinsame Arbeit des Atlantic Council of the United States, des Center for Strategic and International Studies, des Center for Technology and National security Policy an der National Defense University sowie des Center for Transatlantic Relations an der John Hopkins University. Im Internet unter http://www.acus.org/files/publication_pdfs/65/NATO-AllianceReborn.pdf. - 7 - sicherheitspolitischen Handelns, welche sich aus dem demokratischen Wertegerüst der Mitgliedsstaaten und dem Einstehen für kollektive Sicherheit ergeben habe. Dahingehend müsse sich das Bündnis nicht ändern. Unterhalb dieser unverrückbaren Grundfesten allerdings wird sehr wohl Änderungsbedarf gesehen, insbesondere bei den Methoden bzw. Antworten auf die in der Proliferation von Massenvernichtungswaffen, dem Terrorismus sowie der Gefährdung moderner Kommunikationsmittel gründenden Sicherheitsbedrohungen . So soll die Allianz diesen eher aktiv als reaktiv begegnen, dabei vor allem flexibel in der Entscheidungsfindung und mit operativer Beweglichkeit, um auf diese Weise noch mehr zur gemeinsamen Sicherheit beitragen zu können. Zudem werden ein starker europäischer Anteil, eine grundsätzlich stärkere Partnerschaft mit der EU sowie eine Neubestimmung des Verhältnisses zu Russland als weitere Forderungen formuliert. 2.2.2. Deutschland und Frankreich Obwohl in der innerfranzösischen Diskussion bezüglich der NATO das vorherrschende Thema die bevorstehende Rückkehr des Landes in die integrierte Kommandostruktur der Allianz7 ist – und dies sowie die Folgen daraus8 wesentliches Thema der Rede des französischen Präsidenten9 bei der 45. MSC war – haben sich Frankreich und Deutschland offenbar auf eine weitgehend gemeinsame Position zur Überarbeitung des strategischen Konzepts des Bündnisses verständigt.10 Auch für Deutschland und Frankreich ist die NATO für eine international abgestimmte Sicherheitspolitik unverzichtbar, wenn nicht wichtiger denn je. Denn in einem immer weiter werdenden Risikenszenario, das nach globalen und flexiblen Antworten verlangt, werden „Bündnisse, die auf einer gemeinsamen Wertebasis gründen“, immer wichtiger. Es sei daher auch gar nicht notwendig, zu den NATO-Prinzipien der „Allianzsolidarität“ und der „Werteübereinstimmung“ etwas hinzuzuerfinden. Allerdings aber sei es heute erneut wichtig11, eine „Diskussion zur sinnvollen Transformation und Neuausrichtung 7 Vgl. dazu die SWP Studie vom Februar 2009 „Frankreichs neuer Nato-Kurs“ (Kempin, Ronja (2009), S. 12 ff.). 8 Wie z.B. diskutiert werden von Ruf, Werner (2009). 9 Im Internet seitens der Konferenzleitung der 45. MSC bereitgestellt unter http://www.securityconference.de/konferenzen/reden.php?menu_2009=&menu_konferenzen=&spra che=de&jahr=2009&. 10 Vgl. dazu und für Folgendes den zwei Tage vor der Konferenz in der Süddeutschen Zeitung erschienen Namensartikel „Wir Europäer müssen mit einer Stimme sprechen“ der beiden Regierungschefs (Merkel/Sarkozy (2009)). 11 Wie wichtig dies für Deutschland ist, wird am Besten anhand der Rede des Bundesministers der Verteidigung bei der 45. MSC deutlich: „Wir sind mit der NATO seit 2003 in Afghanistan im Einsatz . Aber wir haben erst im letzten Jahr im April 2008 … die Gesamtstrategie für Afghanistan beschlossen . Ich finde, der Prozess muss in Zukunft umgekehrt sein; denn wir müssen wissen, wenn - 8 - der Allianz zu führen … und neu festzulegen, wie sich das Bündnis in Zukunft gegen veränderte Bedrohungen aufstellt.“ In vier Bereichen sehen die beiden Regierungschefs Anpassungsbedarf. Erstens gilt es, in der strategischen Partnerschaft EU-NATO den Rückstand hinter den ehemals ehrgeizigen Erwartungen aufzuholen und „auf der Basis notwendiger Komplementarität zu einer echten Zusammenarbeit zu finden.“ Zweitens sei, auf der Grundlage eines klaren Bekenntnisses zur militärischen Beistandsverpflichtung, hinsichtlich zukünftiger Operationen der NATO „auch über erweiterte politische Ansätze“ zu sprechen. Was heißt, dass die „Stärkung demokratischer Strukturen unser militärisches Engagement begleiten muss.“ Drittens gilt es, mit einem ausdrücklichen Anzeigen der Bereitschaft, mit Russland „vertrauensvolle Beziehungen wiederherzustellen und weiterzuentwickeln“, deutlich zu machen, dass zukünftige Beitritte wie Partnerschaften mit der NATO als einer „Verteidigungsallianz, deren einziges Ziel die gemeinsame Sicherheit auch angesichts neuer Herausforderungen“ sei, „an Kriterien gebunden“ sind und „mit der Übernahme großer Verantwortung einhergehen“. Denn nur dann werden sie tatsächlich „zu einem Gewinn an Stabilität und Sicherheit auf unserem Kontinent“ beitragen. Und viertens ist „darauf zu achten, dass die militärischen Fähigkeiten (der Allianz) den Bedürfnissen ihrer Sicherheit und ihrer Operationen entsprechen.“ Was offenbar bedeutet, dass zwar „Europa mehr moderne und effiziente militärische Fähigkeiten“ benötigt, generell Rüstungskontrollmaßnahmen aber mit einem „Höchstmaß an Transparenz und Zusammenarbeit “ so zu führen sind, dass sich „die heutigen riesigen Arsenale an Nuklearwaffen“ nur auf das „absolut Notwendige“ mit „rein defensivem Zweck“ beschränken. 