© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 007/18 Entwicklung des politischen und zivilgesellschaftlichen Engagements Deutschlands im Baltikum seit 2014 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 2 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Grundzüge der Politik Deutschland gegenüber den baltischen Staaten vor 2014 11 5. Veränderungen der Politik Deutschlands sowie anderer deutscher Soft-Power-Akteure im Baltikum nach 2014 12 5.1. Auswärtiges Amt 13 5.2. Deutsche Stiftungen 14 5.2.1. Konrad-Adenauer-Stiftung 15 5.2.2. Friedrich-Ebert-Stiftung 17 5.2.3. Weitere politische Stiftungen 17 5.2.4. Sonstige Stiftungen 18 6. Fazit 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 4 1. Einführung Dieser Sachstand beleuchtet Politik und zivilgesellschaftliches Engagement der Bundesrepublik Deutschland bzw. deutscher Akteure in den drei baltischen Staaten. Insbesondere wird untersucht, ob und wie sich diese seit 2014, d.h. seit der Annexion der Krim durch Russland, verändert haben. Rein militärische Aspekte (wie die Stationierung deutscher Soldaten in Litauen im Rahmen der NATO) sowie wirtschaftliche Aspekte werden nicht behandelt. Vielmehr liegt der Fokus auf der Soft Power Deutschlands (siehe unten). 2. Die Bedrohung durch Russland aus Sicht der baltischen Staaten Im Jahre 2014 annektierte die Russische Föderation die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim. Im selben Jahr brach im Donezk-Becken (Donbass) in der Ostukraine ein Bürgerkrieg aus, von dem als gesichert angenommen werden kann, dass Russland ihn durch Maßnahmen hybrider Kriegführung beeinflusst und kontrolliert. Diese Ereignisse offenbarten endgültig die zunehmend aggressive Politik Russlands gegenüber dem Westen im Allgemeinen und den ehemaligen Sowjet- bzw. Warschauer-Pakt-Staaten im Besonderen. Genau dies war für die baltischen Staaten schon einige Jahre zuvor eine der größten Sorgen gewesen. Schon vor 2014 herrschte in den baltischen Staaten ein deutliches Misstrauen gegenüber Russland. Dies hatte vor allem historische Gründe: alle drei Staaten wurden kurz nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion annektiert. Dabei bediente sich die damalige UdSSR genau der Mittel, die Russland auch auf der Krim im Jahre 2014 einsetzte: inszenierte (prosowjetische bzw. prorussische) Demonstrationen, „Volksabstimmungen“ und schließlich Annexion „auf Wunsch des Volkes.“ In der Sowjetzeit wurden zehntausende Esten, Litauer und Letten deportiert. Durch die massive, forcierte Ansiedlung von Russen wurden die Alteingesessenen oft zu Minderheiten im eigenen Land, ihre Sprache und Kultur wurden marginalisiert sowie Arbeit und öffentliches Leben russifiziert.1 Zumindest in Estland und Lettland leben heute signifikante russischsprachige Minderheiten. Dort gingen der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass ethno-nationalistische Äußerungen zahlreicher russischer Politiker voraus: Russland habe die Pflicht, seinen „Landsleuten in der Ukraine“ zu helfen. Die Krim sei „heilige russische Erde.“ Die Separatisten im Donbass (erwiesenermaßen ursprünglich angeführt von aus Russland in die Ukraine gereisten russischen Rechtsextremisten) seien „Freiheitskämpfer“, die das Recht auf Selbstbestimmung der „Russen“ in der Ukraine verteidigten. Die Annexion der Krim wiederum wird als „Wiedervereinigung“ bezeichnet. Der „Maidan“-Aufstand in Kiew wurde und wird von russischen Medien überwiegend als rechtsextremistische Revolution, gar als faschistischer Putsch charakterisiert, der die in der Ukraine lebenden „Russen“ akuter Lebensgefahr aussetze. 1 Zur Geschichte der sowjetischen Eroberung und Beherrschung der baltischen Staaten siehe auch: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Die russischen Minderheiten in den baltischen Staaten, S. 5–9, 29. Februar 2017, WD 2 - 3000 - 010/17, abrufbar auch unter https://www.bundestag.de/blob/502250/654ef0029bbdbd201739eff87ba11920/wd-2-010-17-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 5 Dabei schreckten einige russische Medien nicht davor zurück, dem Nachbarland einen versuchten Genozid an Russen zu unterstellen. Da die russischsprachigen Ukrainer vorrangig russische Medien konsumierten, hatte diese Propaganda den Erfolg, dass sich zahlreiche russischsprachige Ukrainer tatsächlich von der ukrainischen Regierung ab- und den Separatisten der „Volksrepubliken“ von Lugansk und Donezk zuwandten. Es liegt auf der Hand, dass Estland und Lettland im Hinblick auf ihre eigenen russischsprachigen Bürger und Nichtbürger2 propagandistische Indoktrinierung und Aufwiegelung durch russische Medien – die Hauptinformationsquelle russischsprachiger Menschen in den beiden Ländern – fürchten. Das heutige Misstrauen gegenüber Russland hat aber weder nur historische Gründe, noch wurde es erst 2014 wiedererweckt. Schon im Jahre 2007 waren in Estland Server von Regierung, Parlament und Behörden sowie von diversen Medien und Banken einem dreiwöchigen Cyberangriff ausgesetzt, der nach Russland zurückverfolgt werden konnte.3 Er führte zum zeitweisen Ausfall vieler nationaler Internetdienste sowie zu Beeinträchtigungen des Geschäftsverkehrs, insbesondere im Bereich Online-Banking. Zwar konnte der russischen Regierung keine direkt Verbindung zu diesem Angriff nachgewiesen werden, doch bekannte sich im Jahre 2009 „Naschi“ („Die Unsrigen“), die Jugendorganisation von Wladimir Putins Partei „Einiges Russland“, zu dem Angriff.4 Naschi war zuvor schon wiederholt wegen verbaler Attacken und Bedrängung baltischer und britischer Diplomaten in Russland aufgefallen.5 Zeitgleich mit dem Cyberangriff kam es in Tallinn zu teils gewalttätigen Demonstrationen russischstämmiger Esten wegen der Versetzung eines Soldatendenkmals aus der Stalinzeit sowie zu einer Blockade der estnischen Botschaft in Moskau durch Naschi-Mitglieder.6 2 Siehe zu den sogenannten Nichtbürgern Estlands und Lettlands: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Die russischen Minderheiten in den baltischen Staaten, S. 12–26, 29. Februar 2017, WD 2 - 3000 - 010/17, abrufbar auch unter https://www.bundestag.de/blob/502250/654ef0029bbdbd201739eff87ba11920/wd- 2-010-17-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 3 Cyber-Angriffe auf Estland alarmieren EU und Nato, Spiegel Online am 17. Mai 2007, http://www.spiegel.de/netzwelt/web/russland-unter-verdacht-cyber-angriffe-auf-estland-alarmieren-eu-undnato -a-483416.html (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 4 Kreml-Jugend