2.2.3. Großbritannien und Polen Auch Polen und Großbritannien halten vor dem Hintergrund einer gewandelten Welt eine rasch beginnende Strategiediskussion der NATO für höchst geboten. In beiden Staaten scheint allerdings das Gefühl vorzuherrschen, dass die Leistung, die mit einem neuen strategischen Konzept zu vollziehen sei, sich nicht nur auf die – unverzichtbare – instrumentelle Anpassung beschränken darf, sondern vielmehr auch zwingend mit einer Bekräftigung der ihrer Einschätzung nach gefährdeten Bündnissolidarität einhergehen muss.12 wir derartige Einsätze vollziehen, in welcher Art und Weise und mit welcher Strategie wir unseren Auftrag dort erfüllen.“ 12 Wie dies in den im Internet zur Verfügung gestellten Reden des polnischen Regierungschefs und des britischen Außenministers durchaus nicht nur zwischen den Zeilen deutlich wird (http://www.securityconference.de/konferenzen/reden.php?menu_2009=&menu_konferenzen=&spr ache=de&jahr=2009&). - 9 - So betont der polnische Regierungschef in seiner Rede bei der 45. MSC ausdrücklich die auch für sein Land beim Nachdenken über einen Beitritt Polens in die NATO äußerst wertvolle solidarische Beistandspflicht. Sie, sowie „der Glaube daran, dass es eine Verteidigungsallianz gibt, für die ihre grundlegenden Werte keine leeren Worte sind“, und die bereit ist, „wenn es notwendig wird, wirklich, und nicht nur auf dem Papier, ernsthaft jene Werte zu verteidigen“, waren seinerzeit der Grund dafür, gegebenenfalls auch den hohen Preis eines tatsächlichen militärischen Einsatzes zu zahlen. Auch wenn dies von manchen für Banalitäten gehalten werde, so sei es, „da es aber Kräfte gibt, die diese Werte in Frage stellen“, in einer „neuen Strategie“ geboten, „diese Banalitäten (zu) wiederholen.“ Mit einer anderen Formulierung beschreibt der Außenminister Großbritanniens bei der 45. MSC das gleiche Problem: So sei das transatlantische Verhältnis durch „Meinungsverschiedenheiten über … Fragen der Lastenteilung beeinträchtigt worden, was dazu geführt hat, dass von einem ‚zweigeteilten Bündnis’ gesprochen wird.“ Jetzt allerdings sei „der Zeitpunkt gekommen, das Bündnis zu erneuern.“ Eine Erneuerung, bei der Europa beweisen müsse, dass es für die USA auch „ein Partner der Wahl für die Zukunft“ sei – was auch „bedeutet, bereit und fähig zu sein, ‚hard’ und ‚soft power’ auf glaubwürdige Weise miteinander zu kombinieren.“ Was demzufolge heiße, dass die europäischen Länder „viel intensivere Anstrengungen machen (müssen), um militärische und zivile Ressourcen zu schaffen“, um „auch in der praktischen Zusammenarbeit die Hindernisse hinwegzufegen, die einer echten Partnerschaft zwischen NATO und EU im Wege stehen.“ Es darf allerdings – und da geht Großbritannien über Polen hinaus – nicht bei einer Perfektionierung der eigenen multilateralen Institutionen stehen bleiben. Zwar seien sowohl EU als auch die NATO „Erfolgsstories. Jetzt aber müssen wir den Blick nach außen richten, alte Bündnisse erneuern, aber auch neuen Partnern die Hand reichen. Wir müssen unsere kollektive Macht und unseren gemeinsamen Einfluss nutzen , um eine neue Ära globaler Zusammenarbeit und gemeinsamer Interessen zu schmieden.“ 3. Die NATO als System kollektiver Sicherheit? Der folgende Teil der Ausarbeitung geht der Frage nach, ob der nach dem Kalten Krieg um Krisenreaktionseinsätze außerhalb des Bündnisgebietes erweiterte Aufgabenbereich der NATO dazu geführt hat, dass die NATO nunmehr als System der kollektiven Sicherheit anzusehen ist. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Entstehungsgeschichte des Begriffs des Systems der kollektiven Sicherheit gegeben. Im Anschluss daran wird untersucht, welche Anforderungen das Völkerrecht und das Verfas- - 10 - sungsrecht an ein solches System stellen, und ob die NATO aus völkerrechtlicher und/oder verfassungsrechtlicher Sicht als System der kollektiven Sicherheit anzusehen ist. 3.1. Zur Entstehungsgeschichte des Begriffs des Systems der kollektiven Sicherheit Erste wichtige Entwürfe eines Systems der kollektiven Sicherheit enthielten die Schriften von William Penn („Essay towards the Present and Future Peace of Europe“ 1693), Abbé de St. Pierre („Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe“ 1713) und Immanuel Kant („Zum Ewigen Frieden“ 1795). Sicherheit sollte dabei sowohl gegen Angriffe von außen als auch gegen die illegale Gewaltanwendung von innerhalb des Systems gewährleistet werden. Nach Opitz war diesen Entwürfen die Vorstellung von der Notwendigkeit einer internationalen Rechts- und Friedensordnung gemeinsam. Diese sollte das Recht der Einzelstaaten zum Krieg eingrenzen sowie ein System von Institutionen schaffen, mit deren Hilfe sich die Staaten gemeinsam um die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit durch eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit oder gemeinsames Vorgehen gegen rechtswidrige Gewaltanwendung bemühen konnten.13 Delbrück sieht die Gemeinsamkeit dieser Entwürfe in dem Versuch, das Fehlen einer zentralen Instanz zur Durchsetzung der Rechts- und Friedensordnung auf