bekennt sich zu Attacke auf Estland, Welt am 11. März 2009, https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article3355416/Kreml-Jugend-bekennt-sich-zu-Attacke-auf- Estland.html (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 5 Ian Traynor, EU protests over Russian attacks on ambassadors, The Guardian am 3. Mai 2007, https://www.theguardian.com/world/2007/may/03/russia.eu (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 6 Denkmalsstreit - Tallinn beklagt Sowjet-Mentalität, Spiegel Online am 4. Mai 2007, http://www.spiegel.de/politik/ausland/estland-russland-denkmalsstreit-tallinn-beklagt-sowjet-mentalitaet-a- 481120.html (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 6 Die russische Sicherheitsdoktrin sprach schon damals ganz ausdrücklich von Cyberangriffen als Mittel der Kriegführung.7 Seither wurden die chauvinistischen Töne in den russischen Medien, bzw. in der russischen Politik, gegenüber den baltischen Staaten immer schriller.8 Propagandistisch ging Russland immer mehr auf Konfrontationskurs zur NATO und zur EU – alle drei baltischen Staaten gehören diesen beiden Bündnissen an. Viele baltische Politiker und Kommentatoren gehen heute davon aus, dass allein diese Mitgliedschaften – allen voran die in der NATO – das Baltikum bislang vor einem direkten Versuch Russlands, die drei Staaten wieder zu dominieren, geschützt habe. Die Ereignisse in der Ukraine, aber auch Vorgänge wie das militärische Großmanöver Zapad 2017, in dem baltischen Politikern zufolge die Invasion und Eroberung des Baltikums geübt wurde9, werden im Baltikum ganz überwiegend als Beweis für die Richtigkeit des NATO-Beitrittes und die Bedrohung durch Russland wahrgenommen.10 Für die Regierungen der baltischen Staaten gibt es keinen Zweifel an der Bedrohung, die von 7 Stephen Blank, Cyber War and Information War à la Russe, in: Understanding Cyber Conflict: Fourteen Analogies, S.81–93, George Perkovich and Ariel E. Levite (ed.), Georgetown University Press 2017. 8 So beschuldigte der stellvertretende Premierminister Dimitri Rogosin die baltischen Länder pauschal der Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschland und schrieb in einem Tweet: „Wenn wir der NATO entgegentreten, dann treten wir den Erben der Hitler-Kollaborateure, die den Krieg überlebt haben, entgegen.“ Dabei bezog er sich auf einen Film über die Waldbrüder, antisowjetische Partisanen, die bis 1953 gegen die Einverleibung der drei baltischen Staaten (die im Hitler-Stalin-Pakt zwischen UdSSR und nationalsozialistischem Deutschen Reich vereinbart worden war), gekämpft hatten. Zahlreiche russische Medien und Politiker griffen dies auf. Siehe The Nazi-obsession of pro-Kremlin propagandists, www.EUvsDisinfo.eu am 21. Juli 2017, https://euvsdisinfo.eu/the-nazi-obsession-of-pro-kremlin-propagandists/ (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 9 So unter anderem von der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaitė: „Wir sorgen uns wegen dieses Manövers. […] Es ist eine offene Vorbereitung für einen Krieg mit dem Westen“ (We are anxious about this drill ... it is an open preparation for war with the West), Lithuanian defense official warns Russian war games 'could prepare bases' for attack at West, Washington Examiner am 17. September 2017, http://www.washingtonexaminer.com/lithuanian-defense-official-warns-russian-war-games-could-preparebases -for-attack-at-west/article/2634711 (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Ebenso äußerte sich der litauische Außenminister Linas Linkevičius, Litauen sieht konkrete Bedrohung durch Russland, WAZ am 21. Dezember 2017, http://www.waz-online.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Litauen-sieht-konkrete- Bedrohung-durch-Russland (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Die deutsche Boulevardzeitung BILD berichtete im Dezember 2017 unter Berufung auf Quellen eines westlichen Geheimdienstes detailliert über das Manöver Zapad 2017 und dessen eigentlichen Zweck, einen Angriff auf die NATO zu üben, wobei die baltischen Staaten als erste besetzt werden würden: Julian Röpcke, Russland trainierte Krieg gegen die Nato in Europa, BILD am 19. Dezember 2017, http://www.bild.de/politik/ausland/headlines/sapad-2017-nato-54240962.bild.html (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Die Darstellung von BILD wurde im Januar 2018 im Wesentlichen vom Befehlshaber der estnischen Streitkräfte, General Riho Terras, bestätigt: Russland simulierte einen Großangriff auf die NATO, BILD am 5. Januar 2018. 10 Birgit Johannsmeier, Angst vor dem unberechenbaren Nachbarn, Deutschlandfunk am 22. September 2014, http://www.deutschlandfunk.de/russland-und-estland-angst-vor-dem-unberechenbarennachbarn .795.de.html?dram:article_id=298220 (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 7 Russland ausgeht. Dies hat unter anderem auch zur Wiedereinführung der Wehrpflicht in Litauen11 sowie zur Bildung von Bürgermilizen geführt.12 Umso mehr Unverständnis bringt man in den baltischen Staaten russlandfreundlichen Positionen bei den westeuropäischen Verbündeten entgegen. Insbesondere Deutschland wurde und wird wegen seiner Haltung gegenüber Russland kritisiert. Die auf einer Baltikumsreise im Jahre 2015 ausgesprochene Warnung des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier vor „Säbelrasseln“ in Bezug auf Russland wurde unter anderem von seinem estnischen Amtskollegen scharf kritisiert.13 Deutschland wurde Naivität gegenüber russischen Aggressionen und Gleichgültigkeit gegenüber den Sorgen der baltischen Staaten vorgeworfen. Beim abermaligen Besuch in Lettland im Mai 2016 äußerte Steinmeier dann deutliches Verständnis für die baltischen Staaten und bezog sich auch ganz explizit auf (russische) Propaganda.14 3. Soft Power Der Begriff Soft Power wurde im Jahre 1990 durch den amerikanischen Politologen Joseph S. Nye eingeführt und hat sich seither in der wissenschaftlichen Befassung mit internationalen Beziehungen fest etabliert.15 Nye unterscheidet zwei Arten der Machtausübung internationaler Akteure (d.h. in der Regel Staaten oder Staatenbünde). Zum einen hard power, die dem klassischen Modell internationaler Macht entspricht, d.h. sich in der potentiellen sowie tatsächlichen Ausübung militärischer und/oder ökonomischer Beeinflussung anderer internationaler Akteure ausdrückt. Zum anderen 11 Benas Gerdziunas, NATO in Baltics learns from Ukraine's mistakes, DW am 2. August 2017, http://www.dw.com/en/nato-in-baltics-learns-from-ukraines-mistakes/a-39931895 (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 12 Carsten Schmiester, Angst der Balten vor Russland: Schwieriger Nachbar im Osten, Deutschlandfunk am 9. Juli 2017, http://www.deutschlandfunk.de/angst-der-balten-vor-russland-schwieriger-nachbar-imosten .724.de.html?dram:article_id=390589 (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 13 So kommentierte der Präsident Estlands, Toomas Hendrik Ilves, die Äußerungen von Bundespräsident Steinmeier mit „Allermindestens Naivität", Spiegel Online am 23. Juni 2016, http://www.spiegel.de/politik/ausland/frank-walter-steinmeier-estlands-praesident-ilves-kritisiert-natoaesserungen -a-1099465.html (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Siehe auch den Kommentar von Claudia von Salzen, Erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber Osteuropa, 9. Juli 2016, http://www.tagesspiegel.de/politik/nato-treffen-in-warschau-erschreckende-gleichgueltigkeitgegenueber -osteuropa/13853756.html (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 14 Daniel Friedrich Sturm, So hilft Deutschland im Kampf gegen Kreml-Propaganda, Welt online am 27. Mai 2016, https://www.welt.de/politik/deutschland/article155749415/So-hilft-Deutschland-im-Kampf-gegen-Kreml- Propaganda.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 15 Alle Informationen und Zitate dieses Abschnittes entstammen, sofern nicht anders vermerkt: Huberta von Voss-Wittig, Aktueller Begriff – Soft Power, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Nr. 45/06 (3. November 2006), https://www.bundestag.de/blob/189706/8c40cb75069889f8829a5a0db838da1f/soft_powerdata .pdf (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 8 soft power, die nicht auf potentiellen oder tatsächlichen Zwangsmitteln basiert, sich auf anderen Ebenen manifestiert und deren Instrumentarium breiter und komplexer ist als das der hard power. Soft Power beruht im Wesentlichen auf der „Überzeugungs- und Anziehungskraft der Akteure, die ihnen aus Sicht anderer Glaubwürdigkeit verleiht.“ Dabei stehen Soft Power sowohl aktive als auch passive Mittel zur Verfügung. Aktive Mittel sind z.B. „ein am Dialog orientierter Einsatz der Diplomatie, das Werben für die eigenen Werte und politischen Strukturen (Public Diplomacy) sowie eine in verschiedenen Politikbereichen mögliche, langfristige Investition in die Stabilität zwischenstaatlicher oder internationaler Beziehungen (z.B. durch Entwicklungshilfe, Menschenrechts-, Kultur-, und Wissenschaftspolitik).“ Passive Mittel sind in erster Linie die „Strahlkraft politischer, wirtschaftlicher, kultureller, mitunter auch sportlicher Leistungen“ sowie der Maßstabscharakter des eigenen Handelns. Eine Besonderheit von Soft Power ist, dass sie nicht nur von staatlichen, sondern auch von zivilgesellschaftlichen Akteuren, Unternehmen und kulturellen Einrichtungen ausgeübt werden kann. Bezogen auf die USA charakterisiert Joseph S. Nye die Reichweite amerikanischer Soft Power somit als „von Harvard bis Hollywood.“ Soft Power ist für die internationale Machtausübung einer Mittelmacht wie der Bundesrepublik meist bedeutender als für eine Großmacht. Zahlreiche Politikwissenschaftler kommen seit Jahren immer wieder zum Schluss, dass Deutschland seine ihm durch seine Soft Power zur Verfügung stehenden Machtmittel nicht voll ausschöpfe. Als Beispiel für den international gewichtigsten Akteur, der sich vor allem auf Soft Power verlässt, wird in der Literatur oft die Europäische Union genannt. Anders als z.B. die USA verfügt die EU nicht oder nur begrenzt über jene hard power, die aus überragender militärischer Stärke resultiert. Vielmehr verlassen sich zahlreiche EU-Staaten primär auf ihre Mitgliedschaft in der NATO, um so ihre Verteidigungsfähigkeiten im Bündnis mit militärisch stärkeren Partnern, vor allem den USA, zu stärken. Der wirtschaftliche Erfolg der EU, ihr supranationales Rechtssystem, ihre friedenssichernde Wirkung und ihr hoher Lebensstandard haben jedoch eine hohe Strahlkraft, also Soft Power. Man könnte auch argumentieren, dass gerade ihr Mangel an militärischer Stärke die Soft Power der EU verstärkt. 3.1. Schwächen von Soft Power Anders als hard power unterliegt Soft Power Einflüssen, die sich mitunter schwer kontrollieren lassen und die sie langfristig schwächen können. So hat z.B. die Existenz des Gefangenenlagers Guantánamo zu einem deutlichen Ansehensverlust Amerikas geführt, und dies nicht nur in der islamischen Welt. Die Ausübung von Soft Power ist überdies prekärer und aufwendiger. Soft Power ist, wie das Beispiel Guantánamo zeigt, verletzlich. Sie ist dabei aber nicht nur durch eigenes Handeln verwundbar, sondern kann auch von äußeren Akteuren angegriffen werden. Ein in der Propaganda autoritärer Staaten wie Russland oft geäußerter Vorwurf an die westlichen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 9 Staaten ist oft „Heuchelei.“16 Westliche Demokratien seien „in Wahrheit auch nicht besser.“ Dieser Vorwurf zielt darauf ab, die Soft Power westlicher Staaten zu unterhöhlen und insbesondere die Strahlkraft ihrer objektiv deutlich größeren bürgerlichen Freiheiten und den weitaus besseren Schutz von Bürger- und Menschenrechten zu schwächen. Gemäß der russischen Propaganda17 ist z.B. die Liberalität westlicher Demokratien nichts Positives, sondern vielmehr der Grund für eine angebliche politische und gesellschaftliche Schwäche dieser Staaten.18 Bekannt wurde z.B. die Charakterisierung der Europäischen Union durch russische Spitzenpolitiker als „Gayropa“, d.h. als dekadente und degenerierte Gesellschaft im Niedergang (im Gegensatz zum illiberalen, autoritären und deswegen mächtigen Russland).19 Auch die gesetzliche Brandmarkung ausländischer zivilgesellschaftlicher Organisationen als „ausländische Agenten“ oder die Verbreitung von Verschwörungstheorien über ihre Arbeit ist ein propagandistischer Angriff auf die Soft Power westlicher Demokratien.20 Die Soft Power westlicher Staaten wird darin umgedeutet zu faktischer hard power; das Engagement einer westlichen Menschenrechtsorganisation oder politischen Stiftung in Russland oder anderswo somit gleichgesetzt mit einer Art militärischen Operation. Die Ereignisse in der Ukraine sind in der russischen Darstellung keineswegs dem Wunsch der Ukrainer nach Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Öffnung nach Westen und dem Wunsch nach Loslösung von einem als übermächtig empfundenen Russland geschuldet, sondern ein Putsch, der auf Betreiben 16 Siehe als Beispiel den Kommentar von Danielle Ryan, EU resolution on 'Russian propaganda' is attack on media freedom & stinks of hypocrisy, RT am 24. November 2016, https://www.rt.com/op-edge/368077-eu-parliamentrt -resolution/ (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Ryans gesamter Kommentar zu einer Resolution des Europäischen Parlamentes zu russischer Staatspropaganda basiert letztlich auf dem Vorwurf, „Brüssel“ mache es „auch nicht anders.