internationaler Ebene durch eine gemeinsame Verteidigung aller Staaten gegen die unzulässige Anwendung von Gewalt auszugleichen. Gleichzeitig sollten das Recht und die Notwendigkeit eines Staates zur individuellen Selbstverteidigung beschränkt oder die Anwendung von Gewalt auf vorübergehende Maßnahmen begrenzt werden.14 In der Staatenpraxis können die Ursprünge kollektiver Sicherheitssysteme auf die Anstrengungen der europäischen Mächte zur gemeinsamen Erhaltung von Frieden und Sicherheit im 19. Jahrhundert im Rahmen des Konzerts der Europäischen Mächte zurückgeführt werden.15 Dieses wies insoweit Züge eines kollektiven Sicherheitssystems auf, als es nicht nur auf die gemeinsame Verteidigung gegen eine Bedrohung von außerhalb , sondern auch auf kollektive Maßnahmen der europäischen Großmächte gegen potentielle Gefahren von innerhalb des Systems gerichtet war. Die Idee der kollektiven Sicherheit, unter der zunehmend ein institutionalisiertes System für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit verstanden wurde, hatte Anfang des 20. Jahrhunderts 13 Opitz, Kollektive Sicherheit, in: Volger, S. 306. Zu Vorläufern der Idee der kollektiven Sicherheit in Antike und Mittelalter siehe Menk, S. 36 ff. 14 Siehe Delbrück, Collective Security (1982), in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 646. 15 Zum Teil werden auch bereits das alte Deutsche Reich (1648-1806) und der Deutsche Bund (1815- 1866) als Vorläufer von Systemen kollektiver Sicherheit genannt; siehe Deiseroth, in: Umbach /Clemens, Art. 24 Rn. 190 Fn. 387. - 11 - bereits viele Anhänger in der Friedensbewegung gefunden. Erst nach dem Ersten Weltkrieg jedoch wurde die Idee eines institutionalisierten Systems der kollektiven Sicherheit durch Gründung des Völkerbundes verwirklicht, der allerdings nur ein lückenhaftes System kollektiver Sicherheit errichtete und noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gescheitert war.16 Bereits während des Zweiten Weltkrieges unterzeichneten die Vertreter von 50 Staaten am 26. Juni 1945 die Satzung der Vereinten Nationen, die noch im selben Jahr in Kraft trat. Daneben organisierten sich die Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg auch in regionalen institutionalisierten Systemen der kollektiven Sicherheit, wie z.B. der Organisation Amerikanischer Staaten.17 3.2. Zum völkerrechtlichen Begriff des Systems der kollektiven Sicherheit 3.2.1. Allgemeines Völkerrecht Eine exakte Definition des Begriffs des Systems der kollektiven Sicherheit bereitet Schwierigkeiten, da der völkerrechtliche Begriff des Systems kollektiver Sicherheit bis heute keinen eindeutigen, allgemein anerkannten Inhalt hat.18 Umstritten ist vor allem, ob nach dem Völkerrecht unter den Begriff nur solche Systeme fallen, in denen sich die Mitgliedstaaten zur friedlichen Streitbeilegung sowie zu gegenseitigem Nichtangriff und damit zur Sicherheit verpflichten (z.B. UNO) oder auch solche Systeme, die die gegenseitige Unterstützung im Falle eines von außen erfolgenden Angriffs auf einen Mitgliedstaat vorsehen (z.B. NATO).19 Nach Wolfrum und Randelzhofer wird unter einem kollektiven Sicherheitssystem überwiegend ein System verstanden, in dem sich die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet haben, gemeinsam gegen ein Mitglied vorzugehen, das gegen ein anderes einen Akt der Aggression begeht.20 So beschreibt z.B. Delbrück ein System der kollektiven Sicherheit als „institutionalized universal or regional system in which States have agreed by treaty jointly to meet any aggression or other illegal use of force resorted to by a member State 16 Delbrück, in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 646 f. Siehe auch Opitz, Kollektive Sicherheit, in: Volger, S. 306 ff.; Doehring, in: Wolfrum, Rn. 4 ff.; Geiger, § 63 II, S. 348; Deiseroth, in: Umbach /Clemens, Art. 24 Rn. 193; Bothe, in: Graf Vitzthum, 8. Abschnitt, Rn. 5 ff., nach dem das durch den Völkerbund errichtete System kollektiver Sicherheit durch den Briand-Kellogg-Pakt von 1928 ergänzt wurde. Kritisch zur Frage, ob der Völkerbund als System kollektiver Sicherheit angesehen werden kann, Menk, S. 34 und 40 sowie Kimminich, in S + F 1/1984, S. 5 ff. 17 Delbrück, in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 646 f. 18 So auch Streinz, in: Sachs, Art. 24 Rn. 62; Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 2; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 13; Hillgruber, in: Hofmann/Hopfauf, Art. 24 Rn. 34. A.A. Deiseroth, in: Umbach/Clemens, Art. 24 Rn. 188 ff. 19 Streinz, in: Sachs, Art. 24 Rn. 62. 