“ Inwieweit dies russische Auslandspropaganda gegen den Westen inhaltlich oder moralisch besser mache, sagt sie nicht und legt auch nicht dar, inwieweit Russland über eine ebenso freie oder gar freiere Presse als westliche Demokratien verfüge. Sie verweist vage auf „alternative Quellen“ russischer Medien, was impliziert, dass westliche Medien staatliche Propagandaorgane seien – was logischerweise wieder nichts anderes bedeutet, als dass der Westen auch nicht anders handle als Russland. 17 In diesem Falle vor allem der Inlandspropaganda, wobei jedoch zumindest der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sich ausdrücklich dem russischen Modell der „illberalen Demokratie“ anschloss (Quelle: siehe die folgende Fußnote). 18 Siehe Antoaneta Dimitrova, Matthew Frear, Honorata Mazepus, Dimiter Toshkov, Maxim Boroda, Tatsiana Chulitskaya, Oleg Grytsenko, Igor Munteanu, Tatiana Parvan und Ina Ramasheuskaya, The Elements of Russia’s Soft Power: Channels, Tools, and Actors Promoting Russian Influence in the Eastern Partnership Countries, S. 10–11, EU-STRAT Working Paper No. 04, Juli 2017, http://eu-strat.eu/wp-content/uploads/2017/07/WP4.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). 19 Oleg Riabov und Tatiana Riabova, The decline of Gayropa? How Russia intends to save the world, Eurozine am 5. Februar 2017, http://www.eurozine.com/the-decline-of-gayropa/ (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Die Autoren weisen nach, wie wirksam die seit etwa Mitte der 2000er verfolgte propagandistische Abgrenzung zwischen Europa und Russland in Russland ist: so bezeichnen sich etwa heutzutage deutlich weniger Russen als zu Europa zugehörig als noch vor zehn Jahren. Dies liege vor allem auch an der propagandistischen Identifikation westlicher Demokratie mit „Unsittlichkeit“ und „moralischem Verfall.“ 20 Antoaneta Dimitrova, Matthew Frear, Honorata Mazepus, Dimiter Toshkov, Maxim Boroda, Tatsiana Chulitskaya, Oleg Grytsenko, Igor Munteanu, Tatiana Parvan und Ina Ramasheuskaya, The Elements of Russia’s Soft Power: Channels, Tools, and Actors Promoting Russian Influence in the Eastern Partnership Countries, S. 12, EU-STRAT Working Paper No. 04, Juli 2017, http://eu-strat.eu/wpcontent /uploads/2017/07/WP4.pdf (zuletzt abgerufen am 29. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 10 westlicher Staaten unter anderem mithilfe westlicher zivilgesellschaftlicher Akteure geplant und durchgeführt wurde. Soft Power ist also angreifbar und kann sich nicht allein auf ihre passiven Mittel verlassen, sondern muss aktiv erhalten und ausgebaut werden. 3.2. Verteidigung von Soft Power gegen Desinformation und Propaganda Die Effektivität von Desinformation und Propaganda, wie sie Russland insbesondere unter den russischsprachigen Minderheiten der baltischen Länder verbreitet, lässt sich abschwächen. Ein Strategiepapier von Jean-Baptiste Jeangène Vilmer, Direktor des „Institut de recherche strategique de l’Ecole militaire“ (IRSEM), das dem französischen Verteidigungsministeriums untersteht, befasst sich mit der Frage, wie russischer Desinformation und Propaganda entgegengetreten werden kann, ohne dabei bloß Gegenpropaganda einzusetzen. Vilmer identifiziert insgesamt 25 Punkte.21 Dabei sind die im Rahmen dieser Arbeit relevantesten: 1) Keine Dämonisierung Russlands. 2) Ein Bewusstsein für die Relevanz des Themas schaffen. 3) Anerkenntnis der Tatsache, dass eine rein staatliche Antwort auf Desinformation und Propaganda nicht ausreicht, weil sie immer als interessensgeleitet wahrgenommen werden wird. Die Zivilgesellschaft muss eingebunden werden. 4) Anerkenntnis der begrenzten Wirksamkeit von bloßer Enttarnung von Falschmeldungen. Die Wahrheit darzulegen, reicht nicht aus. Dies ist besonders wichtig, weil das Ziel der russischen Desinformation nicht ist, die „russische Sichtweise“ darzustellen, sondern das ganze Konzept, dass eine objektive Wahrheit existiert und somit wahrhaftiger Journalismus möglich ist, zu unterminieren.22 5) Entwicklung von Programmen zur Stärkung der Medienkompetenz von Bürgern. 6) Förderung eines allgemein geteilten journalistischen Ethos. 7) Aufdeckung der verschiedenen Propagandamethoden. Aufklärung der Bürger über diese Methoden, damit sie sie auch in anderen Kontexten entdecken können. 21 Jean-Baptiste Jeangène Vilmer, La lutte contre la désinformation russe : contrer la propagande sans faire de contre-propagande ?, Revue Défense Nationale n° 801, Juni 2017, http://www.jbjv.com/IMG/pdf/JBJV_2017_- _La_Lutte_contre_la_desinformation_russe.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). 22 Vilmer zitiert neben anderen russischen Quellen, die dies belegen, den russischen General Nikolaj Bordjuscha, der 2014 auf der Internationalen Moskauer Sicherheitskonferenz bemerkte: „Im Informationskrieg verliert die Seite, die die Wahrheit sagt.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 11 8) Verteidigung europäischer Werte und Entwicklung eines positiven Narrativs über die Europäische Union. Wie unten gezeigt wird, bilden diese Punkte tatsächlich wichtige Komponenten deutschen Soft- Power-Einsatzes im Baltikum seit 2014. 4. Grundzüge der Politik Deutschland gegenüber den baltischen Staaten vor 2014 In diesem Abschnitt werden kurz die Grundzüge der Politik der Bundesrepublik gegenüber den baltischen Staaten bis 2014 dargelegt.23 Diese haben sich seither nicht unbedingt deutlich geändert, doch wurden sie, wie im folgenden Abschnitt dargelegt werden wird, ergänzt und als Reaktion auf die Geschehnisse von 2014 modifiziert. Etwa bis 2014 orientierte sich die Politik Deutschlands gegenüber Estland, Lettland und Litauen in erster Linie an den Wirtschaftsbeziehungen sowie der Integration der drei Länder in die EU und in die NATO. Während die baltischen Republiken für Deutschland ein relativ unbedeutender Handelspartner blieben, ist umgekehrt Deutschland ein sehr wichtiger Wirtschaftspartner für das Baltikum. Deutschland betrachtet die Einbeziehung der baltischen Länder in den europäischen Energiemarkt als vorrangig. Dies schließt konstruktive Beziehungen zu Russland, das der Hauptenergielieferant Deutschlands ist, mit ein. Etwaigen Antagonismen zwischen den baltischen Staaten und Russland begegnete Deutschland in der Regel mit einem moderierenden Ansatz, sofern es überhaupt eine relevante Position im baltisch-russischen Verhältnis bezog. Sicherheitsbedenken der baltischen Staaten wurden zwar ernstgenommen, doch wurde eine Kommentierung eher der NATO und der EU im Rahmen ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik überlassen, als dass sich die Bundesrepublik hierzu selbst positionierte. Im Kontext der North-Stream-Pipeline, eines Kernstücks europäischrussischer Energiekooperation, vertrat die Bundesregierung primär die Auffassung, dass Sicherheitsbedenken der baltischen Staaten sowie Polens vor allem auf mangelnde Information zurückzuführen seien und der Nutzen des Projektes für die vier Länder etwaige Risiken weit übersteige. In den Plenardebatten des Bundestages waren die baltischen Staaten vor 2014 nur selten Thema.24 Sie wurden primär im regionalen oder europäischen Kontext erwähnt, insbesondere in Debatten zur North-Stream-Pipeline. Dabei wurden ihre diesbezüglichen Sicherheitsbedenken jedoch so gut wie nie thematisiert, stattdessen rekurrierte die Debatte auf die energiepolitische Einbindung der baltischen Staaten sowie etwaige ökologische Folgen der Pipeline. Dies spiegelt (laut Mikko von Bremen) die grundsätzliche Haltung Deutschlands gegenüber dem Baltikum 23 Alle Informationen dieses Abschnittes, sofern nicht anders vermerkt: Mikko von Bremen, Germany’s changing Baltic Policy: Competing norms in German foreign policy in light of the Ukraine crisis, S. 34 – 39, Universität Tartu 2017, https://dspace.ut.ee/bitstream/handle/10062/55337/bremen_mikko_ma_2017.pdf?sequence=1&isAllowed=y (zuletzt abgerufen am 12.Februar 2018). 24 Alle Informationen dieses Abschnittes: Mikko von Bremen, S. 52 – 58 (Anm. 23). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 12 wider, nämlich, es stets im Kontext der deutschen Ostpolitik sowie im Zusammenhang regionaler und europäischer Kooperation, eingeschlossen der Kooperation mit Russland, zu betrachten. Von einer eigenen „Baltikumspolitik“ der Bundesrepublik konnte keine Rede sein. Selbst in parlamentarischen Debatten und Redebeiträgen von Regierungsmitgliedern um die Luftraumüberwachung und -sicherung (air policing) der NATO im Ostseeraum wurden Estland, Lettland und Litauen nur selten und am Rande erwähnt. 5. Veränderungen der Politik Deutschlands sowie anderer deutscher Soft-Power-Akteure im Baltikum nach 2014 Seit 2014 befasst sich die deutsche Politik gegenüber den baltischen Staaten deutlich intensiver mit deren Sorge vor Russland. In den parlamentarischen Debattenbeiträgen von Vertretern von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen lässt sich ein erhöhtes Interesse an und Verständnis für diese Sorgen nachweisen. In drei Gemeinsamen Erklärungen mit den Außenministern der baltischen Staaten nahm der damalige Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier im April 2015 deren Wunsch nach Unterstützung von resilienzbildenden, also die politische, militärische und soziokulturelle Widerstandskraft stärkenden, Maßnahmen auf.25 Diese decken insbesondere die Themenfelder Medien und Kommunikation sowie Zivilgesellschaft ab. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte bei den jährlichen 3+1-Gesprächen mit seinen baltischen Amtskollegen am 13. September 2016 weitere Unterstützung zu; alle vier Minister veröffentlichten eine Gemeinsame Erklärung, in der sie die Vertiefung der Zusammenarbeit insbesondere auf den Gebieten Medien und Kommunikation ankündigten und das bisherige gemeinsame Engagement bekräftigten.26 Auch bei seinen Besuchen im März 2017 versicherte 25 Gemeinsame Erklärung des Ministers für auswärtige Angelegenheiten der Republik Litauen, Linas Linkevičius, und des Bundesministers des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Frank-Walter Steinmeier in Wilna [sic] am 16. April 2015, Auswärtiges Amt, https://www.auswaertigesamt .de/blob/270918/135a48f4180a72418757301eb08c7d3d/150416-bm-erklaerung-litauen-data.pdf (zuletzt abgerufen am, 12. Februar 2018); Gemeinsame Erklärung des Ministers für auswärtige Angelegenheiten der Republik Lettland, Edgars Rinkēvičs, und des Bundesministers des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier in Riga am 17. April 2015, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Riga, http://www.riga.diplo.de/contentblob/4825036/Daten/6347237/Kopie_von_2016GemeinsameErklrungRinkevics Steinmeier.pdf (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018); Gemeinsame Erklärung der Ministerin für auswärtige Angelegenheiten der Republik Estland, Keit Pentus- Rosimannus, und des Bundesministers des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier in Tallinn am 17.April 2015, Auswärtiges Amt, https://www.auswaertigesamt .de/blob/270938/c2204d6149bfe474dc53d399b847ae4e/150417-gemeinsame-erklaerung-data.pdf (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 26 Joint Statement by the Foreign Ministers of Estonia, Latvia, Lithuania and Germany, Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 13. September 2016, https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/160913-gemerklriga /283374 (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 13 Gabriel den baltischen Staaten Deutschlands Solidarität und bekräftigte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der vier Staaten beim Kampf gegen mediale Desinformationskampagnen.27 Die Themenfelder Medien und Kommunikation sowie Zivilgesellschaft sind angesichts der in der Ukraine demonstrierten Fähigkeit Russlands zur Anfachung sozialer und politischer Spannungen mittels Propaganda und Desinformation hochrelevant. Auch die die anderen Akteure deutscher Soft Power im Baltikum haben dies erkannt, wie die Ausführungen der folgenden Abschnitte verdeutlichen. Seit den Geschehnissen in der Ukraine haben sich Bundesregierung und deutsche Stiftungen verstärkt dem Aufbau von Fähigkeiten (capacity building) im Hinblick auf journalistische Qualitätssicherung, Medienkompetenz der Medienkonsumenten und medialer Transparenz gewidmet. 