20 Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 2; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 11. - 12 - of the system”. Es richte sich somit vorrangig gegen rechtswidrige Gewaltanwendungen von innerhalb des Systems.21 Andere Autoren vertreten einen engeren Begriff des kollektiven Sicherheitssystems. Nach Kimminich richtet sich ein echtes System der kollektiven Sicherheit gegen jeden potentiellen Aggressor innerhalb oder außerhalb des Systems und beruht auf der Verpflichtung aller seiner Mitglieder, unverzüglich gegen jeden Aggressor vorzugehen. Dies setze eine schlagkräftige Organisation unter zentraler Leitung mit funktionsfähigen Entscheidungsgremien voraus. Die nur auf den Zweck abstellende Definition der kollektiven Sicherheit als „Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Friedens durch die Abwehr von gewalttätigen Handlungen irgendeines Staates oder einer Staatengruppe sei daher unzureichend.22 Eine noch engere Definition des Systems der kollektiven Sicherheit vertritt Beyerlin. Er versteht hierunter „ein von einer universellen oder regionalen Staatengemeinschaft begründetes System, in welchem 1. die Androhung oder Anwendung individueller (militärischer) Gewalt grundsätzlich untersagt ist (…), 2. dementsprechend alle Staaten dieser Gemeinschaft zur friedlichen Streitbeilegung (…) verpflichtet sind und 3. zur Abwehr etwaiger verbotener Gewaltakte dieses Systems durch eine gemeinsame Aktion bestimmte Mechanismen vorgesehen sind.“ Kollektive Sicherheitssysteme müssten ein Mindestmaß an zentraler Organisation und Leitung hinsichtlich der zu treffenden kollektiven Abwehrmaßnahmen aufweisen und die Verpflichtung aller diesem System angehörenden Staaten zur Teilnahme an solchen Maßnahmen implizieren.23 Ähnlich definiert Ipsen kollektive Sicherheitssysteme als „solche Friedenssicherungsmechanismen , die, beruhend auf dem absoluten Verbot der Erstanwendung von Waffengewalt , einem potentiellen Aggressor sowohl von außerhalb als auch innerhalb des Systems die kollektive Macht der rechtstreuen Mitglieder gegenüberstellen.“24 Jedes Mitglied müsse sich verpflichten, an etwaigen kollektiven Zwangsmaßnahmen gegen den Aggressor teilzunehmen, wobei die Durchführung dieser Zwangsmaßnahmen eine vertraglich begründete effektive Organisation unter zentraler Leitung mit funktionsfähi- 21 Delbrück, in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 646 f.; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 11. Ähnlich auch Wolfrum, in: Simma, Art. 1 Rn. 13. 22 Kimminich, S + F 1/1984, S. 5, 7. 23 Beyerlin, in: Seidl-Hohenveldern, 5/560, S. 1. 24 So auch Hobe, S. 345. - 13 - gen Entscheidungsgremien voraussetze. Auch bestehe eine Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung.25 Nach Deiseroth bestehen die grundlegenden konstitutiven Merkmale eines Systems kollektiver Sicherheit darin, „dass - alle Mitgliedstaaten zwingend dem zwischenstaatlichen Gewaltverbot unterworfen sind (…), - das System – anders als ein Militärbündnis oder eine Allianz – weder offen noch verdeckt gegen einen bestimmten potentiellen Angreifer (…), sondern gegen einen im Zeitpunkt der Begründung des Systems noch unbekannten Friedensbrecher gerichtet ist (…), - das System grundsätzlich allen – die Satzung anerkennenden – beitrittswilligen Staaten die Möglichkeit der Mitgliedschaft eröffnet, namentlich den potentiellen Aggressor nicht ausschließt, sondern in aller Regel – freilich nicht notwendigerweise – als Mitglied in das System einbezieht (…), - das System zur Regelung von Konflikten, in die seine Mitgliedstaaten verwickelt sind, über eine Binnenstruktur sowie über Organe, Mechanismen und Verfahren zum kollektiven Entscheiden und kollektiven Handeln jedenfalls für den Fall eines Verstoßes gegen das Gewaltverbot verfügt (…), - für alle Mitgliedstaaten die Rechtspflicht begründet ist, entsprechend dem völkerrechtlichen Regelungswerk (…) des Systems kollektiv zusammenzuwirken, insbesondere dem System die notwendigen Mittel gegen einen Aggressor zur Verfügung zu stellen und an der Durchsetzung der kollektiv beschlossenen Sanktionen mitzuwirken (…), sowie - die Anwendung kollektiver Zwangsmittel des Systems Vorrang hat vor dem Recht der Selbsthilfe und Notwehr des jeweiligen in seiner Sicherheit bedrohten oder angegriffenen Einzelstaates und seiner Verbündeten (…).“26 In der völkerrechtlichen Literatur werden Systeme der kollektiven Sicherheit häufig von Systemen der kollektiven Verteidigung abgegrenzt.27 Auch der Begriff der kollektiven Selbstverteidigung weist jedoch keine klare völkerrechtliche Definition auf.28 Einigkeit scheint dahingehend zu bestehen, dass Systeme kollektiver Verteidigung nur der Abwehr einer Bedrohung von außerhalb des Systems dienen.29 Ob sich Systeme kollektiver Sicherheit dagegen nur gegen eine Aggression von innerhalb oder auch von außerhalb des Systems richten können, scheint umstritten zu sein.30 Gleiches gilt auch für die 25 Ipsen, § 60 Rn. 1. Ähnlich Hobe, S. 345. 26 Deiseroth, in: Umbach/Clemens, Art. 24 Rn. 204. 27 Siehe nur Ipsen, § 60 Rn. 1; Deiseroth, in: Umbach/Clemens, Art. 24 Rn. 214, nach dem vieles dafür spricht, dass Verteidigungsbündnisse mit dem Grundgedanken eines kollektiven Sicherheitssystems unvereinbar sind und zu diesen in einem strukturellen Widerspruch stehen. 28 So auch Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 1. 29 Siehe nur Ipsen, § 60 Rn. 38; Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 2; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 12. 30 Für ein enges Verständnis (nur Abwehr von Aggressionen von innerhalb des Systems) siehe Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 2; für ein weites Verständnis (Abwehr von Ag- - 14 - Frage, ob es daneben weitere Unterschiede zwischen Systemen der kollektiven Sicherheit und der kollektiven Verteidigung gibt. So enthalten Systeme der kollektiven Sicherheit nach Hobe und Beyerlin darüber hinaus die gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder, jeden möglichen Friedensbrecher kollektiv in die Schranken des Völkerrechts zu weisen.31 Auch setzten kollektive Sicherheitssysteme ein Mindestmaß an zentraler Organisation und Leitung hinsichtlich der zu treffenden kollektiven Abwehrmaßnahmen voraus.32 Nach Delbrück unterscheiden sich beide Systeme – neben ihrer Zielrichtung – dadurch, dass allein kollektive Sicherheitssysteme auf einem grundsätzlichen Gewaltverbot beruhten. Auch führten kollektive Sicherheitssysteme zu weitergehenden Verpflichtungen für ihre Mitglieder und hätten größere Auswirkungen auf deren Souveränität , da ein Organ des Systems über das Vorliegen einer Aggression und die zu treffenden Maßnahmen verbindlich entscheide.33 Im völkerrechtlichen Schrifttum wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass Systeme der kollektiven Sicherheit und der kollektiven Verteidigung in der Praxis nicht so klar voneinander unterschieden werden könnten. Beide Systeme dienten der Friedenssicherung und beruhten auf internationalen Verträgen.34 Auch würden moderne Verteidigungssysteme vergleichbare Aufgaben wahrnehmen wie kollektive Sicherheitssysteme. Darüber hinaus wiesen auch moderne Systeme der kollektiven Verteidigung einen hohen Grad der Institutionalisierung und ein Verfahren zur Entscheidungsfindung auf, welche faktisch zu einer vergleichbaren Wirkung wie bei kollektiven Sicherheitssystemen führten.35 Die Frage, ob die NATO aus völkerrechtlicher Sicht als System kollektiver Sicherheit einzuordnen ist, lässt sich angesichts der unterschiedlichen Definitionen des Begriffs des Systems kollektiver Sicherheit nicht abschließend beantworten. Die Ansichten, die einen engeren Begriff des Systems der kollektiven Sicherheit vertreten oder Systeme der kollektiven Sicherheit von den gegen Angriffe von außen gerichteten Systemen der kollektiven Verteidigung strikt abgrenzen, dürften eine Einordnung der NATO als solches System ablehnen. So gilt die NATO nach Hobe klassischerweise gressionen von innerhalb und außerhalb des Systems) siehe Hobe, S. 345; Ipsen, § 60 Rn. 38; Delbrück , in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 648. 31 Hobe, S. 345; Beyerlin, in: Seidl-Hohenveldern, 5/560, S. 1. 32 Beyerlin, in: Seidl-Hohenveldern, 5/560, S. 1. 33 Delbrück, in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 647. 34 Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 2; Delbrück, in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 647. Ähnlich auch Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 15 ff., nach dem die völkerrechtliche Praxis, wie sie in der SVN zum Ausdruck komme, nicht den absoluten Gegensatz zwischen kollektiven Sicherheits- und kollektiven Verteidigungssystemen bestätige, sowie Hillgruber, in: Hofmann /Hopfauf, Art. 24 Rn. 34. 35 Delbrück, in: Bernhardt, EPIL 1992, S. 647 f. Ähnlich Wolfrum, in: Isensee/Kirchhof, HStRVII, § 176 Rn. 2. - 15 - als System kollektiver Selbstverteidigung, welches er von dem völkerrechtlichen Begriff des Systems kollektiver Sicherheit streng unterscheidet.36 Auch nach Frank, Classen und Deiseroth stellt die NATO kein System der kollektiven Sicherheit, sondern ein System der kollektiven Selbstverteidigung i.S.d. Art. 51 SVN dar.37 Die Gegenansicht sieht die NATO dagegen als System kollektiver Sicherheit an.38 Geiger weist darauf hin, dass sich das Tätigkeitsfeld der NATO von der Verteidigung nach außen in den 1990er Jahren um Maßnahmen kollektiver Sicherheit erweitert hat.39 3.2.2. Satzung der Vereinten Nationen Der Begriff des Systems der kollektiven Sicherheit wird in der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) nicht verwendet.40 Randelzhofer geht davon aus, dass die SVN ein weitreichendes Verständnis des Begriffs des Systems der kollektiven Sicherheit enthält. Er begründet dies mit Art. 1 Ziffer 1 SVN, der es als Ziel der Vereinten Nationen nennt, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten , durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen“. Das Gewaltverbot, der Mechanismus kollektiver Sanktionsmaßnahmen und die Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung dienten der SVN zur Verwirklichung dieses Zieles.41 Die Frage, in welchem Verhältnis Systeme kollektiver Sicherheit und Systeme kollektiver Verteidigung nach der Satzung der Vereinten Nationen stehen, ist umstritten. Zum Teil wird darauf hingewiesen, dass sich die Unterscheidung zwischen Systemen kollektiver Sicherheit und kollektiver Verteidigung der Sache nach – mit Bezug auf 36 Hobe, in: Friauf/Höfling, Art. 24 Rn. 55 f. Siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 24 Rn. 20, nach dem Art. 24 Abs. 2 GG abweichend vom wohl überwiegenden völkerrechtlichen Sprachgebrauch auch Bündnisse zum Schutz gegen Angriffe durch Dritte erfasst. 