5.1. Auswärtiges Amt Das Programm der oben erwähnten resilienzbildenden Maßnahmen wird durch das Auswärtige Amt (AA) implementiert. Es startete 2015 und wird seit 2016 mit einem jährlichen Budget von 1 Mio. EUR aus Mitteln der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik fortgeführt. Beispielhaft sind folgende Projekte zu nennen: • Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Baltikum werden von der Deutschen Welle (DW) durch Überlassung von Sendeinhalten unterstützt.28 • In Estland wird der öffentlich-rechtliche Fernsehsender „ETV+“, der seit 2015 in russischer Sprache sendet, durch Einzelprojekte unterstützt.29 • Unterstützt wurde auch das Sommercamp „Young Media Sharks“, das 50 Jugendlichen die Möglichkeit gab, Fertigkeiten und Kompetenzen im Bereich digitale Medien auszubauen.30 27 Außenminister Gabriel in Estland: Solidarität mit baltischen Staaten, Deutsche Botschaft Tallinn, http://www.tallinn.diplo.de/Vertretung/tallinn/de/03/Deutschland__und__Estland/S-Besuch-AM-Gabriel- 2017.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 28 Daniel Friedrich Sturm (Anm. 14). 29 Deutsche Welle (DW) baut Kooperation mit Partnersendern im Baltikum aus: Vereinbarung mit ERR unterzeichnet, Deutsche Botschaft Tallinn, 15. Mai 2015, http://www.tallinn.diplo.de/Vertretung/tallinn/de/06/Presse__und___C3_96ffentlichkeitsarbeit/S-DW-ERR- Kooperation-2015.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018) sowie Benedikt Schulz, Fernsehen für die russische Minderheit, Deutschlandfunk am 18. Oktober 2017, http://www.deutschlandfunk.de/estlandfernsehen -fuer-die-russische-minderheit.2907.de.html?dram:article_id=398481 (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 30 Das Auswärtige Amt unterstützt die Young Media Sharks, Deutsche Botschaft Riga, 2016, http://www.riga.diplo.de/Vertretung/riga/de/Veranstaltungen/2016/2016AAunterst_C3_BCtztdieYoungMediaSh arks.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018) sowie Young Media Sharks 2017, http://youngmediasharks.eu/en/ (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 14 • In Riga unterstützt das AA neben den „Young Media Sharks“ auch das „Young Media House“, ein Kreativ- und Bildungszentrum für junge Medienschaffende und an Medien interessierte junge Menschen.31 • Desweiteren unterstützt das AA in Riga ein gemeinsames Projekt der Lettischen Nationalbibliothek und der Bundeszentrale für politische Bildung. Wie andere ähnliche Projekte nimmt es Bezug auf die Gemeinsame Erklärung der Außenminister Dr. Frank- Walter Steinmeier und Edgars Rinkēvičs vom 17. April 2015.32 • In Kooperation mit dem Baltic Centre for Media Excellence (BCME) in Riga wurden zahlreiche Maßnahmen im Bereich Journalistenfortbildung etabliert, insbesondere Fortbildungen zu „multiplatform media production skills“ und zu journalistischen Standards sowie regionale Medienforen. Die DW-Akademie ist enger Partner des BCME.33 • In Litauen wurden innovative zivilgesellschaftliche Projekte konzipiert und umgesetzt. Insbesondere wurden mit der Pädagogischen Hochschule Seminare für Lehrer und Schüler zu „Media Literacy“ sowie mit der litauischen NGO „Center for Citizenship, Democracy and Legal Programs“ ein umfangreiches Programmpaket zur Förderung des kritischen Denkens und des Zusammenhalts der verschiedenen Sprachgemeinschaften in Litauen aufgelegt.34 • In der deutschen Botschaft Riga ist seit 2016 eine russischsprachige Social-Media- Fachkraft tätig, um die Kommunikation mit der russischsprachigen Bevölkerung zu verbessern. 5.2. Deutsche Stiftungen Die politischen, parteinahen Stiftungen können trotz ihres Nichtregierungsstatus als Akteure der deutschen Außenpolitik betrachtet werden und sind deshalb auch im Rahmen dieser Arbeit bezüglich ihres Engagements im Baltikum zu berücksichtigen. Überdies sind gerade sie als Mittler zwischen deutscher Politik und zivilgesellschaftlichem Engagement Paradebeispiele deutscher Soft Power. 31 Das Young Media House ist GEÖFFNET!, Deutsche Botschaft Riga, 2017, http://www.riga.diplo.de/Vertretung/riga/de/Veranstaltungen/2017/2017YoungMediaHousegeoeffnet.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 32 Deutschland unterstützt politische Bildung in Lettland, Deutsche Botschaft Riga, 2018, http://www.riga.diplo.de/Vertretung/riga/de/Veranstaltungen/2018/2018DunterstuetztpolitischeBildungin_20L ettland.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 33 Das Auswärtige Amt unterstützt Baltic Centre for Media Excellence, Deutsche Botschaft Riga, 2016, http://www.riga.diplo.de/Vertretung/riga/de/Veranstaltungen/2016/2016BCME.html (zuletzt abgerufen am 12. Februar 2018). 34 Miteinander – Media Literacy, Litauischer Deutschlehrerverband, Dezember 2017, https://ldv.lt/images/PDF/Miteinander/2017_Herbst/vokieciu_miteinander_priedas_2_int.pdf sowie http://www.lduk.lt/apie-lduk/?lang=en Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 15 Durch ihre selbstständige Arbeitsweise sind die Stiftungen zwar formal unabhängig, ein Großteil der verwalteten Gelder stammt jedoch aus staatlichen Zuwendungen.35 Die außen- und entwicklungspolitische Arbeit der Stiftungen wird hauptsächlich vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und vom AA finanziert. Die konkreten Projekte der Stiftungen erhalten die Zustimmung und die finanzielle Förderung erst nach Absprache mit der jeweiligen Botschaft und nach Prüfung möglicher außenpolitischer Bedenken, sodass der Staat Einfluss auf die projektbezogene Stiftungsarbeit hat.36 Die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung sind die größten politischen Stiftungen in Deutschland37 und in allen drei baltischen Ländern mit jeweils einer Außenstelle vertreten. Im Folgenden werden ihre für das Thema dieser Arbeit relevanten Aktivitäten in der Region ab 2014 dokumentiert. 5.2.1. Konrad-Adenauer-Stiftung Die der CDU nahestehende Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist im Baltikum mit einem Regionalbüro in Riga sowie einem Verbindungsbüro in Vilnius und einem Länderbüro in Tallinn vertreten. Die Aufgaben der Stiftung liegen laut Eigenangabe unter anderem in der Aus- und Fortbildung politischer Funktionsträger, in der Bereitstellung von Informationen zur NATO und EU sowie der Unterstützung demokratischer Strukturen. Darüber hinaus werden politische und zivilgesellschaftliche Partnern vor Ort gestärkt.38 Seit der Krimkrise und der damit einhergehenden Sorge vor Russlands aggressiver Politik gegenüber den ehemaligen Sowjetstaaten39 hat die KAS dieses Thema ebenfalls in ihre Arbeit vor Ort aufgenommen. Im Bereich Medienkompetenz wurden beispielsweise ein Informationspapier zum Thema „Digitale Desinformation“40 herausgegeben und folgende länderspezifische Veranstaltungen insbesondere in Estland und Lettland organisiert: • Gesprächsrunden, die ganz spezifisch auf die russische Desinformationskampagne hinweisen und Strategien entwickeln, diesen zu begegnen: „Russische Propaganda in den 35 Deutscher Bundestag, Status und Finanzierung von parteinahen Stiftungen, 17. März 2006, https://www.bundestag.de/blob/412424/0771c710a18a77bb41464711c32fe453/wf-iii-002-06-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 8. Februar 2018). 36 Swetlana W. Pogorelskaja, Die parteinahen Stiftungen als Akteure und Instrumente der deutschen Außenpolitik, 22. Mai 2002, http://www.bpb.de/apuz/27121/die-parteinahen-stiftungen-als-akteure-und-instrumente-derdeutschen -aussenpolitik (zuletzt abgerufen am 7. Februar 2018). 37 Das geht aus den Zahlen der finanziellen Zuwendungen und der jeweiligen Mitarbeiterzahlen hervor. Siehe hierzu: Peter Massing, Politische Stiftungen, 19. März 2015, http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/politischebildung /193401/politische-stiftungen (zuletzt abgerufen am 7. Februar 2018). 38 Konrad-Adenauer-Stiftung, Auslandsbüro Lettland, „Über uns“, http://www.kas.de/lettland/de/about/ (zuletzt abgerufen am 7. Februar 2018). 39 Carsten Schmiester (Anm.12). 40 Tim Hwang, Digitale Desinformation, 2017, http://www.kas.de/wf/doc/kas_50974-544-1-30.pdf?171206093719 (zuletzt abgerufen am 7. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 16 baltischen Staaten, Europa und der Welt. Welche Aufgaben und welches Instrument?“ (Lettland, 2017); • Diskussionen wie „News als Front Line: Kritischer Blick auf die Entwicklung und die Analyse von Nachrichten“ (Lettland 2016), „Strategisches Lügen. Werden wir mit Absicht getäuscht?" und „Der Zustand des Journalismus in den Baltischen Staaten“ in Kooperation mit dem Baltic Centre for Media Excellence (beide Lettland 2017); • Schulungen und Seminare mit den Titeln „Digital Forensics Research on Misinformation“ (Lettland 2016), „Bedeutung und Herausforderungen an die Kultur und Medienpolitik in Deutschland, Estland und in Europa“ sowie „Cyber Security“ (Estland 2014 und 2016). Weitere Diskussionen und Studienreisen, die die KAS organisiert, beschäftigen sich mit sicherheitspolitischen Fragen, die die Krimkrise aufwirft, informieren über NATO und EU, fördern junge Politiker und regen den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und dem Baltikum an. • Bei der Diskussion „Sicherheit im Ostseeraum“ kamen Experten aus dem Baltikum, Schweden und Dänemark in 2017 Berlin zusammen, um über die Sorgen auf Grund russischer Militärübungen und Angriffssimulationen zu sprechen und gemeinsame Handlungsstrategien zu entwickeln. • In Frühlings- und Sommerakademien sowie in Seminaren beschäftigten sich junge Politiker aus der Ostseeregion mit verschiedenen Themen, u.a. mit „Energie, Sicherheit und Östliche Partnerschaft“ (Lettland 2015) und „Litauen: Sicherheitspolitische Herausforderungen im 21. Jahrhundert“ (2014). • In Kooperation mit dem Skytte-Institut für Politische Forschung wurde außerdem an der Universität Tartu ein Seminar zu dem Thema „Postsowjetischer Raum zwischen der EU und Russland – Der Zustand der Krise“ angeboten (Estland 2016). Weitere Veranstaltungen sowie diverse Berichte zu selbigen sind über die jeweiligen Internetauftritte der Stiftungsbüros abrufbar. 41 41 Veranstaltungen, Konrad-Adenauer-Stiftung, Auslandsbüro Lettland, http://www.kas.de/lettland/de/events/search/?902_1_1570=&form_id=902&902_1_1571_day=1&902_1_1571_m onth=1&902_1_1571_year=2014&902_1_1572_day=7&902_1_1572_month=2&902_1_1572_year=2018 (zuletzt abgerufen am 13. Februar 2018), Veranstaltungen, Konrad-Adenauer-Stiftung, Auslandsbüro Litauen, http://www.kas.de/litauen/de/events/search/?902_1_1570=&form_id=902&902_1_1571_day=1&902_1_1571_mo nth=1&902_1_1571_year=2014&902_1_1572_day=7&902_1_1572_month=2&902_1_1572_year=2018, (zuletzt abgerufen am 13. Februar 2018), Veranstaltungen, Konrad-Adenauer-Stiftung, Auslandsbüro Estland, http://www.kas.de/estland/de/events/search/?902_1_1570=&form_id=902&902_1_1571_day=1&902_1_1571_mo nth=1&902_1_1571_year=2014&902_1_1572_day=7&902_1_1572_month=2&902_1_1572_year=2018 (zuletzt abgerufen am 13. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 17 5.2.2. Friedrich-Ebert-Stiftung Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) eröffnete zwischen 1993 und 1995 ihre Büros in Riga, Tallinn und Vilnius, um die Transformationsprozesse in den postsowjetischen baltischen Staaten zu begleiten und zu unterstützen. Nach eigenen Angaben trägt die Arbeit der FES in den baltischen Staaten dazu bei, „sozial-, wirtschafts-, umwelt-, europa- und außenpolitische Debatten durch Konferenzen, Publikationen, Fachtagungen etc. zu begleiten“. Seit 2014 werden Veranstaltungen angeboten, die sich konkret mit der Situation von Medien und Journalismus, insbesondere mit der versuchten Einflussnahme aus dem In- und Ausland, auseinandersetzen.42 • Die Veranstaltungsreihe „Propaganda and Freedom of Expression“ entwickelte die FES gemeinsam mit dem litauischen Kulturministerium, dem litauischen Journalistenverband und der „Radio and Television Commission of Lithuania“. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungsreihe, die mit einer Konferenz am 2. Februar 2016 begann, stehen die Themen Propaganda und Desinformation sowie die Frage, wie die Zivilgesellschaft in Bezug auf die Mediennutzung sensibilisiert werden kann und unabhängige Medien gestärkt werden können.43 44 • Die Seminarreihen „Unabhängige Medien und Qualität im Journalismus“ sowie „Berufliche Ethik und Medienqualität“ wurden 2016 und 2017 in Zusammenarbeit mit dem Journalistenverband Litauen organisiert. • Im Rahmen der Konferenz „Safety of Journalists“ unter der gemeinsamen Federführung von FES, dem litauischen Außenministerium, Journalistenverband, Kulturministerium und dem Büro des OSZE-Vertreters für Medienfreiheit wurde im Juli 2017 über die neuen Herausforderungen für Medienschaffende diskutiert, zum Beispiel: Propaganda, Verbreitung von Hass im Internet und der Missbrauch der Medien als Mittel zur hybriden Kriegführung.45 5.2.3. Weitere politische Stiftungen Die Hanns-Seidel-Stiftung, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Heinrich-Böll-Stiftung sind zwar mit Regionalbüros in Ost- und Mitteleuropa 42 Dies geht aus einer den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages vorliegenden Antwort auf die Anfrage bezüglich der FES-Arbeit in den baltischen Staaten im Medienbereich seit 2014 hervor. 