37 AK-GG – Frank, Art. 24 Rn. 5 ff.; Classen, in: Starck, Art. 24 Rn. 77 und Rn. 80; Deiseroth, Die Friedens-Warte 2000, S. 101 ff., S. 124 f. 38 So wohl Risse, in: Hömig, Art. 24 Rn. 6; Nolte, ZaöRV 1994, S. 95 ff., S. 113. Siehe auch Streinz, in: Sachs, Art. 24 Rn. 62. 39 Geiger, S. 373. 40 Dass die Vereinten Nationen ein System kollektiver Sicherheit darstellen, ist allerdings unbestritten; siehe nur Deiseroth, in: Umbach/Clemens, Art. 24 Rn. 205; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 14; Kimminich, S + F 1/1984, S. 5, 7. 41 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 14. - 16 - regionale Abmachungen – auch in der Satzung der Vereinten Nationen finde.42 So gestattet Art. 51 SVN die Ausübung des (individuellen und) kollektiven Selbstverteidigungsrechts . Eine ausdrückliche Erlaubnis, Verteidigungsbündnisse oder internationale Organisationen kollektiver Selbstverteidigung zu gründen, enthält diese Vorschrift nicht; es ist jedoch anerkannt, dass sie die Gründung kollektiver Verteidigungssysteme umfasst.43 Die kollektive Sicherheit werde (allerdings ohne Verwendung des entsprechenden Begriffes) in Kapitel VIII SVN erwähnt.44 Dieses Kapitel enthält Regelungen für regionale Abmachungen oder Einrichtungen zur Behandlung von Angelegenheiten, die die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffen. Eine abschließende Begriffsbestimmung für regionale Abmachungen oder Einrichtungen i.S.d. Kapitels VIII SVN oder ein Verfahren zu deren Anerkennung enthält die SVN jedoch nicht.45 Welche Anforderungen an eine Regionalorganisation i.S.d. Kapitels VIII SVN zu stellen sind, ist umstritten.46 Die NATO, die ursprünglich als Verteidigungsbündnis fungierte und sich im letzten Jahrzehnt als Organisation zur regionalen Friedenssicherung etabliert hat, wird jedoch inzwischen überwiegend als Regionalorganisation i.S.d. Kapitels VIII SVN anerkannt und auch von den Vereinten Nationen als solche begriffen.47 Andere weisen darauf hin, dass sich der strikte Gegensatz zwischen „kollektiven Sicherheitssystemen “ und „kollektiven Verteidigungsbündnissen“ nicht anhand der Satzung der Vereinten Nationen nachweisen lasse, da Art. 51 SVN der kollektiven Selbstverteidigung eine Rolle als subsidiäres Mittel zur Friedenswahrung zuweise und beide Systeme den Schutz ihrer Mitglieder vor militärischen Angriffen sicherstellen wollten.48 Nach Walter spielt die Unterscheidung zwischen kollektiver Sicherheit und kollektiver Selbstverteidigung für den Begriff der Regionalorganisation keine Rolle.49 Auch Wolfrum und Gioia sind der Ansicht, dass es weniger um die Frage gehe, ob eine Organisation eine Regionalorganisation i.S.d. Kapitels VIII SVN oder ein Verteidigungsbündnis i.S.d. Art. 51 SVN sei, da dieselbe Organisation Friedenssicherungs- und 42 Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 24 Rn. 77. 43 Walter, S. 49 f. Siehe auch Beyerlin, in: Wolfrum, Rn. 10; Gioia, in: Bothe/Ronzitti/Rosas, S. 191, S. 202; Hummer/Schweitzer, in: Simma, Art. 52 Rn. 42. 44 Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 24 Rn. 77. 45 Siehe Röben, S. 225. 46 Dazu ausführlich Walter, S. 27 ff. und S. 124 ff., Gioia, in: Bothe/Ronzitti/Rosas, S. 191, S. 195 ff. 47 Siehe Hobe, S. 144; Ipsen, § 60 Rn. 32 und 41; Ress/Bröhmer, in: Simma, Art. 53 Rn. 9; Gioia, in: Bothe/Ronzitti/Rosas, S. 191, S. 197 und S. 200 ff.; Hummer/Schweitzer, in: Simma, Art. 53 Rn. 9; Warg, S. 49; Bauer-Savage, S. 15; Nolte, ZaöRV 1994, S. 95 ff., S. 112. Anders noch Kühne, S. 177. A.A. Bothe, in: Graf Vitzthum, 8. Abschnitt, Rn. 51. 48 Hillgruber, in: Hofmann/Hopfauf, Art. 24 Rn. 34. Ähnlich auch Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 2 Rn. 15 ff. sowie Walter, S. 124 f., nach dem die Unterscheidung zwischen kollektiver Selbstverteidigung und kollektiver Sicherheit für den Begriff der Regionalorganisation i.S.d. Kapitels VIII SVN unerheblich ist. 49 Walter, S. 125. Ähnlich auch Hummer/Schweitzer, in: Simma, Art. 52 Rn. 45; Kühne, S. 39 f. - 17 - Selbstverteidigungsaufgaben in sich vereinigen könne. Entscheidender sei deshalb, ob diese Organisation in der gegebenen Situation als Regionalorganisation oder als Verteidigungsbündnis handelt.50 3.3. Zum verfassungsrechtlichen Begriff des Systems der gegenseitigen kollektiven Sicherheit Das Grundgesetz (GG) stellt in Art. 24 Abs. 2 fest, dass sich der Bund „zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“ kann. Der Begriff des Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit wird im GG nicht definiert und ist umstritten. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Streit um die AWACS- Einsätze der Bundeswehr ist ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG dadurch gekennzeichnet, „dass es durch ein friedensicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation für jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit begründet, der wechselseitig zur Wahrung des Friedens verpflichtet und Sicherheit gewährt. Ob das System dabei ausschließlich oder vornehmlich unter den Mitgliedstaaten Frieden garantieren oder bei Angriffen von außen zum kollektiven Beistand verpflichten soll, ist unerheblich. … Auch Bündnisse kollektiver Selbstverteidigung können somit Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG sein, wenn und soweit sie strikt auf die Friedenswahrung verpflichtet sind.