43 Agenda der Regional Conference „Propaganda and Freedom of Expression“, 2. Februar 2016, http://www.fesbaltic .lt/wp/wp-content/uploads/Conference_Propaganda_And_Press_Freedom_AGENDA_2016-02- 02_EN.pdf?phpMyAdmin=XR%2CCvy1MoIX53YugR3PWt7k%2CU52 (zuletzt abgerufen am 7. Februar 2018). 44 Free media, journalist security and the fight against propaganda will continue to be a priority item in our political agenda, Pressemitteilung des litauischen Außenministeriums am 2. Februar 2016, https://www.urm.lt/default/en/news/linkevicius-free-media-journalist-security-and-the-fight-againstpropaganda -will-continue-to-be-a-priority-item-in-our-political-agenda- (zuletzt abgerufen am 9. Februar 2018). 45 Linas Linkevicius urged the international community to strenghten its efforts in ensuring safety of journalists, Pressemitteilung des litauischen Außenministeriums am 6. Juli 2017, https://www.urm.lt/default/en/news/linas-linkevicius-urged-the-international-community-to-strengthen-itsefforts -in-ensuring-safety-of-journalists (zuletzt abgerufen am 9. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 18 vertreten, jedoch nicht in einem der drei baltischen Länder. Zu konkreten Projekten im Baltikum liegen keine genauen Informationen vor. 5.2.4. Sonstige Stiftungen Neben den politischen Stiftungen gibt es auch deutsche unternehmensgebundene Stiftungen, Kulturstiftungen und Studienstiftungen, die im In- und Ausland aktiv sind. Nur wenige sind jedoch mit Auslandsbüros und eigenen Projekten im Baltikum vertreten. Als eine der wenigen Stiftungen, die ganz speziell die deutsch-baltischen Beziehungen fördern und sich zudem mit der Ukrainekrise auseinandersetzt, ist die Deutsch-Baltische Studienstiftung zu nennen. Die Deutsch-Baltische Studienstiftung richtet sich mit ihren Kongressen, Seminaren, Stipendien und Sommerkursen vor allem an junge Erwachsene aus Deutschland und dem Baltikum, um sie „vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Verantwortung vor der europäischen Geschichte für die Aufgaben einer friedlichen und von Kooperation geprägten Zukunft zu gewinnen“. Mit der Jugendförderung sollen auch die Weichen für eine aktive baltische Zivilgesellschaft gelegt werden. Unterstützt wird die Stiftung dabei unter anderem durch das Auswärtige Amt, das Bundesinnenministerium und das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.46 Seit 2014 hat die Stiftung auch Seminare angeboten, die sich auf die Krimkrise beziehen, etwa den Intensivkurs „Krisen- und Konfliktbewältigung in Wirtschaft, Politik und Medien“ (2015). Auch die Kontroversen über die Integration der russischsprachigen Minderheiten in Estland und Lettland, die ebenfalls seit der Annexion der Krim neue Brisanz erhielt, waren bereits Gegenstand des Seminars „Dazugehören? Umgang mit Minderheiten“ (2016). Einige weitere Aktivitäten deutscher Stiftungen, die sich thematisch mit den baltischen Staaten auseinandersetzen, sind im Folgenden kurz dargestellt. Die Körber-Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung mit Unternehmensbeteiligung. In Zusammenarbeit mit dem Ostseerat (CBSS)47 wurde 2014 der „Baltic Sea Youth Dialogue“ ins Leben gerufen. Neben ökologischen und ökonomischen Themen diskutierten die Teilnehmer auch die Integration und Identitätsfindung von jungen Europäerinnen und Europäern. Die Initiative ist Teil der EU-Strategie für die Ostseeregion und steht in enger Verbindung zum CBSS und dem Netzwerk EUSTORY, das zivilgesellschaftliche Organisationen aus mehr als 46 Deutsch-baltische Studienstiftung, Selbstverständnis und Veranstaltungen einzusehen unter: http://www.dbjw.de/ (zuletzt abgerufen am 8. Februar 2018). 47 Der Ostseerat ist eine 1992 gegründete multinationale Organisation, die insbesondere die wirtschaftliche, politische und kulturelle Kooperation zwischen den Ländern der Ostseeregion zum Ziel hat. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 007/18 Seite 19 20 europäischen Staaten verknüpft und sich insbesondere mit der europäischen Geschichte und den daraus resultierenden Fragen der Gegenwart beschäftigt.48 Die Stiftung Neue Verantwortung49 mit den Schwerpunktthemen IT, Datenökonomie und Medienwandel verfügt über ein Projekt zum Thema fake news, in dem auch die russische Desinformationskampagne untersucht wird. Ein konkreter Bezug zu den baltischen Staaten wird jedoch nicht hergestellt. Die Bertelsmann-Stiftung zum Beispiel nimmt in ihrer Arbeit auch Bezug auf die baltischen Staaten, im Vordergrund stehen hier allerdings die globalen wirtschaftlichen Dynamiken und die Rolle einzelner Staaten. Der Auftrag der Böckler-Mare-Balticum-Stiftung ist die Vermittlung der Kunst- und Kulturgeschichte der Ostseeländer, insbesondere der baltischen Staaten. Hierzu fördert die Stiftung wissenschaftliche Arbeiten, vergibt Stipendien und organisiert Tagungen.50 6. Fazit Deutschlands Politik gegenüber den baltischen Staaten wurde durch die Geschehnisse in der Ukraine seit 2014 deutlich modifiziert. Die zuvor schon bestehende Grundkonstante deutscher Ostpolitik, die Region unter ausdrücklicher Einbeziehung Russlands als Ganzes zu betrachten und die Kooperation zwischen allen Staaten insbesondere im Hinblick auf die Energiepolitik – und damit auch Deutschlands entsprechende Interessen - zu fördern, blieb zwar relativ unverändert. Dennoch hat Deutschland auf die Sorgen der baltischen Staaten vor einem hegemonial und aggressiv auftretenden Russland, das seine Interessen mittels Propaganda und Desinformation durchzusetzen versucht, reagiert. Neben der sicherheitspolitischen Komponente, die in dieser Arbeit nicht betrachtet wurde, haben unterschiedliche Akteure deutscher Soft Power – das Auswärtige Amt sowie zahlreiche Stiftungen – die Stärkung von Medienkompetenz und unabhängigem Journalismus ins Zentrum ihres Engagements im Baltikum gerückt. Eine Vielzahl von entsprechenden resilienzbildenden Maßnahmen und Projekten verdeutlicht dies. *** 48 Körber-Stiftung, Baltic Sea Youth Dialogue wird europäisches Flaggschiff-Projekt, 24. Juli 2015. https://www.koerber-stiftung.de/news-archiv/news-archiv-detailseite/baltic-sea-youth-dialogue-wirdeuropaeisches -flaggschiff-projekt-361.html (zuletzt abgerufen am 8. Februar 2018). 49 Förderer der Stiftung sind unter anderem das Auswärtige Amt, die Mercator-Stiftung, Bertelsmann- und Bosch- Stiftung. Siehe hierzu: Stiftung Neue Verantwortung, Finanzierung, https://www.stiftung-nv.de/de/finanzierung (zuletzt abgerufen am 8. Februar 2018). 50 Böckler-Mare-Baltikum-Stiftung, Die Stiftung, http://www.boeckler-mare-balticum-stiftung.de/ (zuletzt abgerufen am 8. Februar 2018).