“51 Kollektiv bedeutet, dass mehr als zwei Parteien an dem Bündnis beteiligt sind. Die Gegenseitigkeit bezieht sich lediglich auf die wechselseitige Beistandspflicht der Vertragsparteien , fordert aber nicht eine völlige Gleichheit der Rechte und Pflichten.52 Zur Frage, ob die NATO ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG darstelle, führt das BVerfG aus: „Die NATO bildet ein Sicherheitssystem, in dem die Mitglieder ‚ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit … vereinigen’ (…). Sie verfolgt dieses Ziel gemäß Art. 5 des NATO-Vertrages insbesondere dadurch, dass sie einem Angriff gegen eine 50 Siehe Wolfrum, ZaöRV 1993, S. 576 ff., 579; Gioia, in: Bothe/Ronzitti/Rosas, S. 191, S. 202. 51 BVerfG, Urteil vom 12.07.1994, juris Ziffern 231 f. 52 Streinz, in: Sachs, Art. 24 Rn. 64. Siehe auch Rojahn, in: von Münch/Kunig, Art. 24 Rn. 88a. - 18 - der Vertragsparteien eine Bündnisverpflichtung entgegenstellt, nach der jede der Vertragsparteien einen solchen Angriff als gegen alle Vertragspartner gerichtet ansehen wird. Dabei beanspruchen die Vertragsparteien für den Bündnisfall , die in Art. 51 SVN anerkannten Rechte individueller oder kollektiver Selbstverteidigung wahrzunehmen. Die NATO dient der Wahrung des Friedens auch dadurch, dass die Vertragsparteien sich nach Art. 1 des NATO-Vertrages verpflichten, Streitfälle, an denen sie beteiligt sind, mit friedlichen Mitteln zu lösen. Sie zeichnet sich überdies durch die Ausbildung hochdifferenzierter integrierter militärischer Kommandostrukturen und die Aufstellung gemeinsamer Verbände von herkömmlichen Militärallianzen aus und bewirkt damit nicht zuletzt , dass die Streitkräfte der Mitgliedstaaten in einer Weise miteinander verflochten werden, die die Sicherheit unter ihnen selbst erhöht. Außerdem begründet Art. 4 des NATO-Vertrages eine Konsultationspflicht für alle Partnerstaaten in Krisenfällen.“53 Damit sei die NATO durch ein friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer Organisation gekennzeichnet, die es zuließen, sie als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG zu bewerten.54 Das Schrifttum folgt überwiegend der Definition des BVerfG.55 So sind z.B. nach Jarass solche Organisationen als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG einzustufen, die durch völkerrechtlichen Vertrag begründet sind und die Sicherheit vor militärischen Angriffen und Bedrohungen, aber auch vor terroristischen Aktionen und Minderheitenkonflikten gewährleisten sollen. Der Funktion der Vorschrift entsprechend und abweichend vom wohl überwiegenden völkerrechtlichen Sprachgebrauch würden auch Bündnisse zum Schutz gegen Angriffe durch Dritte von Art. 24 Abs. 2 GG erfasst.56 Die Gegenansicht versteht unter dem Begriff des „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ nur solche Systeme, die – wie die Vereinten Nationen – darauf gerichtet sind, ihre Mitglieder vor einem Angriff durch ein anderes Mitglied zu schützen und damit der Friedenssicherung innerhalb des Systems dienen. Systeme oder Bündnisse zur kollektiven Selbstverteidigung, in denen sich Staaten zum Schutz gegen einen Angriff 53 BVerfG, Urteil vom 12.07.1994, juris Ziffer 235. 54 Ebd., Ziffer 236. 55 Siehe Streinz, in: Sachs, Art. 24 Rn. 63 Fn. 171, der diese Ansicht als wohl h.M. bezeichnet, sowie Hillgruber, in: Hofmann/Hopfauf, Art. 24 Rn. 34 und Hobe, in: Friauf/Höfling, Art. 24 Rn. 58, die diese Ansicht als h.M. ansehen. Der Definition des BVerfG folgen neben den genannten Autoren u.a. Pernice, in: Dreier, Art. 24 Rn. 56 f.; Kunig, in: Graf Vitzthum, 2. Abschnitt Rn. 78; Rojahn, in: von Münch/Kunig, Art. 24 Rn. 88; Schmahl, in: Sodan, Art. 24 Rn. 20; Risse, in: Hömig, Art. 24 Rn. 6; Warg, S. 34. 56 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 24 Rn. 20. - 19 - von außerhalb des Systems zusammenschließen und für den Fall eines Angriffs einander gegenseitig militärischen Beistand versprechen, fallen nach dieser Ansicht nicht unter diesen Begriff.57 Da die NATO lediglich darauf abzielt, ihre Mitglieder vor einem Angriff von Seiten eines Drittstaates zu schützen, dürfte sie nach dieser Ansicht kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit darstellen.58 57 So Deiseroth, in: Umbach/Clemens, Art. 24 Rn. 179 m.w.N., Rn. 182 ff. und Rn. 211 ff.; Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 24 Rn. 80; Wolfrum, in: HdStR § 176 Rn. 17. Siehe auch Hobe, in: Friauf/Höfling, Art. 24 Rn. 57 m.w.N. sowie Hillgruber, in: Hofmann/Hopfauf, Art. 24 Rn. 34 und Pernice, in: Dreier, Art. 24 Rn. 55, die allerdings beide dem BVerfG folgen. 58 So AK-GG – Frank, Art. 24 Rn. 7, der die NATO allerdings gleichwohl als von Art. 24 Abs. 2 GG erfasst ansieht. Siehe auch Hillgruber, in: Hofmann/Hopfauf, Art. 24 Rn. 34; Classen, in: von Mangoldt /Klein/Starck, Art. 24 Rn. 77 mit dem Hinweis, dass die NATO nicht unbedingt von ihren vertraglichen Grundlagen, wohl aber von ihrer historischen Konzeption und ihrer bisherigen Praxis her primär gegen einen Feind von außen gerichtet war. - 20 - 4. Literaturverzeichnis Bauer-Savage, Timo, Die völkerrechtliche Verwandlung der NATO aus Sicht der U.S. Constitution und des deutschen Grundgesetzes, Frankfurt/M. 2005 Bergedorfer Gesprächskreis, Die Zukunft der NATO, Berlin 2008 Beyerlin, Ulrich, Kollektive Sicherheit, in: Wilhelm, Matthias (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, 4/560, Stand 2000 Beyerlin, Ulrich, Regionalabkommen, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch der Vereinten Nationen, 2. Auflage, München 1991, S. 673 ff. Bothe, Michael, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum, Wolfgang, Völkerrecht, 4. Auflage, Berlin 2007, 8. Abschnitt, S. 637 ff. Brink, Tobias ten, 60 Jahre NATO. Zur Gegenwart der Geopolitik, in: PROKLA 4/2008, S. 635-645 Deiseroth, Dieter, Die NATO – Ein System „kollektiver Verteidigung” oder „kollektiver Sicherheit“?. Kritische Bemerkungen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , Die Friedens-Warte 2000, S. 101 ff. Delbrück, Jost, Collective Security, in: Bernhardt, Rudolf (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law (EPIL), Band 1, Amsterdam 1992, S. 646 ff. Doehring, Karl, Kollektive Sicherheit, in: Wolfrum, Rüdiger (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, München 1991, S. 405 ff. Friauf, Karl Heinrich/Höfling, Wolfram, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Berlin 2008 (zitiert: Bearbeiter, in Friauf/Höfling) Geiger, Rudolf, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage, München 2002 Gioia, Andrea, The United Nations and Regional Organizations in the Maintenance of Peace and Security, in: Bothe, Michael/Ronzitti, Natalino/Rosas, Allan, The OSCE in the Maintenance of Peace and Security, Den Haag 1997, S. 191 ff. Hobe, Stephan, Einführung in das Völkerrecht, 9. Auflage, Tübingen/Basel 2008 Hömig, Dieter (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Auflage, Baden-Baden 2007 (zitiert: Bearbeiter, in: Hömig) - 21 - Hofmann, Hans/Hopfauf, Axel, GG – Kommentar zum Grundgesetz, 11. Auflage, Köln/München 2008 (zitiert: Bearbeiter, in: Hofmann/Hopfauf) Ipsen, Knut, Völkerrecht, 5. Auflage, München 2004 Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Auflage, München 2007 (zitiert: Bearbeiter, in: Jarass/Pieroth) Keller, Patrick/Kunze, Thomas, Die Zukunft der NATO, in: KAS-Auslands- Informationen 12/2008, S. 45-52 Kempin, Ronja, Frankreichs neuer Nato-Kurs, SWP-Studie 2/2009, Berlin Kimminich, Otto, Was heißt Kollektive Sicherheit?, S + F 1/1984, S. 5 ff. Kühne, Hartmut, Friedenssicherung durch regionale Organisationen in Europa, Frankfurt /M. 1998 Kunig, Philip, Völkerrecht und staatliches Recht, in: Graf Vitzthum, Wolfgang, Völkerrecht , 4. Auflage, Berlin 2007, 2. Abschnitt, S. 81 ff. Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage, München 2005 (zitiert: Bearbeiter, in: von Mangoldt /Klein) Menk, Thomas Michael, Gewalt für den Frieden. Die Idee der kollektiven Sicherheit und die Pathognomie des Krieges im 20. Jahrhundert, Berlin 1992 Merkel, Angela/Sarkozy, Nicolas, Wir Europäer müssen mit einer Stimme sprechen, SZ vom 4.2.2009 Münch, Ingo von/Kunig, Philip, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 4./5. Auflage, München 2001 (zitiert: Bearbeiter, in: von Münch/Kunig) Nolte, Georg, Die „neuen Aufgaben“ von NATO und WEU: Völker- und verfassungsrechtliche Fragen, ZaöRV 1994, S. 95 ff. Opitz, Peter J., Kollektive Sicherheit, in: Volger, Helmut (Hrsg.), Lexikon der Vereinten Nationen, München/Wien 2000, S. 306 ff. Röben, Volker, Außenverfassungsrecht, Tübingen 2007 Ruf, Werner, Frankreich: Zurück in die NATO?, in: Wissenschaft & Frieden I/2009, S. 32 ff. - 22 - Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage, München 2009 (zitiert: Bearbeiter, in: Sachs) Simma, Bruno (Hrsg.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Volume I, Second Edition, Oxford 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Simma) Sodan, Helge (Hrsg.), Grundgesetz. Beck’scher Kompakt-Kommentar, München 2009 (zitiert: Bearbeiter, in: Sodan) Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas, Grundgesetz Mitarbeiterkommentar und Handbuch , Band I, Heidelberg 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Umbach/Clemens) Varwick, Johannes, Die NATO. Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei?, München 2008 Walter, Christian, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, Berlin 1996 Warg, Gunter, Von Verteidigung zu kollektiver Sicherheit. Der Nato-Vertrag auf Rädern , Frankfurt/M. 2004 Weisser, Ulrich, Zukunft der Nato – Zeit für einen Tabubruch, ZEIT ONLINE, 6.2.2009 Wolfrum, Rüdiger, Der Beitrag regionaler Abmachungen zur Friedenssicherung: Möglichkeiten und Grenzen, ZaöRV 1993, S. 576 ff. Wolfrum, Rüdiger, Die Bundesrepublik Deutschland im Verteidigungsbündnis, in: Kirchhof/Isensee, Handbuch des Staatsrechts, Band VII, Heidelberg 1992, § 176